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Kaktus Herbst 2010 - Grüne Solingen

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<strong>Kaktus</strong><br />

Informationen über bündnis/grüne Politik in <strong>Solingen</strong><br />

<strong>Herbst</strong> <strong>2010</strong><br />

Aussichten<br />

<strong>Solingen</strong> im Wandel


2 „ Wissen, wos lang geht ... “


3<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

in <strong>Solingen</strong> hat sich vieles verändert, gleichzeitig stehen noch viele Veränderungen an. Deswegen haben wir<br />

diese Ausgabe des <strong>Kaktus</strong> unter das Motto „Stadt im Wandel“ gestellt. Grundlage für einen Teil der Veränderungen<br />

ist das im Juli beschlossene Haushaltssicherungskonzept, für das erstmals ein neues Bündnis aus SPD, BfS,<br />

Grünen und Linken gerade steht. Wir haben uns bemüht, die von der Bezirksregierung geforderten Einsparungen<br />

zu realisieren, ohne <strong>Solingen</strong> komplett kaputt zu sparen. Jetzt wird es darum gehen, diese Einsparungen auch<br />

tatsächlich zu realisieren. Einige der HSK-Maßnahmen haben wir kommentiert. Andere – wie etwa die Auswirkungen<br />

auf die Grünflächen in <strong>Solingen</strong> – in ausführlicheren Artikeln dargestellt. Eine der wohl wichtigsten Veränderungen<br />

resultiert jedoch nicht aus hiesigen Sparmaßnahmen sondern von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts:<br />

Wird <strong>Solingen</strong> zukünftig die Beschäftigungsförderung eigenverantwortlich durchführen, oder<br />

wie bisher in Abhängigkeit zur Bundesagentur für Arbeit Eine höchst komplizierte Materie, die wir deshalb in<br />

dieser Ausgabe genau beleuchten möchten.<br />

Schön ist, dass wir auch von guten Veränderungen berichten können: Ein Verein engagierter Bürgerinnen<br />

und Bürger pflegt nun den Coppel-Park am Kannenhof, Stadt und Lebenshilfe sind einer Einigung hinsichtlich<br />

der Übernahme (und damit Sicherung) des Birkerbads deutlich näher gekommen und die Korkrnziehertrasse erhält<br />

die Verbindung zum Brückenpark Müngsten.<br />

Und natürlich die Landesebene – hier hat sich sehr viel getan, seit die rotgrüne<br />

Landesregierung im Amt ist. Im Landtagsreport ist dazu mehr zu lesen.<br />

Schließlich konnten Sie im letzten <strong>Kaktus</strong> einen Beitrag zum Thema Kopftuch<br />

lesen. Diese Debatte führen wir nun weiter.<br />

Viel Spaß beim Lesen wünscht<br />

Die Redaktion<br />

Fraktion in Aktion<br />

Blickpunkt<br />

Grün und bündig<br />

Inhalt<br />

4<br />

10<br />

16<br />

Service<br />

Adressen, Termine,<br />

Impressum 19<br />

Landtagsreport<br />

Angemerkt<br />

20<br />

22<br />

Editorial


Fraktion in Aktion<br />

Haushaltsauswirkungen<br />

In der Ratssitzung im Juli vor den Sommerferien wurde das<br />

neue Haushaltssicherungskonzept (HSK) verabschiedet. Die Monate<br />

davor waren geprägt von den vielen Sitzungen, in denen wir Grüne,<br />

gemeinsam mit SPD und BfS versucht haben, die Schreckensliste<br />

der Verwaltung mit Einsparvorschlägen in Höhe von etwa<br />

45 Mio. Euro so zu gestalten, dass zwar die Einsparsumme möglichst<br />

erreicht wird, das gesamte städtische Angebot in den Bereichen<br />

Kultur, Sport, Kinder, Jugend, Grünflächen, ÖPNV usw. möglichst<br />

erhalten bleibt. Eine Quadratur des Kreises, die uns nach<br />

langen Diskussionen und viel Überzeugungsarbeit aus unserer<br />

Sicht auch geglückt ist. Hier eine Zusammenfassung der Haushaltsbeschlüsse:<br />

Sport<br />

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Kahlschlag verhindert!<br />

Die 100%-ige Umsetzung des Vorschlages der Verwaltung zum<br />

Haushaltsbegleitbeschluss im Bereich Sport hätte einen Kahlschlag<br />

für den Solinger Sport bedeutet. Hier konnten wir bei<br />

den Verhandlungen wichtige Einrichtungen bzw. Zuschüsse retten.<br />

Hallenbad Vogelsang gerettet!<br />

Der Anteil der Nichtschwimmer in der Bevölkerung steigt (heute<br />

ca. 30 %). Umso wichtiger, dass das beliebte Bad, welches<br />

hauptsächlich durch die Öffentlichkeit genutzt wird, nun nicht<br />

geschlossen wird. Es ist gut an den ÖPNV angebunden und insbesondere<br />

für Familien attraktiv. In Zukunft sollten Attraktivierungsmaßnahmen<br />

die Beliebtheit noch steigern.<br />

Eissporthalle und Hallenbad Birkerstraße haben eine<br />

Zukunft<br />

Die Reduzierung der Zuschüsse von strukturell 60.000 Euro an<br />

den Eissport ist vom Tisch. Ab 2013 ist jetzt eine Eigenbeteiligung<br />

der Vereine von lediglich 10.000 Euro vorgesehen. Somit<br />

ist die Eissporthalle als größter Jugendtreff in <strong>Solingen</strong><br />

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(60.000 BesucherInnen zwischen 12 und 17 Jahren pro Jahr)<br />

gerettet. Dadurch ist auch die Übernahme des Hallenbades Birkerstraße<br />

durch die Lebenshilfe nicht mehr gefährdet – im<br />

Gegenteil, der Beschluss hat den Verhandlungen zwischen Stadt<br />

und Lebenshilfe neuen Schub verliehen.<br />

Erhöhung der Entgelte für Sportstätten/Schwimmhallen<br />

stark reduziert<br />

Die Nutzungsentgelte für Vereine sollten um ca. 50 % (!) angehoben<br />

werden. Dies hätte die Existenzfähigkeit der Vereine, die<br />

in unserer Stadt wichtige ehrenamtliche Arbeit leisten gefährdet.<br />

Für unsere Position diese Erhöhung völlig abzulehnen, haben<br />

wir keine Mehrheiten gefunden. Es ist uns aber gelungen<br />

diesen Betrag auf ein Drittel zu reduzieren.<br />

Der Wermutstropfen: Aufgabe Hallenbad Ohligs<br />

Neben den o.g. Punkten haben wir für den Sport auch bei anderen<br />

Positionen viel erreicht. Für den Erhalt des Hallenbades<br />

Ohligs haben wir hingegen leider keine Mehrheit gefunden – es<br />

wird geschlossen.<br />

Kultur<br />

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VHS<br />

Die VHS ist eine der wichtigsten Bildungseinrichtungen der<br />

Stadt außerhalb der Schulen. Schon die Organisation im Zweckverband<br />

gemeinsam mit der VHS Wuppertal hat zu den „Synergieeffekten“<br />

geführt, die wir immer befürchtet haben: Angebotsabbau<br />

vor Ort. Nun stand zur Diskussion, strukturell noch<br />

einmal 250.000 Euro (nur in <strong>Solingen</strong>!) einzusparen. Dazu sollten<br />

viele aus unserer Sicht wichtige Angebote gestrichen werden.<br />

Wir konnten durchsetzen, dass die Bildungsberatung in<br />

<strong>Solingen</strong> fortgeführt wird, ebenso wie das Angebot der nachträglichen<br />

Schulabschlüsse. Sprache gilt als Schlüssel zur Integration.<br />

Wenn Sprachkurse aber nicht besucht werden können,<br />

weil das Angebot zur Kinderbetreuung fehlt, sind vor allem<br />

4


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Frauen von diesen Kursen ausgeschlossen. Auch hier konnten<br />

wir uns durchsetzen, so dass die Kinderbetreuung weiterhin –<br />

wenn auch eingeschränkt – gewährleistet ist. Die Stelle des/der<br />

Fachbereichsleiter/in Sprachen soll in <strong>Solingen</strong> erhalten bleiben.<br />

Das Kinoangebot der Cobra stand zur Disposition – die<br />

vollständige Aufgabe konnte abgewendet werden.<br />

Es bleibt allerdings abzuwarten, wie die Verbandsversammlung<br />

des Zweckverbandes VHS mit unserem Solinger Ratsbeschluss<br />

umgeht – Wuppertal ist dem Verwaltungsvorschlag gefolgt und<br />

hat die Kürzungsliste abgesegnet.<br />

Bibliothek<br />

Auch in der Stadtbibliothek waren diverse Sparmaßnahmen vorgeschlagen,<br />

u.a. eine komplette Automatisierung von Entleihe<br />

und Buchrückgabe. Das haben wir kritisiert, weil es Nutzergruppen<br />

gibt, die mit einer kompletten Automatisierung ihre<br />

Schwierigkeiten haben und weil wir überzeugt sind, dass beratendes<br />

Personal auch in einer Bibliothek ausgesprochen wichtig<br />

ist. Also wird jetzt erst einmal nur ein Kassenautomat aufgestellt<br />

und man wird sehen, wie sich die Nutzergruppen verhalten.<br />

Bücher bleiben autofrei<br />

Die skurrile Idee der Verwaltung, zwecks Einsparungen die KFZ-<br />

Zulassungsstelle im öffentlichen Lesesaal der Bibliothek anzusiedeln<br />

konnte zum Glück abgelehnt werden.<br />

Städtische Dienstleistungen<br />

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Bürgerbüros<br />

Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, nur noch in Mitte ein Bürgerbüro<br />

offen zu halten. Wir haben dem Votum der Bezirksvertretung<br />

Ohligs/Merscheid/Aufderhöhe entsprochen und den Beschluss<br />

so geändert, dass nun mit Ohligs und Mitte zwei Bürgerbüros<br />

erhalten bleiben<br />

Festhalle Ohligs/Stadtsaal Wald<br />

Der Verwaltungsvorschlag sah die Schließung beider Raumangebote<br />

vor – beschlossen wurde nun, dass zwar eine Aufgabe angestrebt<br />

wird, allerdings in Form einer Übertragung auf einen<br />

Dritten der sich verpflichtet, den kulturellen Nutzungszweck<br />

(also etwa Anmietung für private Feste, Nutzung durch Vereine<br />

etc.) beizubehalten, ansonsten müssten auch Fördergelder des<br />

Landes in Millionenhöhe zurückgezahlt werden.<br />

t Agenda 21<br />

Zum Glück konnte eine weitere Stellenstreichung im Büro der<br />

Agenda-Geschäftsstelle abgewendet werden. Mit dem Agenda-<br />

21-Prozess soll die Entwicklung <strong>Solingen</strong>s in Richtung Nachhaltigkeit<br />

unterstützt werden.<br />

Umwelt/Verkehr<br />

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ÖPNV<br />

Die von der Verwaltung vorgeschlagenen Einsparungen im Öffentlichen<br />

Personennahverkehr von 750.000 Euro hätten zu<br />

massiven Angebotsreduzierungen vor allem in den so genannten<br />

Randzeiten (abends und morgens) sowie in den Außenbereichen<br />

der Stadt geführt. Glücklicherweise konnten wir die<br />

Sparvorgabe auf 200.000 Euro absenken, die durch Einnahmesteigerungen<br />

erzielt werden sollen.<br />

Grünflächen<br />

Wir alle wurden aufgeschreckt vom Vorschlag der Verwaltung,<br />

großflächig Grünflächen in <strong>Solingen</strong> zu veräußern. Ein Vorschlag,<br />

