Durchgangslager Friedland | Janne Teller - Pony
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cky, nachdem der schwarze Community-Chef Chalky White (!) diesen neuartigen<br />
Begriff verwendet hat.<br />
Chalky White ist in der ersten „Boardwalk Empire“-Staffel eine Nebenfigur,<br />
doch Darsteller Michael Kenneth Williams erlaubt eine Überleitung zum zweiten<br />
HBO-Kracher. Williams spielt in der laut „Time Magazine“ allerbesten TV-<br />
Serie, „The Wire“, den schwulen Ganoven Omar Little. „The Wire“ ist das Werk<br />
des US-Autoren David Simon, der hauptverantwortlich ist für „Treme“ (gesprochen:<br />
Treméj). Der Titel der Serie, deren erste Staffel HBO im Frühjahr 2010 ausstrahlte,<br />
bezeichnet einen Stadtteil von New Orleans und erinnert an das lateinische<br />
Wort für Beben (tremor). Während in „The Wire“ die vom Strukturwandel<br />
gebeutelte Stadt Baltimore der Protagonist ist, handelt „Treme“ von der Jazz-<br />
und Karnevalsstadt, die der Sturm Katrina im Jahre 2005 verwüstete. Die erste<br />
Folge spielt kurz nach der Katastrophe und erzählt die Geschichten einer Barbesitzerin,<br />
einer Köchin, einer Anwältin, eines Dozenten, eines „Indian Chiefs“,<br />
eines Hippie-DJs und einiger Musiker.<br />
Anders als in „Boardwalk Empire“ agieren hier Menschen ohne Macht, hart<br />
arbeitende, leidende und leidenschaftliche Menschen, die allesamt verstrickt<br />
sind ins ökonomisch-politische Ganze. Simons Kunst besteht darin, Rassismus,<br />
Immobilien-Schiebereien, polizeiliche Willkür, kulturelle Mainstreamisierung<br />
und Klassenkampf von oben als selbstverständliche Elemente der filmischen<br />
Wirklichkeit zu inszenieren. Der farbige Posaunist Antoine Batiste wird nach einer<br />
durchzechten Nacht von Polizisten zusammengeschlagen, nachdem seine<br />
Posaune einen Streifenwagen touchierte. In einer anderen Szene fährt ein Bus<br />
voller Touristen ins Viertel zum Zwecke des Katastrophen-Sightseeings, was<br />
den „Indian Chief“ Albert in Rage versetzt. Später kämpft Albert für die Wiedereröffnung<br />
der Sozialwohnungen,<br />
die Katrina<br />
verschont hat, die indes<br />
aus politischem Kalkül<br />
geschlossen bleiben.<br />
Die Perspektive der<br />
Herrschenden ist in<br />
»Treme« minder transparent<br />
als in »The Wire«,<br />
wo Bürgermeister und<br />
Lobbyisten genau so<br />
wichtig sind wie Hustler,<br />
Cops und Junkies. »Treme«<br />
wirkt dadurch bodenständiger und kämpferischer, was durch die exzellente<br />
Inszenierung von Musik, Tanz, Essen, Streit und Geschlechtsverkehr zum<br />
Ausdruck kommt. Der grandiose New-Orleanser (!) Schauspieler Wendell Pierce<br />
singt und posauniert in »Treme« wie ein echter Musiker – und säuft so exzessiv<br />
wie in seiner Rolle als Homicide-Cop in »The Wire«. Die Liebe zu New Orleans<br />
verbindet die Figuren miteinander, deren Lebenswege sich gelegentlich kreuzen,<br />
und die dennoch auf eigenen Handlungssträngen wandeln – oder besser:<br />
zum Sound der Trompete auf den Straßen tanzen, denn »Treme« brodelt und<br />
jazzt, dass es eine Freude ist.<br />
10 Große Texte<br />
Die englischsprachige<br />
DVD-Version von<br />
»Treme« ist ab April<br />
erhältlich (etwa<br />
bei Amazon.co.uk).<br />
Seit Anfang Februar<br />
wird »Treme« auf<br />
TNT Serie in deutscher<br />
Sprachfassung<br />
ausgestrahlt. Ebenfalls<br />
seit Februar läuft<br />
im selben Programm<br />
die Serie »Boardwalk<br />
Empire«.