wasserstoff-infrastruktur für eine nachhaltige mobilität - e-mobil BW
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Kapitel 4<br />
ANALYSE DER TECHNOLOGIEKONZEPTE<br />
4.1 DISKUSSION UND BEWERTUNG HEUTIGER<br />
WASSERSTOFF-TANKSTELLEN<br />
EXISTIERENDE WASSERSTOFF-TANKSTELLEN<br />
In der vorliegenden Studie wird <strong>für</strong> Deutschland i.d.R. von 15 existierenden<br />
Tankstellen gesprochen. Dies sind die bereits vorhandenen<br />
oder kurz vor Eröffnung stehenden Tankstellen, die <strong>für</strong> <strong>wasserstoff</strong>getriebene<br />
Fahrzeuge als Infrastruktur zur Verfügung stehen.<br />
Diese Tankstellen besitzen daher zwei wichtige Abgrenzungsmerkmale<br />
gegenüber anderen Wasserstoff-Tankstellen: Sie sind (halb-)<br />
öffentlich zugänglich und verfügen über die Möglichkeit der 700-bar-<br />
Schnellbetankung nach SAE J2601 (siehe Kapitel 3.1.1). Abgesehen<br />
davon sind in Deutschland weitere Tankstellen vorhanden – diese<br />
sind jedoch entweder nicht öffentlich (bspw. firmeninterne Tankstelle<br />
auf dem Werksgelände von Daimler) oder sie verfügen nicht<br />
über die Möglichkeit <strong>eine</strong>r 700-bar-Schnellbetankung (bspw. die<br />
Tankstelle in Hürth verfügt nur über <strong>eine</strong> 350-bar-Busbetankung).<br />
ALTER / REIFEGRAD<br />
Nachdem die Technologie der Schnellbetankung und der Betankungsstandard<br />
selbst erst zum Ende des letzten Jahrzehnts entstanden<br />
sind, sind die in dieser Studie betrachteten Tankstellen mit<br />
700-bar-Schnellbetankung im Jahre 2009 und später entstanden<br />
oder noch nach <strong>eine</strong>r Entwurfsversion des Betankungsprotokolls<br />
errichtet worden. Bedingt dadurch sind Teile dieser Tankstellen<br />
noch <strong>eine</strong> vergleichsweise neue Technologie und haben in den<br />
letzten Jahren <strong>eine</strong> deutliche Lernkurve durchlaufen.<br />
Auch komponentenseitig ist diese Lernkurve sichtbar. Für einige<br />
der Elemente existieren aus anderen Branchen Erfahrungen, die<br />
da<strong>für</strong> sorgen, dass diese auch in der neuen Anwendung bereits zuverlässig,<br />
mit großer Produktreife und/oder zu günstigen Preisen<br />
verfügbar sind. Bedingt durch die Neuheit der 700-bar-Technik im<br />
Tankstellenbereich existiert vor allem <strong>für</strong> Komponenten der Hochdrucktechnik<br />
von 700–1000 bar noch ein deutliches Optimierungspotenzial.<br />
Davon betroffen sind namentlich der Hochdruckspeicher,<br />
die Vorkühlung und die 700-bar-Füllgarnitur.<br />
BETREIBERFIRMEN<br />
Betreiber der öffentlichen Tankstellen sind derzeit hauptsächlich<br />
Mineralölkonzerne wie TOTAL, Shell und OMV und im geringeren<br />
Umfang große Energieversorger wie die En<strong>BW</strong> oder Vattenfall. Für<br />
Einzeltankstellen sind auch andere Betreiber aus der Forschung,<br />
Abbildung 26: Wasserstoff-Tankstelle von Vattenfall in der Hamburger<br />
Speicherstadt (Quelle: Vattenfall Europe)<br />
wie bspw. das Fraunhofer-Institut <strong>für</strong> Solare Energiesysteme ISE<br />
und das Karlsruher Institut <strong>für</strong> Technologie KIT verantwortlich.<br />
Zum jetzigen Zeitpunkt zeigt sich hier <strong>eine</strong> Sondersituation, da<br />
neben den klassischen Anlagenbetreibern (Mineralölkonzerne)<br />
sowohl Anlagenbauer als auch Anlagennutzer (bspw. Daimler)<br />
mithelfen, die Infrastruktur aufzubauen, um das Henne-Ei-Problem<br />
zu lösen. Dies zeigt sich in den Aufbauplänen, siehe Kapitel 2.4, bei<br />
denen auch Tankstellen von Linde/Daimler/Air Liquide errichtet<br />
werden. Vor allem während des Aufbaus <strong>eine</strong>r Grund<strong>infrastruktur</strong><br />
