Die Städte Indiens Entwicklung und Probleme - TomBlog
Die Städte Indiens Entwicklung und Probleme - TomBlog
Die Städte Indiens Entwicklung und Probleme - TomBlog
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Universität Hamburg 4/ Februar 2008<br />
Fachbereich 15: Geographie<br />
Vorbereitungsübung für: Große Exkursion: Mensch <strong>und</strong> Umwelt in Nordindien<br />
LV-Nr.: 15.048, WiSe 2007/2008<br />
Dozent: Prof. Udo Schickhoff - Udo.Schickhoff@t-online.de<br />
Tutoren: P. Borchardt, M. Kretschmer<br />
borchardt@geowiss.uni-hamburg.de, kretschmer@geowiss.uni-hamburg.de<br />
<strong>Die</strong> <strong>Städte</strong> <strong>Indiens</strong><br />
<strong>Entwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Probleme</strong><br />
Eine Hausarbeit von<br />
Ivo Garloff<br />
Matrikel: 5520308<br />
ivo.garloff@gmx.de<br />
Thomas Langkamp<br />
Matrikel: 5417906<br />
Langkamp@<strong>TomBlog</strong>.de<br />
1
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Einführung [Garloff ff].................................................................................3<br />
1.1 Einordnung der Arbeit.......................................................................................................... 3<br />
1.2 Überblick Bevölkerung <strong>und</strong> Urbanisierung.......................................................................... 3<br />
2 Historie [Langkamp ff] ................................................................................. 7<br />
2.1 <strong>Die</strong> frühen <strong>Städte</strong>.................................................................................................................. 7<br />
2.2 <strong>Die</strong> britische Kolonialzeit..................................................................................................... 9<br />
2.3 Wachstum <strong>und</strong> Wandel....................................................................................................... 11<br />
3 Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft............................................................................. 12<br />
3.1 <strong>Die</strong> Slums ........................................................................................................................... 12<br />
3.2 Stadtstrukturen: Metropolen, Primate Cities, Klein- <strong>und</strong> Mittelstädte............................... 13<br />
3.3 Fallbeispiele: Ahmadabad, Rourkela, Bangalore, Chandigarh [Garloff ff]....................... 15<br />
4 Fazit, Einschätzung <strong>und</strong> Ausblick der Autoren......................................... 25<br />
5. Quellen-, Abbildungsverzeichnis..............................................................26<br />
2
1. Einführung [Garloff ff]<br />
1.1 Einordnung der Arbeit<br />
Im Rahmen der Übung „Mensch <strong>und</strong> Umwelt in Nordindien“ hat die Übungsgruppe in den<br />
vorangegangenen Arbeiten bereits einiges zur Bevölkerung <strong>Indiens</strong> hören können. In dieser<br />
Arbeit soll nun ein besonderer Augenmerk auf die <strong>Städte</strong> <strong>Indiens</strong> gerichtet werden.<br />
In einem ersten Überblick sollen die Erkenntnisse zu Bevölkerungsentwicklung <strong>und</strong><br />
Urbanisierung zusammengefasst werden, auch die Definition von Stadt <strong>und</strong> Verstädterung<br />
werden erläutert. Danach wird dann tiefer in das Thema der <strong>Städte</strong>, Slums <strong>und</strong> Metropolen<br />
eingestiegen, wobei zuerst auf die historische <strong>Entwicklung</strong> eingegangen werden soll. Einige<br />
Fallbeispiele sollen dann verschiedene „typische“ indische <strong>Städte</strong> darstellen.<br />
1.2 Überblick Bevölkerung <strong>und</strong> Urbanisierung<br />
Im weltweiten Vergleich nimmt Indien vordere Ränge in Gesamtzahl der Bevölkerung,<br />
Bevölkerungsdichte <strong>und</strong> Bevölkerungswachstum ein (s. Tab. 1.1).<br />
Rang Name Berechnung 2008 Fläche (km²)<br />
Bevölkerungsdichte (je<br />
km²)<br />
1 China 1 313 552 038 9 806 391 133,9<br />
2 Indien 1 152 342 278 3 166 285 363,9<br />
3 USA 305 072 714 9 629 047 31,7<br />
4 Indonesien 227 070 492 1 904 443 119,2<br />
5 Brasilien 192 047 523 8 544 418 22,5<br />
6 Pakistan 155 360 000 880 254 176,5<br />
7 Nigeria 147 357 690 923 768 159,5<br />
8 Bangladesch 143 481 419 142 615 1 006<br />
9 Russland 141 833 475 16 894 741 8,4<br />
10 Japan 127 939 307 377 812 338,6<br />
11 Mexiko 107 236 677 1 967 138 54,51<br />
12 Philippinen 90 317 981 300 000 301,1<br />
13 Vietnam 86 240 477 332 378 259,5<br />
14 Deutschland 82 191 106 357 021 230,2<br />
15 Äthiopien 79 183 659 1 127 127 70,25<br />
Gesamt Landfläche 6 642 393 832 148 940 000 44,6<br />
Tab. 1.1: <strong>Die</strong> 15 bevölkerungsreichsten Länder der Welt von insgesamt 233 (Stadt-) Staaten; Indien liegt<br />
auf Rang 2 Deutschland auf Rang 14. Indien ist mit 363 EW/km² etwas dichter bevölkert als Japan<br />
(WORLD GAZETTEER, Jan. 08).<br />
3
Wie schon im Referat von Nils Heydorn dargestellt, ist die demographische <strong>Entwicklung</strong> der<br />
indischen Bevölkerung durch einen rasanten Anstieg der Gesamtzahl gekennzeichnet.<br />
Wachstumsraten von über 20% sind durch die Bevölkerungszählungen seit den 1960er Jahren<br />
zu erkennen (siehe Abbildung 1.1), beim Census of India 2001 (Bevölkerungszählung welche alle<br />
10 Jahre durchgeführt wird) hatte Indien die 1 Milliarden-Bevölkerungs-Grenze überschritten.<br />
Abb. 1.1: Bevölkerungswachstum in Indien in den Dekaden von 1901 bis 2001. (Quelle: STANG 2002,<br />
S.81)<br />
Gründe für dieses hohe Wachstum: sind die hohe Geburtenrate (1997: 27,2 Geburten auf 1.000<br />
Einwohner), wobei die Sterberate von diesen Zahlen weit abweicht (durch verbesserte Hygiene<br />
<strong>und</strong> medizinische Versorgung) (STANG 2001, S.81f).<br />
<strong>Die</strong> hohen Bevölkerungszuwächse (allein 21,3 % zwischen 1991 <strong>und</strong> 2001) waren in den <strong>Städte</strong>n<br />
meist noch höher, wobei besonders Binnenwanderungen bei der Bevölkerungszunahme<br />
bedeutend sind. Früher waren sie eher unbedeutend (Bindungen an Land, Kasten, Großfamilie<br />
unterdrückten, genauso wie der Mangel an Ausbildung <strong>und</strong> finanziellen Mitteln, geographische<br />
(<strong>und</strong> soziale) Mobilität). Heute, im modernen Indien, verlieren diese Gründe an Bedeutung. Oft<br />
wird ein Sohn pro Familie aus verschiedenen Gründen aus den Dörfern in die Stadt geschickt,<br />
um mit seinem Einkommen die daheim Gebliebenen zu unterstützen. Gründe dafür sind, das<br />
sich verknappende Land durch die rasch steigende Bevölkerung (wie in den überbevölkerten<br />
Gebieten Bihar <strong>und</strong> dem östlichen Uttar Pradesh). Aber auch aus landwirtschaftlichen<br />
Problemgebieten wie den Trockengebieten des Deccan oder Rhajastans strömen größere<br />
Bevölkerungsgruppen in die <strong>Städte</strong> ab.<br />
Auch wenn es in den <strong>Städte</strong>n für die Heerscharen von ungelernten Arbeitern kaum sichere<br />
4
Arbeitsplätze gibt, zieht es die Menschen dorthin. Zuerst finden die Wanderung aus der<br />
Umgebung der <strong>Städte</strong> statt, erst danach folgt sie aus größeren Entfernungen. Besonders <strong>Städte</strong><br />
wie die großen Hafenstädte der kolonialen Zeit (z.B. Bombay, Calcutta oder Ahmabad, siehe 3.3)<br />
oder die in den aufstrebenden Bergbau- <strong>und</strong> Industrieregionen können <strong>und</strong> konnten erhebliche<br />
Zuwanderungen (auch über große Entfernungen) verzeichnen.<br />
Insgesamt ist die Verstädterung <strong>Indiens</strong> im weltweiten Vergleich auffällig niedrig (sie lag 2007<br />
bei 28%), womit sie vergleichbar mit Staaten wie Tadschikistan oder dem Jemen war.<br />
Industriestaaten weisen hierbei Verstädterungsraten von über 70 % auf (Europa gesamt: 72%,<br />
Deutschland 75%, USA 79%), viele vergleichbare <strong>Entwicklung</strong>sländer haben auch höhere Zahlen<br />
(z.B. China mit 44%). (DSW 2007, S. 10ff)<br />
<strong>Die</strong> Verstädterung ist hier als der „Anteil der Gesamtbevölkerung“ definiert, der in Gebieten<br />
lebt, die in dem jeweiligen Land als „<strong>Städte</strong>“ bezeichnet werden. Gr<strong>und</strong>sätzlich wird eine<br />
Bevölkerung, die in <strong>Städte</strong>n mit mindestens 2.000 Einwohnern, in der Hauptstadt eines Landes<br />
oder in einer Provinzhauptstadt lebt, als „städtisch“ bezeichnet.“ (DSW 2007, S.15)<br />
Nach dem indischen Census wird eine Siedlung als Stadt definiert, wenn sie<br />
