Aktuelles 4-00.pm6 - Hartmann
Aktuelles 4-00.pm6 - Hartmann
Aktuelles 4-00.pm6 - Hartmann
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
PRAXISWISSEN<br />
ist. Dabei gelten Wundauflagen aus<br />
textilen und textilähnlichen Materialien<br />
aufgrund ihrer hohen Durchlässigkeit<br />
als besser geeignet als semipermeable<br />
Systeme wie Hydrogele oder Hydrokolloide,<br />
die bei klinisch manifesten<br />
Infektionen vorsichtshalber immer noch<br />
als kontraindiziert eingestuft werden.<br />
Diese Einstufung ist auf Erfahrungen<br />
mit den früher üblichen, absolut luftdicht<br />
abschließenden Okklusivverbänden<br />
zurückzuführen, bei denen die Gefahr<br />
der Ausbildung feuchter Kammern<br />
und ein hohes Infektionsrisiko vor allem<br />
im Hinblick auf Anaerobier-Infektionen<br />
bestand.<br />
Moderne semipermeable Wundauflagen<br />
sind jedoch so konstruiert, dass<br />
dieses Gefahrenpotenzial entscheidend<br />
minimiert ist. Sie saugen keimbelastetes<br />
Sekret auf, sodass gefährliche<br />
Sekretstaus, die zur Bildung einer<br />
feuchten Kammer führen, erst gar nicht<br />
entstehen, wobei die Keime sicher in<br />
der Materialstruktur eingeschlossen<br />
werden. Zusätzlich trägt der in einem<br />
bestimmten Umfang mögliche Gasaustausch<br />
zum Ausbalancieren der Feuchtigkeit<br />
bei.<br />
Wundfreundlichkeit<br />
Eine nachteilige Eigenschaft textiler,<br />
saugender Verbandstoffe wie Mulloder<br />
Vliesstoffkompressen ist deren<br />
ausgeprägte Tendenz zum Verkleben<br />
mit der sezernierenden Wundfläche,<br />
wenn das aufgenommene Sekret im<br />
Verband eintrocknet und mit ihm eine<br />
starre Verbindung eingeht. Dies führt<br />
beim Wechseln des Verbandes dazu,<br />
dass mit dem eingetrockneten Sekret<br />
auch das darunter liegende, neu gebildete<br />
Gewebe mit abgerissen wird.<br />
Um diese Wundheilungsstörung zu<br />
vermeiden, müssen Wundauflagen<br />
über wundfreundliche oder so genannte<br />
„atraumatische“ Eigenschaften verfügen,<br />
d. h. sie dürfen auch bei längerer<br />
Anwendung auf sezernierenden<br />
Wunden nicht verkleben, damit beim<br />
Verbandwechsel keine neuen Wunden<br />
gesetzt werden. Gleichzeitig wird<br />
durch die atraumatischen Eigenschaften<br />
einer Wundauflage ein schmerzarmer<br />
Verbandwechsel ermöglicht.<br />
Bei textilen, saugenden Verbandstoffen<br />
werden atraumatische Eigenschaften<br />
durch wasserabweisende Imprägnierungen<br />
wie z. B. Salben (Salbenkompressen)<br />
oder Beschichtungen mit<br />
Gelen erreicht. Des Weiteren kann<br />
30 HARTMANN WundForum 2/2001<br />
durch die Verwendung hydrophober,<br />
nicht selbst saugender Fasern als<br />
Material für die wundnahe Schicht von<br />
Kompressen der Verklebungsgefahr<br />
entgegengewirkt werden. Wundfreundlich<br />
sind auch alle hydroaktiven Wundauflagen,<br />
die trotz ihrer Saugfähigkeit<br />
durch ihre spezifischen Materialstrukturen<br />
nicht mit der Wundfläche verkleben.<br />
Anwendungssicherheit<br />
Wundauflagen müssen sowohl mechanisch<br />
als auch biochemisch reizlos<br />
sein. Mechanische Reize sind vor allem<br />
Bewegungsreize und betreffen vorrangig<br />
Wundauflagen auf textiler Basis.<br />
Sie dürfen weder schrumpfen noch zu<br />
locker oder zu dünn verwebt sein, da<br />
zweidimensionale Bewegungsvorgänge<br />
auf der Wunde zur Reizsekretion<br />
führen.<br />
Die biochemische Reizlosigkeit bezieht<br />
sich auf ein mögliches Potenzial<br />
zellschädigender (zytotoxischer) und<br />
sensibilisierender Wirkung von Wundauflagen,<br />
wobei von dieser Problematik<br />
