Aktuelles 4-00.pm6 - Hartmann
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PRAXISWISSEN<br />
Der Wundverband –<br />
eine entscheidende<br />
Therapiemaßnahme<br />
In der täglichen Praxis sieht man es<br />
immer wieder und auch so manche<br />
Standards deuten darauf hin: Der<br />
Wundverband hat im Gesamtkonzept<br />
Wundbehandlung einfach noch nicht<br />
den Stellenwert, der ihm eigentlich zukommen<br />
müsste. Häufig wird er eben<br />
doch nur als notwendiger Schutz der<br />
Wunde gesehen. Dass er aber weit reichende<br />
therapeutische Auswirkungen<br />
auf die Wundheilung haben kann,<br />
bleibt vielfach unberücksichtigt.<br />
Dabei scheint das Bewusstsein für<br />
den Wundverband als eine entscheidende<br />
Therapiemaßnahme im institutionellen<br />
wie im ambulanten Bereich<br />
gleich gut oder gleich dürftig ausgeprägt<br />
zu sein. Zu den Gründen hierfür<br />
gibt es derzeit keine aktuellen Umfragen,<br />
aber es kann angenommen werden,<br />
dass ältere Untersuchungen immer<br />
noch zutreffend sind. Dies würde<br />
bedeuten: Zum einen ist das theoretische<br />
und praktische Wissen über die<br />
Möglichkeiten der modernen Wundbehandlung<br />
weiterhin als eher mangelhaft<br />
einzustufen, was ein Festhalten an<br />
scheinbar bewährten, alten Methoden<br />
zur Folge hat. Zum anderen wird die<br />
Anwendung moderner Wundauflagen,<br />
deren spezifische Materialeigenschaften<br />
die Grundlage für die Therapiewirkung<br />
des Wundverbandes darstellen,<br />
durch die Meinung blockiert, diese Art<br />
der Wundbehandlung sei zu teuer. Eine<br />
differenzierte Betrachtungsweise und<br />
Kostenanalyse, die dieses Argument<br />
vor allem bei der Langzeitbehandlung<br />
chronischer Wunden schnell widerlegen<br />
würde, findet meist nicht statt.<br />
Eine Wunde, egal welcher Genese,<br />
ist für den betroffenen Patienten eine<br />
Erkrankung, bei der er Anspruch auf<br />
eine sachgerechte Therapie hat, die<br />
eine Heilung impliziert. In diesem Sinne<br />
ist es ethische Verpflichtung aller an<br />
der Wundbehandlung Beteiligten, neue<br />
Therapieoptionen zu prüfen und entsprechend<br />
anzuwenden.<br />
28 HARTMANN WundForum 2/2001<br />
THERAPEUTISCHE AUFGABEN<br />
DES WUNDVERBANDES<br />
Je nach ihrer Entstehung heilen<br />
Wunden primär oder sekundär. Die primär<br />
heilende Wunde stellt dabei wenig<br />
Anforderungen an die therapeutische<br />
Wirkung eines Wundverbandes. Sie ist<br />
durch Naht geschlossen, und die Heilung<br />
läuft quasi im Verborgenen ab.<br />
Dem Wundverband verbleiben die<br />
Aufgaben, eventuelle Sickerblutungen<br />
aufzunehmen und die Wunde vor mechanischen<br />
Irritationen und Sekundärinfektionen<br />
zu schützen, da die Naht<br />
eine Eintrittsstelle für Keime darstellt.<br />
Ganz anders sieht es hingegen bei<br />
der Sekundärheilung aus. Hier muss<br />
Granulationsgewebe zur Defektfüllung<br />
aufgebaut werden, das dann auch die<br />
Matrix darstellt für eine Spontanepithelisierung<br />
oder eine plastisch-chirurgische<br />
Deckung. Damit sich aber Granulationsgewebe<br />
ausbilden kann, muss<br />
die Wunde erst einmal sauber, infektfrei<br />
und gut durchblutet sein. All diese<br />