1. über eine entsprechende Verwaltung verfügt,<br />
2. mindestens 5.000 Einwohner (EW) aufweist,<br />
3. 75% der erwerbstätigen Männer außerhalb der Landwirtschaft tätig sind,<br />
4. die Bevölkerungsdichte min. 400 Einwohner pro Quadratkilometer beträgt.<br />
<strong>Städte</strong> werden danach in verschiedene Typen eingeteilt, wobei Ortschaften mit über 100.000<br />
Einwohnern als „Cities“ zählen. Das ist z.B. ein Problem für die Definition des Census von 1881.<br />
Zu dieser Zeit nahmen <strong>Städte</strong> dieser Größe noch eine ganz andere Bedeutung ein.<br />
Eine modernere Definition nach STANG (2002, S.95) bietet die Klassifikation nach der „National<br />
Commission on Urbanisation“, welche kleinere <strong>Städte</strong> in die Gruppen T1 (20.000 – 50.000 EW)<br />
<strong>und</strong> T2 (50.000 – 100.000 EW) unterteilt, sowie größere (die „Cities“) in sechs Gruppen aufteilt<br />
(z.B. C1 mit 100.000 bis 500.000 EW oder die höchste Klasse C6 mit über 10 Mio. EW).<br />
Insgesamt hat Indien mehr als 71 <strong>Städte</strong> mit über 500.000 Einwohnern, daraus allein 36 mit<br />
über 1 Mio. (ein rasantes Wachstum, nach STANG (2002) waren es 1971 noch 9, 1981 erst 12 <strong>und</strong><br />
1991 24 <strong>Städte</strong> dieser Größenkategorie). <strong>Die</strong> größten <strong>Städte</strong> sind Mumbai (ca. 17,5 Mio. EW im<br />
Ballungsraum), Delhi (ca. 16,5 Mio. EW) <strong>und</strong> Calcutta (ca. 13,5 Mio.) (Daten des Census 2001,<br />
alle für den gesamten Ballungsraum, welcher meist über die Stadtgrenzen hinaus geht, s. 3.2).<br />
5
Nach Berechnung des World Gazetteers sind diese Zahlen 2008 schon so weit angestiegen, dass<br />
Mumbais Ballungsraum inzwischen über 20, der von Delhi über 18 <strong>und</strong> der Calcuttas über 15<br />
Mio. EW hat (s. Tab. 3.1 <strong>und</strong> 3.2).<br />
Der Anteil der städtischen Bevölkerung, der in <strong>Städte</strong>n von über 100.000 Einwohnern lebt<br />
(„Cities“), betrug 1991 65%, 1901 waren es noch 26%. <strong>Die</strong> Bevölkerung in <strong>Städte</strong>n unter 100.000<br />
Einwohnern sank dagegen erheblich, sie verlieren aufgr<strong>und</strong> von wenigen industriellen<br />
Arbeitsplätzen, geringeren Ausbildungsmöglichkeiten wie auch einer konservativeren<br />
Sozialstruktur im Kastenwesen (welche einen sozialen Aufstieg verhindert) an Bedeutung. (<br />
STANG 2002, S.95f)<br />
Aktuell zeigen viele der <strong>Städte</strong>, besonders die Metropolen, eine so hohe Dichte, dass Zuwanderer<br />
gezwungen werden außerhalb der Stadtgrenzen Unterkunft zu suchen. Dadurch wachsen <strong>Städte</strong><br />
inzwischen besonders schnell, der Flächenverbrauch erhöht sich.<br />
6<br />
Der Verstädterungsgrad weist in<br />
Indien je nach Region aber<br />
erhebliche Unterschiede auf<br />
(siehe Abbildung 1.2). Hier bei<br />
fällt auf, dass die Urbanisierung<br />
besonders im Westen <strong>und</strong> Süden<br />
des Landes weiter voran<br />
geschritten ist, die Saaten Bihar<br />
<strong>und</strong> Assam liegen besonders weit<br />
unter dem Landesdurchschnitt.<br />
Abb. 1.2: Verstädterungsgrad in<br />
den großen B<strong>und</strong>esstaaten. (Quelle:<br />
STANG 2002, S. 96)
2 Historie [Langkamp ff.]<br />
2.1 <strong>Die</strong> frühen <strong>Städte</strong><br />
Indien hat eine vergleichsweise lange Geschichte des <strong>Städte</strong>wesens. <strong>Die</strong> Anfänge des <strong>Städte</strong>baus<br />
legte die frühe Induskultur um 3000–1500 v. Chr. Im nordwestlichen Industal (heute Pakistan)<br />
entfaltete sich in diesem Zeitraum genauer gesagt die Kulturen der großen <strong>Städte</strong> Harappa <strong>und</strong><br />
Mohenjo-daro. <strong>Die</strong> Bauern im Umland kultivierten dort schon (Getreide-)Pflanzen,<br />
domestizierten Tiere <strong>und</strong> betrieben Ackerbau (DEUTSCHE WIKIPEDIA (D. WIKI), Artikel:<br />
Geschichte <strong>Indiens</strong>).<br />
<strong>Die</strong> <strong>Städte</strong> der Indus-Kultur waren aufwendig geplant <strong>und</strong> zeichneten sich durch ihre gute<br />
Infrastruktur aus (s. Abb. 2.1 <strong>und</strong> 2.2). In ihrem höher gelegenen Zentrum stand zumeist eine<br />
befestigte Zitadelle in welcher Adel <strong>und</strong> Klerus lebte. <strong>Die</strong> Zitadellen schmückten große Hallen<br />
<strong>und</strong> ein großes Bad, womöglich für zeremonielle Anlässe. Tempel wurden aber wahrscheinlich<br />
erst sehr viel später erbaut. <strong>Die</strong> für die Bevölkerung gedachte Unterstadt verfügte über ein in die<br />
Himmelsrichtungen ausgerichtetes, rechtwinkliges Straßen- <strong>und</strong> Kanalisationsnetz, ein für diese<br />
Zeit herausragend fortschrittliche Planungsweise, die lange nicht mehr erreicht werden sollte.<br />
<strong>Die</strong> Hauptstraßen waren 14 m breit, Nebenstraßen 3 m, die teils von mehrstöckigen Gebäuden<br />
gesäumt wurden. <strong>Die</strong> Häuser bestanden aus gebrannten Ziegeln, mit denen auch die Brunnen<br />
vermauert wurden.<br />
Abb. 2.1 <strong>und</strong> 2.2: Stätten der Indus-Kultur <strong>und</strong> der Übersichtsplan von Kalibangan (Nordwestindien) als typischer<br />
Stadt der Indus-Kultur mit zitadellenartiger Oberstadt (Westen) <strong>und</strong> Unterstadt (Osten). (D. WIKI, Artikel: Indus-Kultur)<br />
7
Erst einige Jahrh<strong>und</strong>erte nach dem Verfall entstanden durch die vedische Besiedlung (1200 –<br />
600 v. Chr.) wieder große <strong>Städte</strong>. Sie waren mit Stadtwällen- <strong>und</strong> Gräben befestigt, im Inneren<br />
lagen nach STANG (2002) eine Königsresidenz, die Ratshalle, der Basar sowie Wohnbereiche.<br />
Mit der politischen Sicherheit <strong>und</strong> Stabilität der Mauryas-Herrschaft, das um 300 v. Chr. zum<br />
ersten indischen Großreich avancierte, erlebten <strong>Städte</strong> wie Mathura, Ujjain oder Pataliputra<br />
einen Aufschwung. Pataliputra beispielsweise war laut dem Bericht des Griechen Megasthenes<br />
schon 26 km² groß, mit einem 200 m breiten Graben umgeben <strong>und</strong> mit einer hölzernen<br />
Befestigung versehen, durch die 64 Tore führten. Laut STANG (2002) gehörte Pataliputra<br />
womöglich damals zu einer der größten <strong>Städte</strong> weltweit. In <strong>Städte</strong>bauplänen um 300 v. Chr.<br />
fanden sich auch Hinweise auf eine Unterteilung der rechteckigen Stadtviertel nach dem<br />
Kastensystem der Hindus. Unklar ist, inwieweit solche Pläne umgesetzt wurden. Es folgte eine<br />
Zeit des Auf <strong>und</strong> Ab, insbesondere für die nördlichen <strong>Städte</strong>, die immer wieder in Kriege<br />
verwickelt waren. Der Süden lag geschützter, so dass sich die Hauptstädte der Deccan-Reiche,<br />
der Ostküste <strong>und</strong> der Tamilen im 9. Jhd. n. Chr. Hervorragend entwickeln konnten. (STANG<br />
2002, S. 108)<br />
Zu dieser Zeit gewannen in den <strong>Städte</strong>n im Norden, besonders in der Hauptstadt Delhi, die<br />
Muslime an Einfluss. Sie brachten Moscheen, Paläste <strong>und</strong> Festungen in das Stadtbild, ebenso<br />
wie für Hindus <strong>und</strong> Muslime getrennte Stadtviertel <strong>und</strong> Konflikte. In kleineren <strong>Städte</strong>n <strong>und</strong> auf<br />
dem Land hatte die islamische Religion während dieser gesamten Zeit jedoch kaum Einfluss. An<br />
den sich etablierenden, nach Kasten aufgeteilten Vierteln änderte der muslimische Einfluss mit<br />
seinem groß angelegten, zentralen Tempelanlagen <strong>und</strong> den umgebenden Handwerkervierteln<br />
wenig. Allein die Einmauerung einiger <strong>Städte</strong> führte zu einer zunehmenden Bevölkerungsdichte,<br />
die widrige Wohnverhältnissen mit sich brachte. (STANG 2002, S. 109f)<br />
„Der Gegensatz zwischen Arm <strong>und</strong> Reich war extrem – was bis heute das Bild der<br />
indischen <strong>Städte</strong> bestimmt.“ (STANG 2002, S. 110)<br />
Im südlichen B<strong>und</strong>esstaat <strong>Indiens</strong>, Tamil Nadu, entstanden vom 14.-16. Jhd. große Tempelstädte,<br />
unabhängig vom islamischen Einfluss. <strong>Die</strong> Expansion der Tempel <strong>und</strong> Unterordnung der <strong>Städte</strong><br />
setzte sich bis in das 17. Jhd. fort. <strong>Die</strong> Rolle des Tempels im Stadtleben wurde zunehmend<br />
dominanter, so dass sie nicht länger nur ein Teil der Stadt waren, sondern die Stadt sich ihnen<br />
formal, funktional <strong>und</strong> rituell unterordnete. Zum Erliegen kam die Bautätigkeit an den großen<br />