die traditionellen Wundverbände aus<br />
textilen Materialien und die neuen synthetischen<br />
Materialien gleichermaßen<br />
betroffen sind. Um Interferenzen auszuschließen,<br />
müssen sich Wundauflagen<br />
zudem neutral gegenüber anderen<br />
Substanzen verhalten, die zur lokalen<br />
Wundbehandlung eingesetzt werden.<br />
Sicherheit in der Anwendung bedeutet<br />
aber auch, dass eine Wundauflage<br />
einfach anzuwenden, gebrauchsgerecht<br />
verpackt und eindeutig gekennzeichnet<br />
ist. Selbstverständlich müssen<br />
alle Wundauflagen sterilisierbar<br />
sein bzw. bereits gebrauchsfertig sterilisiert<br />
bereitstehen.<br />
METHODEN DER WUNDBEHANDLUNG<br />
Je nach ihrem Zustand werden Wunden<br />
„trocken“ oder „feucht“ versorgt.<br />
Dabei beschränkt sich die „trockene<br />
Wundbehandlung“ unter Anwendung<br />
trockener Wundauflagen, wie z. B.<br />
Mullkompressen, heute auf folgende<br />
Indikationen:<br />
� Versorgung von Wunden im Rahmen<br />
der Ersten Hilfe und<br />
� Versorgung primär heilender, mit<br />
Naht verschlossener Wunden zur<br />
Aufnahme von Sickerblutungen, als<br />
Schutz vor Sekundärinfektion und als<br />
Polsterschutz gegen mechanische<br />
Irritationen.<br />
Eine Spezialindikation der trockenen<br />
Wundbehandlung stellt außerdem die<br />
Interimsdeckung von Brandwunden<br />
oder Konditionierung von Weichteildefekten<br />
mit synthetischen Hautersatzmaterialien<br />
dar.<br />
Weder trocken noch feucht sind Salbenkompressen,<br />
die zum Geschmeidighalten<br />
von Wundflächen eingesetzt<br />
werden. Da sie selbst durch die Salbenimprägnierung<br />
über keine Saugkraft<br />
verfügen, müssen sie mit saugenden,<br />
trockenen Wundauflagen zur<br />
Sekretaufnahme kombiniert werden.<br />
Bekannte Wundauflagen für die trockene<br />
Wundbehandlung sind Mull- und<br />
Vliesstoffkompressen sowie kombinierte<br />
Saugkompressen aus den verschiedensten<br />
Materialien (Tab. 2).<br />
Feuchte Wundbehandlung<br />
Auch wenn sie noch längst nicht in<br />
wünschenswertem Maße praktiziert<br />
wird, gilt heute die feuchte Wundbehandlung<br />
für alle sekundär heilenden<br />
Wunden als Standard. Insbesondere<br />
bewährt sie sich bei der Behandlung<br />
chronischer Problemwunden.<br />
Die feuchte Wundbehandlung (moist<br />
wound healing), die auf Arbeiten von<br />
G. D. Winter basiert (1962, Erstveröffentlichung<br />
in „Nature“) und deren wissenschaftliche<br />
Grundlagen in groben<br />
Zügen auch abgesichert wurden, hat<br />
ihre Auswirkungen auf alle Phasen der<br />
Wundheilung.<br />
In der Reinigungsphase weisen<br />
feuchte Wundverbände einen guten<br />
wundreinigenden Effekt auf und ermöglichen<br />
ein physikalisches Débridement,<br />
ohne Zellen zu schädigen. Des<br />
Weiteren kann durch das feuchte<br />
Wundmilieu eine Inaktivierung immunkompetenter<br />
Zellen vermieden werden<br />
(Seiler).<br />
In der Granulationsphase schaffen<br />
feuchte Wundverbände ein physiologisches<br />
Mikroklima, ähnlich einem Zellkulturmedium,<br />
das die Zellproliferation<br />
und damit die Ausbildung von Granulationsgewebe<br />
fördert. Nach Turner /<br />
Beatty et. al (1990) bewirkt die permanente<br />
Feuchttherapie eine signifikant<br />
schnellere Reduktion der Wundfläche<br />
und führt zu einer größeren Menge an<br />
Granulationsgewebe.<br />
In der Epithelisierungsphase verbessern<br />
sich unter feuchten Verbänden die<br />
Bedingungen für die Mitose und Migration<br />
von Epithelzellen. Dies führt in der<br />
Regel zu einer schnelleren Epithelisierung<br />
mit kosmetisch günstigeren Ergebnissen.