Für eine Zukunft nach Maß - Nord-Handwerk
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Archäologisches Experiment<br />
Mit den Römern im Boot<br />
Auf der Schlossinsel im Harburger Binnenhafen bauen Wissenschaftler und Studenten<br />
der Universität Hamburg gemeinsam mit Bootsbauern des Vereins Jugend in Arbeit<br />
<strong>eine</strong> etwa 1.600 Jahre alte römische Galeere <strong>nach</strong>. Mit im Boot sind auch zwei Azubis.<br />
„Römische Geschichte hat mich<br />
eigentlich nie interessiert. Aber der<br />
Bootsbau um so mehr.“ Simon Smoterek<br />
lächelt. Der 18-jährige in Polen geborene<br />
Bootsbau-Azubi ist mit dabei, wenn Geschichte<br />
zum Leben erweckt wird: durch<br />
den originalgetreuen Nachbau <strong>eine</strong>r 16<br />
Meter langen und drei Meter breiten römischen<br />
Kriegsgaleere aus dem 1. Jahrhundert<br />
<strong>nach</strong> Christus mit Platz für bis<br />
zu 20 Ruderern. Als Vorlage dient ein gut<br />
erhaltener Fund, der 1986 in der Nähe<br />
des Römerkastells von Oberstimm an der<br />
Donau entdeckt wurde. Nach dessen <strong>Maß</strong>e<br />
wird das Flussschiff nun rekonstruiert und<br />
2009 soll es im Rahmen des Ausstellungsprojektes<br />
„2000 Jahre Varusschlacht“ mit<br />
<strong>eine</strong>r Rudermannschaft an Bord die Wasserwege<br />
kreuzen, die bereits die Römer zur<br />
Zeit des Augustus nutzten: Donau, Rhein,<br />
Lippe, Ems, Elbe, Weser und <strong>Nord</strong>see.<br />
Einzigartiges<br />
Projekt<br />
Noch ist es nicht soweit<br />
– aber das Boot<br />
ist schon fast fertig.<br />
Seit <strong>eine</strong>m Jahr arbeitet<br />
ein Team aus<br />
fast 20 Mitarbeitern<br />
an dem 230.000 €<br />
teuren Projekt.<br />
Simon Smoterek<br />
ist im zweiten Ausbildungsjahr<br />
bei Jugend<br />
in Arbeit. Der<br />
Verein ist über Hamburg<br />
hinaus bekannt<br />
für s<strong>eine</strong> Projekte<br />
zur Restaurierung<br />
historischer Schiff e.<br />
Die Bildungsstätte gibt be<strong>nach</strong>teiligten<br />
Jugendlichen <strong>eine</strong> Chance auf Ausbildung<br />
– vor allem im Bootsbau. Insgesamt sind<br />
zurzeit 32 Auszubildende in verschiedenen<br />
Projekten tätig. Eines dieser Projekte ist<br />
die Römer-Galeere.<br />
Simon Smoterek freut sich, dass er von<br />
Anfang an dabei sein konnte: „Ich lerne<br />
viel und es macht großen Spaß. Bootsbauer<br />
ist ein toller Beruf,<br />
denn hier werden immer<br />
die Menschen gebraucht.<br />
Maschinen können nun<br />
mal k<strong>eine</strong> Boote bauen.“<br />
Das triff t besonders auf die<br />
Römergaleere zu. Denn<br />
die ungewöhnliche Rekonstruktion<br />
erfolgt mit<br />
antiken Techniken: Die<br />
Nägel sind handgeschmiedet,<br />
die Holznägel selbst<br />
gedrechselt und die Planken<br />
mit Nut und Feder<br />
verbunden. Mehrere Versuche, das originalgetreue<br />
Holzpech für die Schutzschicht am<br />
Unterbau herzustellen, scheiterten jedoch.<br />
Geschichte hat eben auch Grenzen.<br />