Tempeln erst durch die politische, wirtschaftliche <strong>und</strong> auch militärische Auseinandersetzung mit<br />
Europa, welches imperialistische Interessen verfolgte. Hinzu kamen die Kriege mit dem Marathen<strong>und</strong><br />
dem Moghul-Reich. Mit dem Abfluss des wirtschaftlichen Wohlstandes im Rahmen der<br />
britischen Besatzung zerfielen die Tempelstädte zusehends. Insgesamt gibt es über 30<br />
Tempelstädte, einige befinden sich auch in den angrenzenden B<strong>und</strong>esstaaten. (KULTUR-IN-ASIEN.DE)<br />
8
1526 bis 1857 beherrschten islamische Großmogule in Nord- <strong>und</strong> Zentralindien. Ihr Reich stellt<br />
den Höhepunkt der Moslemkultur auf dem Kontinent dar, repräsentiert durch das Taj Mahal, das<br />
Rote Fort in Agra, Humayuns Grabmal oder Fatehpur Sikri. (D. WIKI, Artikel: Geschichte <strong>Indiens</strong>).<br />
<strong>Städte</strong>baulich interessant für die Folgezeit, die vor allem durch die britische Kolonialmacht<br />
geprägt wurde (s. 2.2), war die Planung <strong>und</strong> Gründung von völlig neuen Hauptstädten, wo<br />
vorher nur ein kleines Dorf oder weniger stand. Sie erfolgten nach dem Idealstadtgedanken, der<br />
sich von Renaissance bis in die Moderne verfolgen lässt. Im Gegensatz zu den meisten<br />
Idealstadtprojekten, die Pläne blieben bauten hier ein ganzes Reich an der Neuanlage recht<br />
großer <strong>Städte</strong>. Doch nur in wenigsten Fällen konnte der neue Regierungssitz die Metropolen des<br />
bisherigen <strong>Städte</strong>systems an Bedeutung überflügeln. Beispiele für <strong>Städte</strong>neugründungen<br />
sind: Sankt Petersburg, Russland (1703), Washington D.C., USA (1790), Ottawa, Kanada<br />
(1857), Neu-Delhi, bei Delhi, damaliges Britisch-Indien (1911-1931) neue Hauptstadt anstelle<br />
Kalkuttas; Islamabad, bei Rawalpindi, Pakistan (1958) Hauptstadt seit 1963 anstatt Karatschi;<br />
Canberra, Australien (1913); Chandigarh, Punjab, Indien (1951) (s. 3.3). (D. WIKI, Artikel:<br />
Stadtbaugeschichte).<br />
2.2 <strong>Die</strong> britische Kolonialzeit<br />
In Hafenstädte wie Calcutta, Bombay <strong>und</strong> Madras brachten die Briten einen typisch<br />
europäischen Baustil <strong>und</strong> Befestigungsanlagen. Ihr Einfluss von den zuerst kleinen, im 16. Jhd.<br />
gegründeten Handelsstützpunkten breitete sich erst im 18. Jhd. bis in das Hinterland <strong>Indiens</strong><br />
aus. Zu jener Zeit eignete sich die Briten größere Machtbereiche an, um an die<br />
Steueraufkommen aus zu gelangen. <strong>Die</strong> vergrößerten Machtbereiche brachten nicht nur mehr<br />
Geld, sondern auch mehr Sicherheit, so dass sich reiche Briten luxuriöse Landsitze (Garden<br />
Houses) errichten lassen konnten. (STANG 2002, S. 110)<br />
Nach RAMACHANDRAN (1989, S. 60f) wies Indien um 1800 einen Urbanisierungsgrad von nur<br />
11% auf. Er konzentriert sich auf 16 <strong>Städte</strong> mit über 100.000 Einwohnern, davon war Varansi<br />
die größte, gefolgt von Calcutta, Surat <strong>und</strong> Patna.<br />
Für die <strong>Städte</strong> im Inland bedeutete die britische Steuerpolitik <strong>und</strong> die sich verstärkende<br />
Dominanz des reinen Außenhandels Außenhandel mit dem britischen Empire auf Kosten des<br />
indischen Binnenhandels große wirtschaftliche <strong>Probleme</strong>. <strong>Die</strong> Steuern gingen direkt an die<br />
britisch-indische Regierung, so dass kein Geld für städtebauliche <strong>und</strong> infrastrukturelle<br />
Maßnahmen vorhanden war. <strong>Die</strong> hygienischen Verhältnisse verschlechterten sich. Ehemals<br />
setzten die Mogule Gebühren auf Waren (Octroi) für die Infrastruktur der <strong>Städte</strong> ein, doch<br />
indische Händler schafften sie ab, weil für sie nur die Erträge aus der landwirtschaftlich zählten.<br />
9
Erst mit dem Ausbruch der Pest 1860 änderte sich die Einstellung der Briten. Nach den Regeln<br />
einer neuen <strong>Städte</strong>ordnung entstanden Freiflächen durch den Abriss von Mauern <strong>und</strong> das<br />
Verbreitern zu enger Gassen. Parks <strong>und</strong> Prachtbauten sollten die <strong>Städte</strong> verschönern, im<br />
Außenbereich entstanden neue Wohnviertel aufgr<strong>und</strong> des weggefallenen Wohnraums im<br />
Zentrum. Um ihren Machtbereich weiter auszudehnen, annektierten die Briten nach <strong>und</strong> nach<br />
immer mehr der 600 kleinen Fürstentümer <strong>und</strong> bezahlten die lokalen Machthaber (Rajas)<br />
sogar, jedoch nicht so gut, dass sie ihre angestammt Handwerkerschaft weiter beschäftigen<br />
konnten, zumal man immer mehr europäische Luxusgüter für modisch befand <strong>und</strong> den<br />
Produkten der eigenen Handwerker vorzog. So verfielen die <strong>Städte</strong> im Inland immer mehr,<br />
ebenso wie kleinere Hafenstädte, da die drei großen Calcutta, Bombay <strong>und</strong> Madras ihren Handel<br />
ganz auf die britische Krone zentrierten. <strong>Die</strong> so unterversorgte <strong>und</strong> verarmte Bevölkerung<br />
wanderte in die drei großen Hafenmetropolen, deren Wachstum nach mehr <strong>Die</strong>nstleistern<br />
verlangte <strong>und</strong> sie so mit Arbeit lockte. (STANG 2002, S. 110f)<br />
Das 19. Jhd. brachte Fabriken <strong>und</strong> die Eisenbahn <strong>und</strong> somit den Aufschwung für einige<br />
Binnenstädte wieder auf Kosten anderer. Der Rückgang der städtischen Bevölkerung kehrte sich für<br />
die profitierenden <strong>Städte</strong> um. Mit der Unabhängigkeit <strong>Indiens</strong> von der britischen Krone 1931 setzte<br />
gar ein rasantes Bevölkerungswachstum ein von insgesamt 279 Mio. auf heute 1,152 Mrd. EW (s.<br />
Tab. & Abb. 1.1), die Hafenstädte aber blieben in Führung. Sie waren inzwischen überprägt durch<br />
die viel Raum beanspruchende europäischen Architektur, Infrastruktur <strong>und</strong> Verwaltung. Ämter,<br />
Gerichtshof, Kirche, Kasino, Clubs, Friedhof, Pferderennbahn <strong>und</strong> Bazar, als einziges indisches<br />
Element konzentrierten sich hauptsächlich in den so genannten „Civil & Military Stations“ oder<br />
„Civil Lines“ <strong>und</strong> „Cantonments“. Sie waren geprägt von ihren breiten, baumgesäumten Alleen <strong>und</strong><br />
durch ihre isolierte Lage von der eigentlichen Stadt. <strong>Die</strong> Cantonments waren meist abgetrennt<br />
durch die Eisenbahnlinie <strong>und</strong> lagen so als „Privilegierten-Ghetto“ neben der „indischen“ Stadt, mit<br />
kleinstmöglichem Kontakt zur indischen Bevölkerung. Administration <strong>und</strong> Militär wohnten dort in<br />
vornehmen Bungalows mit Veranda <strong>und</strong> zahllosen <strong>Die</strong>nern (hohe Militärs, Politiker) bzw. Kasernen<br />
(englische Soldaten) oder kleinen Hütten (indische Soldaten: Sepoys). Zwischen 1820 <strong>und</strong> 1880<br />
entstanden außerdem die 1.500 – 3.000 m hoch, völlig neu angelegten, heute touristisch genutzten<br />
„Hill Stations“ als damalige, kühle Zufluchtsorte für die Oberen in den heißen Sommermonaten –<br />
80 an der Zahl, mit teurer Schmalspureisenbahnanbindung, Internatsschulen, Krankenhäusern <strong>und</strong><br />
Clubs. <strong>Die</strong> „indische“ Stadt mit engen Gassen <strong>und</strong> zahlreichen Geschäften im Tal neben den<br />
Cantonments legte sich um einen ebenfalls europäischen gepräten Kern. Schulen, Universitäten<br />
oder Einrichtungen wie die Post brachten westliche Kultureinflüsse in den Alltag der Inder, aber nur<br />
in den <strong>Städte</strong>n, <strong>und</strong> selbst dort überwog der Eindruck der vollständigen Separation von den<br />
fremdländischen Machthabern <strong>und</strong> hinterließ eine tiefe Kluft. So steht die indische<br />
Stadtbevölkerung noch heute im Konflikt zwischen Tradition <strong>und</strong> westlicher Orientierung. (STANG<br />
2002, S. 111ff)<br />
10
2.3 Wachstum <strong>und</strong> Wandel<br />
<strong>Die</strong> Unabhängigkeit <strong>Indiens</strong> beschleunigte die Urbanisierung dramatisch. <strong>Die</strong> Stadtbevölkerung<br />
vervielfachte sich von 62 auf 159,5 auf 217,6 Mio. EW in 1951, 1981 <strong>und</strong> 1991 (anteilig: 17,6%,<br />
23,7%, 25,7%). Das unkontrollierte Wachstum mit weiten Randgebieten traf vor allem die<br />
Metropolen im Norden aufgr<strong>und</strong> großer Flüchtlingsströme auch aus Pakistan. Das<br />
Stadtbevölkerungswachstum führte zu einer Bebauung jeglicher Freiräume innerhalb <strong>und</strong> bald<br />
