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Tagesprotokoll - TomBlog

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<strong>Tagesprotokoll</strong><br />

Thomas Langkamp<br />

13. Tag: Freitag, 21. 03. 2008<br />

Exkursions-Etappe: Transfer von Rishikesh über New Tehri nach Srinagar (Garhwal)<br />

Controversial large dam projects in India: the case of<br />

Tehri hydro-electric project<br />

Gliederung:<br />

13. Route am 13. Tag<br />

13.1 Aufstehen und Abfahrt Richtung Tehri Dam<br />

13.2 Versunkene Dörfer und Hangrutschungen am Tehri Dam<br />

13.3 Späte Ankunft in Srinagar<br />

1. Route am 13. Tag<br />

Freitag, 21. 03. 2008<br />

Exkursions-Etappe: Transfer von Rishikesh über New Tehri nach Srinagar (Garhwal)<br />

Abb. 13.1: Route am 13. Tag [Quelle: M. KRETSCHMER 3/2008]


13.1 Aufstehen und Abfahrt Richtung Tehri Dam<br />

Die Nacht war kurz in der Luxusbungalow-Anlage mit Pool, Billiard und Ajurvedischer<br />

Massage am Gangesufer. Die Nacht war angereichert mit Mertens “Wer findet den Werwolf”<br />

auf der Terasse und Kartenspielen in Agathes und Hennings Präsidentensuite, deren Küche<br />

aufgrund fehlender Töpfe, Bestecke etc. nicht einsatzfähig war und muffelte (der von den<br />

Nicht-Raftern geplante Eintopf fiel also ins Wasser). Nicht zu vergessen die nächtliche<br />

Poolaction zweier Hartgesottener mit Fortsetzung am 29.3. (Great Super Power Mogul and<br />

his wife number 28).<br />

Beim Frühstück traf man sich in der üblichen gut gelaunten Katerstimmung und freute sich<br />

über das aus religiösen Gründen fehlende Omelette. Der Konsum von Fleisch und Alkohol<br />

sind am Ganges verpönt. Als willkommener Ersatz standen mit Peperoni-Chapati, Joghurt und<br />

kalter Koriander-Reis zur Auswahl.<br />

Als sich alle fertig gepackt an der Rezeption eingefunden hatten, organisierte Wyshi zwei<br />

Tucktucks für den Hochtransport des Gepäcks. Ich entdeckte beim Aufstieg zwei Hornvögel<br />

im Baum am Wegesrand, die Hartmut zweifelsfrei als Tukane identifizierte. Oben an der<br />

Hauptstraße angelangt, fanden wir schon wie zwei Tage zuvor keinen Bus. Der hätte nur<br />

schwerlich auf der schmalen Bergstraße drehen können und wartete so nun schon in korrekter<br />

Fahrtrichtung vor dem Bergpassabzweig Richtung Tehri Dam.<br />

13.2 Versunkene Dörfer und Hangrutschungen am Tehri Dam<br />

Gegen 13 Uhr: Nach 4 bis 5 Stunden Fahrt durch trockene Flusstäler erreichten wir den<br />

Stausee des Tehri Dams, der erst vor einigen Monaten geflutet worden war. Der Wasserstand<br />

war hier wie auch in den Flüssen sehr niedrig (s. Abb. 13.2), da der Monsun schon länger<br />

vergangen war und wir uns noch in der Zeit kurz vor Beginn der Schneeschmelze befanden.<br />

An den Steilen Hängen erkannte man gut die Grenze von vegetationslosem und<br />

vegetationsbedecktem Boden, der den Höchstwasserstand markiert. Große Hangrutschungen<br />

bringen tonnenweise Sediment in den jungen See (s. Abb. 13.2), besonders an den in den<br />

Hang geschnittenen und gesprengten Straßen vollzieht sich die Erosion rasant. Laut Dr. Udo<br />

schätzt man, dass 50 % der Erosion dennoch natürlichen und 50 % anthropogenen Ursprungs<br />

sind. Das Gestein ist rund um den See besonders brüchig und weich (viel Glimmer) und bei<br />

Nässe laut Dr. Udo sehr rutschanfällig.


