die weichen für eine gute zukunft österreichs sind heute ... - periskop
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Neulich las ich Lobeshymnen in der Zeitung der Welldone zuZertifizierungen<br />
im Gesundheitsbereich. Dies ist insoferninteressant, als<br />
<strong>die</strong> letzten Ergebnisse zu <strong>die</strong>sem Thema in den renommierten Medizinzeitschriften<br />
wie „New England Journal of Medicine“ mehr als<br />
ernüchternde Ergebnisse brachten. Da wurde der Outcome von<br />
durchstrukturierten medizinischen Pfaden stu<strong>die</strong>rt. Das Ergebnis:<br />
Gedanken zur<br />
Qualität in der<br />
Medizin<br />
UNIV. PROF. DR.KASPAR SERTL<br />
GRUPPENDYNAMIKTRAINER UND SYSTEMISCHER<br />
ORGANISATIONSBERATER<br />
definiert ist. Mit der Gegensteuerung bei der Implosion<br />
des Atommeilers von Three Mile Island<br />
wurde sehr spät begonnen, weil der Ingenieur<br />
vom Tage fand, dass k<strong>eine</strong> Katastrophe vorliege,<br />
da <strong>die</strong>seimHandbuch (Zertifizierung!) anders definiert<br />
sei. Soweit zu theoretisch/ praktischen<br />
Überlegungen.<br />
Wenn ich also mit Kontrolle <strong>die</strong> Situationeher verschlechtere,<br />
was wäre der Gegenvorschlag Wir<br />
müssen von der Überdokumentation wegkommen.<br />
Alle reden davon, tragen aber ständig dazu<br />
bei, sie zu erhöhen. Ein Handbuch als Ergebnis<br />
<strong>eine</strong>r Zertifizierung ist tote Dokumentation. Fragen<br />
Sie doch einfach einmal nach, wer weiß, was<br />
darin steht. Nicht einmal <strong>die</strong> Teilnehmer des Zertifizierungsprozesses<br />
wissen es, geschweige denn <strong>die</strong> neu Eingetretenen. TQM hat<br />
den großen Nachteil, dass dabei zu scharfe Grenzen gezogen werden,<br />
das heißt, <strong>die</strong> Mitarbeiter fühlen sich damit nicht mehr <strong>für</strong> das<br />
Gesamtsystem verantwortlich. Nach K. Weick ist das beste Mittel<br />
Sie müssen den Mitarbeitern <strong>die</strong> Chance nehmen,<br />
mittels Checklisten den Kontakt zu den Patientinnen<br />
und Patienten zu reduzieren. Diese<br />
<strong>sind</strong> zwar „abgehakt“, aber was ist wirklich passiert<br />
Wurde ausreichend gesprochen Zertifizierungen<br />
<strong>sind</strong> sehr dokumentationslastig, sehr teuer<br />
und kosten viele Mitarbeiterstunden, <strong>die</strong> natürlich<br />
vom Patientenkontakt abgezwickt werden,<br />
sie gaukeln vor, dass jetzt Qualität passiert, und<br />
induzierenbei Mitarbeitern, dass ihnennun nichts<br />
passiert. Alles sehr gefährliche Dinge. In Beraterkreisen<br />
ist eigentlich klar, dass Zertifizierungen<br />
k<strong>eine</strong> Qualität bringen. Also wieso tun wir das<br />
Das neue Schlagwort (und ich lege darauf Wert,<br />
dass es kein Allheilmittel ist, aber aus theoretischen Gründen deutlich<br />
besser) ist High-Reliability-Organisation nach K. Weick. Das<br />
<strong>sind</strong> nämlich Krankenhäuser, vor allem Notfallstationen und Intensivstationen,<br />
sowie Atommeiler und Flugzeugträger, <strong>die</strong> besonders<br />
wenig Katastrophen produzieren. Die Wirtschaft nimmt sich <strong>die</strong>ses<br />
„Wir müssen von der<br />
Überdokumentation<br />
wegkommen.“<br />
Fast alle Ärzte erreichen <strong>die</strong> vorgegebenen Ziele,<br />
was erstaunlich ist, weil es sich nur um <strong>die</strong> Dokumentation<br />
handeln kann, da es ausgeschlossen<br />
erscheint, dass 1) alle Ärzte alles richtig machen<br />
und 2) dass Patientinnen und Patienten es zulassen,<br />
dass alle vorgesehenen Maßnahmen an ihnen<br />
durchgeführt werden. Das Ergebnis ist also<br />
mehr als unglaubhaft. Noch interessanter ist allerdings,<br />
dass sich das, was gemeinhin als soziale<br />
Kontaktaufnahme oder Kommunikation angesehen<br />
wird, signifikant verschlechtert hat. Ein interessantes<br />
Ergebnis: Die Dokumentation<br />
nimmt zu, zeigt <strong>eine</strong><br />
Verbesserung und der soziale<br />
Kontakt nimmt ab – und angeblich<br />
ist das gut!<br />
Damit <strong>sind</strong> wir mitten<br />
im Problem. Eine nicht unbeträchtliche Schuld<br />
daran tragen <strong>die</strong> Juristen, genauer <strong>die</strong> Richterder<br />
Höchstgerichte. Sie haben eingeführt, dass nur<br />
das zählt, was dokumentiert ist, daher haben wir<br />
jetzt vieles dokumentiert, was nicht stattfindet –<br />