der sicherlich auch zeigt, wie verzweifelt eine Stadt<br />

sein muss, wenn wichtige Erholungsflächen versilbert werden<br />

sollen. Das konnte in weiten Teilen abgewendet werden, auffälligste<br />

Fläche war sicherlich der Park am Kannenhof. Hier hat<br />

sich ein sehr rühriger Verein gegründet, dem mittlerweile von<br />

der Stadt die Pflege des Parks übertragen wurde.<br />

Soziales<br />

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Kinderheim Kannenhof<br />

Vorschlag der Verwaltung war, die Notschlafstelle an der Hermannstraße<br />

zu schließen und das dortige Angebot zukünftig<br />

im Kinderheim Kannenhof anzubieten. Da die Klientel unterschiedlich<br />

ist und die Nutzungszahlen der „10“ zeigen, dass<br />

dieses niedrigschwellige Angebot für Jugendliche und junge<br />

Erwachsene dringend gebraucht wird, wurde diese HSK-Maßnahme<br />

auf unseren Antrag hin gelöscht.<br />

Aufgabe Haus der Jugend Gräfrath<br />

Wir konnten zumindest durchsetzen, dass die Aufgabe des Gebäudes<br />

nicht zur Aufgabe des Angebotes führt. Dieses soll<br />

vielmehr in einem inhaltlichen, pädagogischen und räumlichen<br />

Konzept neu ausgearbeitet und den Gremien zur Diskussion<br />

vorgelegt werden.<br />

Steuererhöhungen<br />

Wir hatten uns vorgenommen, das Sparziel von 45 Mio. Euro<br />

trotz Angebotserhalts zumindest annähernd zu erreichen. Das ist<br />

auch geglückt, unser Haushaltsvorschlag belief sich auf 43,5 Mio.<br />

Euro. Dazu mussten wir aber die Einnahmesituation der Stadt verbessern.<br />

Dies soll durch folgende Maßnahmen gelingen: Erhöhung<br />

der Automatensteuer (Spielautomaten), der Grundsteuer A und B,<br />

der Hundesteuer und der Gewerbesteuer. Vor allem Letzteres hat<br />

für lauten Protest gesorgt, aber in der Abwägung der Vorschläge<br />

halten wir diesen Weg für den Richtigeren.<br />

Fazit: Wir haben uns intensiv mit Sparbemühungen auseinander<br />

gesetzt. Wir sparen, z.T. auch gegen unsere Überzeugungen<br />

und gegen das, was für die Stadt eigentlich wichtig wäre. Wenn<br />

jetzt nicht endlich eine echte Gemeindefinanzreform kommt, sind<br />

wir trotzdem am Ende, denn wir stehen nach wie vor kurz vor der<br />

Überschuldung. Das Land hat unter Rot-Grün die Zeichen der Zeit<br />

nun hoffentlich erkannt. Nun muss auch der Bund folgen, damit<br />

wir die Angebote der Daseinsvorsorge in den Kommunen erhalten<br />

können.<br />

Susanne Fingscheidt<br />

5<br />

Fraktion in Aktion


Fraktion in Aktion<br />

6<br />

Es geht auch anders<br />

Aus den Gesprächen mit Altenpflegerinnen<br />

Nach den Hiobsbotschaften aus der Seniorenresidenz SENVITAL<br />

kann ich, Sozialpolitikerin, nicht ruhig bleiben. Fünf mir bekannte<br />

Personen haben ihre an Demenz erkrankten Angehörige vor kurzer<br />

Zeit wegen schwerer Pflegemängel aus der Einrichtung genommen<br />

und dort untergebracht, wo es ihnen hoffentlich besser geht. Nur<br />

wenige von ihnen trauten sich, die Missstände öffentlich zu machen,<br />

zu sehr belastet sie der Umstand, ihre an Altersdemenz leidenden<br />

Angehörigen in ein Heim „abgeschoben“ zu haben. Dabei<br />

ist es ja oft die emotionale Beziehung, die es ihnen so schwer<br />

macht, ihre veränderten alten Eltern zu pflegen.<br />

Ich habe mich bei examinierten Altenpflegerinnen, einer Pastorin<br />

und bei Sozialarbeiterinnen, die in verschiedenen Solinger Einrichtungen<br />

der Altenpflege tätig sind, kundig gemacht. Dabei bin<br />

ich zu der Erkenntnis gekommen, dass es auch anders geht – trotz<br />

der schwierigen Bedingungen.<br />

Über Pflegemängel ist in den letzten Wochen und Monaten so<br />

viel publiziert worden, dass ich mich entschieden habe, an dieser<br />

Stelle einmal über die Lichtblicke zu berichten, die sich in einem<br />

Gespräch mit sehr engagierten Frauen in der stationären Altenpflege<br />

ergeben haben.<br />

Meine erste Frage war: Was läuft bei SENVITAL schief, dass trotz<br />

übertariflicher Löhne eine hohe Fluktuation der Mitarbeiterinnen<br />

stattfindet<br />

Antwort: Gerade in einem solch arbeitsintensiven und psychisch<br />

belastenden Beruf brauchen die examinierten Pflegerinnen<br />

und die Pflegehelferinnen Ermutigung durch die Geschäfts- und<br />

Pflegedienstleitung. Diese fand und findet bis heute nicht statt.<br />

Es wird vor allem Druck verbreitet, der für die emotional und körperlich<br />

geforderten Pflegerinnen völlig demotivierend ist. Es ist<br />

hinlänglich bekannt, dass in diesem Beruf Stresserkrankungen an<br />

der Tagesordnung sind, denn kaum jemanden lässt kalt, was er in<br />

der Pflege erlebt. Umso mehr ist die Leitung in der Pflicht, alle die<br />

Stressfaktoren, die vermeidbar sind, auch zu vermeiden. Das<br />

scheint bei SENVITAL aber nicht Leitlinie des Handelns zu sein.<br />

Es stellt sich die Frage: Werden Fortbildungen, vor allem im<br />

Umgang mit an Demenz erkrankten Bewohnern angeboten<br />

Antwort: Bei SENVITAL werden bis jetzt keine derartigen Fortbildungen<br />

angeboten. Dies ist natürlich ein Unding, denn genau<br />

für diese Bewohnerinnen und Bewohner brauchen wir gut ausgebildete,<br />

psychisch starke Pflegerinnen und Pfleger.<br />

Ist es möglich, dass man in den Teamgesprächen auch private<br />

Sorgen los werden kann Wird auf Mitarbeiterinnen Rücksicht genommen,<br />

denen es vorübergehend nicht gut geht Darf man ohne<br />

Angst vor negativen Folgen ansprechen, wenn man von BewohnerInnen<br />

in der Pflege abgelehnt wird oder man selber mit der einen<br />

oder anderen Person nicht zu recht kommt<br />

Die Gewährleistung dieser Aspekte sind das A und O einer guten<br />

Zusammenarbeit. Hier muss eine Vertrauensbasis aufgebaut<br />

werden, damit die MitarbeiterInnen gestärkt werden. Wenn es einer<br />

Pflegerin schlecht geht, dann sollte sich eine Stationsschwester<br />

nicht zu schade sein auch mit einzuspringen, d. h. pflegerische<br />

Aufgaben übernehmen.<br />

Wer sich als Teil eines guten Teams fühlt, der arbeitet auch<br />

gut. Von diesem guten Befinden profitiert die Bewohnerschaft. Ein<br />

gut geführtes Haus spricht sich schnell herum. Was nutzt schwerkranken<br />

alten Menschen ein schönes Ambiente, wenn die Pflege<br />

nicht stimmt, wenn bei Hilfestellungen z. B. bei den Mahlzeiten<br />

keiner da ist, wenn der demente Bewohner ständig mit neuen Gesichtern<br />

konfrontiert wird, die bei ihm Angst auslösen.<br />

Wer Altenhilfe nur als profitables Geschäft ansieht, muss sich<br />

nicht wundern, dass dies keinen Erfolg hat. Die Angestellten kündigen<br />

und die wacher gewordenen Angehörigen holen ihre Mutter<br />

oder Tante so schnell wie möglich in ein besser geführtes Haus. Es<br />

rechnet sich nur für alle Beteiligten, wenn außer den Hochglanzbroschüren<br />

mit denen die Einrichtungen für sich werben, auch das<br />

umgesetzt wird, was die Werbung verspricht.<br />

Es gibt sie also, die Altenpflegerinnen, die auch bei all den Kritikpunkten,<br />

die eine Heimunterbringung mit sich bringt, den hilfebedürftigen<br />

alten Menschen noch Geborgenheit und Wärme geben,<br />

die gut pflegen, die versuchen den Menschen vor ihrem Tod das zu<br />

kommen zu lassen, was sich letztendlich jeder von uns wünscht:<br />

beachtet zu werden, auch wenn scheinbar nichts mehr bei einem<br />

ankommt. Wer glaubt, dass der an Demenz erkrankte Mensch sowieso<br />

nichts mehr spürt, der ist in der Pflege fehl am Platz.<br />

Julia Freiwald


ARGE oder Option!<br />

7<br />

2005 wurde die Beschäftigungsförderung in Deutschland neu<br />

strukturiert. Man wollte den Arbeitslosen künftig „Hilfe aus einer<br />

Hand“ anbieten, die Menschen „fördern und fordern“, und gleichzeitig<br />

wollte man dem ungeliebten „Arbeitsamt“ ein neues Image verpassen.<br />

Seither heißt das Arbeitsamt „Bundesagentur für Arbeit“,<br />

das klingt viel weltmännischer – und es entstanden die ARGEN als<br />

Zusammenschlüsse von Aufgaben der Bundesagentur und der Kommunen.<br />

Folglich arbeiten hier Bundesangestellte und kommunale<br />

MitarbeiterInnen zusammen, ohne dass die Zuständigkeiten vollständig<br />

getrennt wären. Das hat das Bundesverfassungsgericht als<br />

nicht verfassungskonform erklärt und gefordert, dass der gesamte<br />

Bereich der Beschäftigungsförderung / Wiedereingliederung in den<br />

ersten Arbeitsmarkt der ARGEN bis Ende <strong>2010</strong> neu strukturiert werden<br />

muss unter der Maßgabe der Trennung der Aufgaben und Zuständigkeiten.<br />

So ergibt sich nun die Möglichkeit für die Kommunen zur Option.<br />

Das heißt, einige wenige Kommunen (maximal 120, 69 gibt es aber<br />

schon) sollen auf Antrag hin die gesamte Beschäftigungsförderung<br />

allein und eigenverantwortlich stemmen. Dabei sollen sie mit entsprechenden<br />

Finanzmitteln des Bundes ausgestattet werden. Der<br />

Schritt zur Optionskommune ist nicht unumstritten, Wuppertal hat<br />

es beantragt, Remscheid hingegen nicht. So hat die LINKE eine Veranstaltung<br />

durchgeführt, bei der mit Frank Knoche der grün-offene<br />

Sozialausschussvorsitzende als Befürworter der Option auf dem Podium<br />

saß. Seine Ausführungen haben wir protokolliert:<br />

Hitzige Debatte um Option<br />

Beide Seiten, sowohl die Freunde der ARGEN als auch die der<br />

Option, neigen in der Auseinandersetzung dazu, ihre allgemeine<br />

Kritik an Hartz IV für die Organisationsfrage, wie vor Ort die Arbeitslosengeld<br />

II-EmpfängerInnen besser betreut werden, zu instrumentalisieren.<br />

Das dient nicht der Debatte! Hartz IV ist das Eine,<br />

die Organisation von Beschäftigungsförderung und Wiedereingliederung<br />

in den ersten Arbeitsmarkt das Andere. Folgerichtig<br />

verspreche ich mir von der Option nicht, dass Hartz IV sozialer<br />

wird. Hartz IV gehört schlicht abgeschafft! Und ich wage kaum zu<br />

hoffen, dass in einem kommunalen Jobcenter die Arbeitslosen<br />

freundlicher und respektvoller behandelt werden – wer das alte<br />

kommunale Sozialamt noch kennt, weiß was ich meine.<br />

Kurz: Mit der Option wird nicht alles besser. Es gibt schon heute<br />

gute und schlechte Optionskommunen, genauso wie es gute<br />

und schlechte ARGEN gibt.<br />

Warum bin ich trotzdem für eine Optionskommune<br />

Ein Zitat, weil ich es nicht besser formulieren könnte:<br />

„Ein abgestimmtes Tätigwerden von Schulen, Bildungseinrichtungen,<br />

Obdachlosenverwaltung, Jugendhilfeträgern, Stadtplanung<br />

und Wirtschaftsförderung in Kooperation miteinander vor Ort ist<br />

für eine effektive Hilfe viel, viel wichtiger, als „ein Jobcenter für<br />

alle Erwerbslose“, das als zentralistisch gesteuerte Mammutbehörde<br />

des Bundes wie ein Bundessozialamt nur nach Schema F vorgeht<br />

und alle fallen lässt, die da nicht hineinpassen. Direkte Wege<br />

und alternative, teilweise sogar individuelle Lösungsmöglichkeiten<br />

sind problemlos möglich.“ (Frank Heinze, Stadtrat der Erlanger<br />

Linke)<br />

Es gibt einige Kommunalpolitiker der Linken, die im Gegensatz<br />

zur Haltung ihrer Bundepartei die Option wollen. Wenn Katja Kipping<br />

es „zutiefst verständlich“ findet, dass Kommunalpolitiker<br />

glauben, es besser machen zu können als eine Bundesagentur,<br />

„die nur noch nach irgendwelchen betriebswirtschaftlichen Zahlen<br />

funktioniert“, sich dann aber trotzdem gegen die Option ausspricht,<br />

weil, „wir als Bundespolitiker die Verantwortung haben,<br />

das, was wir wollen, auch konzeptionell umzusetzen. Wir als Bund<br />

hätten im Gegensatz zu den Kommunalpolitikern die Möglichkeit,<br />

der Bundesagentur endlich wieder einen sozialpolitischen Auftrag<br />

zu geben. Wir als Bund hätten die Möglichkeit, ein repressives Arbeitslosengeld<br />

II durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung zu<br />

ersetzen. Wenn wir das so durchgesetzt hätten, dann könnten die<br />

Kommunalpolitiker vor Ort möglicherweise anders entscheiden“<br />

(Rede im Deutschen Bundestag vom 6.5.<strong>2010</strong>), dann fehlt mir der<br />

logische Zusammenhang. Kann Kommunalpolitik ihre Spielräume<br />

zur Verbesserung der Situation vieler vor Ort Betroffener nicht nutzen,<br />

wenn es im Bundestag noch keine entsprechenden positiven<br />

Beschlüsse gibt Oder anders gefragt: Inwieweit würde die Einrichtung<br />

von mehr Optionskommunen die Bundespolitik darin hindern,<br />

der BA endlich wieder einen sozialen Auftrag zu geben<br />

Auswirkungen auf den einheitlichen Arbeitsmarkt<br />

Ähnlich sehe ich die ablehnende Haltung des DGB-Bundesvorstandes,<br />

der befürchtet, dass mit der Option der einheitliche Arbeitsmarkt<br />

aus dem Blick gerät und eine Ausweitung des Optionsmodells<br />

die Strukturprobleme verschärft. Abgesehen von der Frage,<br />

ob es denn den einheitlichen Arbeitsmarkt überhaupt noch gibt,<br />

existiert dieser einheitliche Arbeitsmarkt, ebenso wie die Strukturprobleme<br />

der Arbeitslosigkeit und die Lösung derselben unabhängig<br />

von der Organisationsform der Beschäftigungsförderung vor<br />

Ort. Es geht bei den Befürchtungen viel eher um die Vermittlung<br />

in den überregionalen Arbeitsmarkt. Das zeigt die Argumentation<br />

des Ratinger SPD-Ratsherrn Christian Wiglow, der ganz richtig<br />

sagt: „Der Bedarf an Fach- und Führungskräften kann nur überregional<br />

gedeckt werden“. Niemand würde heute auf die Idee kommen,<br />

die kommunale Wohngeldverwaltung in Frage zu stellen, weil<br />

dadurch der einheitliche Wohnungsmarkt aus dem Blick geraten<br />

würde.<br />

Wieso sollen Optionskommunen das nicht leisten können Die<br />

notwendigen Datenbanken zu Angebot und Nachfrage auf dem (inter)nationalen<br />

Arbeitsmarkt sind allgemein zugänglich. Das Monopol<br />

der BA auf solche Daten ist Geschichte.<br />

Fraktion in Aktion


Fraktion in Aktion<br />

8<br />

Hinzu kommt, dass die großen Firmen wie etwa auch Haribo in<br />

<strong>Solingen</strong> zunehmend eigene Zeitarbeitsfirmen beauftragen. Sicherlich<br />