bis 2015 (vgl. Phase 1 in Kapitel 5.3) werden wahrscheinlich ähnliche<br />
oder weitere Sonderkonstruktionen entstehen (Koppelung der<br />
Tankstellen an Forschungszentren, Testzentren, Auto<strong>mobil</strong>hersteller),<br />
um diesen ersten strategisch wichtigen Strukturaufbau zu stemmen.<br />
Nach 2015 (vgl. Phase 2 in Kapitel 5.3) werden klassische Tankstellenbetreiber<br />
zunehmend stärker benötigt, um ein flächendeckendes<br />
Netz aufzubauen. Durch die Möglichkeit der Koppelung mit erneuerbaren<br />
Energien über den Power-to-Gas-Ansatz sollten auch neue<br />
Betreiber und passende Betreibermodelle eruiert werden. Denkbare<br />
Akteure da<strong>für</strong> sind Stadtwerke, Bürgerkraftwerke, die Koppelung<br />
mit dem ÖPNV und Betreiber von EE-Anlagen, die Auflagen<br />
(Speicherbarkeit) erfüllen müssen.<br />
TECHNOLOGIELIEFERANT<br />
Von den derzeit 15 Tankstellen, die in Betrieb sind, wurden zwei<br />
Tankstellen von Air Products, zwei Tankstellen von Air Liquide und<br />
<strong>eine</strong> Tankstelle von Statoil Hydro aufgebaut. Damit enthalten die<br />
verbleibenden 10 Tankstellen Technik und Komponenten von Linde,<br />
womit das Unternehmen in Deutschland <strong>eine</strong> führende Position innehat.<br />
Aus diesem Grund sind die Betreibererfahrungen der deut-<br />
schen Tankstellen, die im Rahmen dieser Studie erfragt wurden,<br />
durch Technologie und Wartungskonzepte von Linde geprägt. Dies<br />
verstärkt sich dadurch, dass sämtliche Tankstellen von Air Liquide<br />
und Air Products zum Zeitpunkt der Erstellung der Studie nicht älter<br />
als ein Jahr waren. Da Linde von den 50 Tankstellen bis 2015 mindestens<br />
zehn Weitere stellen wird (mindestens die Hälfte der<br />
zusammen mit Daimler angekündigten Tankstellen) nimmt Linde<br />
auch in den nächsten Jahren <strong>eine</strong> starke Stellung auf dem Markt<br />
ein. Der Aufbau von Wettbewerb kann hier sinnvoll sein, um <strong>eine</strong>n<br />
Innovations- und Kostendruck trotz Marktführerschaft <strong>für</strong> den<br />
Markt Deutschland zu erhalten.<br />
GRÜNER WASSERSTOFF<br />
Grüner Wasserstoff ist erklärtes politisches Ziel und <strong>eine</strong> Voraussetzung<br />
<strong>für</strong> die Akzeptanz der Technologie in der Gesellschaft, siehe<br />
Kapitel 2.1. Erste Demonstrationsprojekte sind da<strong>für</strong> bereits errichtet<br />
worden. Konkrete Beispiele sind u.a. die On-site-Elektrolyse mit<br />
Photovoltaik- und Ökostrom (<strong>für</strong> eventuelle Deckungslücken) in<br />
Freiburg und die Versorgung der Berliner TOTAL Tankstellen mit aus<br />
Windenergie erzeugtem Wasserstoff vom Hybridkraftwerk Prenzlau.<br />
Weitere entsprechende Projekte sind in Vorbereitung. Die CEP<br />
als Leuchtturmprojekt gibt in ihren Richtlinien <strong>eine</strong>n Anteil von 50 %<br />
grünem Wasserstoff <strong>für</strong> den CEP-weit erzeugten/genutzten Wasserstoff<br />
vor. Dennoch wird zur Steigerung des Anteils von grünem Wasserstoff<br />
weiteres Engagement und die Vorgabe von grün erzeugtem<br />
Wasserstoff empfohlen, um <strong>eine</strong> <strong>nachhaltige</strong>, emissionsfreie und<br />
von der Bevölkerung akzeptierte neue Mobilität zu ermöglichen.<br />
FAZIT<br />
Die Technologie der 700-bar-Schnellbetankung ist vergleichsweise<br />
jung. Bedingt dadurch werden auch im Bereich der Tankstellen und<br />
deren Komponenten noch einzelne „Kinderkrankheiten“ beobachtet.<br />
Der Reifegrad der Anlagen muss <strong>für</strong> <strong>eine</strong> Kommerzialisierung<br />
und zur Markteinführung der PKWs weiter erhöht werden. Bis zum<br />
heutigen Zeitpunkt hat Linde durch die frühe strategische Besetzung<br />