siehe oben.Wir sollten uns doch immer wieder in<br />
Erinnerung rufen, dass <strong>die</strong> Gesundheitsberufe<br />
soziale Berufe <strong>sind</strong>, esgeht also um Kontakt, um<br />
Kommunikation, Zuhören, dem Patienten helfen,<br />
<strong>eine</strong> Entscheidung zu finden etc. Daneben geht<br />
es darum, technische Fähigkeiten anzuwenden<br />
und <strong>die</strong>se auch zu haben. Man muss sich aber<br />
klar darüber sein,<strong>die</strong>s ist im Vergleich zum Sozialen<br />
sehr einfach, weil in Algorithmen zu pressen,<br />
und danach ist zu handeln. Kommunikation aber<br />
geht nicht nach Vorschriften, sondern verlangt<br />
hohe Flexibilität und „Teflon um <strong>die</strong> Seele“, um<br />
das Unglück managen zu können und nicht daran<br />
zu zerbrechen.Also <strong>die</strong> Balance zu findenzwischen<br />
Empathie und notwendiger Entschlusskraft<br />
(also nicht vor Mitleid zu zergehen, da das<br />
nicht hilfreich ist) im Sozialen. Das ist <strong>die</strong> wahre<br />
schwere Aufgabe, <strong>die</strong> zu erlernen und täglich zu<br />
bewältigen ist. Es geht darum zu kommunizieren,<br />
<strong>gute</strong> Kommunikation gibt es nicht, denn ist ein<br />
Konflikt <strong>eine</strong> schlechte Kommunikation Die Diskussion<br />
um <strong>gute</strong> Kommunikation ist ausschließlich<br />
<strong>eine</strong> Machtfrage, wer darf hier entscheiden,<br />
was <strong>gute</strong> Kommunikation ist Vorallem Patientenanwälte<br />
glauben, sich <strong>die</strong>se zuschreiben zu<br />
müssen! Eines ist sicher, das kann man in kein<br />
Zertifizierungsschema pressen.<br />
Dass <strong>die</strong> Total-Quality-Management-(TQM-)Systeme<br />
nicht das bringen, was sie vorgeben, ist seit<br />
ihrer Einführung bekannt. Einer ihrer Gründer hat<br />
von Beginn an ihre Effizienz infrage gestellt. Warum<br />
werden sie dochvom Management gerne gepuscht<br />
Welche Vorteile erwartet sich <strong>die</strong><br />
Führung davon Zumeist ist wahrzunehmen,<br />
dass es ein Versuch ist zu kontrollieren. Nun ist<br />
zumindest aus konstruktivistischer und systemischer<br />
Sicht der Wunsch nach Kontrolle unerfüllbar.<br />
Jaschlimmer, jemehr Kontrolle, umso eher werden <strong>die</strong> Mitarbeiter<br />
geschult, wie sie derKontrolle entkommen. Es wirdversucht,<br />
<strong>eine</strong> Nullfehlerpolitik zu implementieren, was dazu führt, dass Fehler<br />
als solchenicht mehr vorkommen, damit sie nicht geahndet werden<br />
können. Es muss Nullkatastrophenpolitik eingeführt werden, was<br />
beinhaltet, dass Fehler passieren können. Manchmal muss man<br />
nämlich <strong>eine</strong> als Fehler definierte Handlung setzen, um <strong>eine</strong> Katastrophe<br />
zu verhindern. Also fahren Sie über <strong>eine</strong> doppelte Sperrlinie,<br />
um <strong>eine</strong>n Unfall zu verhindern, auch wenn <strong>die</strong>s klar als Fehler<br />
im Risk-Management, <strong>die</strong> Kommunikation zu erhöhen. Jede<br />
Checkliste macht genau das Gegenteil. Besonders schlecht <strong>sind</strong><br />
zum Beispiel zertifizierte Kfz-Werkstätten, weswegen ich solche,<br />
wenn immer es geht, meide. Das Ziel ist im täglichen Geschäft –vor<br />
allemimGesundheitsbereich –, <strong>die</strong> Kommunikation zu erhöhen, Visiten,interdisziplinäre<br />
Besprechungen, Fortbildungen, fachliche und<br />
soziale, Patientenbesprechungen. Da Kommunikation immer Missverständnis<br />
ist, können Sie Lösungen nur vorantreiben, wenn Sie<br />
versuchen, <strong>die</strong> Missverständnisse immer wieder zu thematisieren.<br />
Schlagwort derzeit sehr zu Herzen und versucht, esumzusetzen,<br />
und zwar mit der Begründung, dass ihre eigenen TQMs nichts gebracht<br />
haben. Die Krankenhäuser <strong>sind</strong> Vorbilder <strong>für</strong> <strong>die</strong> Wirtschaft!<br />
Auch in der Organisationswissenschaft versuchen <strong>die</strong> Forscher,auf<br />
den in der Medizin verwendeten Prozess der „Evidence-based Medicine“<br />
umzusteigen.<br />
Wie Sie sehen, aus der Sicht <strong>eine</strong>s Praktikers wird TQM vor allem<br />
als Behinderung erlebt und er wünscht sich Vereinfachung und<br />
nicht Verkomplizierung mittels überbordender Bürokratie.<br />
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