Der Modellbau der Römergaleere.<br />
Wissenschaft und <strong>Handwerk</strong><br />
Das Projekt ist <strong>eine</strong> Teamarbeit zwischen<br />
Wissenschaft und <strong>Handwerk</strong>, geleitet von<br />
Professor Dr. Christoph Schäfer, Althistoriker<br />
an der Universität Hamburg, mit<br />
Leidenschaft für antike Schiff fahrt und<br />
Schiff sbau. Mit im Boot sind deshalb auch<br />
Studenten, die die Bücherei mit der Werkhalle<br />
tauschten und Alte Geschichte nun<br />
mit Pinsel und Hobel studieren anstatt trockener<br />
Textquellen.<br />
Auf der anderen Seite steht das <strong>Handwerk</strong>.<br />
Ein Team aus Bootsbaumeistern, Gesellen<br />
und Auszubildenden. Der 30-jährige Tisch-<br />
lergeselle Jerome Stüwe kümmert sich um<br />
die Tagesaufgaben und teilt die Personen ein.<br />
Drei Auszubildende von Jugend in Arbeit<br />
sind bei diesem Projekt dabei. Auch der 24jährige<br />
Jesper Boenigh freut sich über diese<br />
Chance: „Ich habe lange <strong>eine</strong> Ausbildung<br />
gesucht und nun m<strong>eine</strong>n Traumberuf gefunden.<br />
Das Besondere bei diesem Projekt<br />
ist, dass jeder mit s<strong>eine</strong>n Ideen einbezogen<br />
wird und etwas zählt.“<br />
Simon und Jesper müssen<br />
nun noch die Riemen<br />
(Ruder) mit Kuhleder<br />
beschlagen und die<br />
Kerben in den Rahmen<br />
des Bootes schleifen. Die<br />
Azubis lernen hier zwar<br />
auch Dinge, die heute<br />
nicht mehr alltäglich<br />
sind – Grundlegendes<br />
am Bootsbau hat sich<br />
aber auch in fast 2.000<br />
Jahren Geschichte nicht<br />
geändert. Noch immer werden Boote <strong>nach</strong><br />
dem gleichen Prinzip gebaut.<br />
Wie verhält sich das Boot?<br />
<strong>Für</strong> die Wissenschaftler geht es mit diesem<br />
Nachbau darum, herauszufi nden, wie<br />
schnell ein Römerschiff auf dem Wasser<br />
war, wie gut es zu manövrieren war und<br />
wie die Segel wirkten. Dabei ist zu bedenken,<br />
dass die Flüsse damals nicht geradlinig<br />
waren wie heute und die Boote deshalb<br />
auch zwei Steuerruder hatten.<br />
<strong>Für</strong> Jerome Stüwe und die beiden Azubis<br />
steigt die Spannung, wenn das Schiff<br />
im April ins Wasser geht. Sind die Planken<br />
dicht, reißt das Holz auch nicht und<br />
quillt es richtig auf? Alle hoff en, dass es<br />
k<strong>eine</strong> Pannen gibt. Jerome Stüwe: „Bis<br />
zum Stapellauf müssen wir noch die Ru-<br />
36 <strong>Nord</strong><strong>Handwerk</strong> April 2008 April 2008 <strong>Nord</strong><strong>Handwerk</strong> 37<br />
Fotos: Muenchenbach<br />
REPORTAGE<br />
Stolz auf ihre Arbeit: Jerome Stüwe, Jesper Boenigh<br />
und Simon Smoterek (v. li.).<br />
deranlage bauen und die Ziersteven aus<br />
Eiche anbringen. Der Mast ist schon fertig.<br />
Dann fehlt nur noch die Takelage.“ An ein<br />
Kriegsschiff denken die jungen Männer<br />
allerdings weniger bei dem Boot. „Es hat<br />
<strong>eine</strong> Seele und die wollen wir zum Vorschein<br />
bringen.“