auch außerhalb der zusehends an Bedeutung verlierenden Stadtmauern. <strong>Die</strong> Hauptstraßen<br />
verengen Straßengeschäfte, die wenigen Innenhöfe wurden mit Hütten verbaut oder zum<br />
Lagerraum umfunktioniert, das obere Stockwerk eines einfachen Hauses ist meist Wohnraum<br />
für eine ganze Familie, das untere Werkstatt oder Laden. <strong>Die</strong> Basare sind nach Produkten<br />
aufgeteilt, Gewürze, Stoffe, Gold/Silber etc. in den oberen Stockwerken Ärzte oder<br />
Fotokopiergeschäfte. Wer es sich leisten kann zieht von Enge <strong>und</strong> Lärm dieser Innenstadt in<br />
einen aus Beton neu hochgezogene Vorort <strong>und</strong> arbeitet im klimatisierten Büro eines neuen<br />
Wolkenkratzers im Zentrum einer Metropole, den er mit der U-Bahn erreicht. <strong>Die</strong> neu gebauten<br />
Vororte schließen häufig ehemals am Stadtrand gelegene Industrieanlagen oder<br />
landwirtschaftlich geprägte Dörfer ein. <strong>Die</strong> Bauern wurden zumeist enteignet <strong>und</strong> mussten sich<br />
von der Entschädigung eine neue Einnahmequelle suchen. Manche stockten ihre Häuser zur<br />
Vermietung auf oder kauften sich einen LKW um als Minitransportunternehmen über die<br />
R<strong>und</strong>en zu kommen. Auch die zuvor ghettoisierten Civil Lines werden zusehends von der häufig<br />
in Richtung des Hauptbahnhofs wachsenden Stadt überrollt <strong>und</strong> in sie integriert, während die<br />
Cantonments militärische Anlagen blieben. (STANG 2002, S. 113ff)<br />
Übersicht: Geschichte des Industals<br />
6500 v. Chr. (unsichere Datierung) Mehrgarh älteste entdeckte Siedlung im Industal<br />
2600 v. Chr. Hochkultur beginnt: Stadtplanung, Kanalisation<br />
1800 v. Chr. Untergang der Indus-Kultur<br />
1500 bis 600 v. Chr. Vedische Zeit<br />
500 v. Chr. Beginn der buddhistischen Gandhara-Kultur, etwa 1000 Jahre<br />
711 n. Chr. Erster islamischer Einfluss<br />
1526 bis 1761 Mogulreich, Blütezeit des Islam auf dem indischen Subkontinent<br />
1859 bis 1947 Britische Herrschaft<br />
ab 1947 Teilung in die Staaten Indien <strong>und</strong> Pakistan<br />
Tab. 2.1: Geschichte des Indus-Tals als Zeittafel (D. WIKI, Artikel: Indus-Kultur)<br />
11
3 Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft<br />
3.1 <strong>Die</strong> Slums<br />
12<br />
Abb. 3.1: Ein Slum in Mumbai (D.<br />
WIKI, Artikel: Indien)<br />
Der Großteil der Slumbewohner<br />
stammt aus verarmter oder<br />
enteigneter Landbevölkerung <strong>und</strong><br />
verdient sich in der Stadt als<br />
Lastenträger, auf Baustellen, in<br />
informellen Kleinindustrien, als<br />
Haushaltshilfe oder Straßenhändler. <strong>Die</strong> Slumgebäude ähneln ländlichen Hütten in<br />
dorfähnlicher Anordnung, in denen auch das Vieh unterkommt. Es fehlt jedoch an<br />
Organisationsstrukturen <strong>und</strong> Infrastrukturen wie Strom, Toiletten <strong>und</strong> Abwasserentsorgung.<br />
Vor politischen Wahlen gehen manche Politiker mit kleinen Verbesserungsmaßnahmen<br />
manchmal unter Beteiligung der Bewohner auf Stimmenfang. Insgesamt aber sind die Mittel zur<br />
Slumsanierung winzig <strong>und</strong> keines der verschiedenen Konzepte bisher ausgereift. Strom <strong>und</strong><br />
Wasser werden nur selten verlegt, weil die Bewohner ihn meist nicht zahlen können, wenn eine<br />
Straßenbeleuchtung gebaut wird, wird diese illegal aber geduldet angezapft.<br />
Je nach Stadt gibt es verschiedene Slumtypen. In den „Katras“ von Kanpur z.B. stehen entlang<br />
enger Gassen einräumige Reihenhütten zur Vermietung an eine Familie, teils sogar mit<br />
Hinterhof. Hydranten <strong>und</strong> Latrinen müssen unter mehreren Hütten geteilt werden. „Bustee“<br />
heißen die meist einstöckigen Lehm-, Holz-, Blech-Hütten, die auf selbst erworbenen<br />
Gr<strong>und</strong>stücken erbaut <strong>und</strong> bewohnt werden. „Squatter“-Siedlungen hingegen sind illegal<br />
errichtete Slums auf Privatgelände oder freien, öffentlichen Flächen entlang von Straßen,<br />
Kanälen oder in Überschwemmungsgebieten. Von den „Katras“ sind sie rein optisch schwer zu<br />
unterscheiden, ihre Bewohner aber zahlen keine Miete sondern zahlen Schutzgelder an eine<br />
lokal agierende Mafia oder auch an die Polizei. Das Niederreißen eines Slums lies <strong>und</strong> lässt sich<br />
selten durchsetzen <strong>und</strong> wenn doch, garantieren die Behörden den Vertriebenen neuen<br />
Wohnraum in anderen meist zu weit vom Stadtkern <strong>und</strong> damit der Arbeit entfernten Gebieten,<br />
in denen trotz einer minimalen zur Verfügung gestellten Infrastruktur bisher meist neue Slums<br />
entstanden. Oder die Gr<strong>und</strong>stücke <strong>und</strong> Wohnungen wurden (teils illegal) verkauft <strong>und</strong><br />
vermietet, an Arbeiter mit höherem Einkommen. <strong>Die</strong> Umgesiedelten zogen wieder zurück in
Slums, da Nahrung <strong>und</strong> Bekleidung vor dem Wohnbedürfnis kommen. Noch weniger als die<br />
Slumbewohner besitzen nur die Obdachlosen (Pavement Dwellers), die häufig auf den<br />
Bürgersteigen, in einer Hauseinfahrt oder unter einer Brücke schlafen. In der Innenstadt sind<br />
die Hinterhöfe <strong>und</strong> selbst die Veranden belegt. Der Zustand der innerstädtischen Gebäude wird<br />
zusehends schlechter, da die Mieten gesetzlich eingefroren wurden <strong>und</strong> die Besitzer somit keine<br />
Reparaturen zahlen. Der Mieter hingegen genießt Kündigungsschutz <strong>und</strong> das Recht auf freie<br />
Untervermietung zu selbstgewählten Mietpreisen.<br />
In Mumbai <strong>und</strong> Calcutta gibt es Slumviertel mit minimalem Komfort, die deutlich aufgeräumter<br />
<strong>und</strong> sauberer sind. <strong>Die</strong> Familie findet in maximal zwei Räumen Platz <strong>und</strong> besitzt ein<br />
bescheidenes Mobiliar z.B. aus Flüssiggasherd, Radio <strong>und</strong> manchmal einem Kühlschrank. Der<br />
Anteil der Slumbewohner in den Metropolen soll um 50% betragen, in kleineren 20%. jedoch ist<br />
die Zählung schwierig <strong>und</strong> die Grenze von Slum zur „normalen“ Siedlung fließend. <strong>Die</strong>ser große<br />
Anteil an Slums (nach indischen Maßstäben, nach europäischen Maßstäben wären es deutlich<br />
mehr) ist auch durch die Lebensweise der Inder zu erklären. Der Prestigewert einer Wohnung<br />
wird in Indien als gering eingeschätzt, weil sich das Leben aufgr<strong>und</strong> der klimatischen<br />
Verhältnisse Großteils unter freiem Himmel abspielt, selbst Nachts. Zudem gehören die<br />
Slumbewohner großteils niederen Kasten oder den Dalits an, die seit Generationen an materielle<br />
Armut gewöhnt sind. Für die Zukunft ist abzusehen, dass sowohl Slums als auch Luxusviertel<br />
rapide wachsen <strong>und</strong> die Schere zwischen Arm <strong>und</strong> Reich weiter auseinander gehen lassen.<br />
(STANG 2002, S. 115ff)<br />
3.2 Stadtstrukturen: Metropolen, Primate Cities, Klein- <strong>und</strong><br />
Mittelstädte<br />
Neu-Delhi ist auch heute noch die Hauptstadt <strong>Indiens</strong>, hat aber nur 321.883 Einwohner (EW).<br />
Zusammen mit der nördlich gelegenen älteren Stadt Delhi bildet es eine urbane Einheit. (D.WIKI,<br />
Artikel: Neu-Delhi)<br />
Zählt man Neu-Delhi, Delhi sowie das dicht besiedelte Umland (die Agglomeration) hinzu,<br />
kommt man für das landläufig insgesamt nur Delhi genannte Gesamtgebiet auf 18,4 Mio. EW (s.<br />
Tab. 3.2, „World Gazetteer“-Berechnung vom 1.1.08). Neu-Delhi liegt im Unionsterritorium<br />
Delhi <strong>und</strong> ist Verwaltungszentrum, Industriestadt, Verkehrsknoten <strong>und</strong> Kulturzentrum. Größte<br />
Einzelstadt bleibt jedoch Bombay mit knapp 13,7 Mio. EW bzw. 20,9 Mio. EW im<br />
Agglomerationsgebiet (s. Tab. 3.1 & 3.2). 1991 gab es noch 27 Millionenstädte in Indien, im<br />
Januar 2008 waren es schon 39 (s. Tab. 3.1).<br />
13
Rang Name VZ 1991 VZ 2001 B 2008 Verwaltungseinh.<br />
1 Mumbai (ehem. Bombay) 9 925 891 11 978 450 13 662 885 Maharashtra<br />
2 Dilli (dtsch. Delhi) 7 206 704 9 879 172 11 954 217 Delhi<br />
3 Bengalūru (ehem. Bangalore) 2 908 018 4 301 326 5 180 533 Karnataka<br />
4 Kalkätä (dtsch. Kalkutta ) 4 399 819 4 572 876 5 021 458 Bangla<br />
5 Chennai (ehem. Madras) 3 857 529 4 343 645 4 562 843 Tamil Nadu<br />
6 Haidarābād (Hyderabad) 3 059 262 3 637 483 3 980 938 Andhra Pradesh<br />
7 Ahmadābād (Ahmedabad) 2 966 312 3 520 085 3 867 336 Gujarat<br />
8 Pune 1 702 376 2 538 473 3 230 322 Maharashtra<br />