keine zu begrüßende Entwicklung, aber wieso sollten hier BA<br />

oder ARGE bessere Möglichkeiten haben, als gute ArbeitsvermittlerInnen<br />

bei einer Optionskommune<br />

Wenn Herr Wiglow, dessen Argumentationspapier von vielen Optionsgegnern<br />

in der SPD leichtgläubig übernommen wird, in diesem<br />

Zusammenhang kritisiert, dass der Kreis Mettmann in seiner<br />

Begründung für die Option schreibt: „... diese Kunden sind zum<br />

allergrößten Teil multiproblembeladen und de facto nicht vermittelbar“,<br />

dann offenbart das bereits die BA-typische Haltung:<br />

Augen zu vor der Realität – vor allem dem wachsenden Kreis der<br />

Langzeitarbeitslosen – und volle Konzentration auf die sogenannten<br />

arbeitsmarktnahen Kunden. Die Langzeitarbeitslosen werden<br />

mit ein bisschen Bewerbungstraining und Stabilisierung in sechsmonatigen<br />

Ein-Euro-Jobs verbunden mit entsprechendem Druck<br />

irgendwie bundesweit vermittelt werden können. Wer das dann<br />

nicht schafft, wird abgeschrieben.<br />

Vermittler contra Kümmerer<br />

Vielfach – und auch das findet sich beim Ratinger Kommunalpolitiker<br />

– wird befürchtet, dass eine Optionskommune zu viel Verständnis<br />

für die schwierige Lebenslage der Arbeitslosen aufbringt.<br />

So heißt es in dem besagten Papier: „Bei der sich abzeichnenden<br />

Fokussierung auf eine defizitorientierte Strategie des ‚Kümmerns‘<br />

steht zu vermuten, dass Integrationserfolge ausbleiben.“ Oder:<br />

„Soll mehr Integrationen erreicht werden (wie der Bundestag beschlossen<br />

hat), kann sich eine Optionskommune nicht auf das<br />

‚Kümmern‘ der ‚Mühseligen und Beladenen‘ fokussieren.” Sprache<br />

verrät da schon einiges.<br />

Weiter Gründe für die Option:<br />

Die BA ist von ihrer Philosophie und historischen Rolle her völlig<br />

einseitig konzentriert auf sogenannte arbeitsmarktnahe „Kunden“.<br />

Sie würde am liebsten alle zur Verfügung stehenden Mittel<br />

auf diesen Personenkreis konzentrieren und für die schwerer zu<br />

vermittelnden Langzeitarbeitslosen nur das Notwendigste tun. Die<br />

Kommunen hingegen haben vor allem aus finanziellen Gründen<br />

(u.a. die Kosten der Unterkunft werden größtenteils kommunal bezahlt!)<br />

ein natürliches Interesse daran, gerade Langzeitarbeitslose<br />

wieder einzugliedern. Eine deutliche schwierigere Aufgabe, denn<br />

selbst in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs bleiben vor allem<br />

die Langzeitarbeitslosen auf der Strecke.<br />

Wenn es z.B. um Entscheidungen geht, wie die etwa 11 Millionen<br />

Euro, die <strong>Solingen</strong> in <strong>2010</strong> für Eingliederungsmaßnahmen erhält,<br />

eingesetzt werden, präferiert die BA in der Regel Maßnahmen,<br />

die in erster Linie „ihrer“ sogenannten arbeitsmarktnahen<br />

Klientel nützen. Konkret: Bildungsgutscheine für besser ausgebildete<br />

Menschen statt Maßnahmen für langzeitarbeitslose Ein-Euro-<br />

Jobber zur Reparatur von Spielgeräten auf unseren Spielplätzen,<br />

zur Pflege von Biotopen oder brach liegenden Obstwiesen. Argumentation<br />

der BA: Das nützt mehr der Kommune, als den Arbeitslosen.<br />

Das Nachholen von Schulabschlüssen passt ebenfalls nicht in<br />

die Aufgabe und Verantwortlichkeit der BA, obwohl doch das Fehlen<br />

des 10er Hauptschulabschlusses eines der entscheidenden Vermittlungshindernisse<br />

für Jugendliche in den ersten Arbeitsmarkt<br />

ist. In Optionskommunen hat dies auch in Zusammenarbeit mit der<br />

örtlichen VHS einen bedeutend höheren Stellenwert.<br />

Gleiches gilt für den <strong>Solingen</strong> Pass, der – obwohl politisch anders<br />

gewollt – nicht ausreichend beworben wird, so dass die Benutzerzahlen<br />

wahrscheinlich rückläufig sind. Solche Armutsbekämpfungsmaßnahmen<br />

passen nicht in das Konzept der BA, sie<br />

sind aber das, was wir hier vor Ort brauchen.<br />

Die BA-Geschäftsführer vor Ort wechseln alle vier bis fünf Jahre.<br />

Kaum einer hat die Chance, einen näheren örtlichen Bezug zu<br />

entwickeln. Für das Aufsteigen auf der Karriereleiter ist es nützlich,<br />

wenn man besonders restriktiv mit den zur Verfügung stehenden<br />

Mitteln umgeht. So wurden in <strong>Solingen</strong> in den fünf Jahren AR-<br />

GE etwa 8 Millionen zur Verfügung gestellter Eingliederungsmittel<br />

nicht genutzt und zurückgegeben. Deshalb konnten vorhandene<br />

Kapazitäten für dringend erforderliche Maßnahmen nicht genutzt<br />

werden. Örtliche Maßnahmenträger mussten mangels Aufträgen<br />

Einrichtungen schließen und hoch qualifizierte Mitarbeiter mit<br />

großer Erfahrung entlassen.<br />

Die kommunalen VertreterInnen in Gremien und anderen Bereichen<br />

der Beschäftigungsförderung stehen bei den „BA-Verantwortlichen“<br />

unter dem ständigen Generalverdacht, dass sie in erster Linie<br />

etwas für die Stadt tun wollten und nur in zweiter Linie die effektive<br />

Vermittlung von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt<br />

im Auge hätten. Das ist falsch. Wir müssen für jeden Einzelnen<br />

passgenaue Maßnahmen schneidern – nicht als Sanktionierungsinstrumente,<br />

sondern als Qualifizierung und persönliche Stabilisierung.<br />

Das nutzt beiden: Kommune und Arbeitslosen. Das Selbstwertgefühl<br />

vieler Langzeitarbeitsloser hängt auch davon ab, ob sie<br />

sichtbar und nachweisbar etwas für die städtische Gemeinschaft<br />

tun („Wir haben die Korkenziehertrasse gebaut“. „Wir sorgen für<br />

Sicherheit in den Bussen.“ usw).


Wie sieht´s in echt aus<br />

Die BA hat als eine zentralistisch geführte Bundesbehörde mit<br />

ihrem Letztentscheidungs- und Weisungsrecht in den ARGEN nach<br />

ihrem eigenen Abbild ein bürokratische Monster geschaffen, das<br />

sich neben der Leistungsgewährung hauptsächlich als Kontroll- und<br />

Sanktionsinstanz versteht. Aus der Verantwortung für den sparsamen<br />

Mitteleinsatz leitet sie ihr Recht als Letztentscheidungsinstanz<br />

mit Weisungsrecht vor allem für die Integrationsprogramme<br />

ab. Die Beamten und Angestellten der BA unterliegen dem Weisungsrecht<br />

der Zentrale in Nürnberg. Und wenn denen was Neues<br />

einfällt, dann werden bewährte Maßnahmen der Beschäftigungspolitik<br />

gnadenlos eingestampft. In der Regel mit immer weniger Erfolg,<br />

weil die Prämisse „massenhaft, billig, kurzfristig“ lautet.<br />

Was läuft falsch<br />

Eine sozialräumliche Sozialpolitik, in der sich die Ressourcen<br />

der verschiedensten Einrichtungen und Initiativen vernetzen, ist<br />

unter dem Einfluss der BA nicht möglich. Die Vergabepolitik der<br />

BA, bei der überregionale Dumpinganbieter wie Inbit, Euroschulen<br />

und gerade aktuell die Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW),<br />

auf Kosten der vor Ort agierenden Träger der Beschäftigungsförderung<br />

zum Zuge kommen, zerstört mühsam geschaffene örtliche<br />

Strukturen und die Qualität der kommunalen Beschäftigungsförderung.<br />

Natürlich gibt es ein Kartellrecht und europäische Ausschreibungskriterien,<br />

die eher die Globalisierung statt örtliche und regionale<br />

Märkte befördern. Daran werden sich auch Optionskommunen<br />

halten müssen. Aber Kommunen wollen und können vor allem<br />

im Hinblick auf die Ausgestaltung einer Ausschreibung (was<br />

schreibe ich wie, wann und in welchem Umfang aus) vorhandenen<br />

Spielräume besser nutzen.<br />

Es gibt kaum eine intransparentere Behörden als die BA und die<br />

ARGEN. Die Begleitkonferenzen haben keinerlei Entscheidungsbefugnisse<br />

und tagen nicht öffentlich. Mitbestimmungs- und Beteiligungsgremien<br />

verfügen nur über einen verschwindend geringen<br />

Einfluss. Traditionell in der BA gut verankerte Vertreter von Gewerkschaften<br />

und Sozialdemokratie haben in diesen angeblichen<br />

Mitwirkungsgremien kaum noch Einfluss bzw. überschätzen diesen<br />

gerne. Jeder, der Aufträge von der BA erhält, darf sich nur in Abstimmung<br />

mit der BA öffentlich dazu äußern. Kaum eine andere<br />

öffentliche Behörde schottet sich derart vor der Öffentlichkeit ab.<br />

Die BA hat die absolute Datenhoheit, auch gegenüber den Optionskommunen.<br />

Daten, welche die Arbeit der BA in einem nicht<br />

positiven Sinne darstellen können, werden erst gar nicht erhoben<br />

bzw. nicht veröffentlicht. So wundert es nicht, dass die Statistiken<br />

und Berichte der Bundesregierung über die Arbeitsmarkpolitik die<br />

ARGEN besser aussehen lässt, als die Optionskommunen. So wird<br />

behauptet, dass die ARGEN bessere Vermittlungserfolge hätten.<br />

Das kann stimmen, oder auch nicht. Eher wohl nicht, denn hier<br />

werden zum Teil sehr unterschiedliche Bedingungen und Datenerhebungssysteme<br />

verglichen. So einfach lassen sich die 349 ARGEN<br />

nicht mit 63 Landkreisen und sechs kreisfreien Optionskommunen<br />

vergleichen. Außerdem: Was heißt denn Vermittlung Durch wen<br />

wurde mit welchen Maßnahmen vermittelt War es nur die anziehende<br />

Konjunktur in bestimmten Branchen in strukturstärkeren<br />

Regionen Oder Zeitarbeitsfirmen Wie nachhaltig war die Vermittlung<br />

Darauf hat die BA keine Antwort!<br />

Besonders deutlich wird das anhand von Erhebungen über Frauen.<br />

Die BA und der Bericht der Bundesregierung behaupten, dass<br />

die ARGEN bei der Vermittlung von Frauen erfolgreicher seien als<br />

die Optionskommunen. Die Optionskommunen behaupten, dass sie<br />

nachhaltiger in der Lage seien, auf die schwierige und nicht so<br />

schnell zu überwindende Lebenslage insbesondere alleinerziehender<br />

und als „Hausfrau“ lange von eigener Erwerbsarbeit abgehaltener<br />

Frauen einzugehen. Wer weiß, was richtig ist Als Kommunalpolitiker<br />

kann ich mir allerdings sehr gut vorstellen, dass die Kommunen<br />

besser in der Lage sind, die Rahmenbedingungen von alleinerziehenden<br />

Frauen, vor allem bezüglich Kindergarten und<br />

Schule, positiv zu beeinflussen.<br />

Die Unverträglichkeit und der Konkurrenzkampf zwischen Angestellten<br />

der BA und der Kommunalverwaltungen ist bis heute nicht<br />

überwunden. Unterschiedliche Tarifverträge, ein unterschiedlicher<br />

Umgang mit der Beschäftigung in befristeten Arbeitsverhältnissen,<br />

die Versorgungspflicht von Beamten aus Transfergesellschaften des<br />

Bundes (Telekom, Bahn, Post, Bundeswehr usw.) tragen neben den<br />

nicht zu unterschätzenden extrem unterschiedlichen Mentalitäten<br />

dazu bei, dass dieses Verhältnis nicht besser geworden ist.<br />

Das Computersystem der BA ist trotz mehrfacher Versuche nach<br />

wie vor katastrophal. Alle Bescheide müssen über Nürnberg laufen.<br />

Jeder Bescheid wird mit seitenlangen, drastischen Rechtsbelehrungen<br />

versehen, die von den Betroffenen nicht verstanden und als<br />

unangemessene Drohungen aufgefasst werden. Nach wie vor müssen<br />

bei einigen Berechnungen falsche Daten eingegeben werden,<br />

um zu richtigen Ergebnissen zu kommen. Eine Befreiung aus diesem<br />

System kann kein Nachteil sein.<br />

Fazit<br />

In einer Optionskommune wird nicht alles gut. Aber vor dem<br />

Hintergrund der bundespolitischen Vorgaben (Hartz IV) können<br />

Kommunen die Vernetzung aller an Beschäftigungspolitik beteiligter<br />

Institutionen sehr viel besser voranbringen. Daraus können individuellere<br />

Angebote für (alle) Arbeitslosen entstehen, so dass<br />

Vermittlungserfolge nachhaltiger werden. Kontrollorgane (Beirat,<br />

Ausschuss o.ä.) können Entscheidungs- bzw. Weisungsbefugnis erhalten,<br />

das Berichtswesen wird gestärkt. All das käme den Menschen<br />

vor Ort zugute, die aus meiner Sicht einen Anspruch haben<br />

auf bestmögliche Beratung und Qualifizierung. Die Erfahrungen der<br />

letzten fünf Jahre lehren mich, dass in der Zusammenarbeit mit<br />

der BA der Anspruch von individuellen, auf die persönlichen Gegebenheiten<br />

zugeschnittenen Angebote für Arbeitslose nicht umgesetzt<br />

werden konnte. Im Gegenteil: Funktionierende Strukturen<br />

sind bereits zerschlagen worden, erfolgreiche Maßnahmen wurden<br />

eingestellt, Vorgaben aus Nürnberg ließen sich nur schwer an die<br />

örtlichen Gegebenheiten anpassen. Aus meiner Sicht ist es an der<br />

Zeit, selbstständig und eigenverantwortlich tätig zu werden.<br />

Frank Knoche<br />

9<br />

Fraktion in Aktion


Blickpunkt<br />

10<br />

Gräfrath – der Nabel zur Welt<br />

In Berlin steigt der Tourist in die Buslinie 100 und gelangt<br />

preisgünstig zu sämtlichen Sehenswürdigkeiten der Metropole. In<br />

<strong>Solingen</strong> steigt er in die Linie 683 und fährt von Gräfrath bis<br />