Vorgänge bzw. Wundheilungsphasen<br />
laufen dabei „offen“ ab, sodass hier<br />
die therapeutischen Wirkungen eines<br />
Wundverbandes dringend benötigt<br />
werden.<br />
Grundsätzlich können dabei bereits<br />
die Schutzfunktionen des Wundverbandes<br />
als therapeutisch angesehen<br />
werden. Denn der Verband übernimmt<br />
bei der „offenen“ Sekundärheilung<br />
interimsweise, bis die Wunde abgeheilt<br />
ist bzw. gedeckt wurde, wesentliche<br />
Aufgaben der intakten Haut. Werden<br />
diese nicht erbracht, ist ein gutes Heilungsergebnis<br />
nahezu unmöglich. Die<br />
Aufgaben bestehen im<br />
� Schutz vor mechanischer Irritation<br />
(Druck, Stoß, Scheuern) und vor Verschmutzung,<br />
� Schutz vor Sekundärinfektionen,<br />
� Schutz vor Austrocknung und Verlust<br />
von Körperflüssigkeiten (Elektrolytverlusten)<br />
sowie<br />
� Schutz vor Wärmeverlusten.<br />
Über den umfassenden Wundschutz<br />
hinaus kann der Wundverband aber<br />
auch aktiv das Heilungsgeschehen beeinflussen<br />
durch die Reinigung der<br />
Wunde, die Schaffung eines wundheilungsfördernden<br />
Mikroklimas und den<br />
Erhalt der Wundruhe.<br />
Aufgaben in der Reinigungsphase<br />
In jeder Wunde sammelt sich<br />
zunächst Exsudat, das mit Detritus,<br />
Schmutz, Bakterien und toxischen<br />
Stoffwechselprodukten durchsetzt ist.<br />
Bleiben größere Exsudatmengen auf<br />
der Wunde stehen, wird der Fortgang<br />
der Heilung sowohl mechanisch als<br />
auch biologisch behindert, die Infektionsgefahr<br />
wächst. Überschüssiges Exsudat<br />
muss deshalb durch den Wundverband<br />
abgesaugt werden. Des Weiteren<br />
lassen sich aber auch mit dem<br />
feuchten Wundverband Nekrosen und<br />
Beläge aufweichen und leichter ablösen.<br />
Insgesamt beschleunigt und unterstützt<br />
der Wundverband damit die Säuberung<br />
der Wunde, dient im Hinblick<br />
auf vorhandene pathogene Keime der<br />
Infektionsprophylaxe und schützt zugleich<br />
vor neuerlicher Kontamination.<br />
Aufgaben in der Granulationsphase<br />
Neben einer funktionierenden Mikrozirkulation<br />
ist ein ausgewogenes feuchtes<br />
Wundmilieu eine weitere wichtige<br />
Voraussetzung zum Aufbau von Granulationsgewebe.<br />
Dagegen wird die Heilung<br />
sowohl durch ein Austrocknen der<br />
Wunde als auch durch überschüssiges<br />
Sekret in ihrem Ablauf gestört.<br />
Eine entsprechende Regulierung der<br />
Wundfeuchtigkeit ist nur durch den<br />
Wundverband möglich: Er saugt überschüssiges<br />
Sekret ab, verhindert das<br />
Austrocknen der Wunde und führt ihr<br />
bei Bedarf auch dosiert Feuchtigkeit<br />
zu. Selbstverständlich müssen die<br />
dazu eingesetzten Wundauflagen über<br />
spezifische physikalische Eigenschaften<br />
verfügen, wenn sie diesen Aufgaben<br />
gerecht werden wollen. Hierbei<br />
bewähren sich vor allem die verschiedenen<br />
hydroaktiven Wundauflagen.<br />
Bedeutsam in dieser Phase ist auch<br />
der Schutz des Granulationsgewebes<br />
vor jeglicher Traumatisierung. Durch<br />
das eiweißreiche Sekret und die hohe<br />
Anzahl feinster Haarkapillaren neigt es<br />
vor allem außerordentlich zum Verkleben,<br />
weshalb die Wundauflage über<br />
atraumatische Eigenschaften verfügen