Dieter ist ein Arsch. - Rowohlt Theaterverlag
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THEATER VERLAG<br />
2011 / 12<br />
Albrecht<br />
Arzt<br />
Ayckbourn<br />
Baron<br />
Bronsky<br />
Carnevali<br />
Charms<br />
Donnelly<br />
Etchells<br />
Freyer<br />
Goos<br />
Händl<br />
Hare<br />
Herrndorf<br />
Jelinek<br />
Karasik<br />
Kelly<br />
Kluck<br />
Kruckemeyer<br />
LaBute<br />
Logan<br />
Löhle<br />
Marivaux<br />
McCoy<br />
Naumann<br />
Norén<br />
Pollak<br />
Pollesch<br />
Schmaering<br />
Schmitt<br />
Schober<br />
Senkel<br />
Shakespeare<br />
Staffel<br />
St<strong>ein</strong>beck<br />
St<strong>ein</strong>buch<br />
Stephens<br />
Strauß<br />
Syha<br />
Tawada<br />
Teller<br />
Thorne<br />
Tolstoi<br />
Wallace<br />
Walser<br />
Wilde<br />
Zaimoglu<br />
Zeh
Uraufführungen<br />
Jörg Albrecht<br />
DIE BLAUEN AUGEN VON<br />
TERENCE HILL<br />
(siehe S. 7)<br />
Lisa Danulat<br />
KÖNIGREICH (KUCHEN<br />
ODER TOD)*<br />
Staatstheater Mainz<br />
30.03.2012<br />
Regie: Johannes Schmit<br />
Irene Dische / Elfriede Jelinek<br />
DER TAUSENDJÄHRIGE POSTEN<br />
ODER DER GERMANIST<br />
Libretto<br />
(siehe S. 12)<br />
John von Düffel<br />
ANNA KARENINA<br />
Nach Leo Tolstoi<br />
(siehe S. 33)<br />
Jon Fosse<br />
SCHWESTER*<br />
Bühnenfassung<br />
Theater Marabu, Bonn<br />
12.05.2012<br />
Regie: Claus Overkamp<br />
David Gieselmann / Klaus<br />
Schumacher<br />
GESCHÜTTELT, NICHT<br />
GERÜHRT (Arbeitstitel)*<br />
Grips Theater Berlin<br />
Mai 2012<br />
Regie: Klaus Schumacher<br />
Händl Klaus<br />
DER KLAGERUF DES<br />
WEISELSCHWARMS*<br />
Libretto<br />
Salzburger Festspiele 2012<br />
August 2012<br />
Regie: Nicolas Liautard<br />
Wolfgang Herrndorf<br />
TSCHICK<br />
Bühnenfassung von Robert Koall<br />
(siehe S. 43)<br />
Elfriede Jelinek<br />
KEIN LICHT.<br />
(siehe S. 11)<br />
Elfriede Jelinek<br />
FAUSTIN AND OUT<br />
(siehe S. 11)<br />
Dennis Kelly<br />
THE RITUAL SLAUGHTER<br />
OF GORGE MASTROMAS<br />
(Arbeitstitel)*<br />
Schauspiel Frankfurt /<br />
Ruhrfestspielen Recklinghausen<br />
Mai 2012<br />
Regie: Chr<strong>ist</strong>oph Mehler<br />
Die mit * markierten Titel<br />
liegen nicht oder noch nicht<br />
als Rollenbuch vor<br />
Oliver Kluck<br />
DIE FROSCHFOTZEN<br />
LEDERFABRIK<br />
(siehe S. 6)<br />
Oliver Kluck<br />
ÜBER DIE MÖGLICHKEITEN<br />
DER PUNKBEWEGUNG<br />
(siehe S. 7)<br />
Oliver Kluck<br />
LEBEN UND ERBEN*<br />
(siehe S. 6)<br />
Oliver Kluck<br />
NOCH OHNE TITEL*<br />
(siehe S. 7)<br />
Philipp Löhle<br />
DER WIND MACHT DAS<br />
FÄHNCHEN (Arbeitstitel)<br />
(siehe S. 5)<br />
Philipp Löhle<br />
DAS DING<br />
(siehe S. 4)<br />
Laura Naumann<br />
SÜSSER VOGEL UNDSOWEITER<br />
(siehe S. 19)<br />
René Pollesch<br />
JACKSON POLLESCH*<br />
Teatr Rozmaitos´ci, Warschau<br />
16.09.2011<br />
Regie: René Pollesch<br />
René Pollesch<br />
DIE LIEBE ZUM<br />
NOCHNIEDAGEWESENEN*<br />
Burgtheater (Akademietheater)<br />
Wien<br />
07.12.2011<br />
Regie: René Pollesch<br />
René Pollesch<br />
KILL YOUR DARLINGS. STREETS<br />
OF BERLADELPHIA*<br />
Volksbühne am Rosa-<br />
Luxemburg-Platz, Berlin<br />
18.01.2012<br />
Regie: René Pollesch<br />
René Pollesch<br />
WIR SIND SCHON GENUG!*<br />
Schauspiel Frankfurt<br />
03.03.2012<br />
Regie: René Pollesch<br />
René Pollesch<br />
EURE GANZ GROSSEN THEMEN<br />
SIND WEG!*<br />
Münchner Kammerspiele<br />
15.04.2012<br />
Regie: René Pollesch<br />
Hans Rath<br />
MAN TUT, WAS MAN KANN*<br />
Bühnenfassung von Petra<br />
Luisa Meyer<br />
Schlossparktheater Berlin<br />
Februar 2012<br />
Regie: Petra Luisa Meyer<br />
Oliver Reese<br />
BACON TALKS*<br />
Nach David Sylvester<br />
Schauspiel Frankfurt<br />
Mai 2012<br />
Regie: Oliver Reese<br />
Oliver Schmaering<br />
DREI10 OUTTAKES<br />
(siehe S. 9)<br />
Katharina Schmitt<br />
JUGENDBILDNIS<br />
(siehe S. 18)<br />
Katharina Schmitt<br />
SAM<br />
(siehe S. 19)<br />
Holger Schober<br />
DU BIST DABEI!<br />
(siehe S. 39)<br />
Holger Schober<br />
AUS DER TRAUM*<br />
(siehe S. 40)<br />
Raoul Schrott<br />
ILIAS<br />
Nach Homer<br />
Staatstheater Stuttgart<br />
14.10.2011<br />
Regie: Volker Lösch<br />
Alexander Solschenizyn<br />
KREBSSTATION<br />
Bühnenfassung von John von<br />
Düffel<br />
(siehe S. 33)<br />
Gerhild St<strong>ein</strong>buch<br />
AM SCHÖNSTEN IST DAS WAS<br />
BEREITS VERSCHWUNDEN IST*<br />
(siehe S. 18)<br />
Gerhild St<strong>ein</strong>buch<br />
DAS KALTE HERZ<br />
Nach Wilhelm Hauff<br />
(siehe S. 17)<br />
Simon Stephens<br />
THREE KINGDOMS<br />
(siehe S. 30)<br />
Ulrike Syha<br />
RADIKALE*<br />
(siehe S. 16)<br />
Theresia Walser<br />
EINE STILLE FÜR FRAU<br />
SCHIRAKESCH<br />
(siehe S. 13)<br />
Sabine WenChing Wang<br />
HUND HUND<br />
Schlachthaus Theater Bern /<br />
Theater Winkelwiese, Zürich<br />
04.10.2011<br />
Regie: Beatrix Bühler<br />
Feridun Zaimoglu / Günter Senkel<br />
BILDERGESCHICHTEN*<br />
(siehe S. 37)<br />
Juli Zeh / Charlotte Roos<br />
NOCH OHNE TITEL*<br />
(siehe S. 15)<br />
Erstaufführungen<br />
Alan Ayckbourn<br />
ALLE LIEBEN GEORGE<br />
(siehe S. 31)<br />
Maria Goos<br />
DER LETZTE VORHANG<br />
(siehe S. 21)<br />
David Hare<br />
GETHSEMANE<br />
(siehe S. 32)<br />
Daniel Karasik<br />
DIE UNSCHULDIGEN<br />
(siehe S. 26)<br />
Dennis Kelly<br />
DIE GÖTTER WEINEN<br />
Theater Basel<br />
15.09.2011<br />
Regie: Elias Perrig<br />
Dennis Kelly<br />
UNSER LEHRER IST EIN TROLL<br />
(siehe S. 40)<br />
Herman Koch<br />
ANGERICHTET*<br />
Theater Ingolstadt<br />
28.04.2012<br />
Regie: Johannes Lepper<br />
Finegan Kruckemeyer<br />
THE TRAGICAL LIFE OF<br />
CHEESEBOY<br />
(siehe S. 41)<br />
Neil LaBute<br />
ZUR MITTAGSSTUNDE<br />
(siehe S. 22)<br />
Neil LaBute<br />
IN A FOREST, DARK AND<br />
DEEP*<br />
(siehe S. 23)<br />
John Logan<br />
ROT<br />
(siehe S. 24)<br />
Lars Norén<br />
LIEBESSPIEL<br />
(siehe S. 20)<br />
Simon Stephens<br />
WASTWATER<br />
(siehe S. 29)<br />
Janne Teller<br />
NICHTS<br />
Bühnenfassung von<br />
Andreas Erdmann<br />
(siehe S. 43)<br />
Jack Thorne<br />
BUNNY<br />
(siehe S. 27)
«Wer, glaubst du,<br />
wirst du s<strong>ein</strong>, wenn<br />
alles vorbei <strong>ist</strong> und<br />
du endlich aus<br />
träumbarer Masse<br />
bestehst?»<br />
Botho Strauß<br />
Das blinde Geschehen<br />
9D – 9H – Doppelbesetzungen<br />
möglich<br />
Das Theater <strong>ist</strong> verlassen, die Bühne<br />
dunkel und leer. Das blinde Geschehen<br />
übernimmt: das Reich der ungeträumten<br />
und vergessenen Gestalten, des<br />
Unbewussten und Phantastischen, der<br />
ungelösten Reste des Realen. Schatten,<br />
Avatare und Phantome treten aus dem<br />
Off ins Licht. John Porto, Computer<br />
Das blinde Geschehen, Burgtheater Wien<br />
programmierer und <strong>ein</strong> Prospero des<br />
Cyberspace, glaubt ihr virtuelles Spiel<br />
zu steuern. Doch die herbeigerufenen<br />
Ge<strong>ist</strong>er entwickeln schnell <strong>ein</strong> Eigenleben.<br />
Vor allem Freya Genetrix, die als<br />
«Anwesenheitsantiquität» Raum und<br />
Zeit durchstreift, wird zu Portos leibhaftigem<br />
Widerspruch in <strong>ein</strong>em Game,<br />
dessen Level ständig wechseln.<br />
Botho Strauß’ jüngstes Stück wurde im<br />
März 2011 in der Regie von Matthias<br />
Hartmann am Wiener Burgtheater uraufgeführt:<br />
«Eine Hommage ans Theater<br />
als Überlebensform … Das blinde<br />
Geschehen <strong>ist</strong> wie schon Strauß’ vorletztes<br />
Stück Nach der Liebe beginnt<br />
ihre Geschichte die dramatische Feier<br />
<strong>ein</strong>es Paarglücks. Nur dass im Blinden<br />
Geschehen nach der Geschichte (des<br />
Theaters) die Liebe erst beginnt. Darin<br />
wird das Phantastische, Unglaubliche<br />
und Märchenhafte nun nicht sch<strong>ein</strong>bar<br />
wahr, dann wäre es Kitsch, sondern<br />
zur träumerischen Hoffnung … Es <strong>ist</strong><br />
<strong>ein</strong> großes, schwereloses Stück. K<strong>ein</strong>e<br />
kulturkritische Wut gegen die Zeitge<strong>ist</strong>welt,<br />
sondern deren ge<strong>ist</strong>erhafte Über<br />
windung in sardonischer Heiterkeit …<br />
Eine barocke Liebesgeschichte in gesellschaftsloser<br />
Welt. Auf der Traumhinterbühne<br />
der Realität, in der all<strong>ein</strong> die Luftge<strong>ist</strong>ersch<strong>ein</strong>ungen<br />
in <strong>ein</strong>em zerstörten,<br />
aber wunderbar belebten Theater die<br />
Gegengesellschaft bilden.» (Frankfurter<br />
Allgem<strong>ein</strong>e Zeitung) «Eine Enzyklopädie<br />
der Liebesverwirrungen in den Zeiten<br />
des Internets … Das Stück, das sich<br />
aus vielen Quellen spe<strong>ist</strong>: Shakespeare<br />
und Raimund, Strindberg und Pirandello,<br />
<strong>ist</strong> auf phantastische Weise ungemütlich;<br />
am Einzelnen, Privaten haftend,<br />
lässt es den brüchigen Boden, auf dem<br />
sich dies alles begibt, immer mitschwingen.»<br />
(Theater der Zeit) «Botho Strauß<br />
hat mit Das blinde Geschehen s<strong>ein</strong><br />
schönstes Stück seit langem geschrieben<br />
… Er schleust den Virus der Poesie<br />
in unser programmiertes, durchforma<br />
www.rowohlt-theater.de 1
tiertes Leben <strong>ein</strong>, verwebt s<strong>ein</strong>e bekannten<br />
Motive zu <strong>ein</strong>em kaleidoskopartigen<br />
Szenenreigen … Spielerisch lockt Strauß<br />
den Zuschauer in <strong>ein</strong> zauberisches Zwischenreich,<br />
in dem die Gegenwart ins<br />
Archetypische verflimmert … Er lässt<br />
die Zeit zurücklaufen, um die Heiterkeit<br />
zurückzuerobern, mit der alles<br />
begann: das Spiel zwischen Mann und<br />
Frau ebenso wie das Spiel des Theaters.»<br />
(Süddeutsche Zeitung)<br />
Mit Cate Blanchett in der Hauptrolle<br />
und neu übersetzt von Martin Crimp<br />
hat im November 2011 Botho Strauß’<br />
Groß und kl<strong>ein</strong> an der Sydney Theatre<br />
Company Premiere (Regie: Benedict<br />
Andrews), koproduziert von den Ruhrfestspielen<br />
Recklinghausen, den Wiener<br />
Festwochen, dem Théâtre de la Ville<br />
Paris und dem Londoner Barbican, wo<br />
das Stück im Frühjahr 2012 zu sehen<br />
s<strong>ein</strong> wird.<br />
In Deutschland wurde Groß und kl<strong>ein</strong><br />
zuletzt am Theater Heilbronn gespielt<br />
(Juni 2010, Regie: Esther Hattenbach)<br />
sowie am Theater Bremen (Oktober<br />
2010, Regie: Mirja Biel und Joerg<br />
Zboralski). Strauß’ Bekannte Gesichter,<br />
gemischte Gefühle hatte in der vergangenen<br />
Saison am Düsseldorfer Schauspielhaus<br />
Premiere (Dezember 2010,<br />
Regie: Stephan Rottkamp).<br />
2<br />
«Es gibt da <strong>ein</strong>e neue Behand lungs methode mit Hirn-Stimu latoren.<br />
Dabei kann es aller dings zu Persön lich keits veränderungen kommen.<br />
Aber das wäre in Ihrem<br />
Fall vielleicht gar nicht<br />
so schlecht.»<br />
Tim Staffel<br />
Hallo, Mr. Parkinson<br />
2D – 3H<br />
Lennarts Verhältnis zu s<strong>ein</strong>en Eltern war<br />
nie besonders innig, und längst hat sich<br />
der 30Jährige in der Großstadt <strong>ein</strong>e<br />
neue, glücklichere «Familie» gesucht:<br />
Mit s<strong>ein</strong>er Freundin Dalida und s<strong>ein</strong>em<br />
Kumpel Ümit betreibt er <strong>ein</strong> Café – wo<br />
<strong>ein</strong>es Tages ohne Vorwarnung Werner,<br />
Lennarts Vater, auftaucht. Ausgerechnet<br />
jetzt, da er an Parkinson erkrankt <strong>ist</strong>, hat<br />
s<strong>ein</strong>e Frau ihn nach jahrzehntelangem<br />
Ehekrieg kurzentschlossen vor die Tür<br />
gesetzt. Gebrechlich, aber barsch wie<br />
eh und je n<strong>ist</strong>et sich Werner bei Lennart<br />
<strong>ein</strong>, als sei dies das Selbstverständlichste<br />
der Welt. Dabei verband ihn mit s<strong>ein</strong>em<br />
Sohn zeitlebens bestenfalls verstocktes<br />
Schweigen. Widerwillig und mehr, weil<br />
Blutsbande verpflichten, nimmt Lennart<br />
Werner bei sich auf, dessen Zustand sich<br />
sehr bald verschlechtert. Er rüstet s<strong>ein</strong>e<br />
SingleWohnung um, füllt Krankenkassenformulare<br />
aus, engagiert <strong>ein</strong>e polnische<br />
Pflegekraft – stets begleitet von<br />
Werners vorwurfsvollen Kommentaren.<br />
Beide Männer sind mit der ungewohnten<br />
Situation heillos überfordert, merken<br />
jedoch ganz allmählich, dass sie<br />
<strong>ein</strong>ander vielleicht ähnlicher sind, als es<br />
ihnen lieb <strong>ist</strong>.<br />
Unsentimental, <strong>ein</strong>fühlsam und durchzogen<br />
von lakonischem Humor erzählt<br />
Tim Staffels neues Stück die Geschichte<br />
<strong>ein</strong>er Annäherung, die <strong>ein</strong>e sehr große<br />
D<strong>ist</strong>anz überwinden muss.<br />
Indien für Anfänger<br />
1D – 1H<br />
«Nichts an dir <strong>ist</strong> echt. Nicht mal d<strong>ein</strong>e<br />
Gefühle. Glaubst, du schreibst Gefühle auf,<br />
drückst auf Speichern, und schon hast du<br />
welche.»<br />
Jules und Jakobs Beziehung steckt in<br />
<strong>ein</strong>er tiefen Krise. Jule, 28, jettet rastlos<br />
um den Globus und besucht Lehrgänge<br />
für Interkulturelles Training, während<br />
der Programmierer Jakob, 31, nur noch<br />
vor dem Computer hockt. Früher halfen,<br />
wenn sie sich mal sahen, erotisch<br />
aufgeladene Rollenspiele, um Nähe herzustellen,<br />
doch mittlerweile führt nicht<br />
<strong>ein</strong>mal das Nachstellen ihrer ersten realen<br />
Begegnung zum Erfolg. Aus Angst,<br />
Jakob zu verlieren, behauptet Jule, sie<br />
habe <strong>ein</strong>en Gehirntumor und ihr blieben<br />
nur noch <strong>ein</strong>, zwei Monate zur Erfüllung<br />