Abb. 13.2: Hangrutschung am Stausee bei<br />

New Tehri [Quelle: M. KRETSCHMER 3/2008]<br />

Über 100 Dörfer hat der neue Stausee<br />

überschwemmt, deren Grundmauern noch<br />

an einigen Ufern herausragen (s. Abb.<br />

13.3). Das größte davon, Old Tehri, soll<br />

offiziell 5.000 Einwohner beherbergt haben,<br />

insgesamt sollen zwischen 40.000 (offiziell)<br />

und 100.000 (inoffiziell) Menschen umgesiedelt worden sein.<br />

Abb. 13.3: Ruinen eines bei Niedrigwasserstand des Stausees nur halb versunkenen Dorfes<br />

bei New Tehri. [Quelle: M. KRETSCHMER 3/2008]


Auch Bäume ragten noch aus dem Wasser. Wir fuhren zwischen halbherzig aufgestellten<br />

Bauzäunen entlang, welche die Sicht auf die Müllhalden versperren sollten, aber zu niedrig<br />

für uns hochaufsitzenden Busfahrer waren. Riesige Mengen verrostenden Baugeräts, viele<br />

Dutzend Bagger, Buldozer, Raupen und Walzen gaben sich ein Stelldichein mit ganzen<br />

Feldern aus Fässern, nicht verbrauchten Metallelementen, alten Bauarbeiter-<br />

Wellblechbaracken und Schuttbergen, die das Ufer säumten.<br />

Vorbei an den Zäunen und mit freiem Blick um die nächste Kurve, entdeckten wir am Hang<br />

eine neu hochgezogene Siedlung mit ca. 500 bunten Mehrfamilienhäusern – New Tehri. Beim<br />

Vergleich mit meinem 3.000 Einwohner zählendem Heimatdorf muss ich feststellen, dass<br />

New Tehri kaum größer wirkt. Es haben demnach mit Sicherheit nicht alle (minimal) 40.000<br />

umgesiedelten Menschen eine Kompensation erhalten.<br />

Wir fuhren durch New Tehri an der Staumauer vorbei, ein wenig Flussabwärts, sahen die<br />

Wasserauslässe der 4 x 250 Megawatt Turbinenhäuser und kamen über eine Brücke<br />

Flussaufwärts wieder an der Staumauer vorbei. Bei gutem Blick auf die Mauer stiegen wir für<br />

das Referat aus – die Sicherheitskräfte und „Lokal Guides“ waren laut einem am Straßenrand<br />

befragten Mann wegen dem Holifest alle schon zu Hause und konnten uns so auch nicht daran<br />

hindern, länger als die genehmigten 5 Minuten auszusteigen. Fotos von der Staumauer sind<br />

eigentlich verboten, wurden aber dennoch aufgenommen (s. Abb. 13.4).<br />

Abb. 13.4: Staumauer von vorn mit Wasserüberlauf (links im linken Bild) und Staumauer von<br />

hinten mit Wassereinlässen am Hang (rechts im rechten Bild). [Quelle: M. KRETSCHMER<br />

3/2008]


Auf unserer weiteren Fahrt durch die Bergtäler trafen wir auf eine von Kindern aufgestellte<br />

mit bunten Farben bekleckste Baumstammsperre. Sie warteten auf dankbare „Holi-Ziele“, das<br />

heißt auf Leute, die sie mit Farbbomben, -pulvern und -spritzen einsauen können. Ein weiterer<br />

Brauch des in ganz Indien gefeierten Holi-Festes sind “Free Hugs”, also freundliche<br />

Umarmungen und „Happy Holi“-Rufe bei jedem, den man begegnet. Mit einem Touristenbus<br />

schienen die Kinder an der Baumstammsperre aber nicht gerechnet zu haben, so wurde der<br />

Weg schnell freigegeben.<br />

Die waldbewachsenen Hänge durch welche wir fortan fuhren, bestanden laut Dr. Udo primär<br />

aus Eichen, die geschneitelt werden. Das heißt, die dünnen jungen Äste werden abgeschnitten<br />

und nach Auskunft von unserem Guide Wishy größtenteils im kargen Sommer als Viehfutter<br />

verwendet. Auch die langnadelige Himalaya-Kiefer (Pinus Roxpurgi) wächst hier (s. Abb.<br />

13.5), bis in eine Höhe von 1.800 Metern. Sie ist sehr feuerresistent und übersteht so die<br />

regelmäßig natürlich und anthropogen verursachten Feuer, die nur das Unterholz ausdünnen<br />

und zu frischem Graßwuchs (mehr Viehfutter) führen. Pinus Roxpurgi ist laut Dr. Udo<br />

verwandt mit der Kiefer der Kanarischen Inseln, Pinus Kanariensis. Beide werden zur<br />

Harzgewinnung genutzt.<br />

Abb. 13.5: Im Hintergrund an den Hängen gut zu erkennen: Pinus Roxpurgi [Quelle: M.<br />

KRETSCHMER 3/2008]


Mehr als 60 % der uns umgebenden Hänge waren laut Dr. Udo vom Menschen geprägte<br />

Kulturlandschaft, bestehend zum Großteil aus Terrassenanlagen (s. Abb. 13.6).<br />

Abb. 13.6: Terrassen-Feldbewirtschaftung aus der Nähe mit trocknenden Strohballen an<br />

Baumstämmen (links) und die fast vollständig von Terrassen überprägten Hänge mit<br />