Schloss Burg quer durch die City.<br />

Diese besondere Linienführung des O-Busses hat Herr Kohnke<br />

in der letzten BV-Sitzung anlässlich der Diskussion zum Tourismuskonzept<br />

der Stadt hervorgehoben. Er wagte diesen Vergleich wohlwissend<br />

und sich eingestehend, dass <strong>Solingen</strong> weit entfernt ist<br />

von Berlin, was nicht nur räumlich zu verstehen ist, sondern auch<br />

in der Bedeutung für den Tourismus.<br />

Trotzdem – Gräfrath ist ein besonderer Stadtteil, sowohl was<br />

den Freizeit- und Tourismuswert, als auch was die Wohnqualität<br />

und die Verkehrsanbindung angeht. Aber auch als Arbeitsstandort<br />

mit drei Gewerbegebieten in Autobahnnähe, sowie dem städtischen<br />

Klinikum ist Gräfrath attraktiv.<br />

Das Angebot für Freizeit und Tourismus ist vielfältig: zwei überregional<br />

bedeutende Museen, der historische Ortskern mit einem<br />

sehr guten Gastronomieangebot, der Lichtturm mit Kulturveranstaltungen,<br />

das Schloss Grünewald mit seinen Garten- und Kunsthandwerkermärkten,<br />

der Tierpark Fauna, die Jugendherberge im<br />

Grünen, die Korkenziehertrasse für Radfahrer und Fußgänger, den<br />

Wanderweg hinab zur Wupper durch schöne Hofschaften bis nach<br />

Müngsten oder durch das Ittertal bis zum Freibad, und letztendlich<br />

den O-Bus mit der Anbindung nach Wuppertal zur Schwebebahn<br />

und vielleicht in naher Zukunft zum Bahnhof Wuppertal-Vohwinkel,<br />

dem Knotenpunkt nach Köln, Düsseldorf, Essen und Venlo.<br />

Damit diese Anbindung der Linie 683 bald Wirklichkeit wird,<br />

hat es auf Betreiben des BV-Vorstehers Vogtländer und des Bezirksbürgermeisters<br />

Fragemann aus Vohwinkel einen runden Tisch<br />

gegeben, an welchem Vertreter des VRR, der Rheinbahn, der Wuppertaler<br />

und Solinger Stadtwerke sowie der Wuppertaler Bauunternehmer<br />

Claes teilgenommen haben. Unter der Leitung der Verkehrsplanerin<br />

Frau Zauke hat der VRR-Vertreter zugesagt, 85 % der<br />

Kosten zur erforderlichen Herrichtung des Bahnhofsvorplatzes<br />

übernehmen zu wollen. Die restlichen 15 % könnten von einem<br />

privaten Sponsor getragen werden. Städtische Eigenmittel wären<br />

nicht notwendig, eine wichtige Information, schließlich ist das<br />

Projekt bisher an der Vorgabe gescheitert, dass der kommunale<br />

Anteil an der Finanzierung auch kommunal aufgebracht werden<br />

sollte.<br />

Nun muss bis Anfang März 2011 seitens der Stadt Wuppertal<br />

der entsprechende Antrag an den VRR gestellt werden. Nachdem<br />

über 15 Jahre die Anbindung der 683 an den Bahnhof diskutiert<br />

wurde und <strong>Solingen</strong> bereits die erforderlichen neuen O-Busse angeschafft<br />

hat, scheint nun der Knoten durchtrennt worden zu sein<br />

und das Projekt scheint in greifbarer Nähe.<br />

Die Verkehrsanbindung unseres Stadtteils würde damit nachhaltig<br />

optimiert und zukunftsweisend nach dem Motto „Weg vom<br />

Auto hin zur Schiene“ ausgebaut.<br />

Gräfrath an die Schiene<br />

Schließlich war Gräfrath im letzten Jahrhundert bereits an den<br />

Schienenverkehr angeschlossen. Bis Ende 1980 wurden die Schienen<br />

auf der heutigen Korkenziehertrasse zumindest noch von Güterwagen<br />

genutzt. Ehemals war der denkmalgeschützte Gräfrather<br />

Bahnhof ein willkommener Haltepunkt für die Menschen von Norden<br />

und Süden kommend.<br />

Nun steht dieses Schmuckstück seit Jahren leer. Der derzeitige<br />

Eigentümer verhinderte jegliche Nutzung und wirkt aktiv auf einen<br />

Abriss hin. Seinen Abrissantrag hat die Stadt <strong>Solingen</strong> jedoch<br />

nicht bewilligt, da das historische Gebäude als erhaltenswert für<br />

unsere Stadt gilt. Nun klagt der Eigentümer beim Verwaltungsgericht<br />

Düsseldorf auf eine Abrissgenehmigung und spielt auf Zeit.<br />

Der langandauernde Rechtsstreit fördert den natürlichen Zerfall<br />

des Gebäudes. Die Aussichten auf den Erhalt des Gräfrather Bahnhofs<br />

sind daher denkbar schlecht.<br />

Der Trend in den 70er/80er Jahren weg vom Eisenbahnverkehr<br />

hin zur Straßennutzung führte in Gräfrath in den 90er Jahren zur<br />

Verwirklichung der über 30 Jahre geplanten Autobahnanbindung.<br />

Heute bindet die Straße Am Roggenkamp die Gewerbegebiete Dycker<br />

Feld, Piepersberg und nicht zuletzt Fürkeltrath I hervorragend<br />

an die A 46 an.<br />

Diese Verkehrsführung soll künftig auch im Rahmen des Tourismuskonzept<br />

der Stadt eine Rolle spielen. <strong>Solingen</strong> setzt sich daher<br />

für eine neue Beschilderung an der A 46 ein, die auf das Deutsche<br />

Klingenmuseum und den historischen Ortskern hinweisen soll.<br />

Allerdings gelten bei der Aufstellung derartiger Hinweisschilder<br />

strenge Regeln. So darf u.a. nur ein Ziel auf einem Schild stehen.<br />

Folglich lautet der Vorschlag der BV-Gräfrath: „Deutsches Klingenmuseum<br />

im historischen Ortskern Gräfrath“.<br />

Wir können gespannt sein, wie dieses Ansinnen angesichts der<br />

bürokratischen Hürden auf diesem Gebiet ausgeht.<br />

Fest steht: Gräfrath ist das Zentrum – egal ob von der Autobahn<br />

aus dem Norden und Westen oder mit dem O-Bus von Wuppertal<br />

kommend. Wir laden jeden Menschen zu einer ersten Rast<br />

ein, bevor er sich weiter nach <strong>Solingen</strong> hinein begibt. An uns<br />

kommt niemand vorbei!!<br />

Monika Tönnies


Attraktivierung statt Kahlschlag<br />

Die neue Ratsmehrheit setzt Zeichen im Busverkehr<br />

11<br />

Oberbürgermeister Norbert Feith (CDU) und die Stadtverwaltung<br />

hatten für den „Sparhaushalt“ der Stadt <strong>Solingen</strong> am 25. Februar<br />

diesen Jahres vorgeschlagen, unter dem Titel „Standardabsenkung<br />

ÖPNV“ beim Solinger Busverkehr weitere Kürzungen in Höhe von<br />

750.000 Euro/Jahr vorzunehmen. Dies sollte durch „Leistungskürzungen<br />

(z.B. Änderungen der Taktzeiten und Linienverkürzungen<br />

insbesondere in Randzeiten, Sommerferienplan)“ geschehen.<br />

Dieser Plan stieß auf deutlichen Widerstand. Die AG Nahverkehr<br />

der Bürgerinitiative „<strong>Solingen</strong> gehört uns“, der Verkehrsclub<br />

Deutschland (VCD) und die Schülervertretung des Gymnasiums Vogelsang<br />

hatten eine Resolution gegen weitere Kürzungen entwickelt,<br />

da diese zu weiteren Verschlechterungen und Fahrgastverlusten<br />

im Öffentlichen Personennahverkehr in <strong>Solingen</strong> geführt<br />

hätten. Die Resolution wurde in der Folge von den nachstehenden<br />

Gruppen unterstützt: Bürgerinitiative „Lebenswertes <strong>Solingen</strong>“, Attac<br />

<strong>Solingen</strong>, ATV 1971/ Allgemeiner Turnverein, RBN <strong>Solingen</strong>,<br />

BUND <strong>Solingen</strong>, Bündnis 90/DIE GRÜNEN Kreisverband <strong>Solingen</strong>,<br />

DIE LINKE. KV <strong>Solingen</strong>, Evangelische Stadtkirchengemeinde, Fachausschuss<br />

Umwelt des evangelischen Kirchenkreises <strong>Solingen</strong>, Mitarbeitervertretung<br />

des Diakonischen Werkes Bethanien, Naturfreunde<br />

Wald-Ohligs, Personalrat der Bergischen VHS, Solinger Appell,<br />

ver.di. Bezirk Rhein Wupper, ver.di-Vertrauensleute des Verkehrsbetriebes<br />

Stadtwerke <strong>Solingen</strong> und ZukunftsWelten e.V..<br />

Auch der vom Stadtrat neu eingerichtete ÖPNV-Fahrgastbeirat<br />

hatte frühzeitig mit großer Mehrheit beschlossen, weitere Verschlechterungen<br />

beim Nahverkehr angesichts der sozialen Belange<br />

und der drohenden Klimakatastrophe abzulehnen.<br />

Die neue Gestaltungsmehrheit von SPD, Grünen, BfS und Linken<br />

beschloss nach längeren Verhandlungen am 8. Juli schließlich,<br />

statt einer Kürzung in Höhe von 750.000 Euro jährlich durch<br />

„Leistungskürzungen“ eine „Zukunftsgerechte Weiterentwicklung<br />

des ÖPNV durch Attraktivierung, Einnahmeverbesserung und Optimierung“<br />

durchzuführen. Als Ziel wurde eine Verbesserung des<br />

städtischen Haushalts um 200.000 Euro/Jahr beschlossen. Dies ist<br />

ein großer Erfolg für den Solinger Busverkehr!<br />

In der Zwischenzeit hat der ÖPNV-Fahrgastbeirat zwei Arbeitsgruppen<br />

gebildet, die intensiv an der Optimierung des Liniennetzes<br />

nach den Bedürfnissen der NutzerInnen und an einer Marketingkampagne<br />

für den Solinger Busverkehr arbeiten.<br />

Am 16. September beschloss der ÖPNV-Fahrgastbeirat einstimmig<br />

ohne Enthaltungen eine Empfehlung an den Rat, „das Busliniennetz<br />

kostenneutral gezielt zu attraktivieren und zu optimieren.<br />

Die angestrebten HSK-Ziele sind durch damit mögliche Einnahmesteigerungen<br />

unter Verwendung verstärkter Marketinganstrengungen<br />

zu erreichen.“<br />

Somit sollen im neuen Nahverkehrsplan Mehreinnahmen durch<br />

ein besser an die Bedürfnisse der NutzerInnen angepasstes Linienetz<br />

und durch die Gewinnung neuer KundInnen erzielt werden<br />

und nicht durch Angebotskürzungen. Es bleibt zu hoffen, dass diese<br />

einstimmige Empfehlung, die unter Mitwirkung von VertreterInnen<br />

aller Ratsfraktionen gefasst wurde, bei der jetzt beginnenden<br />

Ausarbeitung des Nahverkehrsplans umgesetzt wird.<br />

Dietmar Gaida<br />

Blickpunkt


Blickpunkt<br />

12<br />

Schwere Geburt<br />

Das Museum Baden hat eine wechselvolle Geschichte: Zunächst<br />

als Herberge für die seit 1938 gesammelten Kunstwerke der Stadt<br />

<strong>Solingen</strong> mit einem wichtigen Teil des Gesamtwerkes von Georg<br />

Meistermann, verwaltet vom Kulturamt der Stadt <strong>Solingen</strong>, ohne in<br />

eigenen Räumlichkeiten als Dauerausstellung präsentiert werden<br />

zu können. Deswegen wurden zahlreiche Wechselausstellungen organisiert,<br />

größtes jährliches Event war sicherlich die Bergische<br />

Kunstausstellung, die auch heute noch den Bergischen Kunstpreis<br />

vergibt und wesentlich dazu beiträgt, dass <strong>Solingen</strong> auch überregional<br />

als Kunststadt wahrgenommen wird.<br />

Nachdem in einem Verein zusammen geschlossene Solinger<br />

KünstlerInnen Anfang der 1990er Jahre das ehemalige Gräfrather<br />

Rathaus für eigene Ausstellungen genutzt hatten, erklärte sich das<br />

Stifterehepaar Baden dazu bereit, mit einer 10-jährigen Finanzierungszusage<br />

den Umbau zu einem Museum zu ermöglichen. Das<br />

Museum Baden entstand, die Sammlung – mittlerweile ergänzt<br />

durch den größten Teil des künstlerischen Nachlasses des Bildhauers<br />

Max Kratz – konnte endlich dauerhaft der Öffentlichkeit präsentiert<br />

werden. Das Land NRW beteiligte sich mit 7,2 Mio. DM an<br />

den Baukosten.<br />

Zunächst wurde das Museum durch einen Verein geführt. Die<br />

wirtschaftliche Grundlage geriet jedoch ins Wanken, als das Ehepaar<br />

Baden sich aus der Förderung zurückzog. Also stieg die Stadt<br />

2002 ein und übernahm 51 % der Geschäftsanteile der Betreibergesellschaft.<br />

Parallel dazu entstand ein Kontakt zwischen Museum und dem<br />

Kunstsammler Dr. Schneider aus Olpe, dessen Sammlung verfemter<br />

Kunst ein zweites Standbein neben der städtischen Kunstsammlung<br />

mit Bergischer Kunstausstellung werden sollte. Dr. Schneider<br />

suchte eine Präsentationsmöglichkeit, das Museum ein Alleinstellungsmerkmal<br />

– und so kam es zur Gründung der Bürgerstiftung für<br />

verfemte Künste, in die etwa 500 Werke von Dr. Schneider sowie<br />

eine Zustiftung in Höhe von 2 Mio. Euro des LVR „eingespeist“<br />

wurden. Später gelang es, auch noch die Wuppertaler Else-Lasker-<br />

Schüler-Gesellschaft mit der Sammlung Serke einzubeziehen. Damit<br />

war der Grundstein für ein Zentrum für verfolgte Künste im<br />

Museum Baden gelegt.<br />

Ein solches Zentrum braucht ein solides finanzielles Fundament,<br />

so dass der LVR sein Engagement ausdehnen sollte. Eine Aufgabe<br />

des Landschaftsverbands Rheinland ist die Förderung von regional<br />

bedeutsamen kulturellen Angeboten. Nicht zuletzt die sechs Industriemuseen<br />

(u.a. das an der Merscheider Straße in <strong>Solingen</strong>)<br />

widmen sich der regionalen (Industrie-)Geschichte und lassen sie<br />

wieder lebendig werden. Ein Sammlungsbestand „Verfemte Kunst“<br />

wäre im Bereich des LVR einzigartig. Mit ihm ließen sich vielfache<br />

und unterschiedliche Veranstaltungen der politischen Bildung für<br />

alle Altersklassen durchführen, die über das Stadtgebiet hinaus<br />

von hohem Interesse wären. Insofern passt dieser Sammlungsbestand<br />

in den Aufgabenbereich des LVR, der sich dann folgerichtig<br />

bereit erklärte, dieses Angebot unter bestimmten Bedingungen mit<br />

jährlich 250.000 Euro zu fördern. Seitens der Stadt müssen<br />

125.000 Euro beigesteuert werden, die aus einer Halbierung des<br />

städtischen Zuschusses für das Museum Baden generiert werden<br />

sollen.<br />

Die Verhandlungen zwischen Stadt und LVR ziehen sich nun<br />

schon lange hin, und drohten bereits an nicht wirklich deutbaren<br />

Schwierigkeiten zu scheitern, was wir in jedem Fall verhindern<br />

wollten. Denn wir Grüne halten das Zentrum für verfemte Kunst<br />

aus dem politischen Kontext heraus für außerordentlich wichtig.<br />

Die Perversität einer Diktatur lässt sich heutzutage über konkrete<br />

Beispiele sinnloser Verfolgung weit anschaulicher erklären. Die<br />

Wirksamkeit von Kunst in die Gesellschaft, die daraus resultierende<br />

Angst der Machthaber vor ihr, werden an den konkreten Künstlerbiographien<br />

deutlich. Das Zentrum für verfolgte Kunst wäre von<br />

hohem pädagogischen Wert, der weit über <strong>Solingen</strong> und sogar über<br />

