Wohnungswechsel - Umzug
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Ein Loch bohren? Um Himmels Willen!<br />
Wie anders ist es doch jetzt! Die Wohnung, die wir gerade verlassen haben,<br />
erforderte nur ein paar wenige ausbessernde Pinselstriche, minimale<br />
Füllarbeiten und ein bisschen Putzen – und sieht nun genauso<br />
„topmodernisiert“ aus wie beim Einzug. Das kommt, weil ich mittlerweile<br />
von meinem Lebensgefährten die innere Abneigung übernommen habe,<br />
Eingriffe in die Substanz vorzunehmen, die nicht unbedingt sein müssen.<br />
Ein Loch bohren? Mit einer Maschine? Gar so, dass man da etwas anbringen<br />
kann, das auch ein Gewicht trägt? Um Himmels Willen! Geht es<br />
nicht auch anders? Besser, man stellt etwas auf den Boden oder hängt<br />
Dinge an vorhandene Leisten, Träger, Rohre, Geländer – jede Alternative<br />
ist zu überdenken, inklusive des Verzichts, bevor so etwas Heftiges, Lautes<br />
und Gewalttätiges wie eine Bohrmaschine zum Einsatz kommt.<br />
Sich seine Umwelt nach eigenem Willen gestalten<br />
Früher habe ich diese Haltung belächelt, oft hat sie mich auch geärgert,<br />
denn sie erschien mir als bloße Behinderung: Ich hatte meine gestalterische<br />
Idee und wollte sie auf die Schnelle – mit allen Mitteln! – umsetzen.<br />
Da die Technik das Gerät zur Verfügung stellt und Materialien wie auch<br />
Energie erschwinglich sind, spricht doch nichts dagegen, sich seine Umwelt<br />
nach eigenem Willen zu gestalten. Warum sollte ich auf diese Möglichkeiten<br />
verzichten und mich den Verhältnissen anpassen, wie ich sie<br />
gerade vorfi nde?<br />
Die Vorstellung von Schönheit und Glück<br />
Wer jetzt glaubt, an dieser Stelle komme ich mit Öko, Nachhaltigkeit und<br />
Ressourcenschonung, täuscht sich. Klar, das alles ist unbestritten lebenswichtig<br />
für die Zukunft der Menschheit, aber mal ehrlich: Wie nachhaltig<br />
wirken diese guten (aber rein „vernünftigen“) Gründe in der eige-<br />
nen Psyche, wenn es ums ureigene Wohlbefi nden, um die Vorstellungen<br />
von Schönheit und Glück, von gutem Leben geht?<br />
Woher nehme ich eigentlich meine (Wunsch-)Vorstellungen?<br />
Lassen wir die Vernunft beiseite – es ist etwas anderes, das mich dankbar<br />
sein lässt, heute nicht mehr immer und überall gleich „durchgreifen“<br />
zu müssen: Eben diese Vorstellung vom Schönen ist nämlich der Knackpunkt,<br />
den es genauer zu betrachten gilt. Wenn ich meine Umgebung<br />
nur als zu gestaltendes Material ansehe und nicht als vorhandene Form<br />
mit eigener Geschichte und eigenem Recht, woher nehme ich dann eigentlich<br />
meine (Wunsch-)Vorstellungen, wie die Dinge aussehen sollen?<br />
Offensichtlich wachsen sie nicht in mir, denn mit Bestehendem halte<br />
ich mich ja gar nicht erst auf, gebe den Dingen so, wie sie sind, keine<br />
Chance, eine Zeit lang auf mich zu wirken. Wenn ich sofort umplane<br />
und umarbeite, umgehe ich das Fühlen dessen, was ist, kann also gar<br />
nicht erkunden, was mich wirklich stört, was mir gut tut und was mir<br />
Nr. 1 | Januar 2006 <strong>Wohnungswechsel</strong><br />
Seite 23<br />
in einer konkreten Umgebung fehlt. Ich bleibe dann im Reich des Denkens<br />
hängen: Denke, dass das, was da im Laden oder im Prospekt wunderbar<br />
aussieht, auch für mein Arbeitszimmer gut sein müsste, denke,<br />
dass die Farbkombination, die in der Ausstellungshalle bei Kunstlicht so<br />
exotisch wirkt, auch in meinem hellen dritten Stock gut kommt – und ich<br />
irre mich!<br />
Meine Erwartung, etwas Schönes zu schaffen, wurde enttäuscht<br />
Oh, wie oft habe ich mich schon geirrt! Und immer war es mit Aufwand<br />
und Kosten verbunden, hat mich angestrengt, mir richtig Mühe gemacht,<br />
und letztlich war es ein Nichts, ja schlimmer als ein Nichts, denn ich war<br />
enttäuscht, weil meine Erwartung, um mich herum etwas Schönes zu<br />
schaffen, wieder einmal enttäuscht wurde. Was wiederum die Aufgabe,<br />
ein weiteres Mal alles umzugestalten, nahe legte – es war dann nur eine<br />
Frage des Geldes, wann es wieder so weit war.<br />
Augenlust bleibt auf den Sehsinn beschränkt<br />
Natürlich ist das Anspringen auf schöne Dinge in Katalogen, in Läden, in<br />
fremden Wohnungen und in Schaufenstern auch ein Gefühl. Aber es ist<br />
unverbunden mit dem eigenen Raum, ihm wird keine Zeit gegeben, es<br />
taucht isoliert auf und entschwindet wieder, bietet jedenfalls keinen wirklichen<br />
Anhalt für das Wachsen eines echten Bedürfnisses. Es entsteht in<br />
der Regel durch reine Augenlust und bleibt auf den Sehsinn beschränkt<br />
– wogegen das Zimmer, in dem ich mich aufhalte, auf meinen ganzen<br />
Körper, ja meine psychophysische Leiblichkeit einwirkt. Und zwar lang<br />
und stetig genug, so dass ich das dann auch bemerken, in Gedanken<br />
und Worte fassen kann. Dann erst weiß ich, was ich will.<br />
Das Projekt Küchenrenovierung ins Frühjahr vertagt<br />
Als Nächstes rede ich mit jemandem darüber. Manchmal ist das gut,<br />
manchmal eher kontraproduktiv. (Wer die Intuition hat, der eigene<br />
Wunsch sei gewiss auch das Richtige, schweigt am besten!) Zum Glück<br />
habe ich mit M. erst mal über meine Idee geredet, die hellgrauen Wände<br />
in der Küche doch lieber weiß zu streichen, am besten gleich. Die<br />
Farbe habe ich mir zwar schon mal gekauft, aber das Projekt „Küchenrenovierung“<br />
ist jetzt ins Frühjahr vertagt. Eigentlich sieht das Hellgrau<br />
nämlich gar nicht so schlecht aus, es war einfach ein besonders trüber<br />
Tag gewesen, als ich es in der Abenddämmerung zum ersten Mal richtig<br />
wahrgenommen und innerlich abgelehnt hatte. Im Frühling kann ich<br />
dann auch gleich das Fenster mit streichen, so habe ich nur einmal eine<br />
Baustelle.<br />
Claudia Klinger<br />
www.claudia-klinger.de/digidiary