ihres größten Traums: <strong>ein</strong>e Nacht<br />
mit dem indischen Filmstar Shah Rukh<br />
Khan. Jakob reagiert und fährt mit ihr<br />
in die phantastischste aller Illusionsmaschinen:<br />
Bollywood. Dass ausgerechnet<br />
er sich erheblich besser in dem Chaos,<br />
das draußen vor ihrem Hotel in Mumbai
herrscht, zurechtfindet als die weit gere<strong>ist</strong>e<br />
Jule, <strong>ist</strong> nicht die letzte Pointe der<br />
Ereignisse …<br />
Indien für Anfänger begleitet zwei Sinnsucher,<br />
die sich im Zeitalter von Wikipedia<br />
und Google Earth auf <strong>ein</strong>e Reise in<br />
die Fremde machen und dabei, getrieben<br />
von der Sehnsucht nach dem großen,<br />
authen ti schen Gefühl, unsanft in der<br />
Wirklichkeit aufschlagen.<br />
Zuletzt hat Tim Staffel s<strong>ein</strong>en Roman<br />
Jesús und Muhammed verfilmt, der<br />
2012 unter dem Titel Westerland in die<br />
deutschen Kinos kommt. S<strong>ein</strong> zweiteiliges<br />
Hörspiel Der Jäger <strong>ist</strong> die Beute<br />
wurde im Juni 2010 im WDR urgesendet.<br />
Ebenfalls für den WDR hat er das<br />
Hörspiel Das letzte Paradies produziert,<br />
dessen Ursendung im Dezember 2011<br />
s<strong>ein</strong> wird.<br />
Die Uraufführungen von Hallo, Mr.<br />
Parkinson und Indien für Anfänger sind<br />
noch frei.<br />
Thomas Freyer<br />
Das halbe Meer<br />
3D – 5H<br />
Eine Insel im Nirgendwo des Meeres, auf<br />
halber Strecke zwischen zwei Kontinenten.<br />
Immer wieder wurde sie im Laufe<br />
der Jahrhunderte entdeckt, erobert und<br />
besiedelt, bis sie erneut in Vergessenheit<br />
geriet. Seit gut 30 Jahren lebt auf ihr nun<br />
<strong>ein</strong>e kl<strong>ein</strong>e verschworene Gem<strong>ein</strong>schaft,<br />
die sich ihr eigenes Gesetz gegeben hat:<br />
Jeder sei dem anderen gleich, alle teilen<br />
alles. Lange hat dieses Fundament gehalten,<br />
doch mittlerweile zeigt es erste<br />
Risse. Im Inneren zweifelt die jüngere<br />
Generation am strengen Regelwerk,<br />
und von außen kommen immer seltener<br />
Handelsschiffe, die die Versorgung<br />
und damit auch den Frieden sichern. Als<br />
<strong>ein</strong>es Tages <strong>ein</strong> Fremder an den Strand<br />
gespült wird, gerät das empfindliche<br />
«Was uns ausmacht,<br />
und<br />
das steht fest<br />
geschrieben, <strong>ist</strong>,<br />
dass gem<strong>ein</strong>sam<br />
wir hier leben<br />
und uns bei allem<br />
helfen. Wenn<br />
<strong>ein</strong>er das nun<br />
anders sehen will,<br />
kann er das tun.<br />
Es steht ihm zu.<br />
Doch nicht bei<br />
uns. Auf unsrer<br />
Insel.»<br />
Gleichgewicht der Gruppe endgültig aus<br />
dem Lot – <strong>ein</strong> Krieg bricht aus um Geld,<br />
Macht und Ressourcen.<br />
Thomas Freyer geht in Das halbe<br />
Meer – uraufgeführt im April 2011 am<br />
Staatsschauspiel Dresden (Regie: Tilmann<br />
Köhler) – <strong>ein</strong> hohes Risiko <strong>ein</strong>:<br />
Vom Zerbrechen <strong>ein</strong>es Ideals «erzählt<br />
er mit <strong>ein</strong>er Behäbigkeit, die vielleicht<br />
zum Tempo der Landwirtschaft, nicht<br />
aber zur Nervosität des mediengeschulten<br />
Rezipienten passt. Aber genau das<br />
verleiht dem Stück s<strong>ein</strong>en besonderen<br />
Ton, s<strong>ein</strong>e Eigenart des verknoteten,<br />
trotzigen Denkens, die durch die altmodische<br />
Rhythmik und Satzstellung<br />
<strong>ein</strong>es Versgedichts sich noch störrischer<br />
gegen modernen Zugang wehrt» (Süddeutsche<br />
Zeitung). In <strong>ein</strong>er «kraftvollen<br />
Sprache» (Nachtkritik), «packend, mit<br />
plastischen, glaubhaften Figuren, guter<br />
Dramaturgie und dichter Atmosphäre»<br />
(Dresdner Morgenpost), «maßt sich<br />
der kaum 30jährige Thomas Freyer<br />
als <strong>ein</strong>er der wenigen starken Gegenwartsautoren<br />
nach wie vor die Aus<strong>ein</strong>andersetzung<br />
mit Utopien an … In<br />
Das halbe Meer überprüft er ihre Tragfähigkeit.<br />
Mit <strong>ein</strong>em fatalen Ergebnis.<br />
Es gibt k<strong>ein</strong>e Inseln des paradiesischen<br />
Zusammenlebens … Der Mensch wird<br />
durch Versetzung an <strong>ein</strong>en unberührten<br />
Ort und in <strong>ein</strong>em verm<strong>ein</strong>tlichen<br />
Urzustand k<strong>ein</strong> anderer. Also bleibt er<br />
auch höchst verschiedenartig und widersprüchlich.<br />
So <strong>ist</strong> die Dialektik die<br />
www.rowohlt-theater.de 3
eigentliche Hoffnung des düster endenden<br />
Stücks … Eigent lich <strong>ein</strong>e schlichte<br />
Erzählung gleich mehrerer großer Themen.<br />
Ein Gleichnis vom Scheitern des<br />
Kollektivs, das sich zu bewähren hätte,<br />
wenn die Wohlstandsklammer aus<strong>ein</strong>ander<br />
bricht. Im Dresdner Staatsschauspiel<br />
sah man <strong>ein</strong>e große kollektive Le<strong>ist</strong>ung»<br />
(Theater der Zeit).<br />
Außerdem wurde im Dezember 2010<br />
am Landestheater Eisenach Thomas<br />
Freyers Neufassung von Der gestiefelte<br />
Kater frei nach den Gebrüdern Grimm<br />
uraufgeführt (Regie: Rainer Fiedler), die<br />
in der aktuellen Saison nachgespielt wird<br />
am Theater Vorpommern in Greifswald<br />
4<br />
Das halbe Meer, Staatsschauspiel Dresden<br />
(Regie: Marcus Staiger), Theater Heilbronn<br />
(Regie: Alejandro Quintana) und<br />
am Theater Osnabrück (Regie: Andrea<br />
Udl).<br />
Zurzeit schreibt Thomas Freyer an <strong>ein</strong>er<br />
Neufassung von Ibsens Hedda Gabler,<br />
die in Tilmann Köhlers Regie im Januar<br />
2012 am Staatsschauspiel Dresden Premiere<br />
haben wird.<br />
Philipp Löhle<br />
Das Ding<br />
1D – 4H<br />
Mit Das Ding tritt Philipp Löhle den unumstößlichen<br />
Beweis an: Es gibt k<strong>ein</strong>en<br />
Zufall mehr. Durch weltumspannende<br />
Interdependenzen – genannt Globalisierung<br />
– <strong>ist</strong> alles mit allem verknüpft.<br />
Wenn sich der Afrikaner Siwa nachhaltige<br />
Methoden des Baumwollanbaus<br />
aufschwatzen lässt, verhilft das zwei<br />
jungen Chinesen zu ihrem ersten StartupErfolg.<br />
Wenn deren Handel mit Sojabohnen<br />
ins Stocken gerät, wirkt sich das<br />
auf die rumänische Schw<strong>ein</strong>ezucht aus,<br />
was wiederum direkte Folgen für<br />
die Ehe von Katrin und Thomas<br />
hat. Katrins Eskapaden vor der<br />
Webcam sind nicht nur Grund der<br />
Beziehungskrise, sondern münden<br />
auch in <strong>ein</strong>en überraschend internationalen<br />
Show down. Und das titelgebende<br />
Ding – <strong>ein</strong>e Baumwollfaser<br />
– re<strong>ist</strong> derweil <strong>ein</strong>mal um die<br />
Welt und schaut verwundert auf<br />
das Treiben der Menschen.<br />
In <strong>ein</strong>er Zeit, in der alles mit<br />
allem zusammenhängt und alle<br />
Geschehnisse potentiell erklärbar<br />
sind, werden die Figuren umso<br />
mehr von ihrer Sehnsucht nach<br />
dem Unerklärlichen, dem magischen<br />
Moment, der großen Liebe<br />
und vielleicht sogar nach dem Gefühl<br />
von Heimat getrieben – und
«Und <strong>ein</strong> Ding, das<br />
etwas wert <strong>ist</strong>, das<br />
<strong>ist</strong> nicht zu Ende.<br />
Niemals.»<br />
verstricken sich dabei hoffnungslos in<br />
das weltumspannende Netz kausaler<br />
Zusammenhänge.<br />
Die Uraufführung von Das Ding, <strong>ein</strong>e<br />
Koproduktion des Deutschen Schauspielhauses<br />
Hamburg und der Ruhrfestspiele<br />
Recklinghausen, war im Mai<br />
2011 in Recklinghausen (Regie: Jan Philipp<br />
Gloger). Im November 2011 folgt<br />
die Inszenierung am Deutschen Theater<br />
Berlin (Regie: Daniela Löffner). «Wer<br />
sich nach <strong>ein</strong>er intelligenten, zeitgemäßen,<br />
kritischen Komödie sehnt: Hier <strong>ist</strong><br />
sie.» (Frankfurter Rundschau) «Das<br />
Ding schwingt sich zur gewaltigen,<br />
poeti schen und nebenbei auch komischen<br />
Weltmetapher auf, in der Leitmotive<br />
wie KoiKarpfen, P<strong>ist</strong>olen, Schwei<br />
supernova (wie gold entsteht), Nationaltheater Mannheim<br />
nefleisch vertikal und horizontal durch<br />
Raum und Zeit reisen.» (Nachtkritik)<br />
«Es <strong>ist</strong> die anrührende Lebensgeschichte<br />
<strong>ein</strong>er Baumwollfluse. Und so kindlich<br />
und <strong>ein</strong>fühlsam sie Löhle auch erzählt,<br />
sie <strong>ist</strong> mehr als der Abenteuerroman<br />
<strong>ein</strong>er FußballtrikotFaser.<br />
Sie <strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e Globalisierungsparabel:<br />
Das Ding als Teil <strong>ein</strong>es<br />
Ganzen, die Welt als Dorf.»<br />
(Süddeutsche Zeitung)<br />
Philipp Löhles supernova (wie<br />
gold entsteht), abgedruckt in<br />
Theater heute 03 / 2011, wurde<br />
im Januar 2011 am Nationaltheater<br />
Mannheim uraufgeführt<br />
(Regie: Cilli Drexel). Die<br />
nächsten Inszenierungen sind<br />
im April 2012 am Theater BadenBaden<br />
(Regie: André Rößler) und im Juni<br />
2012 am Schauspiel Essen (Regie: Katja<br />
Blaszkiewitz). «Der Abend beginnt im<br />
Dunkel mit der Ouver türe zu Wagners<br />
Rh<strong>ein</strong>gold und dem Auftritt von drei Typen<br />
mit CowboyHüten. Damit <strong>ist</strong> <strong>ein</strong><br />
Kontext eröffnet, in dem Friedrich von<br />
Anfang an weniger antreibender Protagon<strong>ist</strong><br />
als vielmehr nur Rädchen in <strong>ein</strong>er<br />
Gesamtmaschinerie <strong>ist</strong>, was sich zu<br />
Stück und Thema hervorragend fügt.»<br />
(Theater heute)<br />
In der aktuellen Spielzeit <strong>ist</strong> Philipp<br />
Löhle Hausautor am National theater<br />
Mannheim. Außerdem schreibt er zurzeit<br />
für das Theater Bonn an <strong>ein</strong>em<br />
Auftragswerk mit dem Arbeits titel Der<br />
Wind macht das Fähnchen, dessen Uraufführung<br />
im Januar 2012 s<strong>ein</strong> wird<br />
(Regie: Dominic Friedel).<br />
www.rowohlt-theater.de 5
Oliver Kluck<br />
6<br />
Die Froschfotzenlederfabrik<br />
Besetzung variabel<br />
Feuer mit mir, Theater Chemnitz<br />
In Die Froschfotzenlederfabrik verlaufen<br />
die Fronten der Verteilungskämpfe<br />
kreuz und quer durch das bunte Figurenpersonal:<br />
Jung gegen Alt, Stadt<br />
gegen Land, Angestellte gegen Arbeitgeber,<br />
privat versichert gegen gesetzliche<br />
Krankenkasse, jeder gegen jeden,<br />
und immer gibt es zu wenig Geld für<br />
scheiß Jobs. Einige der <strong>ein</strong>drücklichsten<br />
Figuren in diesem wortgewaltigen Reigen:<br />
der Fabrikant, Hersteller von Spezialbekleidung<br />
für Neofasch<strong>ist</strong>en, der<br />
s<strong>ein</strong>e Frau längst zugunsten der Frau<br />
Min<strong>ist</strong>er für Divergenzfragen verlassen<br />
hat, die beiden Töchter des Fabrikanten,<br />
die Söhne werden sollten, deren Mutter,<br />
die gewohnheitsmäßigen Getränkemissbrauch<br />
betreibt, sowie ihr erstaunlich<br />
schlecht bezahlter Krankenhausarzt, der<br />
mindestens <strong>ein</strong>e Tochter s<strong>ein</strong>er Patientin<br />
gänzlich unprofessionell in Doktor spiele<br />
verwickelt. Die Beschreibung des Verfalls<br />
<strong>ein</strong>er Familie weitet sich schnell zu<br />
«Schluss jetzt, wir wollten nicht mehr über Politik sprechen,<br />
die Politik interessiert uns schon lange nicht mehr, damit<br />
möchten wir nichts zu tun haben»<br />
<strong>ein</strong>em breiten gesellschaftlichen Panorama,<br />
vor dessen Hintergrund bürgerliche<br />
Selbstgefälligkeit und die Sch<strong>ein</strong>heiligkeit<br />
von Debatten zum Lebenszweck der<br />
Erwerbsarbeit entlarvt werden.<br />
«Wie gewohnt sind Klucks Figuren<br />
eher skizzenhaft angelegt, eröffnen jedoch<br />
in ihrer Unfertigkeit auch <strong>ein</strong>e<br />
Vielzahl spielerischer Möglichkeiten.<br />
Diese Textfläche erforscht mit scharfem<br />
Blick den Text der Fläche, verödete<br />
(deutsche) Steppen und Regionen, die<br />
stets auch als Seelenlandschaften ersch<strong>ein</strong>en.»<br />
(Florian Hirsch im Jahrbuch<br />
2011 von Theater heute)<br />
Die Uraufführung von Die Froschfotzen<br />
leder fabrik <strong>ist</strong> im Dezember 2011<br />
am Burgtheater (Kasino) Wien (Regie:<br />
Anna Bergmann). Die Schweizer Erstaufführung<br />
folgt im Februar 2012 am<br />
Theater Bern (Regie: Erich Sidler).<br />
Leben und Erben<br />
Besetzung variabel<br />
Die Neugestaltung des Stadtraumes<br />
<strong>ist</strong> nicht aufzuhalten. Und wer wollte<br />
das auch? Bestimmt nicht der Kaufinteressent,<br />
der auf der Flucht vor dem<br />
nachbarschaftlichen Terror <strong>ein</strong>e ruhige<br />
Wohnung sucht. Auch nicht der Besitzer,<br />
der endlich die Hausbesetzer loswerden<br />
will, die ihrerseits vor allem Anregungen<br />
für den Einsatz von Sprühfarbe und<br />
Feuerlöscher im öffentlichen Raum be
eithalten. Dummerweise hat sich die<br />
Tochter des Hausbesitzers, womöglich<br />
aus <strong>ein</strong>er Konfusion heraus, nun im<br />
Haus der Besetzer <strong>ein</strong>gerichtet. Die Besetzer<br />
selber geben sich mit <strong>ein</strong>er Vielzahl<br />
von besten und allerbesten Ideen<br />
<strong>ein</strong>erseits kampfbereit, andererseits bestimmen<br />
ausschließlich sie, wie genau<br />
<strong>ein</strong>e richtige und anständige Revo lution<br />
auszusehen hat. Kurzum: Die gerade<br />
überwunden geglaubten Muster und<br />
Korrektheiten etablieren sich neu.<br />
«Selbstverständlich habe ich k<strong>ein</strong>en<br />
Text für oder gegen die sogenannte<br />
Gentrifizierung geschrieben,<br />
und auch<br />
habe ich nur am Rande<br />
<strong>ein</strong>ige Worte zum<br />