Deutschland hinaus wirken könnte. Dass die Erben von Georg Meistermann<br />

darüber nachdenken, mit ihrer Stiftung die Werke des<br />

hochgeachteten Künstlers ebenfalls im Museum Baden zu platzieren,<br />

spricht für sich und wäre eine hoch willkommene Ergänzung.<br />

Wir werden alles daran setzen, im Museum Baden beide Säulen<br />

zu präsentieren: die städtische Kunstsammlung mit der jungen<br />

Kunst im Rahmen der Bergischen Kunstausstellung und das Zentrum<br />

für verfolgte Kunst.<br />

Susanne Fingscheidt


Natur pur in <strong>Solingen</strong>s Mitte<br />

Der Gustav-Coppel-Park<br />

13<br />

In den vergangenen Monaten haben viele Bürger/innen gemeinsam<br />

mit der Initiative „Lebenswertes <strong>Solingen</strong>“ dazu beigetragen,<br />

den Teilverkauf des Parks am Kannenhof zu verhindern.<br />

Dieser Teilverkauf war ein Bestandteil des Nachtragshaushaltes<br />

<strong>2010</strong>, der eine drastische Absenkung der Grünpflegekosten vorsah.<br />

Aus der Initiative wurde inzwischen ein eingetragener, gemeinnütziger<br />

Verein, der den größten Stadtpark im Herzen <strong>Solingen</strong>s<br />

eigenverantwortlich pflegt und bewirtschaftet.<br />

Ein entsprechender Patenschaftsvertrag, der der Stadt eine<br />

jährliche Ersparnis von rund 25.000 Euro garantiert, wurde am<br />

1. Juni <strong>2010</strong> beschlossen. Am „Runden Tisch“, der mehrmals im<br />

Jahr einberufen wird, finden Gespräche mit der Stadtverwaltung<br />

statt. Die Bezirksvertretung Mitte hat einer Umbenennung des<br />

Parks in Gustav-Coppel-Park zugestimmt.<br />

Der Verein nimmt den Begriff “bürgerschaftliches Engagement”<br />

sehr ernst. Die Pflege wird von ehrenamtlichen Helfer/innen mit<br />

fachkundiger Anleitung ausgeführt. Von Frühjahr bis <strong>Herbst</strong> sind<br />

Mitglieder des Vereins jeden Samstag ab 8.30 Uhr im Park und auf<br />

dem Bolz- und Spielplatz im Einsatz. Neben der Übernahme von<br />

Pflege und Bewirtschaftung sieht der Verein seine Aufgabe aber<br />

auch in der Förderung eines Aktions- und Veranstaltungstreffs für<br />

Jung und Alt - natürlich stets unter dem Aspekt des Naturschutzes.<br />

Park im Wandel<br />

Ab <strong>Herbst</strong> <strong>2010</strong> wird der Park an touristischer und regionaler<br />

Bedeutung gewinnen: Die Verlängerung der Korkenziehertrasse<br />

führt ab der Eckstraße hinein in den Park, durchquert ihn genau in<br />

dem Bereich, der für den Verkauf vorgesehen war. Für die Radfahrer/innen<br />

bietet der Park einen besonderen Aufenthaltsort auf der<br />

Strecke nach und von Müngsten. Im üppigen Grün des Parks bieten<br />

knapp 30 Parkbänke die Möglichkeit für eine Rast. Und hier hat<br />

der Verein Besonderes geplant.<br />

Bitte nehmen Sie Platz…<br />

Ab Oktober <strong>2010</strong> laden der Solinger Künstler Sascha Reichert<br />

und das Haus der Jugend Schüler/innen zum Projekt ParkKunst<br />

ein! Der Maler hat für die rund 30 Parkbänke ein Blockstreifendesign<br />

entworfen, in das die Teilnehmer/innen kreative Ideen einbringen<br />

können. Eine Farbfläche je Bank steht zur individuellen<br />

Gestaltung frei – von abstrakten Formen bis zu naturalistischen<br />

Darstellungen ist (fast) alles erlaubt. Bisher nehmen an der Aktion<br />

neben dem Haus der Jugend auch Schüler/innen der Grundschule<br />

Klauberg und der städtischen Gesamtschule teil. Eingereichte Vorentwürfe<br />

werden in einer Ausstellung im Haus der Jugend gezeigt.<br />

Zwei Modelle der künftigen Sitzgelegenheiten werden bereits jetzt<br />

in einem Schaufenster an der Ecke Schwert- /Wupperstraße präsentiert.<br />

Aber die ParkKunst beinhaltet noch ein weiteres Highlight, das<br />

der Verein aktuell vorstellt.<br />

Coppel-Park: Erholung für Alt und jung..<br />

Sterntaler für den Gustav-Coppel-Park<br />

„Erst wenn es richtig dunkel ist, werden die Sterne sichtbar…“<br />

lautet der Titel des Bildes, das Sascha Reichert für eine Auktion<br />

zur Rettung des Parks stiftet. Mit dem Einsatz von 39 Euro - für<br />

einen nummerierten Sterntaler - erwerben Interessierte ein<br />

Gewinnlos für dieses Kunstwerk. Der Gesamterlös fließt als Spende<br />

in den Park-Erhalt. Weitere Informationen auf der Internetseite<br />

www.lebenswertes-solingen.de .<br />

Kontakt<br />

t<br />

Fotos: Andreas Hartkopf<br />

Für weitere Informationen stehen die Vorstandsmitglieder Uschi<br />

Lauterjung, T· 16339, und Melita Neumann, T· 204777, gerne<br />

zur Verfügung.<br />

E-Mail: info@lebenswertes-solingen.de,<br />

Homepage: www.lebenswertes-solingen.de ,<br />

Bankverbindung: Stadtsparkasse <strong>Solingen</strong>, Kto.Nr. 128 93 21<br />

Annette Müller<br />

Blickpunkt


Blickpunkt<br />

Rückeroberung<br />

Eines der umstrittensten Projekte der letzten Jahre war der<br />

Rathausneubau in <strong>Solingen</strong>s Mitte. Abriss, Verkauf, Neubau durch<br />

einen Investor, Miete durch die Stadt zu Konditionen, die alle<br />

reich machen, nur die Stadt nicht, und Mietbindung auf 30 Jahre.<br />

Überbaut wurde nicht nur die Fläche des alten Rathauses, sondern<br />

auch die vorgelagerte Fläche, damals zum Teil als Parkplatz genutzt,<br />

aber eben auch mit einer Basketballanlage ausgestattet –<br />

also Treffpunkt für viele Jugendliche vor allem aus der Nordstadt.<br />

Zig Bäume mussten weichen, die Innenstadt wurde um einiges<br />

Grün ärmer.<br />

Nun steht das neue Rathaus, das Ensemble ist relativ offen gestaltet,<br />

mit einigen Sitzmöglichkeiten ausgestattet, ein bisschen<br />

Leerstand im vorderen Gebäudekomplex, einem Café mit Sitzgelegenheit<br />

auf dem Platz. Nett anzusehen. Und langsam beginnt die<br />

Rückeroberung des öffentlichen Raumes, der – zum Glück – tatsächlich<br />

auch öffentlich geblieben ist. Denn der Rathausplatz ist<br />

der Öffentlichkeit gewidmet. Ähnlich wie bei den Clemensgalerien,<br />

wo ja der nicht überdachte Platz öffentlich ist (und deswegen<br />

auch für Demonstrationen genutzt werden kann), während alles<br />

unter den Arkaden Privatgelände ist.<br />

Neben FußgängerInnen kommen nun auch die Skater, angelockt<br />

von vielen Quadratmetern frisch gelegten Fußbodens, auf denen es<br />

sich herrlich rollen lässt. Das passt nicht jedem, so dass vor kurzem<br />

eine Gruppe Skater vertrieben wurde. Grund für uns, in der BV<br />

Mitte nachzufragen. Wir zitieren aus der Antwort der Verwaltung<br />

(weil´s so schön ist!): „Nach der derzeit geltenden Rechtslage zählen<br />

Inline-Skater nicht als Fahrzeuge im Sinne der Straßenverkehrsordnung<br />

(StVO). Für den Verkehr mit diesen Fortbewegungsmitteln<br />

gelten die Vorschriften für den Fußgängerverkehr entsprechend.<br />

(…) Der Gemeingebrauch (des Rathausplatzes, d.Red.)<br />

wurde auf die Nutzungsarten „Gehen und Radfahren“ festgesetzt.<br />

Das Befahren mit Inline-Skates ist deshalb an dieser Stelle rechtlich<br />

zulässig.“ Wunderbar – auch zukünftig werden wir den akrobatischen<br />

Übungen jugendlicher Skater auf öffentlichen Plätzen zusehen<br />

können. Vielen Dank.<br />

Susanne Fingscheidt<br />

BV-Mitte: Mehr Bäume für die Innenstadt<br />

14<br />

In unserem grünen Kommunalwahlkampfprogramm haben wir<br />

uns vorgenommen die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu<br />

verbessern. Dies ist ein wesentlicher Faktor für die Attraktivität<br />

von <strong>Solingen</strong>-Mitte als Wohnort und Arbeitsstätte.<br />

Dazu wollen wir die Anzahl der Bäume in <strong>Solingen</strong>-Mitte deutlich<br />

erhöhen.<br />

In den letzten zwei Jahrzehnten wurden für Baumaßnahmen<br />

große Baumbestände in der Innenstadt gefällt u.a. am Mühlenplatz,<br />

Rathausplatz, Weyersberger Straße/Blumenstraße und am<br />

Birkenweiher.<br />

Dazu kommen in diesem Jahr die Fällungen am Weyersberg für<br />

den Anbau am Hallenbad Klingenhalle sowie für den Neubau der<br />

Kindertagesstätten an der Augustastraße bzw. an der Schwertstraße.<br />

All diese Maßnahmen haben einen enormen Verlust an Bäumen<br />

und somit an wertvollen grünen Lungen in unserer Stadt zur Folge.<br />

Wir setzen uns von daher für einen vollständigen Ersatz dieser<br />

Bäume ein und zwar nicht irgendwo in <strong>Solingen</strong>, sondern dort, wo<br />

die Menschen sie brauchen, nämlich in den dicht bebauten Bereichen<br />

der Innenstadt und der Nordstadt.<br />

Hierzu werden wir in den nächsten Monaten verstärkt in den<br />

BV-Mitte Initiativen starten.<br />

Birgit Evertz<br />

Baustelle für Kita an der Schwertstraße


Von der Mitte bis nach Müngsten<br />

Ein Muss für Fahrradbegeisterte<br />

15<br />

Bald ist er fertig: Der neue Radweg, der die Korkenziehertrasse<br />

mit dem Müngstener Brückenpark verbindet. Er unterscheidet sich<br />

natürlich erheblich von der bisherigen Trasse, die sich auf überwiegend<br />

gerader Strecke von Gräfrath bis Höhscheid schlängelt.<br />

Bei dem neuen Weg ist schon mehr Muskelkraft erforderlich,<br />

denn er führt zu einem der höchsten Punkte <strong>Solingen</strong>s und dann<br />

wieder bergab ins Tal der Wupper.<br />

Aber auch auf diesem Trassenabschnitt gibt es wieder einige<br />

Stationen, die zum Verweilen einladen. Von <strong>Solingen</strong>-Mitte kommend,<br />

Ausfahrt Eckstraße, durchquert der Radweg den Gustav-Coppel-Park.<br />

Hier gibt es vielfältige Möglichkeiten der Entspannung:<br />

große Wiesen für ein Picknick oder für Ballspiele, Ententeiche, ein<br />

vielfältiger Baumbestand, die Blumenterrassen des ehemaligen Botanischen<br />

Gartens und vieles mehr.<br />

Am Fuß des Parks gibt es einen Spiel- und Bolzplatz, von hier<br />

an geht der Weg weiter über die Theegartener Straße in den Zedernweg,<br />

der an Viehweiden vorbeiführt. Im Sommer sind auf den<br />

Weiden stattliche Kühe mit ihren verspielten Kälbern zu sehen und<br />

auch das Naturfreundehaus lädt am Wochenende zur Rast ein. Eine<br />

weitere Station ist die Hofschaft Meigen. In einem der typisch<br />

bergischen Fachwerkhäuser befindet sich der Hofladen eines hier<br />

ansässigen Bio-Landwirts.<br />

Im weiteren Verlauf kommt man zu einem der schönsten und<br />

höchsten Plätze <strong>Solingen</strong>s: Von den Feldern oberhalb von Theegarten<br />

