Yorcker Nr. 110 (Dez/Jan/Febr 13/14) - Yorck Kino GmbH
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DER BLINDE FLECK<br />
deutschland 20<strong>13</strong><br />
Das Attentat auf das Oktoberfest 1980 gilt als der verheerendste<br />
Terroranschlag in der bundesdeutschen Geschichte, ein politischer<br />
Skandal wurde daraus aber erst durch die manipulierten Ermittlungen.<br />
start<br />
23.01.<strong>14</strong><br />
regie<br />
Daniel Harrich<br />
filmographie<br />
20<strong>13</strong> Ein schmaler Grat<br />
drehbuch<br />
Daniel Harrich<br />
Ulrich Chaussy<br />
darsteller<br />
Benno Fürmann<br />
Nicolette Krebitz<br />
Heiner Lauterbach<br />
Jörg Hartmann<br />
August Zirner<br />
Miroslav Nemec<br />
kamera<br />
Tobias Corts<br />
Walter Harrich<br />
musik<br />
Ian Honeyman<br />
länge<br />
105 min<br />
Am 26. September erschütterte eine Bombenexplosion<br />
das Oktoberfest in München: <strong>13</strong> Menschen<br />
kamen ums Leben, darunter der 21-jährige<br />
Gundolf Köhler, der von Polizei und Staatsschutz<br />
schnell als Einzeltäter benannt wurde. An diesem<br />
Ergebnis halten die Behörden bis heute fest.<br />
Der Film beginnt mit Hans Langemann, dem damaligen<br />
Chef des bayerischen Verfassungsschutzes.<br />
Bei einem Vortrag vor Polizeischülern erklärt<br />
er seine Theorie, die besagt, dass bei vielen Attentaten<br />
Bauernopfer vorgeschickt werden. Je langsamer<br />
ermittelt wird, desto unklarer werden die<br />
Verbindungen zu den wahren Hintermännern,<br />
bis am Ende kaum noch nachvollziehbar ist, wer<br />
hinter einem Anschlag steckte. In diesem kurzen<br />
Monolog verbirgt sich die Haltung von der<br />
blinde fleck, der keinen Zweifel daran lässt,<br />
dass das Oktoberfestattentat nicht von einem<br />
Einzeltäter verübt wurde.<br />
Zu diesem Ergebnis kommt Ulrich Chaussy,<br />
Journalist beim Bayerischen Rundfunk, im Laufe<br />
seiner Nachforschungen, die 1983 beginnen. Zusammen<br />
mit dem Opferanwalt Werner Dietrich<br />
folgt er den langsam erkaltenden Spuren, versucht,<br />
Zeugen aufzuspüren, deren Aussagen unter<br />
den Tisch gekehrt wurden, und bekommt gar<br />
Hilfe von ganz oben: Meier nennt sich sein Informant<br />
– quasi sein Deep Throat –, der ihn mit Akten<br />
versorgt und mit gezielten Fragen auf die richtige<br />
Spur bringt.<br />
Was Daniel Harrich hier gelingt, sucht man im<br />
deutschen <strong>Kino</strong> meist vergeblich: ein politischer<br />
Film, der es sich nicht einfach macht und die Welt<br />
in Schwarz-weiß-Kategorien unterteilt.<br />
Wer den Anschlag verübte, kann und will auch<br />
dieser Film nicht beantworten, was die Interessen<br />
von Politik und Geheimdiensten waren, die<br />
Ermittlung in bestimmte Richtungen zu lenken,<br />
inwiefern Journalisten Informationen zugespielt<br />
wurden und dadurch die öffentliche Meinung<br />
beeinflusst wurde: All diese Aspekte werden angedeutet<br />
und formen sich zum unheilvollen Bild<br />
eines Systems, das kaum zu durchschauen ist.<br />
Dass zum Ende auf den aktuellen NSU-Prozess<br />
angespielt wird, zeigt, wie wenig auch in Deutschland<br />
über die Machenschaften der Geheimdienste<br />
bekannt ist. Dies zu thematisieren, und dazu<br />
noch auf solch bewusst ambivalent bleibende<br />
Weise, macht Harrichs Film so bemerkenswert.<br />
mm<br />
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