Faschismus verfasst,<br />
den ich längst als Teil<br />
unserer kulturellen<br />
Identität anerkannt<br />
habe. Vielmehr habe<br />
ich den Versuch unternommen,<br />
die viel<br />
zitierte neue Ehrlichkeit<br />
/ Transparenz, das aufrichtige Verhalten<br />
im aufrichtigen Gespräch auf<br />
s<strong>ein</strong>e tatsächlich vorhandene Aufrichtigkeit<br />
hin zu überprüfen. Insbesondere<br />
habe ich mir erlaubt, den Begriff ‹Inszenierung›<br />
<strong>ein</strong>er kritischen Betrachtung<br />
auszusetzen.» (Oliver Kluck)<br />
Leben und Erben entstand als Auftragswerk<br />
für das Deutsche Schauspielhaus<br />
Hamburg, wo im Januar 2012 die Uraufführung<br />
s<strong>ein</strong> wird (Regie: Dominique<br />
Schnizer).<br />
Oliver Kluck wird in der aktuellen Spielzeit<br />
in Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus<br />
Graz <strong>ein</strong>e Serie von Veranstaltungen<br />
erarbeiten, an deren Ende im Mai<br />
2012 <strong>ein</strong> neues abendfüllendes Stück ur<br />
aufgeführt wird ( Regie: Chr<strong>ist</strong>ina<br />
Rast). Außerdem steht als Ergebnis<br />
der Zusammenarbeit mit<br />
dem Natio nal thea ter Weimar in<br />
der vergangenen Spielzeit dort im<br />
Mai 2012 <strong>ein</strong>e KluckUraufführung<br />
auf dem Programm (Regie:<br />
Daniela Kranz). Im November<br />
2011 <strong>ist</strong> die Uraufführung von<br />
Über die Möglichkeiten der Punkbewegung<br />
am Volkstheater Rostock<br />
(Regie: Sonja Hilberger).<br />
Warteraum Zukunft und Das<br />
Prinzip Meese werden in der Spielzeit<br />
2011 / 12 weiterhin nachgespielt: Das<br />
Prinzip Meese am Theater Bielefeld<br />
(September 2011, Regie: Babett Grube),<br />
Warteraum Zukunft am Gostner Hoftheater<br />
(September 2011, Regie: Stefan<br />
Hoffstadt), Theater Luzern (Schweizer<br />
Erstaufführung, Januar 2012, Regie:<br />
Ivna Zic) und am Teatre Tantarantana,<br />
Barcelona (November 2011, Regie:<br />
Frithwin WagnerLippok). Zudem werden<br />
Klucks Stücke derzeit ins Spanische,<br />
Tschechische und Polnische übersetzt.<br />
2011 wurde Oliver Kluck mit dem BDI<br />
Dramatikerpreis ausgezeichnet; damit<br />
verbunden <strong>ist</strong> die Uraufführung <strong>ein</strong>es<br />
neuen Stücks, die am Schauspiel Frankfurt<br />
voraussichtlich in der Spielzeit<br />
2012 / 13 s<strong>ein</strong> wird.<br />
Jörg Albrecht<br />
Die blauen Augen von<br />
Terence Hill<br />
1D – 3H<br />
«Du b<strong>ist</strong> so all<strong>ein</strong><br />
als Selbständiger.<br />
Letzte Woche hab ich<br />
mich selbst sexuell<br />
belästigt.»<br />
Spätrömische Dekadenz droht <strong>ein</strong> Loch<br />
in die bürgerliche Mitte des Sozialstaates<br />
zu fressen. Das Ruder herumreißen kann<br />
da nur noch <strong>ein</strong> SpaghettiWestern, und<br />
so drehen dessen Superstars von <strong>ein</strong>st,<br />
Bud Spencer und Terence Hill, in den<br />
PappmachéKulissen <strong>ein</strong>es Freizeitparks<br />
für Arbeitslose noch <strong>ein</strong>mal <strong>ein</strong>en neuen<br />
Film – Arbeitstitel: «Hartzen für <strong>ein</strong><br />
Halleluja». Und wie in den 1970er Jahren,<br />
als sich Gut und Böse<br />
noch klar trennen ließen,<br />
gilt für den Plot das Motto:<br />
prügeln, saufen, Bohnen<br />
fressen! Schlagfertig<br />
machen sich Spencer und<br />
Hill daran, großen Schurken<br />
und fiesen Bürokraten<br />
das Handwerk zu legen.<br />
«Dem Standard von sozialverträglicher<br />
Unterversorgung und<br />
Überproduktion setzen sie den Entwurf<br />
www.rowohlt-theater.de 7
<strong>ein</strong>er ganz anderen Welt entgegen. Kann<br />
man das überhaupt: nicht arbeiten, sich<br />
selbst aushalten, ohne Mehrwert? Unsere<br />
H4 World <strong>ist</strong> offen für solidarische<br />
Tricksereien und nachhaltige Verschwendung,<br />
für arkadisches Nichtstun<br />
und <strong>ein</strong>e rastlos flexible Sozia li tät. Bud<br />
Spencers wirbelnde Fäuste machen es<br />
vor. In <strong>ein</strong>er Zeit, in der nur die verschwenden<br />
dürfen, die schon immer zu<br />
viel hatten, werfen Spencer und Hill virtuos<br />
alles über den Haufen. Aber sind<br />
die WesternHelden noch dagegen, oder<br />
<strong>ist</strong> ihr parasitäres Joint Venture von Superarm<br />
und Superreich bloß <strong>ein</strong>e weitere<br />
Säule der neoliberalflexiblen Wirtschaftsordnung?»<br />
(copy & waste)<br />
Dem Irrsinn des TurboKapitalismus<br />
begegnet Jörg Albrecht mit <strong>ein</strong>er überbordenden<br />
TurboKomödie, in der vier<br />
Himmelhunde, falsch: Schauspieler, auf<br />
dem Weg zur Hölle sind.<br />
Die blauen Augen von Terence Hill <strong>ist</strong><br />
das jüngste Projekt der Theatergruppe<br />
copy & waste, deren Texte Jörg Albrecht<br />
schreibt. Uraufgeführt wurde es – nach<br />
<strong>ein</strong>er ersten Voraufführungsserie beim<br />
steirischen herbst – im Oktober 2011<br />
am Hebbel am Ufer / HAU, Berlin, in Koproduktion<br />
mit dem Theaterhaus Jena<br />
und uniT, Graz (Regie: Steffen Klewar).<br />
Über copy & wastes letztes Stück Barbarellastrip,<br />
dessen Uraufführung im März<br />
2011 am Maxim Gorki Theater Berlin<br />
im Rahmen des Festivals Reality Kills<br />
war, schrieb der Tagesspiegel: «Es gibt<br />
Momente im Theater, in denen wächst<br />
die Bühnenkunst über sich hinaus – und<br />
8<br />
«Ich sags mal lieber gleich. Das <strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e echte<br />
Hollywood-Identifikations-Story. In Farbe und mit Tränen. Gibts<br />
bis hierher schon Fragen?»<br />
nimmt wahrhaft prophetische Züge an.<br />
Da <strong>ist</strong> zum Beispiel diese junge, hoffnungsvolle<br />
Performancetruppe: copy<br />
& waste – <strong>ein</strong>e schöne Verfremdung<br />
der beliebten Computerfunktion ‹copy<br />
& paste›, mit der sich mühelos fremdes<br />
Gedankengut in eigene Dokumente<br />
transferieren lässt … copy & waste<br />
legen Persönlichkeiten des Zeitge<strong>ist</strong>s<br />
gleichsam so lange auf den Kopierer,<br />
bis <strong>ein</strong> heilloses Identitätskauderwelsch<br />
zwischen Original und Kopie herrscht.»<br />
Oliver Schmaering<br />
Trailer für die nahe Zukunft<br />
3D<br />
Drei Frauen auf der Suche nach ihrer<br />
Zukunft. Vom Jetzt und Hier in die<br />
große weite Welt, Hauptsache raus aus<br />
Kaffstadt – und warum nicht auch bis<br />
nach Hollywood? Filmstar werden, die<br />
Träume aus dem eigenen engen Kopf auf<br />
die Großbildl<strong>ein</strong>wände der ganzen Welt<br />
werfen. Das Ich erweitern über alle Grenzen<br />
menschlicher Vorstellungskraft hinaus.<br />
Nur in den Träumen selbst liegt die<br />
Erfüllung unserer Träume! Drei Frauen<br />
aus <strong>ein</strong>em Ort im Dornröschenschlaf, <strong>ein</strong>em<br />
Ort, der jede kl<strong>ein</strong>e, mittlere oder<br />
größere Stadt der Welt s<strong>ein</strong> könnte. Ein<br />
Ort, in dem k<strong>ein</strong> Mensch s<strong>ein</strong>e Zukunft<br />
sieht. Kaffstadt <strong>ist</strong> überall. Drei Frauen<br />
mit großen Träumen und ungebändigter<br />
Lebenslust, zwischen Ausbruchsphantasien<br />
und Realitätsangst, die Rosenhecke<br />
im Kopf und die Zukunft <strong>ein</strong> unbeschriebenes<br />
Blatt.<br />
Trailer für die nahe Zukunft zeichnet in<br />
poetischen Bildern und <strong>ein</strong>er hoch energetischen<br />
Sprache drei Figuren zwischen<br />
Verzweiflung und Sucht nach Leben.<br />
Konkret verortet und universell deutbar<br />
begegnen wir Menschen, die all ihre
Trailer für die nahe Zukunft, Theater Plauen Zwickau<br />
Sehnsüchte nach <strong>ein</strong>em realen, erfüllten<br />
Leben auf die absolute Fiktion projizieren:<br />
Die Traumfabrik Hollywood <strong>ist</strong><br />
für uns längst zum realsten Ort der Welt<br />
geworden.<br />
Trailer für die nahe Zukunft entstand als<br />
Auftragswerk für das Theater Plauen<br />
Zwickau, wo im April 2011 die Uraufführung<br />
war (Regie: Mari Bues). «Oliver<br />
Schmaering hat <strong>ein</strong>en in 30 Abschnitte<br />
unterteilten Text geschrieben, der mal<br />
solo, mal zu zweit, mal chorisch gesprochen<br />
werden kann. Mit Zwischentiteln,<br />
die auf Monitoren <strong>ein</strong>geblendet werden,<br />
kommt der starke Text mal ironisch, mal<br />
melancholisch, auch mal im Märchen<br />
oder SoapTon daher.» (Die Deutsche<br />
Bühne)<br />
Drei10 Outtakes<br />
Ein Tag schlägt zurück<br />
Besetzung variabel, mind. 1H<br />
Ein Superheld blickt auf s<strong>ein</strong> Leben zurück.<br />
Eine Reihe von Schicksalsschlägen<br />
deutet schon seit s<strong>ein</strong>er frühesten<br />
Jugend darauf hin, dass er entweder der<br />
abergläubischste Paranoiker aller Zeiten<br />
oder zum größten Kämpfer gegen<br />
das Unglück ausersehen <strong>ist</strong>. Nachdem<br />
er alles verloren hat, <strong>ist</strong> der Schritt zum<br />
Einzelkämpfer, in den Untergrund, ins<br />
Exil nur die logische Schlussfolgerung.<br />
S<strong>ein</strong>e Mission <strong>ist</strong> klar: Das Unheil, das<br />
an <strong>ein</strong>em Freitag, dem 13., passiert,<br />
muss verhindert werden. Ganz auf sich<br />
gestellt, wie es sich für <strong>ein</strong>en Retter der<br />
Menschheit gehört, ersch<strong>ein</strong>t allerdings<br />
die Frage nach der eigenen Identität<br />
unausweichlich. Und je mehr der Blick<br />
ins innere Selbst gerichtet wird, desto<br />
geringer werden dummerweise die Gewissheiten<br />
und desto größer die Angst<br />
vor allem, was da draußen <strong>ist</strong>. Aber<br />
von der Suche nach dem Schauspieler<br />
Larry Miller, der auf mysteriöse Weise<br />
verschwand, wird ihn trotzdem nichts<br />
abhalten.<br />
Als wäre <strong>ein</strong> Superheld in <strong>ein</strong>en Film noir<br />
gestolpert, wird in Drei10 Outtakes <strong>ein</strong><br />
Kämpfer für das unbedingt Gute zum<br />
großen Melancholiker, der das Dunkle<br />
in sich entdeckt.<br />
«Wo ich gestern war.<br />
K<strong>ein</strong>e Ahnung. M<strong>ein</strong><br />
Name. Schwierig.<br />
Adresse. Vergessen.<br />
Verheiratet. Ich weiß<br />
es nicht.»<br />
Die Uraufführung von Drei10 Outtakes<br />
<strong>ist</strong> im Dezember 2011 am Ballhaus Ost,<br />
Berlin (Regie: Eike Hannemann). Mit<br />
den Stücken The Making of Der Untergang<br />
der Ver<strong>ein</strong>igten Staaten von Amerika,<br />
Trailer für die nahe Zukunft und<br />
Drei10 Outtakes hat Oliver Schmaering<br />
<strong>ein</strong>en AmerikaZyklus geschrieben, der<br />
mit dem nächsten Stück King Kong Bonus<br />
Features abgeschlossen s<strong>ein</strong> wird.<br />
www.rowohlt-theater.de 9
Thomas Arzt<br />
10<br />
Grillenparz<br />
3D – 3H<br />
Am Grillenparz, dem Hügel, der direkt<br />
an die Stadt grenzt, versammelt sich<br />
jährlich die Belegschaft der ortsansässigen<br />
Firma – zu <strong>ein</strong>em archaischen<br />
Spiel? Zu <strong>ein</strong>em nächtlichen Ritual?<br />
Zu <strong>ein</strong>er besoffenen Sauerei? Jedenfalls<br />
geht es derb zu bei dem Versuch, an<br />
den Busen der Natur zurückzukehren<br />
bzw. der eigenen Natur freien Lauf zu<br />
lassen. Vorab muss noch das jährliche<br />
Betriebsfest, <strong>ein</strong>e anheimelnde Kulisse<br />
für die Investorenträume der aus dem<br />
Ausland angere<strong>ist</strong>en Geschäftspartner,<br />
absolviert werden. Doch vor allem treibt<br />
die Sommerfestgesellschaft der Wiederholung<br />
ihres eigenen Verbrechens zu.<br />
Was eigentlich genau vor <strong>ein</strong>em Jahr<br />
geschah, verschwimmt mit dem diesjährigen<br />
Rausch zu <strong>ein</strong>em undurchschaubaren<br />
Reigen und <strong>ist</strong> dennoch so real,<br />
dass niemand darüber reden will. Zu<br />
alldem singt der Chor der Grillen von<br />
Heimat und anderen ewigen Dingen des<br />
Lebens, von viel Gewalt und tröstlicherweise<br />
auch von Vergebung.<br />
Die Uraufführung von Grillenparz, abgedruckt<br />
in Theater heute 06 / 2011, war<br />
im April 2011 am Schauspielhaus Wien<br />
(Regie: Nora Schlocker), wo Thomas<br />
Arzt in der letzten Spielzeit Hausautor<br />
war. Eine Inszenierung in Prag folgte<br />
im Mai 2011 am Divadlo Leti (Regie:<br />
Martina Schlegelová). «Grillenparz <strong>ist</strong><br />
<strong>ein</strong> Stück über Heimat, aber nicht als<br />
Volksstück, auch wenn der ‹Chor der<br />
Grillen› immer wieder sehr volkstümlich<br />
wirkt – <strong>ein</strong> bemerkenswertes<br />
Stück.» (Süddeutsche Zeitung) «Arzt<br />
verwendet Firmenklischees und roman<br />
Grillenparz, Schauspielhaus Wien<br />
«Tatort <strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e voralpine Binnenwelt. Zwischen<br />
Zivilstadt und Wildland. Zwischen Geldmensch<br />
und Geiltier. Zwischen Schweißbadetag<br />
und Spätsommernacht. Bestimmt in <strong>ein</strong>er<br />
Binnensprache. Nicht mehr Volksmaul, noch<br />
nicht Staatsnorm. Nicht mehr Rohschnitt, noch<br />
nicht Figurenfleisch. Nicht mehr Naturgesetz,<br />
noch nicht Moral.» (Thomas Arzt)<br />
tische Archaik für <strong>ein</strong>e poetische Krimi<br />
Sozialstudie. Kaum je zuvor hat sich<br />
angewandte Brutalität so zwingend auf<br />
die Bühne verirrt.» (Nachtkritik)<br />
In der aktuellen Kritikerumfrage von<br />
Theater heute wurde Thomas Arzt für<br />
Grillenparz an zweiter Stelle als Nachwuchsautor<br />
des Jahres genannt. Außerdem<br />
erhielt er das ThomasBernhardStipendium<br />
2011 des Landestheaters Linz.<br />
Im Rahmen des Stipendiums schreibt er<br />
in enger Zusammenarbeit mit dem Landestheater<br />
an s<strong>ein</strong>em neuen Stück.