und Meigen hat man einen wunderbaren Blick auf die Solinger<br />

Innenstadt, auf die Krahenhöhe, auf Teile Wuppertals und Remscheids.<br />

Um diesen Ausblick lange genießen zu können, lädt eine<br />

neue Sitzgruppe zum Ausruhen ein.<br />

Der wohl bekannteste Teil der neuen Radstrecke führt dann von<br />

diesen Feldern hinab ins Tal der Wupper bis zur Grunenburg. Es ist<br />

die Trasse der ehemaligen Straßenbahnlinie Nr. 9, die ab 1908 von<br />

Krahenhöhe über Müngsten bis nach Barmen führte. Im ersten<br />

Weltkrieg wurde die Bahn für einige Jahre stillgelegt, kam aber<br />

danach durch die Wirtschaftskrise nie wieder richtig ans Laufen.<br />

Auch hundert Jahre später ist dieser Weg, der durch ein Waldgebiet<br />

führt, ein beliebter Wanderweg, der an der Grunenburg endet.<br />

Auf dem noch vorhandenen Schotter der alten Straßenbahntrasse<br />

wurde eine weitere Schicht aufgetragen, sodass diese wassergebundene<br />

Decke nun eine optimale Grundlage für Radausflüge<br />

bietet.<br />

Für historisch Interessierte gibt es an der Grunenburg Hinweistafeln<br />

zu ehemaligen Gebäuden, z.B. dem ersten Elektrizitätswerk<br />

<strong>Solingen</strong>s.<br />

Hier endet schon fast die neue Wegstrecke. Jetzt gilt es noch,<br />

die vielbefahrene Remscheider Straße zu überqueren und schon ist<br />

der Brückenpark Müngsten in Sichtweite.<br />

Alles in allem eine gelungene Verbindung zwischen der Innenstadt<br />

und dem touristischen Glanzlicht Brückenpark.<br />

Bei allem Lob möchte ich mir eine Kritik dennoch nicht verkneifen.<br />

Nach dem Besuch in Müngsten wird der Weg bergauf natürlich<br />

sehr beschwerlich. Wer nicht über das entsprechende Rad<br />

oder die Kraft verfügt, der wird wohl bis Theegarten rauf erst einmal<br />

schieben müssen.<br />

Von Müngsten gibt es noch einen weiteren Radweg, der wieder<br />

in die Innenstadt führen könnte. Der Wupperradweg, entlang der<br />

L74, bis zur Kohlfurth.<br />

Aber leider ist die einzige Querung in Richtung <strong>Solingen</strong>-Mitte,<br />

die Brücke an der Papiermühle, auch nach über 6 Jahren immer<br />

noch gesperrt. Über diese Brücke wäre der einfachere Weg für die<br />

Rückfahrt aus Müngsten möglich: über Papiermühle, Städtgesmühler<br />

Bach, in den Gustav-Coppel-Park. Aber leider scheiterte die Erneuerung<br />

der Brücke immer wieder. Erst waren Gelder im Etat 2007<br />

dafür vorgesehen, dann sollten Regionale-Gelder dafür in Anspruch<br />

genommen werden. Passiert ist leider nichts. Dabei könnte diese<br />

Verbindung ein weiterer Meilenstein für den (Rad-)Tourismus in<br />

<strong>Solingen</strong> sein.<br />

Annette Müller<br />

Blickpunkt


grün & bündig<br />

16<br />

Das Kopftuch – Debatten um Symbole<br />

verschleiern die Realität<br />

Ein Debattenbeitrag zum Thema Kopftuch<br />

(erster Beitrag von Gisela Weih in der Sommer-Ausgabe dieser Zeitung)<br />

Das hätten die Mütter und Väter des Grundgesetzes wohl kaum<br />

erwartet: Nicht der 1949 revolutionäre Artikel 3,2 zur Gleichberechtigung<br />

ist heute umstritten, sondern der in jeder demokratischen<br />

Verfassung selbstverständliche Artikel 4 zur Religionsfreiheit.<br />

Und beide stehen für viele im Widerspruch zueinander.<br />

In einem säkularisierten und zugleich multireligiösen Staat wie<br />

dem unseren sind die Menschen- und Bürgerrechte der unabdingbare<br />

gesellschaftliche Wertekonsens, darin bin ich mit Gisela einig.<br />

In zwei Punkten muss ich ihr allerdings widersprechen, nämlich<br />

was die Rolle der Religionsgemeinschaften in unserer Gesellschaft<br />

und das Tragen des Kopftuchs im öffentlichen Raum angeht.<br />

Die Rolle der Religionen<br />

Rationalität und Aufklärung auf der einen, Religion und Irrationalität<br />

auf der anderen Seite: Holzschnittartige Beschreibungen<br />

dieser Art treffen nicht die Realität der fast 50 Millionen ProtestantInnenn<br />

und KatholikInnen in Deutschland, darunter viele Grüne<br />

und Grün-WählerInnen, deren Aufgeklärtheit hoffentlich nicht in<br />

Zweifel gezogen wird. Auf Kirchentagen und in den meisten Gemeinden<br />

ist „anstrengende eigene Denkarbeit“ der Normalfall,<br />

Ökumene wird nicht „taktisch“ gesehen und der „Alleinseligmachungsanspruch“<br />

wurde schon vom 2. Vatikanischen Konzil relativiert<br />

(Zitate aus dem Text von Gisela Weih.) Wir leben nicht mehr<br />

in den 50er Jahren, von einem Teil des katholischen Klerus mal<br />

abgesehen. Hatte die Aufklärung, bei aller berechtigten Kirchenkritik,<br />

nicht vor allem Toleranz und Respekt gegenüber Andersund<br />

Nichtgläubigen zum Ziel Selbst der Agnostiker Habermas betont<br />

inzwischen den Wert der Religionen für unsere Gesellschaft.<br />

Über das deutsche System der Trennung von Kirche und Staat<br />

kann man sicher streiten, auch viele ChristInnen haben da Vorbehalte.<br />

Wer es abschafft, sollte sich aber vorher überlegen, wie die<br />

kirchlichen sozialen Einrichtungen weitergeführt werden sollen, allein<br />

das diakonische Werk beschäftigt weit über 400.000 Mitarbeitende.<br />

Ich fände es dringlicher, die strukturelle Benachteiligung<br />

von MuslimInnen abzubauen (z.B. beim Religionsunterricht) als<br />

die strikte französische Trennung von Kirche und Staat zu übernehmen.<br />

Von vielen europäischen Modellen ist es eins, das Konflikte<br />

mit dem Islam eher zuspitzt, bisher ohne nennenswerten Integrationserfolg.<br />

Da sehe ich den pragmatischen englischen Ansatz<br />

– jeder bedeckt seinen Kopf wie er/sie will – eher als Vorbild<br />

an.<br />

Das Kopftuch im öffentlichen Raum<br />

„Nur ein Stückchen Stoff“ ist es sicher nie gewesen, ein politisches<br />

oder religiöses Symbol ist es erst seit kurzem. Erhöht nicht<br />

gerade die emotionale Diskussion den Symbolwert des Kopftuchs<br />

Ich gestehe, dass ich bei diesem Thema seit Jahren gespalten bin.<br />

Das auf wenige Koransuren zurückgehende Verhüllungsgebot spiegelt<br />

für mich eine patriarchalische Gesellschaftsordnung wider, die<br />

auch im christlichen Europa bis in die Neuzeit fortgewirkt hat, was<br />

unsere Sprache noch in sprichwörtlichen Wendungen wie „unter<br />

die Haube kommen“ spiegelt. Es hat harter Kämpfe bedurft sich<br />

davon zu befreien. Wahrscheinlich ist es deshalb für uns schwer zu<br />

ertragen, Zeichen dieser Tradition auch nur mit anzusehen.<br />

Andererseits möchte ich das Recht auf ungestörte Religionsausübung<br />

und auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (GG Art. 2,1)<br />

selbst da nicht eingeschränkt wissen, wo es sich in einem freiwilligen<br />

Verzicht auf freiheitliche Kleidung ausdrückt, Selbstbestimmung<br />

und die Achtung der Rechte anderer immer vorausgesetzt.<br />

Anregend finde ich in diesem Zusammenhang die These der Ethnologin<br />

Ingrid Thurner: „Die Muslimin wird dringend benötigt, nämlich<br />

zur Verhüllung des Dilemmas, dass in dieser aufgeklärten Gesellschaft<br />

Frauen zwar beinahe nackt herumlaufen dürfen, aber<br />

sonst wie eh und je wenig zu entscheiden haben.“ (s. Süddeutsche:<br />

I. Thurner, Der nackte Zwang, 22.06.10, S.11)<br />

Ich möchte die Diskussion aber nicht in eine andere Richtung<br />

lenken, für mich liegt die Problematik eher darin, dass Verbote das<br />

Kopftuch mit einer religiösen Bedeutung aufladen, die ihm nicht<br />

zukommt. Es geht nicht um den religiösen Kern des Islam, sondern<br />

um eine – m.E. zeitbedingte – Verhaltensvorschrift. Die Asche der<br />

Tradition von der religiösen Glut zu blasen ist in allen Religionen<br />

immer wieder notwendig. Das geht aber nicht von außen, schon<br />

gar nicht mit Vorschriften und Erlassen. Die innerislamische Debatte<br />

ist längst im Gange.<br />

So sagt Hilal Sezgin im islamischen Wort zum Freitag des SWR<br />

(Mai <strong>2010</strong>): „ Bei allem was über die fünf Säulen hinausgeht,<br />

glaube ich nicht, dass Verhaltensvorschriften den Kern des Islam<br />

ausmachen.“ Der Zentralrat der Muslime in Deutschland betont in<br />

einer Stellungnahme vom 28.06.05 zwar die Pflicht zum Kopftuchtragen,<br />

schreibt aber auch: „ Das Nichttragen des Kopftuchs bedeutet<br />

nicht die Abkehr vom Islam und gilt für sich allein nicht<br />

als Maßstab für die Frömmigkeit des Einzelnen.“


Ich fürchte, Kopftuchverbote im öffentlichen Dienst lösen eher<br />

Solidarisierungsreaktionen auch bei reformorientierten Musliminnen<br />

aus als Veränderungen überkommener Strukturen.<br />

Was ist dann aber die angemessene Reaktion auf mögliche, wenige<br />

Polizistinnen, Lehrerinnen oder Erzieherinnen mit Kopftuch<br />

Obrigkeitsstaatliches Handeln sollte man auf Rechtsverletzungen<br />

beschränken, ansonsten halte ich mehr von der liberalen, gelassenen,<br />

respektvollen und pragmatischen Beurteilung des Einzelfalls,<br />

denn es geht uns ja nicht um das Stück Stoff , sondern um die Gedanken<br />

darunter.<br />

Spielen wir ein hypothetisches Beispiel durch: Eine neue Lehrerin<br />

erscheint mit Kopftuch in der Schule. Die Diskussionen, die<br />

dann garantiert mit KollegInnen und Eltern folgten, würden doch<br />

schnell klar machen, warum sie das Kopftuch trägt. Familiärer Anpassungsdruck<br />

Das böte Gelegenheit ihr zu helfen. Fundamentalistische<br />

Überzeugungen Dann gehört sie nicht in die Schule. Referendar-<br />

und Probezeit sollten Zeit genug geben dies festzustellen.<br />

Aus religiöser Überzeugung Solange sie damit zurückhaltend<br />

umgeht und Inhalte und Formen demokratischen Schullebens mitträgt<br />

(z.B .Schwimmunterricht), ist dies zu respektieren. Die Mühe<br />

hier zu differenzieren, sollten wir uns schon aus Gründen der<br />

Gleichbehandlung machen, islamistische Männer sind auf Grund<br />

äußerer Zeichen schließlich nicht aus dem öffentlichen Dienst auszuschließen.<br />

Wäre eine selbstbewusste, berufstätige, liberale Muslimin nicht<br />

mit oder ohne Kopftuch ein Vorbild für Kinder Und welchen Eindruck<br />

hinterlässt eine Lehrerin, die in der Schule ihr Haar offen<br />

zeigt, aber nachmittags auf der Straße mit Kopftuch angetroffen<br />

wird Glaubwürdigkeit sieht anders aus.<br />

Wegweisender als Verbote erscheinen mir Initiativen wie der<br />

Recklinghausener Integrationsvertrag zwischen der Stadtverwaltung<br />

und allen muslimischen Gruppen, in dem beispielsweise die<br />

Verpflichtung zur Teilnahme an Klassenfahrten festgeschrieben ist,<br />

aber auch die städtische Unterstützung des Moscheebaus.<br />

Annette Checchin<br />

17<br />

grün & bündig<br />

Antiatomdemo am 18. September <strong>2010</strong> in Berlin, siehe auch Artikel auf den Seiten 22 und 23. Foto: Susanne Sperling


grün & bündig<br />

Grünes Licht für die Zukunft<br />

Ein Kurzbericht über die Mitgliederversammlung<br />

Einen soliden Haushalt, Mitgliederzuwächse, viele Ehrungen<br />

und Vorstellungen über Land und grüne Jugend. Das alles konnte<br />

man in der Mitgliederversammlung am Abend des 01.09.<strong>2010</strong> in<br />

der historischen Kulisse des Gründer- und Technologiezentrums erleben.<br />

Zunächst der solide Haushalt: Wie immer stellte Peter, unser<br />

Kassierer, unseren Haushalt mit dem dazugehörigen Finanzplan<br />

dar, welcher durch die Mitgliederzuwächse und guten Wahlergebnissen<br />

in Bund, Land und Kommune an Größe gewonnen hat. Über<br />

die einzelnen Zahlen muss man hier nicht viel berichten, jedoch<br />

kann man hervorheben, dass wir ordentliche Rücklagen für unsere<br />

zukünftigen Wahlkämpfe sammeln können und nun endlich einen<br />

finanzunabhängigen Kreisverband bilden. Diese beiden finanziellen<br />

Erfolge haben wir, wie schon in der MV dargestellt, auch der<br />

Geschäftsführerin und dem Kassierer zu verdanken, die mit dem<br />

Geld verantwortungsvoll und zukunftsorientiert – also wirklich<br />

grün – umgegangen sind.<br />

Nach der Vorstellung des Haushaltes herrschte schon eine sehr<br />

gute Stimmung, die durch die Ehrung des 100. und 101. Neuzuwachses<br />

weiter anstieg. Pünktlich zum nächsten Tagesordnungspunkt<br />

erschien dann auch die neue Ministerin für Schule und<br />

Weiterbildung NRW, die Solingerin Sylvia Löhrmann, und wurde<br />

von der Presse mit viel Blitzlicht und von den Mitgliedern mit<br />

freundlichen Grüßen und herzlichem Händeschütteln begrüßt.<br />

Nach der Begrüßung von Sylvia folgte eine Würdigung ihrer<br />

Leistung im Wahlkampf und in den anschließenden Verhandlungsrunden,<br />

die mit einem kleinen Geschenk endete. Reiner Daams<br />

wurde ebenfalls für seine Kandidatur und Leistungen im Wahlkampf<br />

geehrt.<br />

Nach Begrüßungen und Ehrungen berichtete Sylvia über die<br />

Perspektiven der rot-grünen Landesregierung in NRW (Näheres dazu<br />

im Landtagsreport dieser Ausgabe).<br />

Zum Schluss präsentierte die Grüne Welle ihre Arbeit, die sie im<br />

vergangenen Jahr geleistet hat. Darunter fiel die Teilnahme am<br />

„Bildungsstreik“ und an der „Bunt statt Braun“-Demo gegen<br />

Rechts, die Durchführung eines Anti-Atomstandes in <strong>Solingen</strong>, die<br />

Bildung einer Grünflächen-Guerilla und natürlich die massive<br />

Unterstützung der Grünen beim Wahlkampf.<br />

Und damit endete auch der Abend mit lauter guten Meldungen<br />

und Berichten über Bund, Land und Kommune, so dass man mit<br />

guter Zuversicht in Richtung Bundestagswahl 2013 blicken kann.<br />

Die Grüne Welle trifft sich regelmäßig jeden zweiten Sonntag in<br />

der Geschäftsstelle, Eiland 17, in der Innenstadt. Wer Lust hat, dazu<br />

zu kommen, ist herzlich eingeladen. Kontakt: Robert Lams, 7rlams@gmx.de,<br />

T· 0172/5485777.<br />

Robert Lams<br />

GRÜNE RUNDE – Stammtisch im Café Art<br />

Zeit zum Reden – Zeit zum Lachen – Zeit zum Kennenlernen<br />

Unter diesem Motto lädt der Vorstand der Solinger Grünen zum Grünen Stammtisch ein.<br />

Interessierte Solinger/innen sind herzlich eingeladen.<br />

Treffpunkt: Café Art, Grünewalder Straße, direkt am Bus- und Bahnhalt Grünewald.<br />

Montag, den 4. Oktober <strong>2010</strong> um 19 Uhr.<br />

18<br />

Der Stammtisch findet regelmäßig an jedem 1. Montag im Monat statt.<br />

Ausnahme ist der November <strong>2010</strong>, an diesem ersten Montag ist ein Feiertag.<br />

Nächste Termine: Montag, 6. Dezember <strong>2010</strong> und 3. Januar 2011.