9 Sūrat 1 498 817 2 433 835 3 124 249 Gujarat<br />
10 Kānpur 1 879 420 2 551 337 3 067 663 Uttar Pradesh<br />
11<br />
...<br />
Jaipur 1 518 235 2 322 575 2 997 114 Rajasthan<br />
200 Bidhannagar<br />
100 048<br />
164 221<br />
225 703<br />
Bangla<br />
Tab. 3.1: <strong>Die</strong> 11 größten <strong>Städte</strong> <strong>Indiens</strong> aus einer Tabelle der 200 Größten (VZ = Volkszählung, B =<br />
Berechnung) (WORLD GAZETTEER, Jan. 08).<br />
Spannt man den Bogen etwas weiter <strong>und</strong> bezieht die Agglomerationen um die <strong>Städte</strong> mit ein<br />
verschiebt sich die Rangfolge nur wenig <strong>und</strong> die Zahl der Ballungszentren mit über einer Mio.<br />
EW ergibt sich für 2008 zu 45 nach 36 in 2001.<br />
Rang Name VZ 1991 VZ 2001 B 2008<br />
1 Mumbai 13 575 525 17 665 491 20 870 764<br />
2 Dilli 16 392 976 18 362 625<br />
3 Kolkata 13 556 794 15 185 670<br />
4 Chennai 6 424 624 7 196 555<br />
5 Bengalūru 6 370 130<br />
6 Haidarābād 5 533 640 6 196 939<br />
7 Ahmadābād 4 691 330 5 255 003<br />
8 Pune 2 463 897 3 811 052 5 069 061<br />
9 Kānpur 2 132 126 2 842 652 3 408 945<br />
10 Sūrat 2 811 466 3 149 269<br />
11 Jaipur 1 518 235 2 322 575 2 997 114<br />
...<br />
174 Pāli 136 842 187 641 228 433<br />
Tab. 3.2: <strong>Die</strong> 11 größten Ballungszentren <strong>Indiens</strong> aus einer Tabelle von 174 (VZ = Volkszählung, B =<br />
Berechnung) (WORLD GAZETTEER, Jan. 08).<br />
Keine Stadt kann sich als bedeutendste des Landes hervorheben, vielmehr gibt es eine Vielzahl<br />
von „Primate Cities“ auf B<strong>und</strong>esstaatsebene. Mumbai, Calcutta, Delhi <strong>und</strong> Chenai dominieren<br />
zumindest die Wirtschaft <strong>Indiens</strong> (s. Tab. 3.3). Um die <strong>Probleme</strong> der überschwappenden<br />
Metropolen zu bändigen liegt eine Förderung der vielen kleineren, stagnierenden <strong>Städte</strong> (
Mio. EW) nahe. <strong>Die</strong> Verlagerung der Industrie von den Metropolen in kleinere <strong>Städte</strong> aufgr<strong>und</strong><br />
von zu großen Industrieverbotszonen förderte in der Vergangenheit schon das Wachstum einer<br />
Vielzahl von <strong>Städte</strong>n. <strong>Die</strong>se Strategie taucht auch in den Regierungsplänen auf, als „Integrated<br />
Development of Small and Medium Towns“ (IDSMT). <strong>Die</strong>se Dezentralisierung findet<br />
allgemeinen Zuspruch, große <strong>Städte</strong> gelten als unerwünscht, da sie auch Überbleibsel der<br />
zentralisierten Kolonialmacht sind, dessen Strukturen die Armut <strong>und</strong> Ausbeutung gefördert<br />
haben. Als Lösung erscheint eine Art „Förderung des Mittelstands“ aus kleinen <strong>und</strong> mittleren<br />
Industrieunternehmen in den mittleren <strong>Städte</strong>n am Horizont, wie sie ja auch in Deutschland oft<br />
gefordert wird, um der Arbeitslosigkeit Heer zu werden. Als Hemmnis für diese Förderung<br />
nennt STANG (2002, S. 122) die beschränkten Verantwortlichkeiten städtischer Verwaltung<br />
gegenüber der Regierung eines B<strong>und</strong>esstaates, die den <strong>Städte</strong>n traditionell bisher keine<br />
Selbstverwaltung einräumte. (STANG 2002, S. 119ff)<br />
Tab. 3.3: Profile der vier Metropolen (STANG 2002, S. 120)<br />
3.3 Fallbeispiele: Ahmadabad, Rourkela, Bangalore, Chandigarh<br />
[Garloff ff]<br />
In diesem Kapitel sollen einige „typische“ indische <strong>Städte</strong> näher erläutert werden um sich einen<br />
Eindruck der Vielfalt indischer <strong>Städte</strong> zu machen.<br />
Zuerst wird sich mit Ahmadabad beschäftigt, der „indischen Industriestadt“ welche auf<br />
„normalem“ Weg gewachsen ist. Danach wird als Gegenbeispiel Rourkela, eine neu gegründete<br />
„Company Town“ vorgestellt. Als drittes beschäftigt sich dieses Kapitel noch mit der<br />
„westlichsten“ Stadt <strong>Indiens</strong>, Bangalore <strong>und</strong> mit Chandigarh, der, nach der Neuordnung des<br />
Landes in B<strong>und</strong>esstaaten, neugegründeten Hauptstadt des Punjab (s. 2.1 Ende).<br />
15
Ahmadabad<br />
Durch die Lage am Kreuzungspunkt vieler Handelsrouten entwickelte sich Ahmadabad, im<br />
Gegensatz zu vielen anderen Herrschaftszentren, auch zu einem bedeutenden Handelsplatz.<br />
Gegründet um 1400 stieg es schnell zur Hauptstadt der Solanka-Dynastie heran, <strong>und</strong> schon<br />
1600 galt die Stadt unter europäischen Reisenden als eine der schönsten des Orients. Der<br />
Reichtum der damaligen Kaufleute beherrschte das Stadtbild <strong>und</strong> zeigte sich auch in diversen<br />
Kult- <strong>und</strong><br />
Prunkbauten. <strong>Die</strong> Blütezeit der Stadt reichte bis ins 18. Jahrh<strong>und</strong>ert, bis Überfälle <strong>und</strong><br />
Herrschaft der Marathen für die Stadt zum Niedergang führten. Im Jahr 1818 übernahm dann<br />
die East India Company die Stadt (zu dieser Zeit hatte sie 80.000 Einwohner, einige Jahrzehnte<br />
zuvor waren es noch doppelt so viele) <strong>und</strong> einige Spinnereien als auch die Eisenbahnverbindung<br />
nach Bombay wurden errichtet. Durch diese Eisenbahn schwang sich Ahmadabad zu einem der<br />
wichtigsten Zentren der indischen Textilindustrie auf, wobei der Einfluss der Briten auf die<br />
Stadt gering blieb. <strong>Die</strong> <strong>Entwicklung</strong> wurde von Einheimischen Gujaratis getragen. <strong>Die</strong> Nähe zu<br />
Bombay war hierbei ausreichend um Ahmadabad eine eigene <strong>Entwicklung</strong> zu ermöglichen, bot<br />
aber andererseits eine Möglichkeit für die ansässigen Geschäftsleute <strong>und</strong> Arbeiter in die<br />
Metropole zu gehen, um dort ihren Geschäften<br />
nachzugehen. Nach der Unabhängigkeit blieb<br />
Ahmadabad das wirtschaftliche Zentrum vom<br />
neuen B<strong>und</strong>esstaat Gujarat. Das wirtschaftliche<br />
Einzugsgebiet der Stadt vergrößerte sich noch.<br />
Aufbau der Stadt:<br />
Ahmadabad wird zentral von der Altstadt<br />
bestimmt. <strong>Die</strong>ser ehemals ummauerte Teil<br />
(heute von einer Ringstraße umschlossen) wird<br />
durch die „Pols“ bestimmt. „Pols“ sind zusammenhängende<br />
Häusergruppen, die als Einheit<br />
von nur einer Gasse erschlossen werden.<br />
Oftmals sind diese Gassen als Sackgassen<br />
ausgebildet, welche von den eng beieinander<br />
stehenden, mehrgeschossigen Gebäuden beschattet<br />
werden. <strong>Die</strong> Gebäuden an diesen Gassen<br />
ragen in den oberen Stockwerken in die Gasse<br />
hinein, „In diese Gassen fällt kein Sonnenstrahl,<br />
Abb. 3.2: Gasse in Ahmadabads Altstadt<br />
<strong>und</strong> da sie wie Düsen für den Luftzug wirken,<br />
Quelle: www.panoramio.com/photo/1609001<br />
16
leiben sie relativ kühl.“ (STANG 2002, S.124) Das spezielle an den Pols ist, dass sie in der<br />
Vergangenheit die Wohnorte bestimmter Kasten waren. Es gibt in der Altstadt von Ahmadabad<br />
sowohl Pols höherer als auch niedriger Kasten, sie sind in sich abgeschlossen, zu den größeren<br />
Gassen trennt sie meist ein Tor. Innerhalb der Pols gibt die Lage <strong>und</strong> die Ausstattung der<br />
Häuser den unterschiedlichen Wohlstand der Bewohner (auch wenn diese in einer Kaste sind)<br />
an, meist wird der Komplex noch durch einen Tempel <strong>und</strong> mehrere Höfe ergänzt, sodass der Pol<br />
eine eigene soziale <strong>und</strong> verwaltungstechnische Einheit („regiert“ von einem Ältestenrat) bildet.<br />
Heutzutage lockeren sich diese Strukturen zwar (auch durch das durchbrechen der Altstadt mit<br />
Geschäftsstraßen), sie bestimmen die Innenstadt aber weiterhin in bedeutendem Maße.<br />
In der Zeit der Industrialisierung (hier Mitte des 19. Jhd.) wurden um die Altstadt die Fabriken<br />
der Textilindustrie errichtet. Um für die wachsenden Arbeiterströme, welche von der Altstadt<br />
nicht mehr aufgenommen werden konnten, Wohnraum zu bieten, wurden von den<br />
Fabrikbesitzern „Chawls“ (einfachste Arbeiterquartiere) in unmittelbare Nähe der Fabriken<br />
errichtet. Sie beherbergen bis heute die Industriearbeiter der Stadt, welche die Gebäude teils<br />
schon seit Generationen bewohnen <strong>und</strong> die Wohnrechte untereinander weiterverkaufen.<br />
Neben den „Chawls“ sind im östlichen Stadtgebiet Ahmadabads noch die „Hutments“ zu finden,<br />
Slums aus Blech-, Bambus-, Bretter- oder Lehmhütten. <strong>Die</strong>se informellen Siedlungen wurden in<br />
den letzten Jahren teilweise an die Wasserversorgung angeschlossen <strong>und</strong> von der Stadt mit<br />
sanitären Einrichtungen<br />