Mülheimer Dramatikerpreis 2011<br />
«Beste deutschsprachige Dramatikerin des Jahres 2011»<br />
Kritikerumfrage von Theater heute<br />
«Da muß jetzt etwas zerfallen s<strong>ein</strong>,<br />
glaube ich, in sich und mit uns<br />
hoffnungslos zerfallen, geflohen<br />
<strong>ein</strong> flinkes Elektron vom Kern, das<br />
vorher aber gar nicht da war, erst<br />
im Zerfall entstanden.»<br />
Elfriede Jelinek<br />
K<strong>ein</strong> Licht.<br />
Besetzung variabel,<br />
mind. 2 Darsteller/innen<br />
Das Wasser <strong>ist</strong> an Land gekommen,<br />
<strong>ein</strong>e gewaltige Flutwelle hat alles mit<br />
sich fortgerissen. Energie wurde geraubt:<br />
Eine Anlage <strong>ist</strong> ausgefallen oder<br />
hat sich automatisch abgeschaltet. Nur<br />
noch ohrenbetäubende Stille erfüllt die<br />
Luft, <strong>ein</strong> Lärm, der die Welt lautlos unter<br />
sich begräbt, jedes Gehör taub macht,<br />
<strong>ein</strong>em kollektiven Tinnitus gleich. Etwas<br />
hat sich grundlegend verändert – aber<br />
was? Etwas, das der Mensch erschuf, hat<br />
sich unumkehrbar gegen ihn gewandt,<br />
und das Licht, das früher auf ihn schien,<br />
muss er nun selbst abstrahlen, bläulich<br />
leuchtend aus den Knochen s<strong>ein</strong>es<br />
Körpers …<br />
Zwei Musiker (erste und zweite Geige),<br />
die wie die Band auf der Titanic weiterspielen,<br />
während das Schiff im Meer<br />
versinkt, versuchen in Elfriede Jelineks<br />
neuem Stück das Unfassbare zu fassen.<br />
Ohne dass die Worte Fukushima oder<br />
Atomkraft fallen, <strong>ist</strong> K<strong>ein</strong> Licht. <strong>ein</strong><br />
Ge<strong>ist</strong>erszenario nach dem SuperGAU,<br />
<strong>ein</strong> Becketthaftes Endspiel, das abrechnet<br />
mit unserem bedingungslosen Glauben<br />
an die Beherrschbarkeit der Technik<br />
und in dem die Schreie der totgeschwiegenen<br />
Opfer gespenstisch widerhallen.<br />
K<strong>ein</strong> Licht. entstand auf Anregung des<br />
Schauspiels Köln, wo im September<br />
2011 in der Regie von Karin Beier die<br />
Uraufführung war.<br />
FaustIn and out<br />
Besetzung variabel<br />
Wie Abraumhalde zu Lessings Nathan<br />
der Weise <strong>ist</strong> FaustIn and out <strong>ein</strong> «Sekundärdrama»<br />
zu Goethes Urfaust, das<br />
nur in Verbindung mit dem Klassiker gespielt<br />
werden soll. Die Gretchentragödie<br />
wird darin von Jelinek <strong>ein</strong>em radikalen<br />
Perspektivwechsel unterzogen und u. a.<br />
zusammengedacht mit dem Fall Josef<br />
www.rowohlt-theater.de 11
Fritzls, der s<strong>ein</strong>e Tochter jahrelang in<br />
<strong>ein</strong>en Keller sperrte und mehrere Kinder<br />
mit ihr zeugte. «Das fromme, gefallene<br />
Mädchen Margarete, die ihr Kind umgebracht<br />
hat, die verführt und verlassen<br />
wurde und an ihrem Ende all<strong>ein</strong> im Kerker<br />
ihre Hinrichtung erwartet – diese<br />
Geschichte tritt zurück hinter dem apokalyptischen<br />
Bild <strong>ein</strong>er Lebensgem<strong>ein</strong>schaft,<br />
in der Vater, Mann, Schöpfer und<br />
Gott zu <strong>ein</strong>em ‹Allerhalter, Allumfasser›<br />
verschmelzen … FaustIn and out erhebt<br />
s<strong>ein</strong>e Stimme aus dem Untergrund,<br />
bleibt aber lieber im Keller, als sich von<br />
<strong>ein</strong>em H<strong>ein</strong>rich mitnehmen zu lassen. Es<br />
will sowohl gehört als auch übergangen<br />
werden, will anwesend und abwesend<br />
zugleich s<strong>ein</strong>. Ein Stück gewordenes<br />
Frauenschicksal.» (Roland Koberg im<br />
Jahrbuch 2011 von Theater heute) «Jelineks<br />
‹Sekundärdrama› macht den Urfaust<br />
als Tragödie der konsum<strong>ist</strong>ischen<br />
Gewalt an der Frau wieder sichtbar und<br />
<strong>ist</strong> selbst <strong>ein</strong>e Tragödie der Gewalt in<br />
unserer Zeit, deren Fausts die sex und<br />
geldgierigen Männer und deren Meph<strong>ist</strong>os<br />
die Verkörperung <strong>ein</strong>er skrupellosen<br />
‹Le<strong>ist</strong>ungs› und Konsumideologie, narzisstischer<br />
Verkrüppelungen und psychischen<br />
Mangels sind.» (Bärbel Lücke)<br />
12<br />
Winterreise, Münchner Kammerspiele<br />
Die Uraufführung von FaustIn and out<br />
<strong>ist</strong> im März 2012 als Teil von Goethes<br />
Faust I & II am Schauspielhaus Zürich<br />
(Regie: Dušan David Parizek).<br />
Ebenfalls im März 2012 zeigt das Theater<br />
Heidelberg in der Regie von An drea<br />
Schwalbach die Uraufführung von Jelineks<br />
gem<strong>ein</strong>sam mit Irene Dische geschriebenem<br />
Libretto Der tausendjährige<br />
Posten oder Der German<strong>ist</strong>, basierend auf<br />
Franz Schuberts Opern Der vierjährige<br />
Posten und Die Zwillingsbrüder.<br />
Außerdem hat im November 2011 Jelineks<br />
in Zusammenarbeit mit Karin<br />
Rausch entstandene Neufassung von<br />
Oscar Wildes Komödie Der ideale Mann<br />
(An Ideal Husband) Erstaufführung am<br />
Burgtheater (Akademietheater) Wien<br />
(Regie: Barbara Frey), siehe S. 36.<br />
Jelineks Winterreise, im Februar 2011<br />
in der Regie von Johan Simons an den<br />
Münchner Kammerspielen uraufgeführt<br />
und ausgezeichnet mit dem Mülheimer<br />
Dramatikerpreis 2011, wurde bzw.<br />
wird bisher nachgespielt am Badischen<br />
Staatstheater Karlsruhe (Regie: Michael<br />
Simon; ab Februar 2012 <strong>ist</strong> die Inszenierung<br />
am Theater Ingolstadt zu sehen),<br />
am Deutschen Theater Berlin (Regie: Andreas<br />
Kriegenburg), Schauspiel Frankfurt<br />
(Regie: Bettina Brui nier), Theater<br />
Oberhausen (Regie: Peter Carp), Theater<br />
Freiburg (Regie: Joachim Schloemer),<br />
Staatstheater Mainz (Regie: Jan Phi lipp<br />
Gloger), an den Städtischen Bühnen<br />
Münster (Regie: Alexander Schilling),<br />
am Deutschen National thea ter Weimar<br />
(Regie: Claudia Meyer), Staatstheater<br />
Kassel (Regie: Volker Schmalöer), Burgtheater<br />
(Akademietheater) Wien (Österreichische<br />
Erstaufführung, Regie: Stefan<br />
Bachmann), Staatstheater Stuttgart (Regie:<br />
Nora Schlocker) und am Theater<br />
St. Gallen (Schweizer Erstaufführung,<br />
Regie: Peter Ries).<br />
In der Kritikerumfrage 2011 von<br />
Thea ter heute wurde Winterreise – zusammen<br />
mit Verrücktes Blut von Nurkan<br />
Erpulat und Jens Hillje – zum besten<br />
deutschsprachigen Stück des Jahres gewählt<br />
und Karin Beiers Aufführung von<br />
Jelineks Das Werk / Im Bus / Ein Sturz<br />
(Schauspiel Köln) zur besten Inszenierung.<br />
Rechnitz (Der Würgeengel) erhielt in<br />
Hermann SchmidtRahmers Inszenierung<br />
am Düsseldorfer Schauspielhaus<br />
den Publikumspreis beim NRW Thea
mir fehlt <strong>ein</strong> Schicksal.»<br />
«Seit ich hier sitze, habe ich das Gefühl,<br />
Eine Stille für Frau Schirakesch, Theater Freiburg / Theater Osnabrück<br />
tertreffen 2011; im März 2012 hat das<br />
Stück Premiere am Schauspielhaus Graz<br />
(Österreichische Erstaufführung, Regie:<br />
Michael Simon) und am Theater Chemnitz<br />
(Regie: Enrico Lübbe).<br />
Zu den weiteren JelinekInszenierungen<br />
2011 / 12 gehören u. a. In den Alpen<br />
am Landestheater Linz (Regie: Chr<strong>ist</strong>ian<br />
Wittmann), Ulrike Maria Stuart<br />
am Schauspiel Essen (Regie: Hermann<br />
SchmidtRahmer) sowie Die Kontrakte<br />
des Kaufmanns an den Wuppertaler<br />
Bühnen (Regie: Chr<strong>ist</strong>ian von Treskow)<br />
und am Stockholmer Dramaten (Schwedische<br />
Erstaufführung, Regie: Mellika<br />
Melouani Melani).<br />
Theresia Walser<br />
Eine Stille für Frau<br />
Schirakesch<br />
4D – 2H<br />
In genau 77 Minuten soll auf dem Marktplatz<br />
von Tschundakar Frau Schirakesch<br />
gest<strong>ein</strong>igt werden. Zeitgleich beginnt im<br />
deutschen Fernsehen <strong>ein</strong>e Talkshow, die<br />
der grausamen Tat aus der Ferne still gedenken<br />
will. Eingeladen hat die Moderatorin<br />
Hilda Ludowsky dazu die junge<br />
Soldatin Rose, die kürzlich traumatisiert<br />
von <strong>ein</strong>em Militär<strong>ein</strong>satz zurückgekehrt<br />
<strong>ist</strong>, sowie ihren Vater Herrn Fahnenberg,<br />
der s<strong>ein</strong>em Namen alle Ehre macht. Daneben<br />
sitzen die Schönheitsköniginnen<br />
Ruth und Heidrun, die gerade mit <strong>ein</strong>er<br />
Bikiniparade in Tschundakar für Zündstoff<br />
sorgten, und Herr Gert, <strong>ein</strong> General,<br />
dessen Truppe auf dem Markt von<br />
Tschundakar immerhin <strong>ein</strong> DixieKlo<br />
aufbauen konnte, um den Frauen dort<br />
das Leben zu erleichtern. Noch bevor die<br />
Sendung losgeht, geraten die Gäste an<strong>ein</strong>ander.<br />
Schon an dem Begriff «Krieg»<br />
scheiden sich die Ge<strong>ist</strong>er, und von Stille<br />
kann in der eskalierenden Debatte um<br />
Aufklärung und Menschenrechte bald<br />
nicht mehr die Rede s<strong>ein</strong>.<br />
Mit Eine Stille für Frau Schirakesch<br />
hat Theresia Walser ihr bisher wohl<br />
politischstes Stück geschrieben: «Die<br />
gepfeffertste Satire seit langem. Denn<br />
Walser holt nicht nur weit aus, sondern<br />
trifft in ihrem virtuosen Rundumschlag<br />
auch die ganze Bandbreite des Politpalavers<br />
zwischen Arroganz und Zynismus,<br />
Verlegen und Verlogenheit, Opportunismus<br />
und Ohnmacht, Selbstdarstellungsdrang<br />
und Solidaritätsgesäusel.»<br />
(Frankfurter Allgem<strong>ein</strong>e Zeitung)<br />
«(Ihre Figuren) verlieren sich im aus<br />
Halbwissen geborenen Betroffenheitsgerede,<br />
das in sarkastischkomische<br />
Dialoge mündet und aus der westlichen<br />
Werte <strong>ein</strong>e groteske Wartegem<strong>ein</strong>schaft<br />
www.rowohlt-theater.de 13
verunsicherter Selbstdarsteller macht.»<br />
(Süddeutsche Zeitung) «Die Konflikte<br />
des Abendlandes mit dem Islam bringt<br />
Walser sehr komisch auf den Punkt …<br />
In ihrer wunderbar leichten, bissigen,<br />
bitterbösen Komödie enttarnt sie die<br />
Wortwaffen in der Kriegsdebatte der<br />
vergangenen Jahre, macht die Taktik<br />
der Teilnehmer nachvollziehbar – und<br />
zwingt den Zuschauer, die eigene Position<br />
zu hinterfragen.» (Nachtkritik)<br />
Eine Stille für Frau Schirakesch entstand<br />
als Auftragswerk für das Theater Freiburg<br />
in Kooperation mit dem Theater<br />
Osnabrück, wo im September 2011 in<br />
der Regie von Annette Pullen die Uraufführung<br />
war, bevor die Produktion im<br />
Oktober in Freiburg Premiere hatte.<br />
Das Stück war in Theater heute<br />
10 / 2011 abgedruckt.<br />
Im November 2010 wurde am Nationaltheater<br />
Mannheim Die ganze Welt<br />
uraufgeführt (Regie: Burkhard C. Kosminski),<br />
das Theresia Walser gem<strong>ein</strong>sam<br />
mit KarlH<strong>ein</strong>z Ott geschrieben hat.<br />
«Spätestens seit Kurt Tucholsky und<br />
Loriot wissen wir: Männer und Frauen<br />
passen nicht zusammen. Walser und<br />
Ott setzen noch <strong>ein</strong>s drauf: Mensch und<br />
Mensch, das kann nicht gut gehen. In<br />
Die ganze Welt finden sie <strong>ein</strong>e originelle<br />
Variante der WerhatAngstvorVirginiaWoolfKampfzonen<br />
… Wie in <strong>ein</strong>em<br />
zerbrochenen Spiegel reflektieren sich<br />
die ramponierten Lebensentwürfe: Es<br />
geht um Lebenslügen, die man niemandem<br />
nehmen soll, will man ihm nicht<br />
s<strong>ein</strong>e Hoffnung auf <strong>ein</strong> bisschen Glück<br />
rauben. Es geht also auch um Glücksvorstellungen,<br />
ums Verschweigen von<br />
14<br />
Realitäten und vom großen Crash, wenn<br />
die nackte Wahrheit nicht mehr bemäntelt<br />
werden kann.» (Nachtkritik) «Ein<br />
prachtvolles Stück Literatur voller Lebensklugheit<br />
und Witz – <strong>ein</strong>es der besten<br />
neuen Dramen der jüngeren Zeit überhaupt.»<br />
(Wiesbadener Tagblatt)<br />
Nachgespielt wird Die ganze Welt in<br />
dieser Saison am Wallgraben Theater,<br />
Freiburg (Regie: Heidi Gohde) und am<br />
Staats thea ter Cottbus (Regie: Mario<br />
Holetzeck). Außerdem hatte Walsers<br />
Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm im<br />
Oktober 2011 an den Hamburger Kammerspielen<br />
Premiere (Regie: Michael<br />
Bogdanov).<br />
Juli Zeh<br />
203<br />
6 Darsteller/innen<br />
Als Daniel Marker <strong>ein</strong>es Tages aus tiefem<br />
Schlaf erwacht, findet er sich in<br />
Raum 203 zu <strong>ein</strong>em Mann verwandelt,<br />
der Thomas heißt. Drei fremde Menschen<br />
umringen ihn und behaupten,<br />
s<strong>ein</strong>e Familie zu s<strong>ein</strong>, deren konfliktgeladene<br />
Vergangenheit sie ihm schrittweise<br />
enthüllen. Durchlebt Daniel, der erfolgsverwöhnte<br />
Banker, dem allerdings<br />
gerade <strong>ein</strong> MillionenDeal geplatzt <strong>ist</strong>,<br />
<strong>ein</strong>fach <strong>ein</strong>en Albtraum? Oder <strong>ist</strong> das,<br />
was bisher für ihn Wahrheit war, nichts<br />
als <strong>ein</strong>e Täuschung? Beklemmend real<br />
sind jedenfalls die Wärterinnen, die<br />