Büros<br />

Kreisverbandsbüro geöffnet mo, mi, do 10 bis 13 Uhr;<br />

Annette Müller, T· <strong>2010</strong>60, F· 12404;<br />

E· buendnis90diegruenen@telebel.de<br />

Ktonr. 868711, BLZ 34250000, SSS<br />

Fraktionsbüro geöffnet mo, di und do 10 bis 15 Uhr,<br />

mi 15 bis 18 Uhr, Susanne Fingscheidt, T· 200740, F· 12404;<br />

E· gruene-sg@telebel.de<br />

Büro der Landtagsabgeordneten Sylvia Löhrmann T· 202095<br />

Adresse der oben genannten Büros ist Eiland 17, 42651 <strong>Solingen</strong>;<br />

zu erreichen mit allen O-Bussen, Haltestelle Graf-Wilhelm-Platz.<br />

Arbeitsgemeinschaften<br />

Jugend Gisela Weih, T· 2471479<br />

Finanzen/Beteiligungen Ursula Linda Zarniko, T· 0163/4543331<br />

Kultur Manfred Krause, T· 2242112,<br />

Migration Nasser Firouzkhah, T·<br />

Soziales Julia Freiwald, T· 58052<br />

Sport Birgit Evertz, T· 53642<br />

Umwelt und Stadtplanung Dietmar Gaida, T· 16606<br />

Wirtschaft Reiner Daams, T· 530355<br />

19<br />

Vorstand<br />

Sprecherin Edelmira Zarniko, T· 45272, E. edelmiraz@web.de<br />

Sprecher Reiner Daams, T· 530355, E· reiner.daams@telebel.de<br />

Kassierer Dr. Hans Peter Kubersky, T· 54249<br />

BeisitzerInnen<br />

Annette Checchin T· 318520, E· annette@checchin.de;<br />

Robert Lams T· 208769 E· 7r-Lams@gmx.de; Ursel Ullmann,<br />

T· 80523; Oliver Schmidt, T· 6457608<br />

Grüne Welle Ursula-Linda Zarniko, E· u.l.zarniko@gmail.com<br />

Ratsmitglieder<br />

Nasser Firouzkhah, T· 0172/2636027, E· nasfirou@gmx.de<br />

Julia Freiwald, T· 58052 E· freiwald@wtal.de<br />

Dietmar Gaida, T· 16606, E· dietmar.gaida@web.de<br />

Frank Knoche, T· 2308415, E· frankknoche@t-online.de<br />

Havva Koru, T· 814497, E· havva.koru@gmx.de<br />

Manfred Krause, T· 2242112, E· manfred.krause.gruene@web.de<br />

Joachim Schmidt, T· 6457608, E· hennes781@gmx.de<br />

Gisela Weih, T· 2471479, E· gisela@weih-solingen.de<br />

Ursula-Linda Zarniko, T· 0163/4543331, E· u.l.zarniko@gmail.com<br />

Martina Zsack-Möllmann, T· 2591016, F· 2591017,<br />

E·martina.moellmann@rmcnet.de<br />

Bezirksvertretungen<br />

Burg/Höhscheid<br />

Eckhard Plath, T·80767, E· eckhard.plath@telebel.de;<br />

Henning Pless, T· 87660, E· suse.pless@gmx.de<br />

Gräfrath Monika Tönnies, T· 590401, E· toennies.m@t-online.de;<br />

Abdel Badache E· abdel.badache@web.de<br />

Mitte Birgit Evertz, T· 53642, E· b.evertz@gmx.de;<br />

Annette Müller, T·549742, E· anroso@gmx.de<br />

Ohligs/Aufderhöhe/Merscheid<br />

Juliane Hilbricht, T· 5992542, E· juliane@hilbricht.de;<br />

Thilo Schnor, T· 6457946, E· t.schnor@web.de<br />

Wald Iris Michelmann, T· 593806, E· irisbluete@telebel.de;<br />

Frank Knoche, T· 2308415, E· frankknoche@t-online.de<br />

Termine<br />

Die erweiterte Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen-offene<br />

Liste tagt jeden Mittwoch ab 18 Uhr in der Regel in der Geschäftsstelle,<br />

Eiland 17. Wir tagen öffentlich und freuen uns über<br />

interessierte Bürgerinnen und Bürger. Die „offene Liste“ im Namen<br />

ist Programm: Bei uns kann jeder mitmachen, auch in den<br />

politischen Gremien, unabhängig davon, ob er oder sie Mitglied ist<br />

oder nicht.<br />

Es empfiehlt sich, vorher anzurufen, da wir häufiger auswärts<br />

tagen. Im Rahmen von „Fraktion unterwegs“ informieren wir uns<br />

bei Vereinen, Verbänden und anderen Institutionen über deren Arbeit.<br />

Auch hierzu sind Interessierte herzlich eingeladen.<br />

www.gruene-solingen.de<br />

www.gruenewelle-sg.de<br />

Impressum<br />

Der <strong>Kaktus</strong> erscheint sechsmal im Jahr in einer Auflage von 1.000 Stück,<br />

wovon 150 Exemplare als Abo u.a. an grüne Mitglieder verschickt werden,<br />

850 liegen im Stadtgebiet von <strong>Solingen</strong> in Kneipen, Geschäften etc.<br />

kostenlos aus.<br />

Redaktion: Jan Boomers, Susanne Fingscheidt (V.i.S.d.P.), Eckhard Plath<br />

Namentlich nicht gekennzeichnete Artikel: Susanne Fingscheidt.<br />

Fotos Umschlagkakteen: Deutsche Kakteen-Gesellschaft<br />

Titelfoto: Simone Kaltbach<br />

Die AutorInnen der eingesandten Artikel sind jeweils benannt.<br />

Gestaltung/Layout: Jan Boomers und Erik Pieck<br />

Gesamtherstellung: satz- und druckprojekte TEXTART verlag,<br />

T· 0212/43343, F· 44787, E· Erik.Pieck@t-online.de<br />

Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier<br />

Service


Landtagsreport<br />

20<br />

Neues aus Düsseldorf<br />

Liebe Freundinnen und Freunde,<br />

nach und nach richten wir uns alle in unseren neuen (und alten)<br />

Rollen ein, die rot-grüne Minderheitsregierung hat ihre Arbeit<br />

aufgenommen. Und auch die so sehr gewachsene grüne Landtagsfraktion<br />

kommt jetzt in Fahrt. Für mich persönlich ist es eine völlig<br />

neue Situation – ich habe mit dem Amtsantritt als Ministerin<br />

für Schule und Weiterbildung den Fraktionsvorsitz niedergelegt,<br />

Reiner Priggen ist zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt worden,<br />

Sigrid Beer ist die neue parlamentarische Geschäftsführerin<br />

der Fraktion und statt zwei gibt es mit Daniela Schneckenburger,<br />

Arndt Klocke, Josefine Paul und Mehrdad Mostofizadeh nun vier<br />

stellvertretende Fraktionsvorsitzende.<br />

Es liegen aufregende Zeiten hinter uns: ein Wahlkampf, der von<br />

so vielen engagierten Menschen teilweise geradezu euphorisch getragen<br />

und fulminant gewonnen wurde, Sondierungsgespräche, die<br />

nicht zum Ziel führten und schließlich Koalitionsgespräche, die wir<br />

– wie ich finde – außerordentlich erfolgreich zu Ende bringen<br />

konnten: Der Koalitionsvertrag enthält alle wesentlichen Schwerpunkte<br />

unseres grünen Zukunftsplans für NRW. Wir haben den Koalitionsvertrag<br />

in einer sehr guten, kollegialen und vor allem immer<br />

zielorientierten Atmosphäre mit der SPD ausgehandelt. Erstmals in<br />

der Rolle der Verhandlungsführerin war dies für mich eine neue<br />

Herausforderung. Allerdings konnten wir natürlich an gemeinsame<br />

Initiativen aus der Oppositionszeit anknüpfen. Ich bin froh, dass<br />

sich die SPD nach kurzem Zögern doch entschieden hat, den Weg<br />

der Minderheitsregierung zu wagen.<br />

Am Ende stand (und steht) der Regierungswechsel in NRW, den<br />

die Menschen – das zeigt das Wahlergebnis – ja auch herbeigewählt<br />

hatten. Erstmals in der Geschichte des Landes stehen zwei<br />

Frauen an der Spitze, das Kabinett ist zu 50 % weiblich. Für mich,<br />

die ich Mitte der 1980er Jahre als sachkundige Bürgerin mit Frauenpolitik<br />

im Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit und Gleichstellung<br />

in <strong>Solingen</strong> begonnen habe, ein sehr schöner Erfolg der Frauenbewegung<br />

und einer engagierten Gleichstellungspolitik insgesamt.<br />

Meine eigene Rolle hat sich dann zum dritten Mal in diesem<br />

Jahr verändert: erst Spitzenkandidatin, dann Verhandlungsführerin,<br />

jetzt Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes NRW<br />

und stellvertretende Ministerpräsidentin. Eine große Aufgabe, der<br />

ich mich aber sehr gerne stelle!<br />

Der Koalitionsvertrag enthält viele grüne Ziele, einiges davon<br />

möchte ich euch hier vorstellen:<br />

Sofortprogramm für die Schulen<br />

Im Bereich Schule packen wir ein kleines Sofortprogramm an:<br />

Erstens sollen die Kopfnoten abgeschafft werden. Sie sind weder<br />

motivierend noch zielführend und binden sehr viel Arbeitszeit<br />

von Lehrerinnen und Lehrern, die sie aus unserer Sicht besser nutzen<br />

können.<br />

Zweitens können die Kommunen die Grundschulbezirke wieder<br />

einführen, wenn sie dieses Planungsinstrument wieder nutzen wollen.<br />

Dafür spricht auch, dass vor allem Grundschulkinder ihre<br />

Freundinnen und Freunde möglichst wohnortnah haben sollten,<br />

um sich auch nach der Schule noch ohne größeren Aufwand treffen<br />

zu können. Es gilt der Leitsatz: kurze Beine – kurze Wege. Diejenigen,<br />

die diesen Ansatz unterstützen, können das nun auch<br />

wieder tun.<br />

Drittens: Die neuen Regelungen zur Übergangsempfehlung von<br />

der Grund- in die weiterführende Schule ist von vielen Beteiligten<br />

kritisiert worden. CDU-FDP haben den Elternwillen eingeschränkt;<br />

im Falle der Nicht-Einigung mussten die Kinder einen Prognoseunterricht<br />

über sich ergehen lassen. Das werden wir ändern.<br />

Viertens werden wir die Drittelparität für die Sekundarstufe I<br />

wieder einführen. D.h., wichtige schulinterne Entscheidungen sollen<br />

von allen beteiligten Gruppen gemeinsam und gleichberechtigt<br />

entschieden werden: den Lehrerinnen und Lehrern, den Eltern und<br />

den Schülerinnen und Schülern.<br />

Da die Linkspartei ähnliche Anträge eingebracht hat, rechnen<br />

wir hier mit einer Verabschiedung im <strong>Herbst</strong>, so dass diese Veränderungen<br />

zum zweiten Schulhalbjahr greifen könnten.<br />

Aber wir möchten auch grundsätzliche Veränderungen in Gang<br />

setzen – getreu unserem Wahlprogramm, in dem wir ja immer das<br />

längere gemeinsame Lernen gefordert haben. Unterstützt werden<br />

wir dabei durch die Macht des Faktischen: in vielen – vor allem<br />

ländlichen – Kommunen bewirkt der Schülerschwund aufgrund des<br />

demographischen Wandels, dass den Schulen die SchülerInnen<br />

ausgehen und etliche Schulen vor dem Aus stehen. Um nun trotzdem<br />

vor Ort ein umfassendes Schulangebot mit allen Abschlüssen<br />

vorhalten zu können, haben sich schon in der Vergangenheit immer<br />

häufiger Bürgermeister auch der CDU an uns gewandt, weil sie<br />

tatsächlich Schulformen zusammenführen möchten, um alle Angebote<br />

aufrecht erhalten zu können. Daraus entstand das Konzept<br />

der Gemeinschaftsschule.<br />

Dadurch sichern wir vor Ort ein umfassendes dezentrales Schulangebot<br />

in den Kommunen, das längeres gemeinsames Lernen,<br />

mindestens bis zur Klasse 6 ermöglicht.<br />

Das Land steuert den Gesamtprozess, aber wir möchten die<br />

Schule der Zukunft mit den Menschen vor Ort in größtmöglichem<br />

Konsens von unten entwickeln. So soll es in Zukunft möglich sein,<br />

einzelne Schulformen in einer Gemeinschaftsschule zusammen zu<br />

führen. Wir sind überzeugt, dass dieser Prozess behutsam anlaufen,<br />

sich dann aber nachhaltig entwickeln wird – ähnlich wie bei<br />

der Einführung der OGS an Grundschulen, was zunächst sehr<br />

schleppend anlief; heute sind die Angebote des Offenen Ganztags<br />

an den meisten Grundschulen gelebte Schulwirklichkeit. Und weil<br />

immer wieder anderes behauptet wird: Wir zwingen diese Reform<br />

niemandem auf und wir schaffen auch von Landesseite keine<br />

Schulform ab!