versorgt, womit eine Legalisierung<br />
<strong>und</strong> offizielle Anerkennung<br />
erzielt werden<br />
sollte. Das Projekt scheiterte<br />
an zu geringen Mitteln<br />
<strong>und</strong> an der fehlerhaften<br />
Zusammenarbeit<br />
mit den Gr<strong>und</strong>besitzern,<br />
welche durch die Hutments<br />
Miete kassieren <strong>und</strong> durch<br />
das Projekt an Bestimmung<br />
über ihre Gr<strong>und</strong>stücke<br />
eingebüßt hätten.<br />
17<br />
Abb. 3.3: Aufbau von<br />
Ahmadabad<br />
S.125)<br />
(STANG 2002,
In den 1970er Jahren geriet die Textilindustrie in Ahmadabad in eine Krise, bei der fast die<br />
Hälfte der 150.000 Arbeiter des Industriezweiges ihren Job verloren - trotz vieler Versuche des<br />
Staates die Textilindustrie zu unterstützen (Kredite, Verstaatlichungen mit anschließender<br />
verlustreicher Weiterproduktion). <strong>Die</strong> Situation verbesserte sich erst, als sich vor allem im<br />
Süden <strong>und</strong> Osten der Stadt neue industrielle Schwerpunkte der Farben- <strong>und</strong><br />
Waschmittelindustrie bildeten. In deren Umland entstanden diverse Kleinbetriebe (Chemie,<br />
Metallverarbeitung, Maschinenbau <strong>und</strong> Elektroindustrie), welche den Arbeitsplatzmangel<br />
weitestgehend kompensieren konnten. Ein nicht unbedeutendes Problem bei diesen Industrien<br />
ist aber die hohe Umweltverschmutzung die von ihnen verursacht wird, welche nun die Stadt<br />
betrifft.<br />
Im Westen der Stadt (jenseits des Sabarmati River) entwickelte sich das „neue“ Ahmadabad mit<br />
den Wohngegenden der Mittelschicht. In diesem Teil der Stadt sind auch alle Bildungs- <strong>und</strong><br />
Forschungseinrichtungen angesiedelt, insgesamt ist dieser Stadtteil großzügiger angelegt. Hier<br />
finden sich sowohl Bungalows als auch Doppel- sowie Mietshäuser, welche die gute Lage<br />
westlich des Flusses bestimmen. (STANG 2002, S. 122 – 128)<br />
Rourkela<br />
Im Gegensatz zu Ahmadabad, welches eine natürlich gewachsene Stadt mit Industrieüberprägung<br />
ist, ist Rourkela aufgr<strong>und</strong> einer Industrieansiedlung erst entstanden.<br />
Ursprung für die Anlage der Stadt (Planung ab 1954, Bau ab 1956) war die Errichtung eines<br />
staatlichen Eisen- <strong>und</strong> Stahlwerkes 400 km westlich von Calcutta. <strong>Die</strong> eigentliche Stadt wird<br />
von einer Hügelkette vom Industriebereich abgetrennt, ist aber durch die „Ring Road“ mit dem<br />
Werk verb<strong>und</strong>en. <strong>Die</strong>se „Ringroad“ (<strong>und</strong> ihre Zubringer) ist die einzige Hauptverkehrsstraße<br />
des Ortes <strong>und</strong> von jedem Punkt der komplett am Reißbrett geplanten Stadt in 15 Minuten zu<br />
erreichen.<br />
<strong>Die</strong> Wohngebäude der Werksangehörigen sind, im Gegensatz zu einigen anderen „Stahlstädten“<br />
in Indien, aufgelockert <strong>und</strong> großzügig errichtet worden, überwiegend sind es einstöckige<br />
Einfamilienhäuser. Es gibt Parks <strong>und</strong> Grünstreifen, der Einfluss der deutschen Planer ist klar zu<br />
erkennen. <strong>Die</strong> gesamte Siedlung ist in „Nachbarschaftseinheiten“ (STANG 2002, S. 139)<br />
genannte Sektoren unterteilt, welche jeweils (allein oder zu zweit) über ein kleineres<br />
Einkaufszentrum Schulen <strong>und</strong> Kindergärten, Krankenstation sowie weitere<br />
Gemeinschaftseinrichtungen verfügen.<br />
18
19<br />
Abb. 3.4: Aufbau von Rourkela<br />
(STANG 2002, S.140)<br />
Trotz dieser geplanten<br />
städtischen Infrastruktur hat<br />
sich in Rourkela kein<br />
wirkliches städtisches Leben<br />
entwickelt. Im Bereich der<br />
Bahnhaltestelle entwickelte<br />
sich eine Siedlung,<br />
ungeschützt vor den<br />
Werksemissionen, in welcher<br />
die in der Werkssiedlung nicht<br />
gebotenen städtischen<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen (wie auch<br />
Unterhaltung <strong>und</strong> Erholung) für die Bewohner angeboten werden. 1991 beherbergte das auch<br />
„Civil Township“ genannte Gebiet ca. 35% der Einwohner Rourkelas (genauer: 140.000).<br />
Zusätzlich zu diesem Stadtviertel bildeten sich noch weiter Slumsiedlungen, sowohl auf dem<br />
Gebiet des „Civil Township“ als auch auf dem Gebiet der Werksstadt. Sie beherbergen meist<br />
Hilfsarbeiter, Kontraktarbeiter <strong>und</strong> andere Gelegenheitsarbeiter, welche durch ihre unsichere<br />
Arbeitssituation dazu gezwungen sind in diesen Ansiedlungen zu leben.<br />
Als das Werk wie auch die dazugehörige Stadt gebaut wurden, musste die ansässige<br />
Stammesbevölkerung umgesiedelt werden. <strong>Die</strong> Umsiedlungen erwiesen sich als problematisch,<br />
da die Stammesbevölkerung in Gebiete umgesiedelt wurde, in denen sie nicht die von ihnen<br />
benötigten Bedingungen für die Landwirtschaft vorfanden. Außerdem wurde eine weitere<br />
Unterstützung der betroffenen versäumt, so dass viele der Umgesiedelten zurück nach Rourkela<br />
zogen. Dort stellen sie heute einen Großteil der Slumbewohner.<br />
Insgesamt hat die Stadt eins ihrer Hauptziele, die wirtschaftliche Stärkung des Umlands,<br />
verfehlt. Im landwirtschaftlichen Bereich war erwartet worden, dass den Bauern in der<br />
Umgebung der neuen Stadt durch einen gestiegenen Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten<br />
zu einer <strong>Entwicklung</strong> verholfen werden kann, es ist aber aufgr<strong>und</strong> der armen Böden <strong>und</strong><br />
schwierigen Bewässerungssituation für sie nicht möglich die gestiegene Nachfrage zu<br />
befriedigen. Gemüse wird großteils per LKW aus weiter entfernten Gebieten angeliefert.
Auch profitierten die Einheimischen nicht im erwarteten Maße von der Arbeitsnachfrage des<br />
Werks. <strong>Die</strong> Ausbildungssituation bei der Bevölkerung ließ es nur zu, dass sie in den schlecht<br />
bezahlten Bereichen angestellt wurden. Auch das entstandene Geschäftsleben im „Civil<br />
Township“ (s. o.) wurde großteils von Zuwanderern ausgefüllt.<br />
Es lässt sich also abschließend sagen, dass die Umgebung von Rourkela nicht von seiner<br />
entstandenen wirtschaftlichen Stärke profitiert. <strong>Die</strong> Stadt ist großteils abgeschirmt zum<br />
förderungsbedürftigen Umland. (STANG 2002, S. 138 – 142)<br />
Bangalore<br />
<strong>Die</strong> <strong>Entwicklung</strong> der Stadt Bangalore zu ihrem heutigen Zustand ist größtenteils auf die Briten<br />
zurückzuführen. <strong>Die</strong> Stadt war ursprünglich Festung eines Regionalfürsten (ab 1537), die<br />
Region wurde aber in den Jahren zwischen 1767 <strong>und</strong> 1799 von den Briten <strong>und</strong> ihren<br />
Verbündeten eingenommen. <strong>Die</strong> Briten machten in der folgenden Zeit die Stadt zu einem ihrer<br />
wichtigsten militärischen Stützpunkte in Südindien, was wohl auf den für sie angenehme<br />
klimatische Bedingungen (nicht übermäßig heiß, moderate Niederschläge) zurückzuführen ist.<br />
<strong>Die</strong>s führte dazu, dass die Stadt ursprünglich aus zwei unterschiedlichen <strong>Städte</strong>n, der<br />
„indischen“ <strong>und</strong> der „britischen“ bestand, welche erst 1949 zusammengelegt wurden. <strong>Die</strong><br />
„indische“ Stadt war ein bedeutender Umschlags- <strong>und</strong> Herstellungsort für Seide <strong>und</strong> andere<br />
Stoffe. <strong>Die</strong> Altstadt war durch eine Berufsgruppentrennung in verschiedene Straßen/Gassen<br />
geprägt <strong>und</strong> war extrem eng bebaut. <strong>Die</strong> Enge förderte Epidemien, so dass die Gassen Ende des<br />
19. Jhd. bis in die 1930er Jahre durchbrochen <strong>und</strong> erweitert wurden, um die hygienisch<br />
schlechten Umstände zu beenden. Heute ist dies das Gebiet des City Markets.<br />
<strong>Die</strong> britische Stadt war in Civil Lines <strong>und</strong> den militärischen Bereich (inklusive Exerzierplätzen<br />
<strong>und</strong> Kasernen) unterteilt. Bestimmt wurde sie von Haupt-Alleen <strong>und</strong> breiten Stichstraßen,<br />
großzügig bemessenen Gr<strong>und</strong>stücken, guten medizinischen Einrichtungen, vielen Schulen <strong>und</strong><br />
kulturellen Einrichtungen <strong>und</strong> vor allem vielen Parks <strong>und</strong> Grünzügen (der britische <strong>und</strong> der<br />
indische Teil waren mit Gärten <strong>und</strong> Parks voneinander abgetrennt). <strong>Die</strong> Wasser- <strong>und</strong><br />
Abwasseranlagen waren großzügig bemessen, die hygienischen Bedingungen hervorragend.<br />