Raum 203 bewachen, s<strong>ein</strong>e Bewohner<br />
mit großen Spritzen gegen Krankheiten<br />
impfen und wie Mastvieh brutal<br />
zwangsernähren. Immer gründlicher<br />
wird Daniels alte Ex<strong>ist</strong>enz von <strong>ein</strong>er<br />
neuen abgelöst, was jedoch nur die Nebenwirkung<br />
<strong>ein</strong>es ganz anderen, perfiden<br />
Plans <strong>ist</strong>.<br />
203 entstand als Auftragswerk für das<br />
Düsseldorfer Schauspielhaus, wo im<br />
April 2011 die Uraufführung war (Regie:<br />
HansUlrich Becker). «Mit pointierter<br />
Schärfe und augenzwinkernder
«Erinnerungen. Zum größten Teil haben sie<br />
mit der Wirklichkeit gar nichts zu tun …<br />
Der Mensch erzählt sich s<strong>ein</strong> Leben wie <strong>ein</strong>e Geschichte,<br />
Selbstironie konstruiert Juli Zeh Dialoge<br />
und <strong>ein</strong>en Plot, die im Gewand der<br />
Groteske quer durch den Leitartikel<br />
Garten pflügen. Tierhaltung und Bio,<br />
BKA und Bankenaufsicht, Rechtsstaat<br />
und Gehirnwäsche, Freiheit kontra Sicherheit<br />
… Gewitzt und gescheit, was<br />
ja in der zeitgenössischen Dramatik<br />
selten genug der Fall <strong>ist</strong>.» (Süddeutsche<br />
Zeitung) «Ein glänzendes Enthüllungsdrama<br />
mit halb politischer, halb poetischphilosophischer<br />
Botschaft. Denn<br />
tatsächlich <strong>ist</strong> (hier) niemand unschuldig.<br />
Der Staat hat die Entsorgung von<br />
Schwerkriminellen hoch ökonomisch<br />
geregelt, indem er sie mästen lässt, um<br />
sie dann als leckeren Braten auf EU<br />
Festbanketten zu servieren … Raum<br />
203 le<strong>ist</strong>et Widerstand – nicht durch<br />
Flucht oder Revolte, sondern durch das<br />
Erzählen von Geschichten. Deren Material<br />
liefern Zeitungen, die Wärterin<br />
203, Düsseldorfer Schauspielhaus<br />
mit sich selbst als Hauptfigur.»<br />
nen oder die eigene Biographie … Das<br />
Stück <strong>ist</strong> weniger Anklage gegen <strong>ein</strong>en<br />
fasch<strong>ist</strong>ischen Überwachungs und Entsorgungsapparat<br />
als vielmehr tröstliche<br />
Aufklärung: Geschichten sind ÜberlebensMittel.<br />
Jenseits von Wahrheit oder<br />
Lüge, unter den Bedingungen von totaler<br />
Kontrolle oder totalem Ausgelieferts<strong>ein</strong><br />
geben sie, was jeder braucht: Identität.»<br />
(Deutschlandradio)<br />
Zurzeit schreibt Juli Zeh gem<strong>ein</strong>sam<br />
mit Charlotte Roos für das Staatsthea<br />
ter Braunschweig an <strong>ein</strong>em neuen<br />
Auftragswerk, dessen Uraufführung im<br />
Rahmen des Festivals Theaterformen<br />
und in Koproduktion mit dem z / k / m<br />
Zagreb im Juni 2012 s<strong>ein</strong> wird (Regie:<br />
Ivica Buljan).<br />
Zehs Stück Good Morning, Boys and<br />
Girls, im April 2010 am Düsseldorfer<br />
Schauspielhaus uraufgeführt (Regie:<br />
Stephan Rottkamp), hat in dieser Saison<br />
Premiere am Theater Ulm (Oktober<br />
2011, Regie: Katja Langenbach), an der<br />
Badischen Landesbühne Bruchsal (Januar<br />
2012, Regie: Joerg Bitterich) sowie<br />
im Herbst 2012 am Theater Heilbronn.<br />
Weiter nachgespielt wurden bzw. werden<br />
2011 / 12 auch Corpus Delicti, u. a.<br />
am Schauspiel Essen (April 2011, Regie:<br />
Florian von Hoermann), Landestheater<br />
Tübingen (April 2011, Regie:<br />
Jenke Nordalm) und am Staatstheater<br />
Braunschweig (Juni 2011, Regie: Crescentia<br />
Dünßer) sowie Der Kaktus, u. a.<br />
am Thea ter Phönix, Linz (Januar 2011,<br />
Regie: Esther Muschol), Innsbrucker<br />
Kellertheater (Januar 2011,<br />
Regie: Alexander Kratzer),<br />
Theater Freiberg / Döbeln<br />
(Februar 2011, Regie: Andreas<br />
Pannach), an der Studiobühne<br />
Bayreuth (März<br />
2011, Regie: Birgit Franz),<br />
am Wiener Theater Drachengasse<br />
(März 2011, Regie:<br />
Chr<strong>ist</strong>ine Wipplinger)<br />
und am Thea ter Erlangen<br />
(Mai 2011, Regie: Johannes<br />
Wenzel).<br />
www.rowohlt-theater.de 15
Ulrike Syha<br />
16<br />
Radikale<br />
Besetzung variabel<br />
Die Stimmung <strong>ist</strong> katastrophisch: Euro<br />
Krise, Stuttgart 21, Krieg in Afghan<strong>ist</strong>an,<br />
Streiks im Nahverkehr – globale<br />
Erschütterungen hallen auf lokaler<br />
Ebene wider, Privates und Politisches<br />
vermischen sich, bis Unterschiede kaum<br />
mehr auszumachen sind. Das Resultat<br />
<strong>ist</strong> <strong>ein</strong> diffuses kollektives Unbehagen,<br />
<strong>ein</strong>e leicht entflammbare Gemengelage,<br />
die in Ulrike Syhas neuem Stück wie in<br />
<strong>ein</strong>em Druckluftkessel brodelt. Erstmals<br />
verzichtet Syha auf <strong>ein</strong>e durchgehende<br />
Handlung und klar konturierte Charaktere;<br />
stattdessen zoomt sie auf Menschenansammlungen<br />
an Bushaltestellen<br />
oder in SBahnen, in Großraumbüros<br />
oder Fußgängerzonen und fischt aus<br />
der Masse Einzelstimmen heraus. Aufgeschnappte<br />
Dialogfetzen oder innere<br />
«Wir<br />
kommunizieren<br />
nicht, wir<br />
überwachen<br />
<strong>ein</strong>ander bloß.»<br />
Herr Schuster kauft <strong>ein</strong>e Straße, Nationaltheater Mannheim<br />
Monologe, die normalerweise ungehört<br />
bleiben, erzählen von gescheiterten<br />
Lebensentwürfen, Le<strong>ist</strong>ungsdruck<br />
und angestauter Aggression, trivialen<br />
Alltagssorgen und nackter Ex<strong>ist</strong>enzangst.<br />
Wechselnd zwischen chorischen<br />
Passagen und leisen Soli, Momenten<br />
voller Tragik und abgründiger Komik,<br />
verdichtet sich Radikale zur «Symphonie<br />
<strong>ein</strong>er Großstadt», die <strong>ein</strong>e aus dem<br />
Takt geratene Gesellschaft zeigt und in<br />
der gleich mehrere Zeitbomben ticken.<br />
Radikale entstand als Auftragswerk für<br />
das Theater Chemnitz, wo im Februar<br />
2012 die Uraufführung s<strong>ein</strong> wird (Regie:<br />
<strong>Dieter</strong> Boyer).<br />
Zuletzt wurde im September 2010 am<br />
Nationaltheater Mannheim, dessen<br />
Haus autorin Ulrike Syha in der Spielzeit<br />
2009 / 10 war, Herr Schuster kauft <strong>ein</strong>e<br />
Straße uraufgeführt (Regie: Mirja Biel<br />
und Joerg Zboralski). Das Stück war in<br />
Theater heute 11 / 2010 abgedruckt und<br />
hat im November 2011 österreichische<br />
Erstaufführung am Thea ter Drachengasse,<br />
Wien (Regie: Katrin Schurich). An<br />
selber Stelle und in derselben Regie war<br />
im Februar 2011 auch die österreichische<br />
Erstaufführung von Fracht (Nautisches<br />
Denken I – IV): «Syha bewe<strong>ist</strong><br />
<strong>ein</strong>mal mehr, dass sie zu Deutschlands<br />
witzigsten Autorinnen zählt.» (Falter)<br />
«Man könnte sie als die triumphale Komödienschreiberin<br />
der Wirtschaftsblase<br />
bezeichnen.» (Der Standard)<br />
Außerdem hatte im Februar 2011 am<br />
Theater Basel Syhas Bühnenfassung<br />
von John St<strong>ein</strong>becks Roman Jenseits<br />
von Eden Uraufführung (Regie: Peter<br />
Kastenmüller), von der weitere Inszenierungen<br />
in Vorbereitung sind, siehe S. 33.
Gerhild St<strong>ein</strong>buch<br />
Das kalte Herz<br />
nach Wilhelm Hauff<br />
2D – 5H<br />
Die Zeiten, in denen man sich in Peters<br />
Stadt vor dem HolländerMichel fürchtete,<br />
der <strong>ein</strong>em das Herz herausriss, sind<br />
vorbei. An das Glasmännchen, das <strong>ein</strong>em<br />
Sonntagskind zum Glück verhilft,<br />
glaubt erst recht k<strong>ein</strong>er mehr. Glück, das<br />
wäre für Peters Freunde höchstens, vom<br />
Fernsehen entdeckt zu werden. S<strong>ein</strong>er<br />
Mutter würde es schon reichen, wenn<br />
ihr Sohn k<strong>ein</strong> Versager wäre wie s<strong>ein</strong><br />
Vater Michel, der im Keller wohnt und<br />
vergessen hat, wer er <strong>ist</strong>. Und Mutters<br />
Lebensgefährte Glasmann hofft bloß,<br />
dass Peter endlich auszieht.<br />
Aber Peter hat weder Lust, sich mit<br />
s<strong>ein</strong>en Freunden bei Schlägereien auszutoben,<br />
noch den Weg in die Kl<strong>ein</strong>bür<br />
gerlichkeit anzutreten; für die ewigen<br />
Ratgeberweisheiten des Glasmanns hat<br />
er nichts als Verachtung übrig. Er träumt<br />
vom Anderss<strong>ein</strong> und kann doch nichts<br />
ändern – bis er Lisbeth begegnet und<br />
von ihr lernt, wie man sich <strong>ein</strong> neues<br />
Leben herbeilügt. Plötzlich <strong>ist</strong> die alte<br />
Welt verschwunden, und Peter <strong>ist</strong> <strong>ein</strong><br />
Held, gefeiert und bewundert, mit schöner<br />
Frau, schöner Wohnung und ohne<br />
irgend<strong>ein</strong> Problem. Doch nach und<br />
nach regt sich Widerstand in Peters<br />
zwangsoptimierter Umgebung, <strong>ein</strong><br />
Widerstand, dessen er nicht mehr<br />
Herr werden kann.<br />
«Warum hasst du mich, wenn ich versuch alles richtig zu machen.»<br />
Das kalte Herz, <strong>ein</strong>es der düstersten<br />
Märchen Wilhelm Hauffs, stellt die<br />
Frage nach dem Preis des Glücks<br />
ohne Verstand und der Gier ohne<br />
Mitmenschlichkeit. Auch in Gerhild<br />
St<strong>ein</strong>buchs Neuinterpretation sind<br />
die Menschen weder klüger noch<br />
großherziger geworden. Von den<br />
Märchen sind ihnen bloß die Lügen<br />
geblieben. Die Sehnsucht wird davon<br />
nicht kl<strong>ein</strong>er – aber wie kann<br />
dann am Ende alles gut werden?<br />
Das kalte Herz entstand im Auftrag<br />
des Theaters Chemnitz, wo im November<br />
2011 die Uraufführung s<strong>ein</strong><br />
wird (Regie: Schirin Khodadadian).<br />
«Ja das <strong>ist</strong> das Ortsschild<br />
Ja hier endet die Welt»<br />
Herr mit Sonnenbrille<br />
2D – 2H – 1 weitere/r Darsteller/in<br />
Ein Dorf in den Bergen. Die Landschaft:<br />
dramatisch bis pittoresk. Früher war<br />
hier die Stahlindustrie zu Hause, seit<br />
aber die Fabrik stillgelegt wurde, setzt<br />
das Dorf ganz auf Tourismus. Nur leider<br />
funktioniert das nicht mehr wie gedacht.<br />
Die Tour<strong>ist</strong>en kommen kurz und bleiben<br />
nicht, oder sie kommen gar nicht erst.<br />
Ab und zu stürzt sich <strong>ein</strong> Arbeitsloser<br />
von <strong>ein</strong>em malerischen Felsen, und die<br />
Dorfjugend hat außer Sex auch k<strong>ein</strong>e<br />
sinnvolle Beschäftigung mehr. Dennoch<br />
<strong>ist</strong> man hier stolz auf sich. Der Ort, die<br />
Landschaft, die Gem<strong>ein</strong>schaft, nicht<br />
zu vergessen die Tradition: So etwas<br />
schafft Identität, die <strong>ein</strong>em k<strong>ein</strong>er nehmen<br />
kann. «Wenn du drin b<strong>ist</strong> willst<br />
du immer mal raus klar aber raus wird<br />
allgem<strong>ein</strong> überbewertet.» Ausbruchsversuche<br />
sind zwecklos – wohin sollte<br />
es auch gehen? Trotzdem versuchen Er<br />
und Sie den Aufstand gegen das immer<br />
gleiche Wir und kämpfen letztlich doch<br />
nur gegen sich selbst. Ein Kampf, den sie<br />
nur verlieren können: Sie bleiben und<br />
begegnen sich schließlich selbst, <strong>ein</strong>em<br />
alten, desillusionierten Paar, für das die<br />
Zukunft bloß <strong>ein</strong>e Erinnerung <strong>ist</strong>.<br />
Herr mit Sonnenbrille entstand im Auftrag<br />
des Schauspielhaus Wien und wur<br />
www.rowohlt-theater.de 17
de dort in der Regie von Robert Borgmann<br />
im Februar 2010 uraufgeführt.<br />
«Ein Heimatstück für Hartgesottene …<br />
St<strong>ein</strong>buch erzählt von <strong>ein</strong>em Paar, in<br />
jüngerer und älterer Version, und von<br />
<strong>ein</strong>em weggelegten Kind. Doch sie erzählt<br />
viel mehr, bohrt den Finger tief in<br />
die Wunde österreichischer Befindlichkeit.<br />
Und das sogar mit (Galgen)Humor.<br />
Sie berichtet von <strong>ein</strong>em Land, an<br />
dem sich die Vergangenheit so festkrallt,<br />
dass die Zukunft nicht beginnen kann.<br />
Von Verdrängung als Lebensphilosophie.<br />
Von Alltagsfaschismus, katholizismus,<br />
von Alltagsbrutalität.» (Kurier)<br />
Im März 2012 kommt das Stück in <strong>ein</strong>er<br />
überarbeiteten Fassung am Theater<br />
Chemnitz zur deutschen Erstaufführung<br />
(Regie: Mirja Biel und Joerg Zboralski).<br />
Ebenfalls am Schauspielhaus Wien<br />
wurde im März 2010 im Rahmen der<br />
X GeboteReihe Gerhild St<strong>ein</strong>buchs<br />
Kurzstück Vier Wörter für <strong>ein</strong> besseres<br />
Leben uraufgeführt (Regie: Daniela<br />
Kranz), das sich mit dem Gebot «Du<br />
sollst nicht ehebrechen» aus<strong>ein</strong>andersetzt.<br />
«In Wirklichkeit <strong>ist</strong> es doch so:<br />
Jeder sucht sich s<strong>ein</strong>e Sicherheit. Und<br />
die vertragliche Festklopfung <strong>ein</strong>er Ur<br />
Sicherheit, der Idee <strong>ein</strong>er Liebe, <strong>ist</strong> natürlich<br />
<strong>ein</strong>e f<strong>ein</strong>e Sache … [Ich] ziehe<br />
mich zurück auf privates Territorium,<br />
das in vertraglichter Eheform zum öffentlichen<br />
Standpunkt wird: Wie man<br />
leben soll und wo ich mich befinde im<br />
