Die Kelten
1502_NW.pdf
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ABTEILAND<br />
3<br />
Von 1581-1583 ließ Fürstbischof<br />
von Trettenbach die<br />
Burg Griesbach in der Zell zu<br />
einem stattlichen Renaissance-<br />
Schloss ausbauen. Als Kulturdenkmal<br />
erinnert es heute an<br />
die 600-jährige Herrschaft der<br />
Fürstbischöfe im Hochstift Passau.<br />
Das Schloss beherbergt<br />
ein Keramikmuseum, das mit<br />
1.200 Objekten einen Einblick<br />
in die Historie der Keramik<br />
von der Jungsteinzeit bis<br />
zur Gegenwart bietet. Einen<br />
bedeutenden Teil der Ausstellung<br />
nimmt die jahrhundertelange<br />
Produktion von Schwarzgeschirr<br />
und Schmelztiegeln<br />
in Obernzell ein. Es existieren<br />
keine exakten Quellenangaben,<br />
wann die Hafnerei in<br />
Obernzell ihren Anfang nahm.<br />
Es muss aber bereits im Mittelalter<br />
gewesen sein, da zu dieser<br />
Zeit bereits ein reger Handel<br />
mit Keramikprodukten<br />
auf der Donau stattfand. 1509<br />
erlaubt die Regensburger Hafnerordnung<br />
den Verkauf der<br />
Ware „aus der Zell“. Dadurch<br />
erlangte das Zeller Handwerk<br />
eine Bedeutung, die über die<br />
örtliche Produktion hinausging.<br />
Der Name Hafnerzell<br />
bürgerte sich folglich immer<br />
mehr ein. Eine andere Quelle<br />
verweist auf ein Zollprotokoll<br />
von 1642, in dem es heißt, dass<br />
der Kaufmann ‚Jakob Klingshöfer<br />
Geschirr und 5 Fässl Ofenschwärz<br />
nach Regensburg<br />
brächte‘. Der Handel fand vor<br />
allem donauabwärts in Österreich<br />
statt. Wiener Hafner<br />
verkauften das graphitierte<br />
Schwarzgeschirr, das von ihnen<br />
selbst nicht hergestellt wurde.<br />
Bis Ende des 19. Jahrhunderts<br />
produzierten die Hafner ihr<br />
Spezialgeschirr.<br />
Schwarzgeschirr und<br />
Schmelztiegel<br />
Keramik kann grundsätzlich<br />
entweder durch den Zusatz<br />
von Graphit oder durch Reduktionsbrand<br />
geschwärzt<br />
Schwarze Jahre des Erfolgs<br />
Spannende Einblicke im Keramikmuseum Obernzell<br />
<strong>Die</strong> Schmelztiegelfabrikation<br />
war zu damaliger Zeit neben<br />
dem Handel und der Schifffahrt<br />
der wichtigste Erwerbszweig in<br />
Hafnerzell. Bernhard Grueber<br />
und Abalbert Müller schriewerden.<br />
<strong>Die</strong> großen Graphitvorkommen<br />
im südlichen<br />
Bayerischen Wald förderten<br />
die Herstellung graphitierter<br />
Schwarzware in Obernzell<br />
oder auch in der Passauer<br />
Ilzstadt. Der Zusatz von Ton<br />
führte zu einer Abdichtung<br />
des gebrannten Tons bis zur<br />
Wasserundurchlässigkeit.<br />
Somit ersetzte er die Glasur.<br />
Außerdem gab der Graphitzusatz<br />
den Gefäßen eine gute<br />
Wärmeleitfähigkeit, was besonders<br />
für Schmelztiegel und<br />
Öfen von großer Wichtigkeit<br />
war.<br />
Das Hafnerzeller Graphitgeschirrsortiment<br />
bestand vor<br />
allem aus bauchigen Henkeltöpfen,<br />
flachen Doppelhenkelschüsseln<br />
und bauchigen<br />
Doppelhenkeltöpfen<br />
mit eingezogenen Halszonen.<br />
Da diese Gefäße zur Herstellung<br />
und Aufbewahrung von<br />
Essig dienten, wurden sie auch<br />
Essigkrüge genannt. Schmelztiegel<br />
in verschiedenen Größen<br />
setzten Metallgießer und Goldschmiede<br />
zum Schmelzen von<br />