Insgesamt war die Infrastruktur selbst für britische Siedlungen besonders, so dass die Stadt früh<br />
als Residenz unter pensionierten britische Offiziere sowie Beamte große Beliebtheit fand.<br />
<strong>Die</strong> beiden Stadtteile können auch heute noch voneinander unterschieden werden.<br />
Bevölkerungsverdichtung <strong>und</strong> Neubauten (Büros <strong>und</strong> Industrie) haben die ursprüngliche<br />
Prägung nicht verdrängen können, neue Viertel („Extensions“) führten zum Wachstum der<br />
Stadt über die beiden Kerne hinaus (ab Ende des 19. Jhd.). Ab den 1950er Jahren entstanden<br />
20
neue indische Viertel (teilweise mit eigenem Einkaufszentrum), wobei sich die Besiedlung meist<br />
entlang der Ausfallstraßen ausgebreitet hat.<br />
Bangalore war vor der Unabhängigkeit <strong>Indiens</strong>, bis auf einige maximal mittelgroße<br />
Unternehmen, nicht von Industrie geprägt. Erst nach der Unabhängigkeit begann durch<br />
Gründung von Elektrotechnik- <strong>und</strong> Maschinenbaubetrieben das industrielle Zeitalter für die<br />
Stadt. Meist waren es bedeutende, staatliche Unternehmen wie Indian Telephone Industries<br />
(ITI), Hindustan Aeronautics Ltd. (HAN), Bhahat Heavy Electrics (BHEL) <strong>und</strong> Hindustan<br />
Machine Tools (HMT). <strong>Die</strong>se Unternehmen siedelten sich an den Ausfallstraßen meist 5 – 10<br />
km vor der Stadt an, wodurch die Stadt von Industrie freigehalten wurde <strong>und</strong> die bestehenden<br />
Grüngürtel erhalten blieben. Auch Joint-Venture Unternehmen wie Bosch (MICO) oder VDO<br />
(International Investments) bildeten an den Ausfallstraßen Standorte. Durch die Standortwahl<br />
der nationalen <strong>und</strong> internationalen Unternehmen siedelten sich viele Zulieferungsbetriebe an,<br />
welche meist näher an der Stadt lagen, damit für sie die Erschließungskosten so gering wie<br />
möglich blieben.<br />
21<br />
Abb. 3.5: Aufbau von<br />
Bangalore<br />
S.129)<br />
(STANG 2002,<br />
In der jüngsten Phase wird<br />
die <strong>Entwicklung</strong> in Bangalore<br />
durch die Ansiedlung<br />
von internationalen Computer-<br />
<strong>und</strong> Softwarefirmen<br />
bestimmt. Sie profitieren<br />
vom bedeutenden akademischer<br />
Sektor der Stadt <strong>und</strong><br />
das dadurch hohe Ausbildungsniveau. Dadurch ist Bangalore das Zentrum für Informationstechnologie<br />
in Indien. Technologieparks wurden im östlich gelegenen Whitefield <strong>und</strong> der südlich<br />
gelegene Electronic City errichtet.<br />
Durch die rasante industrielle <strong>Entwicklung</strong> hat sich das Bild der Stadt in den letzten Jahren<br />
nachhaltig geändert. <strong>Die</strong> „Metropolitan Area“ wuchs unbremsbar, von 1,7 Mio. Menschen 1971<br />
auf ca. 5 Mio. im Jahr 1997. <strong>Die</strong> Anfangs sehr großzügigen Grün- <strong>und</strong> Freiflächen schrumpfen.<br />
<strong>Die</strong> Luftverschmutzung durch den chaotisch angestiegenen, motorisierten Individualverkehr<br />
überprägt das ehemas erholsame Klima der Stadt <strong>und</strong> trotzdem gilt Bangalore als immer noch<br />
schöner <strong>und</strong> hochwertiger als andere Metropolen. Durch die rasante <strong>Entwicklung</strong> sind die
Wohnungspreise in der Nähe zu den Arbeitsstätten kaum mehr bezahlbar <strong>und</strong> die massiven<br />
Zuwandererströme haben zu Konflikten mit der einheimischen Bevölkerung geführt. Der Kampf<br />
um Unterkünfte <strong>und</strong> Wohnorte hat zu einer starken Slum-Bildung der Randgebiete geführt (die<br />
Altstadt ist einfach zu eng um Möglichkeiten zur Bildung von Slums zu bieten). <strong>Die</strong><br />
Stadtverwaltung versucht dieser <strong>Entwicklung</strong> mit Schaffung neuer Wohngebiete<br />
entgegenzuwirken. <strong>Die</strong>se Versuche sind dabei selten von Erfolg gekrönt, da die neuen<br />
mehrgeschossigen Ersatzbauten schnell überbesetzt sind <strong>und</strong> von den Slumbewohnern meist<br />
kaum akzeptiert werden. (STANG 2002, S. 128 – 138)<br />
Chandigarh<br />
<strong>Die</strong> Neugründung der Stadt Chandigarh sollte dem neuen B<strong>und</strong>esstaat Punjab nicht nur eine<br />
Hauptstadt schaffen, sondern auch Maßstäbe für den zukünftigen Wohnungsbau in der<br />
indischen Stadtplanung setzen. <strong>Die</strong> alte Hauptstadt des Punjab, Lahore, lag nach der Teilung<br />
<strong>Indiens</strong> im pakistanischen Teil, so dass man sich zum Bau einer neuen Hauptstadt entschloss.<br />
Auch das die anderen <strong>Städte</strong> des Staates von Flüchtlingen überfüllt waren <strong>und</strong> ihnen die nötigen<br />
Infrastrukturen einer Hauptstadt fehlten, erschien diesen Schritt notwendig zu machen.<br />
Chandigarh wurde abseits der bestehenden <strong>Städte</strong> errichtet, ohne Beziehungen zu ihnen. <strong>Die</strong><br />
Stadt sollte eindrucksvoll <strong>und</strong> großartig werden <strong>und</strong> aus scheinbarem Mangel an passenden<br />
Stadtplanern wurde der berühmte französische Architekt Le Corbusier beauftragt die Planung<br />
zu übernehmen. Ebenso beauftragt wurden Maxwell Fry, Jane Drew <strong>und</strong> Pierre Jeanneret,<br />
welche mit einem indischen Team die Arbeiten vor Ort übernahmen. Als Standort wurde ein aus<br />
Verkehrssicht gut erschließbares Gelände der Vorberge des Himalaya gewählt, 240 km nördlich<br />
von Delhi gewählt. Es mussten ca. 9.000 Menschen aus zwei Dutzend kleinen Dörfern<br />
umgesiedelt werden um die Pläne zu realisieren.<br />
Le Corbusier plante die Stadt so, dass sie wie ein lebender Organismus aufgebaut sein sollte. Der<br />
Kopf war durch das Regierungsviertel dargestellt, die Universität war das Gehirn, der zentrale<br />
Geschäftsbereich symbolisierte das Herz. Das „Leisure Valley“, ein grünes Erholungsgebiet,<br />
verbildlichte die Lunge <strong>und</strong> ein Industrieareal symbolisierte die Hand der Struktur. Ein<br />
abgestuftes Straßensystem stellte „Blut- <strong>und</strong> Lymphbahnen“ dar.<br />
Als architektonische Dominanten wurden der Oberste Gerichtshof, das Parlamentsgebäude <strong>und</strong><br />
das Regierungsgebäude im Capitol Complex am nördlichen Rand der Stadt von Le Corbusier<br />
geplant. <strong>Die</strong> gesamte Stadt war in 1.200 x 800 m große Sektoren (durchnummerierte<br />
Stadtviertel) unterteilt, welche von überdimensionierten Straßen getrennt waren. <strong>Die</strong> Sektoren<br />
waren von Erschließungsstraßen durchquert, kleinere Straßensysteme, von einer zusätzlichen,<br />
22
schlingenförmigen Straße abgehend, erschlossen die einzelnen Gebäudegruppen. <strong>Die</strong> Sektoren<br />
waren so ausgelegt, dass in ihnen die Versorgung des täglichen Bedarfs möglich war (inklusive<br />
Läden, Kindergarten, Schule <strong>und</strong> Krankenstation), sollten so ein Gefühl der<br />
Zusammengehörigkeit bei den Bewohnern erzeugen. Das Geschäftszentrum der Stadt mit der<br />
Verwaltung der Stadt nimmt einen kompletten Sektor (Nummer 17) ein, hier liegen alle<br />
Behörden der Stadt <strong>und</strong> in diesem Sektor gibt es keine Wohnbevölkerung. In der Nähe dieses<br />
Capitol Complex liegen die Sektoren mit den besseren Wohngebäuden für die höheren<br />
Angestellten. <strong>Die</strong> Wohngebäude in Chandigarh waren nach Einkommen (wovon ein fester Teil<br />
von 10% für die Miete gezahlt wurde) gestaffelt, es gab 14 Typen, vom Bungalow mit großem<br />
Garten bis hin zu einfachem Geschosswohnungsbau für die niedrigen Angestellten, welcher in<br />
der zum Capitol Complex weiter entfernten Sektoren lag. <strong>Die</strong> Wohnungen eines Typs waren alle<br />
gleich ausgestattet <strong>und</strong> innerhalb eines Sektors gab es nur Wohnungen des gleichen Typs,<br />
wodurch die Einwohnerzahlen der Sektoren zwischen 3.000 <strong>und</strong> 30.000 pro Sektor liegen.<br />
<strong>Die</strong>se Aufteilung zeigt den klaren Bruch mit vorhandenen indischen Traditionen: Das<br />
Zusammenwohnen nach Kastenzugehörigkeit war ebensowenig vorgesehen wie Großfamilien,<br />
da die kleinen Etagenwohnungen dafür keinen Platz boten. <strong>Die</strong>se Umstände zeigen das Le<br />
Corbusier keine Erfahrung mit der Planung in Indien hatte, sein Plan war nicht auf die indische<br />
Lebensweise angepasst. <strong>Die</strong> Bauweise der Häuser, besonders der unteren Kategorien, war sehr<br />
einfach, es wurden lokal hergestellte Ziegel verwendet, welche teilweise von schlechter Qualität<br />
waren. Durch fehlende Ausbesserungsarbeiten sahen die Häuser schnell verwaschen <strong>und</strong><br />