Verhältnis dazu, nämlich mittendrin.»<br />
(Gerhild St<strong>ein</strong>buch)<br />
Im November 2010 kam außerdem<br />
am Theater Konvikt in Olmütz Gerhild<br />
St<strong>ein</strong>buchs kopftot zur tschechischen<br />
18<br />
«Sie war die Art<br />
von Person, die<br />
Ihnen in die Augen<br />
blickt und die<br />
Wahrheit sagt,<br />
selbst wenn die<br />
Wahrheit <strong>ein</strong>e<br />
unangenehme<br />
Wahrheit <strong>ist</strong>. Sie<br />
konnte gar nicht<br />
lügen.»<br />
Erstaufführung (Regie: Jan Zurek). Im<br />
Oktober 2011 wurde beim steirischen<br />
herbst, Graz, die AudiowalkPerformance<br />
Am Schönsten <strong>ist</strong> das was bereits<br />
verschwunden <strong>ist</strong> (Regie: Julie Pfleiderer)<br />
uraufgeführt.<br />
Katharina Schmitt<br />
Jugendbildnis<br />
Besetzung variabel<br />
Woran macht sich Jugend fest, woran<br />
Erinnerung? Katharina Schmitts<br />
Stück schleust den Zuschauer durch<br />
<strong>ein</strong> Museum der Pubertät in elf Gegenständen.<br />
Die Ausstellungsobjekte wurden<br />
von verschiedenen Besitzern zur<br />
Verfügung gestellt. Das Jugendbildnis,<br />
das sich daraus ergibt, <strong>ist</strong> so disparat<br />
und widersprüchlich wie die Aussagen<br />
der Eigentümer. Ihr Andenken kre<strong>ist</strong><br />
um <strong>ein</strong> sich entziehendes Zentrum der<br />
Betrachtung: das Kind, die Jugendliche,<br />
während die Gegenstände <strong>ein</strong> immer<br />
stärkeres Eigenleben gewinnen.<br />
«Das Kind im Wagen <strong>ein</strong>es Karussells. /<br />
Es <strong>ist</strong> der <strong>ein</strong>zige Fahrgast, der Wagen<br />
sieht aus wie <strong>ein</strong> Flugzeug. / Das Kind <strong>ist</strong><br />
elf Jahre alt. / S<strong>ein</strong> Geschlecht <strong>ist</strong> schwer<br />
auszumachen. / Es sieht aus wie <strong>ein</strong> Junge.<br />
/ Es sieht aus wie <strong>ein</strong> Mädchen, das<br />
aussieht wie <strong>ein</strong> Junge. / Es sitzt in <strong>ein</strong>em<br />
Karussell und es lacht nicht. / Sehen
«Phantasie hab ich k<strong>ein</strong>e nur Tagträume von Erfolg»<br />
Sie. / Erinnern Sie sich an dieses Bild. / Erinnern<br />
Sie sich. Sie müssen sich beeilen,<br />
Sie müssen sich mehr Mühe geben. / Bitte<br />
strengen Sie sich mehr an. / Die Gegenstände<br />
werden langsam kalt.»<br />
Jugendbildnis entstand als Auftragswerk<br />
für das Thalia Theater Hamburg,<br />
wo im Februar 2012 die Uraufführung<br />
s<strong>ein</strong> wird (Regie: Benedikt Haubrich).<br />
Katharina Schmitts Stück Sam wird im<br />
März 2012 am Hessischen Staats thea ter<br />
Wiesbaden uraufgeführt (Regie: Tilman<br />
Gersch), gefolgt von Inszenierungen<br />
am Theater Bielefeld (Mai 2012, Regie:<br />
Patrick Schimanski) und am Prager<br />
Kammer theater (Tschechische Erstaufführung,<br />
April 2012, Regie: Kamila Polivkova).<br />
Im Rahmen ihrer Residency<br />
an Robert Wilsons Watermill Centre in<br />
New York im April 2012 wird die Autorin<br />
<strong>ein</strong>e englischsprachige Inszenierung<br />
von Sam erarbeiten. Gleich zwei Stücke<br />
von Katharina Schmitt werden vom<br />
Deutschlandradio als Hörspiele produziert<br />
und im November 2011 urgesendet<br />
(Sam, Regie: Martin Schulze, und<br />
Knockout, Regie: Katharina Schmitt).<br />
Laura Naumann<br />
demut vor d<strong>ein</strong>en taten baby<br />
3D<br />
Ein herrenloser Koffer in der Damentoilette<br />
<strong>ein</strong>es deutschen Flughafens<br />
löst Terroralarm aus. Die Toilette wird<br />
großräumig abgeriegelt, der Flughafen<br />
evakuiert. Zurück bleiben nur Bettie,<br />
Mia und Lore, die hilflos in ihren Klokabinen<br />
festsitzen. Eben <strong>ein</strong>ander noch<br />
völlig fremd, erwarten sie gem<strong>ein</strong>sam<br />
die Katastrophe, Freundinnen fürs Leben,<br />
wie kurz es auch nur noch s<strong>ein</strong> mag.<br />
Aber der große Knall bleibt aus, die Sicherheitskräfte<br />
geben Entwarnung, «es<br />
riecht nach Frühling und Geburt die<br />
Vögel singen auch und irgend<strong>ein</strong> goldener<br />
Glitzer liegt auf uns allen drauf».<br />
Lebenskrisen, Depression und Einsamkeit<br />
– nichts davon hat irgend<strong>ein</strong>e Bedeutung<br />
neben dem Gefühl, gerade noch<br />
<strong>ein</strong>mal davongekommen zu s<strong>ein</strong>. Dieses<br />
Gefühl <strong>ist</strong> zu groß für die drei all<strong>ein</strong>,<br />
dieses Gefühl will in die Welt getragen<br />
s<strong>ein</strong>. Und plötzlich <strong>ist</strong> die Idee da: Ein<br />
Anschlagsimulator muss<br />
her, «dafür müssen wir<br />
nicht mal was bauen wir<br />
können das machen wir<br />
gehen an die Orte wir sind<br />
die Terror<strong>ist</strong>en wir machen<br />
die Leute erleben».<br />
Das Konzept geht auf,<br />
besser als gedacht. Das<br />
Frauentrio überfällt Discos und Supermärkte.<br />
Allmählich wird die Regierung<br />
aufmerksam, doch statt <strong>ein</strong>zuschreiten,<br />
kauft sie die Idee. Die drei expandieren;<br />
die Stimmung im Land steigt, die Geburtenrate<br />
wächst und die Wirtschaft<br />
gleich mit. Leichtsinn macht sich breit.<br />
Ein bisschen zu viel Leichtsinn für all<br />
die, die ihr Geschäft mit Pflichtbewussts<strong>ein</strong>,<br />
Angst und Sorge machen. Es muss<br />
wieder Ernst <strong>ein</strong>kehren in Deutschland,<br />
und es gibt auch schon <strong>ein</strong>en Plan …<br />
Laura Naumann studiert an der Universität<br />
Hildesheim kreatives Schreiben<br />
und Kulturjournalismus und <strong>ist</strong> Mitglied<br />
des Theaterkollektivs machina<br />
eX. Im Herbst 2011 nahm sie an den<br />
Werkstatttagen des Wiener Burgtheaters<br />
teil. Zuletzt wurde von Laura Naumann<br />
im August 2011 süßer vogel undsoweiter<br />
am Australian Theatre for Young<br />
People in Sydney uraufgeführt (Regie:<br />
Laura Scrivano).<br />
www.rowohlt-theater.de 19
Lars Norén<br />
20<br />
Liebesspiel<br />
Dämonen, Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin<br />
(Om kärlek)<br />
2D – 3H<br />
Deutsch von Katja Hagedorn<br />
A und B haben <strong>ein</strong>en siebenjährigen<br />
Sohn. Schon lange sprechen sie darüber,<br />
<strong>ein</strong> zweites Kind zu bekommen und <strong>ein</strong><br />
Haus zu kaufen, aber seit <strong>ein</strong>iger Zeit<br />
bringt B nur noch wenig Interesse für<br />
die gem<strong>ein</strong>samen Zukunftspläne auf. C<br />
und D wünschen sich seit Jahren vergeblich<br />
<strong>ein</strong> Kind. Alle Behandlungen sind<br />
fehlgeschlagen, jetzt denken sie an <strong>ein</strong>e<br />
Adoption. Die Zeitebenen verschieben,<br />
die Geschichten überlappen sich: C hat<br />
<strong>ein</strong>e Affäre mit B. C und D sind seit langem<br />
getrennt, Bs und As Ehe scheitert,<br />
<strong>ein</strong>e weitere Figur, E, tritt auf – s<strong>ein</strong>e Beziehung<br />
<strong>ist</strong> vor langer Zeit zerbrochen,<br />
nachdem das kl<strong>ein</strong>e Mädchen, das s<strong>ein</strong>e<br />
Exfrau und er adoptiert hatten, schon<br />
nach wenigen Monaten starb. Aber <strong>ist</strong><br />
das nicht eigentlich Cs Vergangenheit,<br />
die sich in die Gegenwart drängt? Dann<br />
wird B schwanger, und Cs Kinderwunsch<br />
sch<strong>ein</strong>t sich endlich zu erfüllen.<br />
Aber B entschließt sich, das Kind nicht<br />
auf die Welt zu bringen.<br />
In Liebesspiel erwe<strong>ist</strong> sich Lars Norén<br />
<strong>ein</strong> weiteres Mal als Me<strong>ist</strong>er im Sezieren<br />
«Ein asketisches Me<strong>ist</strong>erwerk.» Dagens Nyheter<br />
menschlicher Beziehungen. Psychologische<br />
Präzision und größte Allgem<strong>ein</strong>gültigkeit<br />
verbinden sich in <strong>ein</strong>em Stück,<br />
das aufs Wesentlichste reduziert <strong>ist</strong>:<br />
«Ein Kammerspiel über die alltäglichsten<br />
aller Dinge: Beziehungen, Unfruchtbarkeit,<br />
Untreue, jemand stirbt, <strong>ein</strong><br />
Streit, so trivial, dass man schnell vergessen<br />
hat, zwischen wem und warum.<br />
Wie in <strong>ein</strong>er Seifenoper – aber ohne den<br />
Seifenschaum, ohne die grellen Töne falscher<br />
Intimität. Nackt, aller unsinnigen<br />
Ausreden beraubt.» (Dagens Nyheter)<br />
Liebesspiel wurde im Januar 2010 am<br />
Stockholmer Dramaten uraufgeführt<br />
und im Juli 2011 auch am Teatro Municipal<br />
de Almada in Portugal gezeigt. Die<br />
deutschsprachige Erstaufführung <strong>ist</strong> im<br />
Januar 2012 am Schauspiel Frankfurt<br />
(Regie: Alexander Frank).<br />
Seit März 2010 zeigt die Schaubühne<br />
am Lehniner Platz, Berlin, Lars Noréns<br />
Dämonen (Regie: Thomas Ostermeier),<br />
das auch in Gastspielserien in Ma drid,<br />
Paris und Lyon lief. «Vom GruselBoulevard<br />
in die Psychonummer und zurück,<br />
von der verklemmten Contenance
«Wenn man dir die Rolle des Godot anbieten würde, würdest du<br />
die dann übernehmen?» – «Na ja … find ich eher so ’ne typische Männerrolle. Und ich find<br />
das Stück auch <strong>ein</strong> bisschen überholt.»<br />
in die schamfreie Entblößung … (Ein<br />
Abend), der sich k<strong>ein</strong>en Illusionen mehr<br />
hingibt: Dieses seelische Prekariat rettet<br />
k<strong>ein</strong> Gott, k<strong>ein</strong> Geld und k<strong>ein</strong> guter Geschmack<br />
… Trostlos <strong>ist</strong> das, und ziemlich<br />
fesselnd anzuschauen.» (Theater heute)<br />
Dämonen hatte außerdem im November<br />
2010 am Akropolis Theater Helios<br />
in Athen, im Februar 2011 am Grand<br />
Théâtre de Luxembourg sowie im September<br />
2011 bei De Queeste in Hasselt,<br />
Belgien, Premiere und wird im November<br />
2011 auch am Staatstheater Kaunas<br />
in Litauen gezeigt. Im September bzw.<br />
Oktober 2010 war an den Städtischen<br />
Bühnen Münster und am Theaterlabor<br />
Darmstadt die Premiere von 20. November,<br />
das im Januar 2011 auch im<br />
Atelier Theater in Sopot, Polen, sowie<br />
im Frühjahr und Herbst 2011 in zwei<br />
Tourneeproduktionen in Portugal aufgeführt<br />
wurde. Im April 2011 zeigte das<br />
Orange Tree Theatre, Richmond / London,<br />
Lars Noréns Herbst und Winter.<br />
Maria Goos<br />
Der letzte Vorhang<br />
(Doek!)<br />
1D – 1H<br />
Deutsch von Rainer Kersten<br />
Die Bühnenstars Lies und Richard galten<br />
<strong>ein</strong>st als Traumpaar à la Liz Taylor<br />
und Richard Burton. Dann heiratete Lies<br />
<strong>ein</strong>en reichen Arzt, beendete ihre Karriere<br />
und zog nach Südfrankreich. Richard<br />
blieb dem Theater treu und tingelt nach<br />
wie vor über die Lande. Mit s<strong>ein</strong>en Allüren,<br />
s<strong>ein</strong>em Größenwahn und besonders<br />
s<strong>ein</strong>em Alkoholkonsum hat er<br />
allerdings schon so manche Partnerin<br />
vergrault. Ausgerechnet bei den Proben<br />
zu dem Stück, das Lies und ihn damals<br />
berühmt machte (und das fatal an Wer<br />
hat Angst vor Virginia Woolf? erinnert),<br />
kommt es zum Eklat: W<strong>ein</strong>end verlässt<br />
Jojanneke, die Richards Gattin spielen<br />
soll und leider ziemlich unbegabt <strong>ist</strong>, die<br />
Szene und kehrt nicht zurück. Kurzfr<strong>ist</strong>ig<br />
helfen kann jetzt nur noch Lies – die<br />
sich zum Glück in Frankreich längst<br />
<strong>ein</strong> bisschen langweilt. Nach über zehn<br />
Jahren treffen Lies und Richard erstmals<br />
wieder auf<strong>ein</strong>ander, und die Mischung,<br />
die dabei entsteht, <strong>ist</strong> hochexplosiv.<br />
Der letzte Vorhang <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> Geschenk für<br />
zwei Schauspieler, die übergangslos in<br />
die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen.<br />
In schnellem Tempo wechselt Maria<br />
Goos zwischen Vergangenheit und Gegenwart:<br />
Die Darstellerin von Lies spielt<br />
nicht nur sich selbst (als heute 50Jährige,<br />
als junge Frau, als Kate im Stückim<br />
Stück), sondern ebenso Jojanneke, die<br />
tölpelhafte Kollegin. Ebenso sieht man<br />
Richard in verschiedenen Stadien s<strong>ein</strong>er<br />
Biographie oder – in <strong>ein</strong>em genüsslichboshaften<br />
Porträt – als Lies’ unbedarften<br />
Ehemann. Wilder Slapstick wird von<br />
anrührenden Momenten abgelöst; alte<br />
Wunden reißen auf, und Lies und Richard<br />
müssen frühere Entscheidungen<br />
neu überdenken. Goos’ Stück gleicht<br />
<strong>ein</strong>er Achterbahnfahrt der Gefühle: <strong>ein</strong><br />
komisches Spiel der Kunst um die todernsten<br />
Dinge des Lebens.<br />
Der letzte Vorhang wurde im Oktober<br />
2010 an der Stadsschouwbourg Haarlem<br />
uraufgeführt, tourte anschließend<br />
durch Holland und hatte danach <strong>ein</strong>e<br />
ausverkaufte Vorstellungsserie am Amsterdamer<br />
DeLaMar Theater. Zurzeit<br />
sind zahlreiche internationale Produktionen<br />
in Vorbereitung, darunter in London<br />
und New York. Die deutschsprachige<br />