21<br />

Wir wollen keine Bildungsverlierer<br />

Die Notwendigkeit zu Veränderungen im Schulsystem liegt auf<br />

der Hand: In unserem Schulsystem gibt es viel zu viele Bildungsverlierer.<br />

Der Bildungsaufstieg hängt viel zu sehr von der sozialen<br />

Herkunft ab: Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern und aus Zuwandererfamilien<br />

haben nachweislich geringere Chancen Bildungserfolge<br />

zu schaffen. Das kann niemand wollen! Deswegen brauchen<br />

wir eine sehr viel grundsätzlichere Reform des nordrhein-westfälischen<br />

Bildungssystems, die den Bildungserfolg des Einzelnen in<br />

den Mittelpunkt stellt. Eine solche Reform kann eine Regierung<br />

nicht allein schaffen, sie braucht die gesamte Gesellschaft. Darum<br />

wollen wir Lösungsansätze so breit wie möglich diskutieren, Kritik<br />

gemeinsam abwägen, die Anforderungen von Wirtschaft und Universitäten<br />

an SchulabsolventInnen mit einfließen lassen. Mit anderen<br />

Worten: wir möchten eine große, intensive aber immer lösungsorientierte<br />

Bildungsdebatte, um unser Land zukunftsfähig zu<br />

gestalten. Um auch auf Landesebene einen Konsens auszuloten,<br />

haben Ministerpräsidentin Kraft und ich für Ende September eine<br />

Bildungskonferenz einberufen, zu der VertreterInnen aller im<br />

Landtag vertretenen Fraktionen, der kommunalen Spitzenverbände,<br />

der Kirchen, der SchülerInnen, der Wirtschaft, der Wissenschaft<br />

sowie Lehrer- und Elternverbände eingeladen sind. Wir hoffen,<br />

dass wir damit einen Diskussionsprozess anstoßen können, der<br />

zielgerichtet und lösungsorientiert Reformvorschläge erarbeitet.<br />

Kommunen am Abgrund<br />

Natürlich haben wir uns im Rahmen der Koalitionsverhandlungen<br />

mit der SPD auch und besonders mit der extrem schwierigen<br />

Finanzsituation sehr vieler NRW-Kommunen auseinandergesetzt.<br />

Auch hier wird es ein Sofortprogramm geben: mit dem Nachtragshaushalt<br />

<strong>2010</strong> werden etwa 300 Mio. Euro für alle Kommunen bereitgestellt,<br />

ein Teil für Rückzahlungen, die den Kommunen zu Unrecht<br />

aufgebürdet wurden. Der andere Teil ist die Beteiligung der<br />

Kommunen an der Grunderwerbssteuer, die das Land ihnen vorenthalten<br />

hatte.<br />

Mittelfristig werden wir einen jährlichen Rettungsschirm im<br />

Umfang von etwa 300-400 Mio. Euro spannen, der nach fest definierten<br />

und offengelegten Kriterien an notleidende Kommunen<br />

verteilt wird.<br />

Auf Bundesebene werden wir alle Kanäle nutzen, um auch hier<br />

endlich zu einer echten Reform der kommunalen Finanzierung zu<br />

kommen, die verlässlich und auskömmlich ist, damit die Kommunen<br />

ihrer verfassungsmäßigen Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge<br />

selbstverantwortlich auch wieder nach kommen können.<br />

Mehrheitssuche beginnt<br />

SPD und Grüne haben sich für diese Legislaturperiode viel vorgenommen.<br />

Wir können unsere Vorhaben aber nur umsetzen, wenn<br />

wir politische Partner finden. Das hängt nicht nur von der Schlüssigkeit<br />

unserer Konzepte und Vorhaben ab, sondern auch vom<br />

Willen der anderen im Landtag vertretenen Parteien, mit zu gestalten.<br />

Wenn dieser Wille in der Parlamentsarbeit dominiert, dann<br />

werden wir möglicherweise eine neue Debattenkultur erleben, die<br />

zielgerichtet nach Lösungen sucht und nicht – wie in der Vergangenheit<br />

so oft – parteitaktisch entscheidet.<br />

Inzwischen hat auch der Parlamentsbetrieb wieder begonnen:<br />

im Zentrum der ersten Landtagssitzung stand die Regierungserklärung<br />

von Ministerpräsidentin Kraft und die Aussprache dazu –<br />

nachzulesen im Netz unter www.landtag.nrw.de.<br />

Meine erste Fragestunde als Ministerin für Schule und Weiterbildung<br />

liegt nun hinter mir – auch das ist auf den Landtagsseiten<br />

nachzulesen.<br />

Es ist eine sehr erfüllte und aufregende Zeit!<br />

Sylvia Löhrmann<br />

Landtagsreport


angemerkt<br />

22<br />

Die gekaufte Republik<br />

Der Streit um Laufzeitverlängerungen von Atommeilern in<br />

Deutschland zeigt eines ganz deutlich: Lobbyismus als notwendiger,<br />

ergänzender Teil der Meinungsbildung in einer Demokratie ist<br />

zu ihrem bestimmenden Entscheidungsträger geworden. Da, wo<br />

normalerweise Lobbyisten ihre Sicht der Dinge in transparenten<br />

Diskussionsprozessen deutlich machen sollen, damit Politikerinnen<br />

und Politiker unter Abwägung aller Argumente und in Verantwortung<br />

des großen Ganzen Entscheidungen treffen können, macht<br />

sich nun etwas ganz anderes breit: wirtschaftlicher Druck – man<br />

könnte auch sagen Erpressung – führt zu politischen Entscheidungen,<br />

die die Zukunftsfähigkeit unseres Landes in Frage stellen.<br />

Man reibt sich die Augen, wähnt sich in einer Bananenrepublik.<br />

Dem ist aber nicht so: Wir leben in einem der reichsten Länder der<br />

Welt, dessen demokratische Verfasstheit gemeinhin als gefestigt<br />

gilt.<br />

Was ist passiert<br />

Vor 11 Jahren einigten sich Politik und Energiekonzerne unter<br />

Rot-Grün nach langem und zähem Ringen darauf, die künftige Nutzung<br />

der vorhandenen Kernkraftwerke zu befristen. Für jede einzelne<br />

Anlage wurde festgelegt, welche Strommenge sie gerechnet<br />

ab dem 1.1.2000 bis zur Stilllegung maximal produzieren durfte.<br />

Die Berechtigung zum Betrieb eines AKW sollte enden, sobald diese<br />

Menge produziert wurde, bzw. durch Übertragung auf andere<br />

AKW geänderte Strommengen erreicht waren. Gleichzeitig wurde<br />

die Erkundung des Salzstockes in Gorleben unterbrochen, damit<br />

konzeptionelle und sicherpolitische Fragen in Ruhe geklärt werden<br />

konnten. Neubauten von Kernkraftwerken sollten verboten werden.<br />

Diese Punkte der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und<br />

Energieversorgungsunternehmen (E.on, Vattenfall, EnBW und RWE)<br />

sollten durch entsprechende Änderung des Atomgesetzes abgesichert<br />

werden. Wurden sie auch – nur leider fühlen sich CDU und<br />

FDP diesem von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragenen<br />

Ausstiegsszenario nicht mehr verpflichtet. Sie haben gedealt.<br />

So, wie man sich das vorstellt. Das Energiegutachten war interpretierbar<br />

in alle Richtungen, was dann auch fleißig von Minister<br />

Brüderle (Wirtschaft) gegen Minister Röttgen (Umwelt) getan wurde.<br />

Dann aber die Einigung – nein, die „Revolution“, so Bundeskanzlerin<br />

Merkel. Profiteure: die Energieunternehmen mit jährlichen<br />

Zusatzgewinnen in Milliardenhöhe (laut RP vom 7.9.<strong>2010</strong><br />

von 1,1 Mrd. (RWE), 1,26 Mrd. (e.on) und 1,03 Mrd. (EnBW),<br />

selbst unter Berücksichtigung der Brennelementesteuer. Denn, damit<br />

das Ganze nicht allzu sehr nach „gekaufter Republik“ aussieht,<br />

wurde vereinbart, eine neue Steuer einzuführen. Die Brennelementesteuer,<br />

von der sich der Bund jährliche Einnahmen in Höhe von<br />

etwa 2,3 Mrd. Euro verspricht – allerdings wohl nur bis 2016, während<br />

die jetzt vereinbarte Laufzeitverlängerung bei entsprechender<br />

Übertragung von Strommengen auf neuere AKW dazu führen könnte,<br />

dass das letzte AKW erst im Jahr 2040 abgeschaltet wird. Damit<br />

die quengeligen Ökos Ruhe geben, wurde noch ein Häppchen<br />

in diese Richtung geworfen: 300 Mio. Euro werden die Konzerne<br />

2011/2012 in einen Fonds für Erneuerbare Energien einspeisen.<br />

Super.<br />

Damit all dies den Konzernen nicht allzu weh tut, kommt nun<br />

das stille Kämmerlein ins Spiel, in dem offensichtlich Nebenabsprachen<br />

getroffen wurden. Die vereinbarten erhöhten Sicherheitsstandards<br />

für die länger laufenden AKW wollen die Energieunternehmen<br />

nämlich nicht so gerne vollständig selber zahlen. Das<br />

könnte den Gewinn schmälern. Also haben sie noch einmal gedealt<br />

mit dem Ergebnis, dass nun in einer Art Geheimvertrag festgeschrieben<br />

wurde, dass sie für solcherart Investitionen maximal 500<br />

Mio. pro AKW ausgeben müssen, unabhängig vom Alter der Anlage.<br />

Folgekosten der Atomwirtschaft sollen nicht auf die Konzerne<br />

zurückfallen. Angesichts der nicht geregelten Endlagerung des atomaren<br />

Mülls eine Ungeheuerlichkeit. Wir alle sind gekauft worden.<br />

Jeder Einzelne von uns wurde vorgeführt. Man erinnere sich nur an<br />

die unglaubliche Anzeige von Ackermann, Bierhoff (bisher nur als<br />

Modell für Haarwäsche hervorgetreten) und Co., die der Dealerei<br />

vorausging. Mein erster Gedanke war: jetzt sind sie zu weit gegangen,<br />

darauf einzugehen, das kann sich keine Bundeskanzlerin leisten.<br />

Weit gefehlt: Merkel und die ihren sind auch dabei schmerzfrei.<br />

Jetzt muss auch dem Letzten klar sein, dass wir alle gekauft<br />

sind. Und dass die Verflechtung von Wirtschaft und Politik schon<br />

so lange und so intensiv gelebt wird, dass selbst ein solcher Ausrutscher<br />

das Dealen nicht stört. Aber vielleicht hatte das schmutzige<br />

Geschäft auch etwas Gutes.<br />

100.000 sagen NEIN!<br />

Am 18.9. strömten 100.000 Menschen aus allen Teilen der Republik<br />

nach Berlin, um vor dem Bundestag deutlich zu machen:<br />

Das wollen wir nicht! Wir wollen keinen Atomstrom, keine AKW,<br />

nicht noch weitere Tonnen strahlenden Mülls, mit dem wir nicht<br />

wissen wohin. Es bewegt sich also etwas in diesem Land – von unten,<br />

aus der Bürgerschaft heraus werden Forderungen laut, massenhaft<br />

und qualifiziert vorgebracht, die Regierenden geraten immer<br />

mehr ins Abseits. „Stuttgart 21“ und „Atomkraft nein danke“<br />

sind die beiden größten Widerstandsthemen, die bundesweit für<br />

Schlagzeilen sorgen. Wirklich effektiv wird der Protest, wenn ihm<br />

Taten folgen: Der massenhafte Wechsel des Stromanbieters weg<br />

von den Großkonzernen hin zu Anbietern, die sich zukunftsfähig<br />

aufgestellt haben, ist sicherlich das wirkungsvollste Instrument,<br />

das jeder Konsument hat.


23<br />

Foto: Susanne Sperling<br />

angemerkt<br />

Märchen Brückentechnologie<br />

Atomstrom wird uns immer als Brücke in ein neues Zeitalter der<br />

regenerativen Energien verkauft. Ein genialer Werbeschachzug der<br />

Energiekonzerne, denn es suggeriert: Nur noch ein Weilchen und<br />

dann hat das Elend ein Ende. Aber so einfach ist das nicht. Denn<br />

fest steht: Durch die Verlängerung der Laufzeiten wird der Ausbau<br />

der regenerativen Energien und damit die Energiewende verzögert<br />

und behindert! Warum<br />

1. Die Energiekonzerne werden aufgrund ihrer weiterhin möglichen<br />

Riesengewinne aus dem Atomstrom keine Notwendigkeit<br />

mehr sehen, im Rahmen ihrer Unternehmensaufstellung die Produktion<br />

von regenerativen Energien zu forcieren.<br />

2. AKW sind ausgesprochen unflexible Stromproduzenten, die<br />

auf die Stromschwankungen bei Wind- und Sonnenenergie praktisch<br />

nicht reagieren können.<br />

3. Stromnetze können nur ein bestimmtes Quantum an Strom<br />

transportieren. Wenn also der Atomstrom nicht reduziert wird, wird<br />

kaum Platz frei für die Einspeisung von regenerativ produziertem<br />

Strom. Also ist der Markt für „grünen“ Strom gesättigt, bevor ausreichend<br />

Kapazitäten für eine echte Umstellung unserer Energieversorgung<br />

erreicht sind.<br />

Insofern ist Atomstrom die Brücke ins Nichts, oder ins Gestern,<br />

ganz wie man es sehen möchte. In keinem Fall aber ist sie eine<br />

Brücke in die Zukunft.<br />

Wir alle werden weiter mit der Tatsache leben müssen, dass wir<br />

als Gesellschaft eine Technologie eingeführt haben, die in ihrer<br />

zerstörerischen Kraft alle unsere Vorstellungen übertrifft. Wir haben<br />

uns und allen zukünftigen Generationen bereits jetzt ein<br />

„Päckchen“ auferlegt, das kaum zu bewältigen ist. Egal welche politische<br />

Kraft regiert – es muss gelingen, hier einen Stopp zu setzen.<br />

Wenn es 100.000 Menschen nicht schaffen, müssen es demnächst<br />

halt 1.000.000 versuchen. Es scheint, als könne einzig der<br />

Druck der Straße dem Druck der Lobbyisten Einhalt gebieten.<br />

Susanne Fingscheidt


Bündnis 90/Die Grünen<br />

Eiland 17<br />

42651 <strong>Solingen</strong><br />

T· 0212/<strong>2010</strong>60<br />

F· 0212/12404<br />

www.gruene-solingen.de<br />

aufgestachelt<br />

„ Sonnenradtankstelle “<br />

<strong>Solingen</strong>/Köln 2002<br />

„Idyllen und kleinere Katastrophen“ von Peter Holtfreter

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