heruntergekommen aus, der teilweise vorhandene Putz fiel durch die extremen<br />
Wetterverhältnisse sehr schnell von den Wänden. <strong>Die</strong> Häuser waren durch diese extremen<br />
Klimaverhältnisse (im Winter nachts unter 0°C, Sommertemperaturen von jenseits der 45°C,<br />
Monsunregen in der feuchten Jahreszeit <strong>und</strong> Staubstürme in der Trockenzeit) eine<br />
Gratwanderung der Architektur. Besonders die schlechteren Kategorien waren durch kleine<br />
Fensterflächen (gegen die Sonneneinstrahlung im Sommer) zu dunkel, zu kalt im Winter <strong>und</strong> zu<br />
klein in der feuchten<br />
Jahreszeit, wenn das<br />
Dach <strong>und</strong> der Hof<br />
nicht zum Wohnen<br />
genutzt werden<br />
konnten.<br />
23<br />
Abb. 3.6: Übersicht<br />
über Chandigarh (STANG<br />
2002, S.134)
Ein Industriegebiet war im Osten der Stadt geplant, durch einen Baumgürtel von der restlichen<br />
Stadt abgetrennt. Hier an der Eisenbahn sollten besonders Industrien angesiedelt werden die<br />
keine Umweltbelastung darstellten.<br />
24<br />
Abb. 3.7: Kernberich<br />
von Chandigarh (STANG<br />
2002, S.135)<br />
Durch die Teilung des<br />
Punjab 1966 in zwei<br />
B<strong>und</strong>esstaaten (Punjab<br />
<strong>und</strong> Haryana) stand<br />
Chandigarh vor dem<br />
Problem das es keinem<br />
der Staaten<br />
zugeschlagen wurde. Es wurde als Union Territory der Zentralregierung in Delhi unterstellt <strong>und</strong><br />
musste ab diesem Zeitpunkt die Regierung zweier B<strong>und</strong>esstaaten sowie des eigenen Union<br />
Territory übernehmen. Durch den Anstieg der Verantwortlichkeiten waren die<br />
Verwaltungsstrukturen schnell überlastet, so dass der Regierungsbezirk ausgeweitet werden<br />
musste.<br />
Auch war der Industriesektor der Stadt zu klein dimensioniert worden, was zu einer<br />
Industrieansiedlung in unmittelbarer Nähe der Stadt führte. Es bildeten sich ganz neue <strong>Städte</strong><br />
direkt an der Stadtgrenze (z.B. Panchkula im Nordosten), welche komplett der Kontrolle der<br />
Stadtregierung entzogen waren. Hier lagen Miet- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stückspreise sehr viel nieriger als in<br />
Chandigarh, die Orte wuchsen wild <strong>und</strong> ungebändigt.<br />
Chandigarh ist zwar im Endeffekt durch die westliche Stadtplanung <strong>und</strong> dadurch mit fehlender<br />
Anpassung an die indischen Verhältnisse keine optimale Lösung einer neuen Stadt <strong>Indiens</strong>, hat<br />
aber eine Wasser- <strong>und</strong> Stromversorgung sowie genügend Krankenhäuser <strong>und</strong> Schulen <strong>und</strong><br />
damit eine Verbesserung zu anderen indischen <strong>Städte</strong>n zu bieten. Das Problem ist aber die viel<br />
zu aufwendige Planung <strong>und</strong> es wird sich noch zeigen, ob die Stadt sich in Zukunft weiter<br />
behaupten wird. (STANG 2002, S. 133 – 138)
4 Fazit, Einschätzung <strong>und</strong> Ausblick der Autoren<br />
<strong>Die</strong> Fortschrittlichkeit der ersten <strong>Städte</strong> <strong>Indiens</strong> während der Indus-Hochkultur war<br />
beeindruckend. <strong>Die</strong> wohlbedachte Planung ließ sich aber aufgr<strong>und</strong> der vielen wechselnden<br />
Machtstrukturen, der Kolonialzeit <strong>und</strong> den aufkommenden <strong>Probleme</strong>n des rasanten<br />
Bevölkerungswachstums so kaum wieder umsetzen. Auch Steuer- <strong>und</strong> Mietenpolitik trugen<br />
dazu bei, dass die <strong>Städte</strong> sich heute kaum noch qualitativ sondern nur noch quantitativ<br />
weiterentwickeln. Bei weiten Teilen der indischen Bevölkerung scheint dies aber auch kein<br />
primäres Ziel zu sein, da das Statussymbol „Haus“ gerade in den unteren Kasten kaum<br />
Bedeutung besitzt. Klima <strong>und</strong> Traditionen prägen eine Lebensweise, die den freien Himmel<br />
über dem Kopf bevorzugen, auch wenn mit den neuen Technologiezentren sicher eine neue<br />
Generation von Fabrik- <strong>und</strong> Bürokräften heranwächst. <strong>Indiens</strong> <strong>Städte</strong> stehen unter einem<br />
hohen Bevölkerungsdruck, ihr Wachstum ist kaum noch regelbar. <strong>Die</strong> hygienischen Zustände<br />
sind besonders in den Slums katastrophal. Hier spiegeln sich besonders die Unterschiede<br />
zwischen Arm <strong>und</strong> Reich wieder. <strong>Die</strong> ehemalige Sozialstruktur des Kastenwesens wird<br />
zusehends abgelöst, überprägt aber immer noch die Strukturen der Stadt. <strong>Die</strong><br />
Verkehrsinfrastruktur ist für moderne Großstädte mangelhaft.<br />
Auch geplante Stadtneugründungen wie Rourkela <strong>und</strong> Chandigarh können durch ihre<br />
überwiegend an indische Verhältnisse unangepasste Planung die <strong>Probleme</strong> des<br />
Bevölkerungsdrucks kaum puffern. <strong>Die</strong> Verlagerung der Völkerwanderungen von den<br />
Metropolen weg, hin zu den kleineren <strong>Städte</strong>n durch entsprechende Anreize scheint ebenfalls<br />
ein Ansatz zu sein, der das eigentliche Problem nur auf die lange Bank schiebt. Irgendwie muss<br />
der Mensch dazu gebracht werden, eine gewisse Grenze der Bevölkerungszahl auf diesem<br />
Planeten bzw. in Ballungsräumen nicht zu überschreiten. Selbst wenn viele Inder mit ihrer<br />
Lebensweise zufrieden sind, so beschränkt sich der enorme Ressourcenhunger einer 20 Mio.-<br />
Metropole wohl kaum auf das Stadtgebiet, auch wenn in dem kurzen Überblick dieser Arbeit<br />
kaum auf die ökologischen <strong>Probleme</strong> eingegangen werden konnte. Somit sind<br />
Bevölkerungswachstum <strong>und</strong> Umweltverbrauch zwei der bestimmenden <strong>und</strong> zu lösenden<br />
<strong>Probleme</strong> unserer Zeit.<br />
25
5. Quellen-, Abbildungsverzeichnis<br />
Bücher, Paper <strong>und</strong> Zeitschriften<br />
BHAGAT, R. B. (unbekannter Jahrgang): Urbanisation in India: A demographic reappraisal.<br />
www.iussp.org/Brazil2001/s80/S83_03_Bhagat.pdf<br />
RAMACHANDRAN, R. (1989): Urbanization and urban systems in India - Delhi [u.a.] Oxford Univ. Pr., Schriftenreihe:<br />
Oxford India Paperbacks<br />
STANG, F. (2002): Indien. Geographie, Geschichte, Wirtschaft, Politik. Wiss. Buchges., Darmstadt.<br />
Internet (letzter Zugriff 2. Februar 2008)<br />
CENSUS OF INDIA – Urban population:<br />
http://www.censusindia.gov.in/Census_Data_2001/Census<br />
_data_finder/A_Series/Urban_population.htm<br />
DEUTSCHE STIFTUNG WELTBEVÖLKERUNG: DSW-Datenreport –<br />
Soziale <strong>und</strong> demographische Daten zur Weltbevölkerung<br />
http://www.weltbevoelkerung.de/pdf/dsw_datenreport_07.<br />
pdf<br />
DEUTSCHE WIKIPEDIA, Artikel: Indien<br />
de.wikipedia.org/wiki/Indien<br />
DEUTSCHE WIKIPEDIA, Artikel: Geschichte <strong>Indiens</strong><br />
de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_<strong>Indiens</strong><br />
Tabellen <strong>und</strong> Abbildungen<br />
Tab. 1.1: <strong>Die</strong> 15 bevölkerungsreichsten Länder<br />
WORLD GAZETTEER, Jan. 08<br />
bevoelkerungsstatistik.de<br />
Tab. 2.1: Geschichte des Industals als Zeittafel<br />
D. WIKI, Artikel: Indus-Kultur<br />
Tab. 3.1: <strong>Die</strong> 11 größten <strong>Städte</strong><br />
WORLD GAZETTEER, Jan. 08<br />
Tab. 3.2: <strong>Die</strong> 11 größten Ballungszentren<br />
WORLD GAZETTEER, Jan. 08<br />
Tab. 3.3: Profile der vier Metropolen<br />
STANG 2002, S. 120<br />
Abb. 1.1: Bevölkerungswachstum<br />
STANG 2002, S.81<br />
26<br />
DEUTSCHE WIKIPEDIA, Artikel: Indus-Kultur<br />
de.wikipedia.org/wiki/Indus-Kultur<br />
DEUTSCHE WIKIPEDIA, Artikel: Neu-Delhi<br />
de.wikipedia.org/wiki/Neu-Delhi<br />
DEUTSCHE WIKIPEDIA, Artikel: Stadtbaugeschichte<br />
de.wikipedia.org/wiki/Stadtbaugeschichte<br />
KULTUR IN INDIEN<br />
www.kultur-in-asien.de/Indien/Sonstige/seite573.htm<br />
WORLD GAZETTEER<br />
bevoelkerungsstatistik.de<br />
Abb. 1.2: Verstädterungsgrad STANG 2002, S. 96<br />
Abb. 2.1 <strong>und</strong> 2.2: Stätten der Indus-Kultur <strong>und</strong> der<br />
Übersichtsplan von Kalibangan<br />
D. WIKI, Artikel: Indus-Kultur<br />
Abb. 3.1: Ein Slum in Mumbai<br />
D. WIKI, Artikel: Indien<br />
Abb. 3.2: Gasse in Ahmadabads Altstadt<br />
www.panoramio.com/photo/1609001<br />
Abb. 3.3: Aufbau von Ahmadabad STANG 2002, S.125<br />
Abb. 3.4: Aufbau von Rourkela STANG 2002, S.140<br />
Abb. 3.5: Aufbau von Bangalore STANG 2002, S.129<br />
Abb. 3.6: Übersicht Chandigarh STANG 2002, S.134<br />
Abb. 3.7: Kernberich von Chandigarh STANG 2002, S.135