Erstaufführung <strong>ist</strong> im Dezember<br />
2011 am RenaissanceTheater, Berlin,<br />
mit Suzanne von Borsody und Guntbert<br />
Warns als Lies und Richard (Regie: Antoine<br />
Uitdehaag).<br />
Ebenfalls am RenaissanceTheater war<br />
2006 die deutschsprachige Erstaufführung<br />
von Goos’ Alte Freunde (Cloaca),<br />
das seither vielfach nachgespielt wurde<br />
und in Deutschland sowie in der Schweiz<br />
auf Tournee ging.<br />
www.rowohlt-theater.de 21
Davide Carnevali<br />
22<br />
Sweet Home Europa<br />
Deutsch von Sabine Heymann<br />
1D – 2H<br />
Nur drei Figuren braucht Davide Carnevali,<br />
um Mechanismen der Migration<br />
samt <strong>ein</strong>igen Stolperstricken der Integra<br />
tion und den perfiden Verlockungen<br />
westeuropäischer Überheblichkeit<br />
durchzuspielen. Der Mann, die Frau<br />
und der andere Mann repräsentieren<br />
dabei möglicherweise Völker mit unterschiedlicher<br />
Kultur und vor allem mit<br />
ungleicher ökonomischer Bedeutung,<br />
sie vertreten aber immer auch ihre ganz<br />
persönliche Geschichte. Die Figuren, die<br />
in unterschiedlichen Konstellationen<br />
zusammentreffen, sind mal Vater und<br />
Sohn, mal zwei Geschäftspartner, Mann<br />
und Geliebte, Mutter und Sohn. Ihr Verhältnis<br />
<strong>ist</strong> dabei immer von denselben<br />
Machtstrukturen geprägt. Während<br />
der Mann die Gepflogenheiten s<strong>ein</strong>es<br />
Landes nicht nur beherrscht, sondern<br />
auch definiert, bewegt sich der Fremde<br />
zwischen zwei Kulturen und <strong>ist</strong> um Anpassung<br />
und sozialen Aufstieg bemüht.<br />
Der Frau bleibt nur die Beobachtung des<br />
männlichen Machtkampfes, sie wird in<br />
der Aus<strong>ein</strong>andersetzung mit dem Sieger<br />
ihre Rolle definieren müssen. Von Familientraditionen<br />
wird erzählt, aber nur<br />
solange sie amüsant sind, kulinarische<br />
Bräuche werden gepflegt, und trotzdem<br />
gibt es immer nur Kürbis, Wortspiele<br />
sch<strong>ein</strong>en die Gespräche humorvoll aufzulockern<br />
und demonstrieren doch vor<br />
allem die Überlegenheit des Muttersprach<br />
lers. In der ersten Szene lädt der<br />
Mann den Anderen zum feierlichen<br />
Abendessen anlässlich <strong>ein</strong>es Geschäftsabschlusses<br />
in s<strong>ein</strong> Haus <strong>ein</strong>. Doch wie<br />
gastfreundlich <strong>ist</strong> die «Festung Europa»<br />
tatsächlich, und <strong>ist</strong> der gem<strong>ein</strong>same Bau<br />
an <strong>ein</strong>em «europäischen Haus» überhaupt<br />
erwünscht?<br />
Davide Carnevali, Jahrgang 1981, arbeitet<br />
als Autor, Publiz<strong>ist</strong> und Übersetzer in<br />
Italien, Deutschland und Spanien. S<strong>ein</strong>e<br />
Stücke wurden mehrfach ausgezeichnet<br />
(u. a. mit dem Premio Borello per la nuova<br />
drammaturgia) und zuletzt für den<br />
Premio Riccione per il Teatro nominiert.<br />
S<strong>ein</strong>e Variationen über das Kraepelin<br />
Modell gewannen 2009 den Hörspielpreis<br />
des Berliner Stückemarkts und<br />
wurden daraufhin von Deutschlandradio<br />
ausgestrahlt. Auch Sweet Home<br />
Europa wird von Deutschlandradio als<br />
Hörspiel produziert. Das Stück <strong>ist</strong> noch<br />
frei zur deutschsprachigen Erstaufführung.<br />
«Sie müssen<br />
noch viel<br />
lernen über<br />
dieses Land.<br />
Der Sinn für<br />
Humor wird<br />
Ihnen auf<br />
jeden Fall nützlich<br />
s<strong>ein</strong>.»<br />
Neil LaBute<br />
Zur Mittagsstunde<br />
(The Break of Noon)<br />
mind. 2D – 2H<br />
Deutsch von Frank Heibert<br />
John Smith hat <strong>ein</strong>en Amoklauf überlebt,<br />
der kurz vor der Mittagspause<br />
s<strong>ein</strong> Großraumbüro in <strong>ein</strong> Höllenszenario<br />
verwandelte. Während alle s<strong>ein</strong>e<br />
Kollegen von dem Attentäter regelrecht<br />
hingerichtet wurden, blieb John auf unerklärliche<br />
Weise als Einziger verschont.<br />
Für ihn bedeutet das <strong>ein</strong>e Epiphanie: Im<br />
Moment größter Todesangst <strong>ist</strong> ihm<br />
Gott erschienen und hat ihm den Auftrag<br />
gegeben, s<strong>ein</strong> Leben von Grund auf<br />
zu ändern und die Botschaft des Herrn<br />
zu verbreiten. Doch schnell stellt sich die<br />
Frage, ob <strong>ein</strong> Mann, der s<strong>ein</strong>e Nächsten<br />
bisher wie Dreck behandelt hat, durch<br />
<strong>ein</strong> Erweckungserlebnis wirklich <strong>ein</strong><br />
besserer Mensch wird oder <strong>ein</strong>fach <strong>ein</strong><br />
erleuchtetes <strong>Arsch</strong>loch <strong>ist</strong>. Durch das<br />
riesige Medieninteresse <strong>ist</strong> er obendr<strong>ein</strong><br />
auch Nutznießer des Attentats und ver
«Gott bedeutet<br />
uns nichts mehr.<br />
Wir tun, was wir<br />
tun, wir treffen<br />
Entscheidungen,<br />
wir übernehmen<br />
Verantwortung.<br />
Irgend<strong>ein</strong> Mann<br />
hat dir <strong>ein</strong>e<br />
Waffe ins Gesicht<br />
gehalten, jetzt<br />
gefällt dir d<strong>ein</strong><br />
Leben nicht mehr,<br />
und du willst es<br />
ändern. Schön.<br />
Tu was.»<br />
dient durch den Verkauf <strong>ein</strong>es blutigen<br />
Fotos vom Tatort <strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong>es Vermögen.<br />
So sehr John auch versucht, s<strong>ein</strong>e Ex<br />
Frau, s<strong>ein</strong>en Anwalt, <strong>ein</strong>e Fernsehmoderatorin<br />
oder selbst die Polizei von s<strong>ein</strong>er<br />
neu gewonnenen Glückseligkeit zu<br />
überzeugen, stößt er doch immer wieder<br />
auf Unverständnis und scheitert an s<strong>ein</strong>er<br />
eigenen Unzulänglichkeit.<br />
In Zweierszenen, <strong>ein</strong>gerahmt von zwei<br />
Monologen, zeigt Neil LaBute die<br />
Wandlung <strong>ein</strong>es Mannes, der verzweifelt<br />
versucht, Gutes zu tun in <strong>ein</strong>er Welt,<br />
die s<strong>ein</strong>em Wunderglauben mit Skepsis<br />
und Zynismus begegnet und ihn als sehr<br />
geübten Sünder dabei immer wieder in<br />
Versuchung führt – bis zur letzten überraschenden<br />
Szene.<br />
Die Uraufführung von Zur Mittagsstunde,<br />
mit David Duchovny als John<br />
Smith, war im Oktober 2010 im Lucille<br />
Lortel Theatre, New York. «LaBute<br />
geht es nicht um das innere Drama des<br />
TraumaOpfers. Er entwirft <strong>ein</strong> Planspiel:<br />
‹Was wäre, wenn jemand die matte<br />
Routine des Religionsbetriebs mit<br />
Breaking News von Gottes Ex<strong>ist</strong>enz<br />
Zur Mittagsstunde, Residenztheater, München<br />
durchbräche?› Die Frage nach<br />
Glauben und Religion, Gut und<br />
Böse dient ihm vor allem dazu,<br />
<strong>ein</strong> tr<strong>ist</strong>es Gesellschaftsbild zu<br />
malen.» (Süddeutsche Zeitung)<br />
Die deutschsprachige Erstaufführung<br />
war im Oktober 2011<br />
am Residenztheater München (Regie:<br />
Wilfried Minks), dicht gefolgt von der<br />
Inszenierung an den Hamburger Kammerspielen<br />
(Regie: Jens Pesel).<br />
Die deutsche Erstaufführung von Neil<br />
LaButes lieber schön, dessen deutschsprachige<br />
Erstaufführung in der Regie<br />
von Alexandra Liedtke nach wie vor am<br />
Burgtheater (Kasino) Wien läuft, <strong>ist</strong> im<br />
Februar 2012 am Theater Kiel (Regie:<br />
Neele von Müller). Weitere LaButePremieren<br />
in der Spielzeit 2011 / 12 sind<br />
u. a.: Fettes Schw<strong>ein</strong> an der Komödie<br />
am Kurfürstendamm, Berlin (Februar<br />
2012, Regie: Folke Braband), und an<br />
der Komödie Düsseldorf (Februar 2012,<br />
Regie: Volker Hesse), In <strong>ein</strong>em finsteren<br />
Haus am Staatstheater Cottbus (Januar<br />
2012, Regie: Anniki Nugis), Der große<br />
Krieg am Luzerner Theater (Schweizer<br />
Erstaufführung, Oktober 2011, Regie:<br />
Andreas Herrmann) sowie das maß der<br />
dinge am Theater Phoenix, Linz (Januar<br />
2012, Regie: Johannes Maile).<br />
Außerdem war im März 2011 die Uraufführung<br />
von LaButes neuem Stück<br />
In a Forest, Dark and Deep in der Regie<br />
des Autors im Londoner West End.<br />
Die deutsche Übersetzung <strong>ist</strong> in Vorbereitung,<br />
die deutschsprachige Erstaufführung<br />
wird im Mai 2012 am Theater<br />
Bonn s<strong>ein</strong> (Regie: Michael Lippold).<br />
www.rowohlt-theater.de 23
John Logan<br />
24<br />
Rot<br />
(Red)<br />
2H<br />
Deutsch von Corinna Brocher<br />
Mark Rothko befindet sich auf dem Höhepunkt<br />
s<strong>ein</strong>es Ruhms. Gerade hat er den<br />
Auftrag für <strong>ein</strong>e Serie von Wandbildern<br />
angenommen, die das neue Seagram<br />
Building schmücken sollen – für das<br />
höchste Honorar, das je <strong>ein</strong>em Maler<br />
gezahlt wurde. Mit entsprechenden<br />
Starallüren führt er sich in s<strong>ein</strong>em Studio<br />
auf: Er bestimmt die Lichtintensität,<br />
die Musikauswahl und die Gesprächsthemen.<br />
Rothkos Megalomanie hat sich<br />
s<strong>ein</strong> neuer Ass<strong>ist</strong>ent Ken widerspruchslos<br />
zu fügen. Für den Me<strong>ist</strong>er wäscht er<br />
nicht nur die Pinsel aus, sondern muss<br />
sich vor allem von s<strong>ein</strong>en Auslassungen<br />
über Kunst, Gesellschaft und Gott und<br />
die Welt tyrannisieren lassen. Der junge<br />
Mann wird dennoch zu <strong>ein</strong>em ernstzunehmenden<br />
Gegner in <strong>ein</strong>er Aus<strong>ein</strong>andersetzung,<br />
in der mit harten Bandagen<br />
um die <strong>ein</strong>zig wahre Kunst gestritten<br />
wird. Rothko muss sich der Frage stellen,<br />
ob er mit dem jüngsten Auftrag nicht<br />
s<strong>ein</strong>e Seele verkauft, aber auch Ken wird<br />
an den Rand <strong>ein</strong>es psychischen Zusammenbruchs<br />
getrieben. Was will Rothko<br />
eigentlich von ihm? Ist Ken wirklich<br />
nur austauschbarer Zuhörer, soll ihm<br />
geziemender Kunstverstand beigebracht<br />
werden oder will Rothko s<strong>ein</strong>e Kreativität<br />
herauskitzeln? Zum Schluss bleibt<br />
der alte Maler all<strong>ein</strong> zurück, und plötzlich<br />
sch<strong>ein</strong>t es, als habe er sich in dem<br />
«M<strong>ein</strong> Freund,<br />
es gibt nur<br />
<strong>ein</strong>e Sache, die<br />
ich im Leben<br />
fürchte … Eines<br />
Tages wird das<br />
Schwarz das Rot<br />
verschlingen.»<br />
Atelier längst von der Außenwelt abgeschottet,<br />
voller Zweifel und Furcht vor<br />
s<strong>ein</strong>er drohenden Bedeutungslosigkeit.<br />
John Logan hat u. a. die Drehbücher für<br />
Aviator und Gladiator geschrieben, die<br />
beide für den Oscar nominiert waren.<br />
Rot, das nach der Uraufführung am<br />
Donmar Warehouse in London auch am<br />
New Yorker Broadway zu sehen war, gewann<br />
zahlreiche Preise, u. a. den Drama<br />
Desk Award, Drama League Award und<br />
den Tony Award 2010 als bestes Stück.<br />
Die deutschsprachige Erstaufführung<br />
war im Oktober 2011 am Renaissance<br />
Theater Berlin (Regie: Torsten Fischer).<br />
Es folgen Inszenierungen am Theater<br />
BadenBaden (März 2012, Regie: Stefan<br />
Huber) sowie in der Spielzeit 2012 / 13<br />
an den Hamburger Kammerspielen.<br />
Jeff Baron<br />
Besuch bei Mr. Green<br />
(Visiting Mr. Green)<br />
2H<br />
Deutsch von Ulrike Syha<br />
Ross <strong>ist</strong> vom Gericht verurteilt worden,<br />
<strong>ein</strong>mal pro Woche den 86jährigen<br />
Mr. Green zu besuchen und ihm<br />
bei alltäglichen Erledigungen zur Hand<br />
zu gehen. Doch der resolute Alte will<br />
überhaupt nicht <strong>ein</strong>sehen, warum ihm<br />
jemand im Haushalt helfen soll. Und<br />
wer <strong>ist</strong> dieser fremde Mann überhaupt?<br />
Als Ross ihm erklärt, dass er in den<br />
Verkehrsunfall verwickelt war, bei dem<br />
Mr. Green gestürzt <strong>ist</strong>, steht s<strong>ein</strong> Urteil<br />
fest: Mörder! Andererseits, nun <strong>ist</strong> der<br />
junge Mann schon mal da, und er hat<br />
Suppe mitgebracht; soll man etwa gutes<br />
Essen vergeuden? So erfahren die<br />
beiden im Laufe der wöchentlichen Besuche<br />
notgedrungen immer mehr per
sönliche Dinge von<strong>ein</strong>ander. Ross <strong>ist</strong><br />
verblüfft, dass es in über 50 Ehejahren<br />
mit Mr. Greens kürzlich verstorbener<br />
Frau Yetta k<strong>ein</strong>en <strong>ein</strong>zigen Streit gegeben<br />
haben soll. Und Mr. Green horcht<br />
zum ersten Mal auf, als er erfährt, dass<br />
Ross auch Jude <strong>ist</strong>, selbst wenn er den<br />
Unterschied zwischen milchick und flaychick<br />
nicht kennt – vielleicht lässt sich<br />
doch noch <strong>ein</strong> Mensch aus ihm machen.<br />
Aber dann muss Ross plötzlich feststellen,<br />
dass s<strong>ein</strong>e Ignoranz gegenüber jüdischem<br />
Brauchtum nicht das Einzige <strong>ist</strong>,<br />
was bei Mr. Green auf völliges Unverständnis<br />
stößt. Unversehens findet sich<br />
Ross in <strong>ein</strong>er Rolle wieder, mit der er<br />
schon seit Jahren hadert: Er muss sich<br />