Eisen, Kupfer, Messing und Silber<br />
ein. Der Vorteil von graphitierten<br />
Schmelztiegeln lag vor<br />
allem in ihrer Fähigkeit, große<br />
Temperaturunterschiede beim<br />
Erhitzen und beim abschließenden<br />
Abkühlen besonders<br />
gut auszuhalten. Für die<br />
Herstellung von Schmelztiegeln<br />
war zäher und fetter Ton<br />
erforderlich. <strong>Die</strong>sen mischten<br />
die Hafner mit verschiedenen<br />
Graphitsorten, um einem Reißen<br />
des Materials beim Trocknen<br />
und Brennen vorzubeugen.<br />
Bei kleinen Gefäßen<br />
bevorzugte man eine Ton-<br />
Graphit-Mischung von eins<br />
zu zwei, bei großen Gefäßen<br />
von eins zu fünf. Unterschiede<br />
wies auch die Mischung nach<br />
verschiedenen Gefäßzonen<br />
auf: So verwendete man eine<br />
besonders graphitreiche Masse<br />
in den Bodenzonen von<br />
großen Schmelztiegeln, da an<br />
diesen Stellen die Beanspruchung<br />
durch Hitze auf dem<br />
Feuer sehr hoch war. <strong>Die</strong> Hafner<br />
stempelten fast alle ihre<br />
Schmelztiegel am Boden mit<br />
einem Herstellerzeichen – meistens<br />
die Initialen des Vor- und<br />
Nachnamens – sowie mit Nummern<br />
analog dem Marktwert<br />
der Silbermenge, die in den Tiegel<br />
passte.<br />
Bedeutender Wirtschaftsstandort<br />
Stempel mit Herstellerzeichen.<br />
Ausgestelltes Schwarzgeschirr.<br />
ben 1848 in ihrem Buch Der<br />
bayrische Wald: „Obernzell ist<br />
ungeachtet seiner Kleinheit im<br />
Auslande bekannter als manche<br />
deutsche Residenzstadt.<br />
<strong>Die</strong>sen Ruf verdankt es den<br />
unübertrefflichen Schmelztiegeln,<br />
welche hier verfertigt<br />
und in die halbe Welt versendet<br />
werden.“ Im 19. Jahrhundert<br />
zählte der Ort sechs Schwarzhafner<br />
und drei Fabriken: Kaufmann,<br />
Kapeller und Stallmayer.<br />
Aus diesen gingen 1886 zusammen<br />
mit Georg Saxinger die<br />
Vereinigten Schmelztiegelfabriken<br />
hervor. Mit dem Ende<br />
des Ersten Weltkrieges und der<br />
daniederliegenden Wirtschaft<br />
fiel die Schmelztiegelfabrikation<br />
in eine schwere Krise, 1940<br />
stellte die letzte Fabrik die Produktion<br />
ein.<br />
Das Keramikmuseum in Obernzell<br />
ist Touristen wie Einheimischen<br />
als Ausflugsziel zu empfehlen.<br />
Es ist vom 01. April bis<br />
zum 06. Januar jeden Jahres,<br />
<strong>Die</strong>nstag bis Sonntag, von 10<br />
bis 17 Uhr geöffnet. reddb<br />
Zwei der bedeutendsten<br />
Obernzeller Persönlichkeiten<br />
und Schmelztiegelfabrikanten<br />
sind Franz Paul<br />
Kaufmann und Georg Saxinger.<br />
Kaufmann (1800-1884)<br />
führte nach dem Tod seines<br />
Vaters im Jahr 1844 die<br />
1788 von seinem Großvater<br />
gegründete Hafnereifabrik.<br />
1848 produzierten 26<br />
Arbeiter 5.100 Zentner Tiegelware<br />
im Jahr. Nachdem<br />
die Fabrik 1862 beim großen<br />
Marktbrand zerstört wurde,<br />
verzichtete er auf den Wiederaufbau<br />
und verkaufte die<br />
Produktionsrechte. Saxinger<br />
(1819-1890) errichtete<br />
1855 eine neue Schmelztiegelfabrik<br />
in Obernzell. Dessen<br />
Sohn brachte die Firma<br />
1886 in die Vereinigten<br />
Schmelztiegelfabriken und<br />
Graphitwerke Josef Kaufmann,<br />
Georg Saxinger jun.<br />
und Co. ein.<br />
Fotos: Stephen Hahn