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Kaktus Herbst 2010 - Grüne Solingen

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Fraktion in Aktion<br />

6<br />

Es geht auch anders<br />

Aus den Gesprächen mit Altenpflegerinnen<br />

Nach den Hiobsbotschaften aus der Seniorenresidenz SENVITAL<br />

kann ich, Sozialpolitikerin, nicht ruhig bleiben. Fünf mir bekannte<br />

Personen haben ihre an Demenz erkrankten Angehörige vor kurzer<br />

Zeit wegen schwerer Pflegemängel aus der Einrichtung genommen<br />

und dort untergebracht, wo es ihnen hoffentlich besser geht. Nur<br />

wenige von ihnen trauten sich, die Missstände öffentlich zu machen,<br />

zu sehr belastet sie der Umstand, ihre an Altersdemenz leidenden<br />

Angehörigen in ein Heim „abgeschoben“ zu haben. Dabei<br />

ist es ja oft die emotionale Beziehung, die es ihnen so schwer<br />

macht, ihre veränderten alten Eltern zu pflegen.<br />

Ich habe mich bei examinierten Altenpflegerinnen, einer Pastorin<br />

und bei Sozialarbeiterinnen, die in verschiedenen Solinger Einrichtungen<br />

der Altenpflege tätig sind, kundig gemacht. Dabei bin<br />

ich zu der Erkenntnis gekommen, dass es auch anders geht – trotz<br />

der schwierigen Bedingungen.<br />

Über Pflegemängel ist in den letzten Wochen und Monaten so<br />

viel publiziert worden, dass ich mich entschieden habe, an dieser<br />

Stelle einmal über die Lichtblicke zu berichten, die sich in einem<br />

Gespräch mit sehr engagierten Frauen in der stationären Altenpflege<br />

ergeben haben.<br />

Meine erste Frage war: Was läuft bei SENVITAL schief, dass trotz<br />

übertariflicher Löhne eine hohe Fluktuation der Mitarbeiterinnen<br />

stattfindet<br />

Antwort: Gerade in einem solch arbeitsintensiven und psychisch<br />

belastenden Beruf brauchen die examinierten Pflegerinnen<br />

und die Pflegehelferinnen Ermutigung durch die Geschäfts- und<br />

Pflegedienstleitung. Diese fand und findet bis heute nicht statt.<br />

Es wird vor allem Druck verbreitet, der für die emotional und körperlich<br />

geforderten Pflegerinnen völlig demotivierend ist. Es ist<br />

hinlänglich bekannt, dass in diesem Beruf Stresserkrankungen an<br />

der Tagesordnung sind, denn kaum jemanden lässt kalt, was er in<br />

der Pflege erlebt. Umso mehr ist die Leitung in der Pflicht, alle die<br />

Stressfaktoren, die vermeidbar sind, auch zu vermeiden. Das<br />

scheint bei SENVITAL aber nicht Leitlinie des Handelns zu sein.<br />

Es stellt sich die Frage: Werden Fortbildungen, vor allem im<br />

Umgang mit an Demenz erkrankten Bewohnern angeboten<br />

Antwort: Bei SENVITAL werden bis jetzt keine derartigen Fortbildungen<br />

angeboten. Dies ist natürlich ein Unding, denn genau<br />

für diese Bewohnerinnen und Bewohner brauchen wir gut ausgebildete,<br />

psychisch starke Pflegerinnen und Pfleger.<br />

Ist es möglich, dass man in den Teamgesprächen auch private<br />

Sorgen los werden kann Wird auf Mitarbeiterinnen Rücksicht genommen,<br />

denen es vorübergehend nicht gut geht Darf man ohne<br />

Angst vor negativen Folgen ansprechen, wenn man von BewohnerInnen<br />

in der Pflege abgelehnt wird oder man selber mit der einen<br />

oder anderen Person nicht zu recht kommt<br />

Die Gewährleistung dieser Aspekte sind das A und O einer guten<br />

Zusammenarbeit. Hier muss eine Vertrauensbasis aufgebaut<br />

werden, damit die MitarbeiterInnen gestärkt werden. Wenn es einer<br />

Pflegerin schlecht geht, dann sollte sich eine Stationsschwester<br />

nicht zu schade sein auch mit einzuspringen, d. h. pflegerische<br />

Aufgaben übernehmen.<br />

Wer sich als Teil eines guten Teams fühlt, der arbeitet auch<br />

gut. Von diesem guten Befinden profitiert die Bewohnerschaft. Ein<br />

gut geführtes Haus spricht sich schnell herum. Was nutzt schwerkranken<br />

alten Menschen ein schönes Ambiente, wenn die Pflege<br />

nicht stimmt, wenn bei Hilfestellungen z. B. bei den Mahlzeiten<br />

keiner da ist, wenn der demente Bewohner ständig mit neuen Gesichtern<br />

konfrontiert wird, die bei ihm Angst auslösen.<br />

Wer Altenhilfe nur als profitables Geschäft ansieht, muss sich<br />

nicht wundern, dass dies keinen Erfolg hat. Die Angestellten kündigen<br />

und die wacher gewordenen Angehörigen holen ihre Mutter<br />

oder Tante so schnell wie möglich in ein besser geführtes Haus. Es<br />

rechnet sich nur für alle Beteiligten, wenn außer den Hochglanzbroschüren<br />

mit denen die Einrichtungen für sich werben, auch das<br />

umgesetzt wird, was die Werbung verspricht.<br />

Es gibt sie also, die Altenpflegerinnen, die auch bei all den Kritikpunkten,<br />

die eine Heimunterbringung mit sich bringt, den hilfebedürftigen<br />

alten Menschen noch Geborgenheit und Wärme geben,<br />

die gut pflegen, die versuchen den Menschen vor ihrem Tod das zu<br />

kommen zu lassen, was sich letztendlich jeder von uns wünscht:<br />

beachtet zu werden, auch wenn scheinbar nichts mehr bei einem<br />

ankommt. Wer glaubt, dass der an Demenz erkrankte Mensch sowieso<br />

nichts mehr spürt, der ist in der Pflege fehl am Platz.<br />

Julia Freiwald

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