des Themas <strong>eine</strong> marktdominierende Stellung erreicht. Die<br />
Schaffung von mehr Wettbewerb durch das <strong>nachhaltige</strong> Engagement<br />
weiterer Akteure aus dem Bereich der Anlagenhersteller<br />
wäre <strong>eine</strong> förderliche Entwicklung.<br />
Durch neue Betreiberkonzepte wie dem Power-to-Gas-Ansatz und<br />
der Koppelung mit erneuerbaren Energien ist absehbar, dass sich<br />
weitere Betreiber auf dem Markt etablieren können. Davon würde<br />
der Aufbau <strong>eine</strong>r Grund<strong>infrastruktur</strong> profitieren.<br />
Die Verwendung von grünem Wasserstoff ist demonstriert, muss<br />
aber weiter ausgebaut werden und stärker in die Standortkonzepte<br />
der neuen Tankstellen integriert werden.<br />
4.2 DISKUSSION DER TANKSTELLENKONZEPTE<br />
4.2.1 FLÜSSIG / GASFÖRMIG / PIPELINE<br />
Für die Wasserstoff-Speicherung bei Fahrzeugen ist die gasförmige<br />
Speicherung bei 700 bar der aktuelle Standard und durch die gängigen<br />
Normen definiert. Tankstellenseitig besteht neben der Versorgung<br />
mit gasförmigem Wasserstoff die Möglichkeit, den Wasserstoff<br />
flüssig angeliefert zu bekommen, in diesem Zustand zu speichern<br />
und dann erst zur Betankung zu verdampfen und gasförmig<br />
in das Fahrzeug zu tanken (siehe Konzept LH2-Anlieferung in Kapitel<br />
3.2.1). Die flüssige Anlieferung und Speicherung von Wasserstoff<br />
tankstellenseitig hat mehrere Vorteile: Die Investitionskosten <strong>für</strong><br />
Speicherung, Druckerzeugung und Temperierung sind kl<strong>eine</strong>r, der<br />
Tankstellen-Energiebedarf und damit die Betriebskosten sind niedriger;<br />
der Platzbedarf <strong>für</strong> die stationäre Speicherung ist geringer<br />
und die Häufigkeit der Anlieferung reduziert sich. Dementgegen stehen<br />
die höhere Wasserstoffkosten und das Problem des Boil-offs.<br />
Bedingt durch <strong>eine</strong>n nie vollständig vermeidbaren Wärmeeintrag<br />
aus der Umgebung verdampft stetig <strong>eine</strong> kl<strong>eine</strong> Menge des Flüssig<strong>wasserstoff</strong>s<br />
von ca. 0,25 % – 0,5 % des Tankinhalts pro Tag. Dies<br />
entspricht bei <strong>eine</strong>r Lagerung von 5 t <strong>eine</strong>m Boil-off von ca. 12,5 kg/d.<br />
Dieser verdampfte Wasserstoff muss aus dem Flüssigtank abgeleitet<br />
werden, um <strong>eine</strong>n Druckanstieg zu vermeiden. Wenn die Auslastung<br />
der Tankstelle groß genug ist, dann kann dieser Boil-off-<br />
Verlust auch zur Betankung genutzt werden, andernfalls muss der<br />
Wasserstoff anderweitig genutzt oder in die Umgebung abgeblasen<br />
werden. Ein Nachteil des LH2-Transports liegt im hohen Energieaufwand<br />
<strong>für</strong> die Verflüssigung (ca. 20 – 30 % des Wasserstoff-Energieinhalts<br />
[30]) und den hohen Kosten der da<strong>für</strong> benötigten Verflüssigungsanlage,<br />
wodurch sich ein im Vergleich zum gasförmigen<br />
Wasserstoff höherer Preis <strong>für</strong> den angelieferten Wasserstoff ergibt.<br />
Bei ausreichender Auslastung macht <strong>eine</strong> flüssige Speicherung jedoch<br />
wirtschaftlich und technisch Sinn. Die Menge an Wasserstoff,<br />
welche in <strong>eine</strong>m LH2-Trailer transportiert werden kann, liegt etwa<br />
bei 3500 kg im Gegensatz zu ca. 800 kg bei gasförmiger Anlieferung,<br />
was deutlich niedrigere Anlieferzyklen bzw. <strong>eine</strong>n größerer Wasserstoffabsatz<br />
erlaubt.<br />
Eine weitere Option ist die Versorgung der Tankstellen mit Wasserstoff-Pipelines.<br />
Vorteilig sind die sehr kompakten und günstigen<br />
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