Strommasten vom Tehri Dam nach Delhi (rechts). [Quelle: M. KRETSCHMER 3/2008]<br />

13.3 Späte Ankunft in Srinagar<br />

18:30 Uhr: Nach Einbruch der Dunkelheit erreichten wir endlich Srinagar. Als gerade alle ihr<br />

Handgepäck auspackten, da schrie Merten durch den Bus: “Der Busfahrer! Da ist kein<br />

Busfahrer! Wir rollen rückwärts!”. Glücklicherweise hatte sich der kleine Fahrer nur zur Seite<br />

gelehnt und war so vor Mertens Blicken gefeit gewesen.<br />

Lädiert aber wohlbehalten stiegen wir aus dem Bus. Die Holi-Vorstimmung war deutlich zu<br />

spüren. Wir stürmten sogleich die Kioske, um uns mit Farbpulvern, Spritzen und Öl (zum<br />

besseren Entfernen der Farben) und Feuerwässern einzudecken. Traditionell wird in der Nacht<br />

vor Holi auch im streng religiösem Nordindien dem Alkoholkonsum gefrönt, wie wir es den<br />

meisten Einheimischen gut ansehen konnten. In den Städten ist dieses Verhalten nach<br />

Auskunft von Samson (Vorstellung erfolgt im folgenden Absatz) noch deutlich liberaler als<br />

auf dem Land. Menschen mit ernstem Alkoholproblem, bzw. Alkoholiker meinten wir ebenso<br />

gesehen zu haben. Insgesamt erschien mir dieses Problem aber versteckter als in Deutschland.<br />

Leere Schnappsflaschen wurden nicht so häufig an der Straße liegen gelassen, der „Suff“<br />

wurde öffentlich nicht zur Schau gestellt (außer am Morgen nach Holi) und auch der<br />

Schnappsverkauf erfolgte immer versteckt hinter Zeitungspapier etc., in das Flaschen<br />

eingewickelt werden.<br />

Nach dem Auspacken, dann endlich Essen fassen: Die Hotelküche konnte aufgrund der<br />

mageren Auswahl und des unkooperativen Kellners jedoch nicht alle halten und so ging eine


gute Hand voll Leute zum Restaurant gegenüber und lernte den immens freundlichen<br />

Restaurantinhaber kennen, der sich rührend um uns kümmerte. Mit bravourösem Englisch und<br />

seinem unkomplizierten Abrechnungsstil (man durfte sich am Ende selbst daran erinnern, was<br />

man gegessen hatte) beeindruckte er nicht schlecht. Als er dann auch noch ebenso<br />

unkompliziert sein eigentlich schon geschlossenes Internetcafé eigens für uns wieder<br />

eröffnete und dem Hotelpförtner einbläute, er solle nicht um 10 schon das Hoteltor schließen,<br />

waren wir alle hin und weg.<br />

Der Internetcafé-Vorraum von unserem – passend zu seiner Statur auf Samson getauften –<br />

Gastgeber eignete sich hervorragend für eine ausgelassene Tanzparty. Aus der Subwoofer-<br />

Anlage schallten uns die besten Indian-Underground-Tunes und die neuesten Bollywood-<br />

Sounds entgegen. Ivo und Samson lieferten sich einen formidablen Dance-Battle und selbst<br />

den sonst so unterkühlten Wishy hielt nichts auf dem Stuhl. Er tanzte in der Luft und am<br />

Boden und so lernten wir original-indischen Tanzstil kennen.<br />

Von Samson erfuhren wir, dass er 26 Jahre alt und noch unverheiratet ist, was für einen Inder<br />

eine mittlere Katastrophe darstellt. Bei seiner ausladenden und in die Höhe geschossenen<br />

Statur habe er es schwierig eine entsprechend große Frau zu finden, erklärte er. Arrangiert<br />

würden die Hochzeiten in der Stadt nur noch in 5 % der Fälle. Zumindest hat er sich als<br />

Angehöriger der obersten Kaste (Brahmane) aber schon ein bemerkenswertes Geschäft<br />

aufgebaut, mit Internetcafé, Restaurant etc. und fährt ein opulentes Motorrad, mit dem er auch<br />

schnell noch um 23:00 Uhr nach Hause fuhr, um noch mehr MP3-Musik von seinem<br />

Notebook zu holen. Wir bekamen dann als Dankeschön, dass wir ihm den sonst einsamen<br />

Abend versüßt hatten, auch noch die beste Musik auf 2 Cds gebrannt. Samson bekam im<br />

Gegenzug ein paar europäische Smash-Hits von Mertens USB-Stick.<br />

Gegen 0:30 konnte er unseren Hotelpförtner trotz seines höheren Kastenrangs aber nicht<br />

weiter überreden für uns geöffnet zu lassen und so gingen alle zu Bett.

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