für das rechtfertigen, was er <strong>ist</strong>. Dass es<br />
zwischen den beiden Männern schließlich<br />
doch noch zu <strong>ein</strong>er Versöhnung und<br />
vielleicht sogar zu <strong>ein</strong>em Moment tiefen<br />
Verständnisses kommt, hat nicht nur<br />
mit <strong>ein</strong>em dunklen Geheimnis von Mr.<br />
Green zu tun, sondern <strong>ist</strong> vielleicht sogar<br />
das Verdienst der sanftmütigen Yetta.<br />
Jeff Barons Komödie Besuch bei Mr.<br />
Green wurde zu <strong>ein</strong>em weltweiten Erfolg.<br />
In über 20 Sprachen übersetzt,<br />
erlebte sie mehr als 400 Produktionen<br />
und wurde mit zahlreichen Preisen<br />
ausgezeichnet. In Deutschland war das<br />
Stück bisher in über 30 Inszenierungen<br />
zu sehen. Zuletzt hatte im September<br />
2011 am Schlossparktheater Berlin die<br />
Inszenierung von Philip Tiedemann mit<br />
Michael Degen in der Rolle des Mr.<br />
Green Premiere. Jeff Baron hat s<strong>ein</strong> erfolgreichstes<br />
Stück überarbeitet und dabei<br />
den Text behutsam modernisiert. Im<br />
<strong>Rowohlt</strong> Theater Verlag liegt Besuch bei<br />
Mr. Green nun in der pointierten Neuübersetzung<br />
von Ulrike Syha vor.<br />
«Du läufst 42 Kilometer? Das <strong>ist</strong> das Verrückteste, was ich je<br />
gehört habe. Iss lieber was.»<br />
Mischpoke<br />
Neuer Besuch bei Mr. Green<br />
1D – 3H<br />
Deutsch von Ulrike Syha<br />
Mr. Green <strong>ist</strong> mittlerweile 92 und immer<br />
noch genauso starrköpfig wie vor<br />
sechs Jahren, als er Ross kennenlernte.<br />
Immerhin hat sich zwischen den beiden<br />
unterschiedlichen Männern <strong>ein</strong>e echte<br />
Freundschaft entwickelt, die auch Ross’<br />
Lebensgefährten Chris mit <strong>ein</strong>schließt.<br />
Mr. Green kann sich sogar mit der Idee<br />
anfreunden, dass Ross und Chris <strong>ein</strong><br />
Kind adoptieren wollen. Als auch noch<br />
Mr. Greens jüngste Enkelin Chana auftaucht,<br />
die sich über das Kommunikationsverbot<br />
zwischen ihrer säkularen<br />
Mutter und ihrem religiösen Großvater<br />
hinweggesetzt hat, sch<strong>ein</strong>t die neue<br />
Wahlfamilie komplett zu s<strong>ein</strong>. Doch<br />
wie das in Familien nun mal so <strong>ist</strong>, der<br />
erste handfeste Streit lässt nicht lange<br />
auf sich warten. Chana <strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e streng<br />
gläubige Jüdin, die selbst ihren Großvater<br />
noch Mores lehren kann. Gegen<br />
über Ross’ und Chris’ Homosexualität<br />
kann sie sich gerade noch zu skeptischer<br />
Toleranz durchringen, doch als sie von<br />
den Adoptionsplänen hört, reißt ihr ohnehin<br />
schon gespannter Geduldsfaden.<br />
Ross wiederum beobachtet mit <strong>ein</strong>igem<br />
Misstrauen, wie Chana ihren Großvater<br />
für sich ver<strong>ein</strong>nahmt und ihn ihrem<br />
orthodoxen Verlobten als vorbildlichen<br />
Ahnen präsentieren will. Mr. Green<br />
steht zwischen den Fronten – bis der<br />
Familienkrach <strong>ein</strong> Ausmaß erreicht, das<br />
k<strong>ein</strong>er der Beteiligten absehen konnte.<br />
Die Fortsetzung von Besuch bei Mr.<br />
Green <strong>ist</strong> noch frei zur deutschsprachigen<br />
Erstaufführung.<br />
www.rowohlt-theater.de 25
Daniel Karasik<br />
26<br />
Die Unschuldigen<br />
(The Innocents)<br />
2D – 3H<br />
Deutsch von Philipp Löhle<br />
Angeblich hat der junge Aaron <strong>ein</strong>e ältere<br />
Dame überfallen, ausgeraubt und umgebracht.<br />
Die Beweislage für s<strong>ein</strong>e Beteiligung<br />
an dem Verbrechen <strong>ist</strong> allerdings<br />
dürftig, und die Polizei glaubt nicht an<br />
s<strong>ein</strong>e Schuld. Warum beharrt er trotzdem<br />
darauf, die Tat begangen zu haben?<br />
Warum trägt andererseits <strong>ein</strong> blutjunger,<br />
brillanter Anwalt permanent das Gefühl<br />
von Unzulänglichkeit mit sich herum?<br />
Warum hadert er ständig mit sich und<br />
der Welt, in der er bisher perfekt funktioniert<br />
hat? Aaron und Stanley, beide aus<br />
Die Unschuldigen, Staatstheater Mainz<br />
gut situierten Verhältnissen,<br />
treffen als Klient und Verteidiger<br />
im Gefängnis auf<strong>ein</strong>ander.<br />
Trotz Aarons f<strong>ein</strong>dseliger Haltung<br />
entwickelt Stanley <strong>ein</strong>e<br />
Obsession für den Fall. Um zu begreifen,<br />
warum Aaron <strong>ein</strong>e Gefängnisstrafe<br />
dem Leben in Freiheit vorzieht, dringt er<br />
immer tiefer in dessen Welt <strong>ein</strong> und sieht<br />
sich mit den Sehnsüchten, Ängsten und<br />
der Abgeklärtheit s<strong>ein</strong>er Altersgenossen<br />
konfrontiert – sie spiegeln sich auch in<br />
s<strong>ein</strong>em auf die Karriere ausgerichteten<br />
Leben wider.<br />
«Karasik wirft <strong>ein</strong>en hellsichtigen<br />
Blick auf das ambivalente Lebensgefühl<br />
<strong>ein</strong>er Generation der Extreme. Er verdichtet<br />
den Krimi zum f<strong>ein</strong>gesponnenen<br />
Psychogramm <strong>ein</strong>er jungen Gene ration,<br />
die mit dem Glauben aufwächst,<br />
alles erreichen zu können, dabei aber<br />
verzweifelt nach ihrem Platz in <strong>ein</strong>er<br />
Wohlstandsgesellschaft mit Turboantrieb<br />
sucht.» (Marie Rötzer im Jahrbuch<br />
2011 von Theater heute).<br />
Die Unschuldigen wurde 2010 in der<br />
Regie des Autors am Factory Theatre in<br />
Toronto uraufgeführt. Die deutschsprachige<br />
Erstaufführung war im Septem<br />
ber 2011 am Staatstheater Mainz (Regie:<br />
Philipp Löhle). «Sie sind wirklich<br />
wahnsinnig jung. Sie wissen das, aber<br />
nicht, was sie damit anfangen sollen. Die<br />
<strong>ein</strong>en fühlen sich schon jetzt als Versager,<br />
die anderen haben schon jetzt k<strong>ein</strong>e<br />
Zeit mehr. Die Unschuldigen <strong>ist</strong> <strong>ein</strong><br />
Gene ra tionen porträt unserer Tage, weit<br />
entfernt von Jugend und Lebensfreudewahn.»<br />
(Frankfurter Rundschau)<br />
Daniel Karasik, Jahrgang 1986, lebt in<br />
Toronto und arbeitet als Autor, Regisseur<br />
und Schauspieler. S<strong>ein</strong> Stück Weiß<br />
wie das Licht wurde bereits in der Spielzeit<br />
2009 / 10 am Theater Magdeburg<br />
erstaufgeführt (Regie: Sascha Hawemann).
Jack Thorne<br />
Bunny<br />
1D<br />
Deutsch von John Birke<br />
Ein Sommernachmittag. Katie wird von<br />
ihrem Freund Abe von der Orchesterprobe<br />
abgeholt. Abe <strong>ist</strong> etwas älter als<br />
sie, er arbeitet, «er sieht gut aus. Hm.<br />
Und er <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> Schwarzer. Nicht, dass<br />
das – ich weiß nur nie, wann ich das<br />
erwähnen soll». Sie gehen <strong>ein</strong> Stück, Abe<br />
holt sich <strong>ein</strong> Eis. Dann geht alles ganz<br />
schnell: Ein Radfahrer streift Abe, das<br />
Eis fällt auf die Straße. Abe tritt gegen<br />
das Fahrrad, <strong>ein</strong>e kurze Prügelei beginnt,<br />
bei der Abe unterliegt. Der Junge fährt<br />
davon, und die Sache wäre erledigt, hätten<br />
nicht zwei Arbeitskollegen von Abe<br />
die Szene beobachtet, Asif, Pak<strong>ist</strong>ani,<br />
und Jake, <strong>ein</strong> Weißer. Sie beschließen,<br />
dem Jungen hinterherzufahren, ihm <strong>ein</strong>e<br />
Lektion zu erteilen. Katie steigt mit Abe<br />
in Asifs Auto. «Und wir sind fertig. Und<br />
es geht los. Und ich hab nichts dagegen.<br />
Erregung. Angst. Errangst.»<br />
Katie, weißes Mittelklassekind aus<br />
linksliberalem Hause, <strong>ist</strong> dabei, als sie<br />
den Jungen stellen und dieser in letzter<br />
Sekunde entkommt, sie wartet mit<br />
den anderen vor s<strong>ein</strong>em Haus und geht<br />
schließlich mit hin<strong>ein</strong>. Wie unter <strong>ein</strong>em<br />
Vergrößerungsglas nimmt sie das subtile<br />
Spiel von Macht, Klassen und Rassenverhältnissen<br />
wahr, beobachtet die<br />
anderen und – vor allem – sich selbst.<br />
Nie bezieht sie Position, nicht <strong>ein</strong>mal,<br />
wenn sie von sich erzählt: davon, wie<br />
sie heimlich den Wagen ihres Vaters zerkratzt<br />
oder wie Asif sie sexuell demütigt,<br />
als beide kurz all<strong>ein</strong> im Auto sind.<br />
Doch dann entdeckt Katie den versteck<br />
«Ich denk<br />
nicht gern<br />
nach. Aber ich<br />
denke. Nach.<br />
Andauernd.»<br />
ten, verängstigten Jungen. Und plötzlich<br />
hängt, was weiter geschieht, von ihr ab.<br />
Bunny wurde im August 2010 beim<br />
Edinburgh Festival uraufgeführt und<br />
dort mit dem Fringe First Award ausgezeichnet.<br />
Die deutschsprachige Erstaufführung<br />
<strong>ist</strong> im Dezember 2011 am<br />
National theater Mannheim (Regie:<br />
Nicole Schneiderbauer). «Jack Thornes<br />
großartiger Monolog versucht nicht,<br />
uns Katies Verstörung zu erklären, hinterlässt<br />
aber <strong>ein</strong>en nachhaltigen Eindruck<br />
ihrer tiefen, unausgesprochenen<br />
Verzweiflung.» (The Scotsman) «Ein<br />
mitreißender Text, der das Publikum<br />
auf <strong>ein</strong>e Reise ins Ungewisse führt.»<br />
(Herald)<br />
Jack Thorne schreibt neben Theaterstücken<br />
und Hörspielen auch Drehbücher,<br />
u. a. für die erfolgreichen Fernsehserien<br />
Skins und This is England. 2009 wurde<br />
er mit dem Best British Newcomer<br />
Award des Londoner Film Festivals ausgezeichnet.<br />
www.rowohlt-theater.de 27
«Ihr sagt uns Wörter, die wir uns merken sollen.<br />
Ihr sagt uns, wo wir hin sollen. Ihr sagt, wir sollen uns in <strong>ein</strong>er Reihe aufstellen.<br />
Ihr sagt, dass <strong>ein</strong> Schauspieler nur <strong>ein</strong> Papagei <strong>ist</strong>, der Sätze spricht, die er nicht versteht.<br />
Dass man tun muss, was <strong>ein</strong>em gesagt wird.<br />
Dass die Menschen Marionetten sind. Dass die Menschen Schafe sind.<br />
Dass Kinder k<strong>ein</strong>en eigenen Willen haben.»<br />
Tim Etchells<br />
28<br />
Dass nach dem Tag die<br />
Nacht kommt<br />
(That Night Follows Day)<br />
Besetzung variabel (Kinder bis<br />
maximal 16 Jahre)<br />
Deutsch von Astrid Sommer<br />
«Beeil dich bitte», «Sei still», «Spiel<br />
nicht so nah an der Straße» sind Sätze,<br />
die sich wahrsch<strong>ein</strong>lich jeder als Kind<br />
von s<strong>ein</strong>en Eltern anhören musste. Und<br />
überhaupt sagen und tun Eltern bisweilen<br />
ominöse Dinge: Sie suchen aus, was<br />
man anziehen soll, schimpfen ohne klaren<br />
Grund, behaupten, dass Sonnenlicht<br />
gefährlich s<strong>ein</strong> kann oder Rom nicht<br />
an <strong>ein</strong>em Tag erbaut wurde. Aus <strong>ein</strong>er<br />
Vielzahl sch<strong>ein</strong>bar simpler Aus sage sätze<br />
setzt sich Tim Etchells’ Performance<br />
Text zusammen, gespielt von Kindern<br />
bis maximal 16 Jahre, aber gerichtet<br />
an Erwachsene: Befehlen, Strafandrohungen,<br />
Benimmregeln, Naturgesetzen,<br />
Vorurteilen, Lob, Ansporn, Liebesbekundungen.<br />
Mal chorisch gesprochen,<br />
mal von Einzelnen, in wechselnden<br />
Gruppierungen und Rhythmen, sprunghaft<br />
assoziativ oder hartnäckig ins<strong>ist</strong>ie<br />
rend, setzt sich so <strong>ein</strong> vielschichtiges Bild<br />
der Welt aus Kindersicht zusammen, das<br />
vor allem aber auch von Erziehung bis<br />
hin zur Zurichtung erzählt, von der Anmaßung,<br />
der Hilflosigkeit und Überforderung<br />
der Eltern. Das Frappierende <strong>ist</strong>,<br />
dass dabei trotz des sachlichnüchternen<br />
Erzähltons echte Rührung entsteht genauso<br />
wie subversive Komik.<br />
Dass nach dem Tag die Nacht kommt<br />
entstand auf Anregung der belgischen<br />
Produktionsplattform Victoria in Koproduktion<br />
mit dem Festival d’Automne,<br />
Paris, Les Spectacles Vivants – Centre<br />
Georges Pompidou, dem steirischen<br />
herbst Graz und dem Productiehuis<br />
Rotterdam. Die Uraufführung war in<br />
Tim Etchells’ Regie im Mai 2007 beim<br />
KunstenFestivalDesArts in Brüssel. Seither<br />
hatte die Produktion zahlreiche internationale<br />
Gastspiele.<br />
Tim Etchells <strong>ist</strong> Mitbegründer, Autor<br />
und Regisseur der britischen PerformanceGruppe<br />
Forced Entertainment.<br />
S<strong>ein</strong>e Storys Endland sowie s<strong>ein</strong> Roman<br />
Broken World sind, ins Deutsche<br />
übersetzt von Astrid Sommer, im Verlag<br />
diaphanes erschienen.<br />
John Donnelly<br />
Besser wissen<br />
(The Knowledge)<br />
3D – 4H<br />
Deutsch von Karen Witthuhn<br />
Die junge Lehrerin Zoe tritt ihr Referendariat<br />
an – in <strong>ein</strong>er Klasse mit Schülern,<br />
die längst von der Schule geflogen<br />
wären, würde das dem Schulamt nicht<br />
die Stat<strong>ist</strong>ik versauen. Versager in jedem<br />
Lehrfach, Me<strong>ist</strong>er darin, wunde Punkte<br />
aufzuspüren: Karris, Sal, Daniel und<br />
Mickey sind nur zu viert, aber, wie Zoes<br />
Vorgesetzter Harry anmerkt: «Die Reiter<br />
der Apokalypse waren auch nur zu<br />
viert.» Zoe müht sich redlich, aber sie <strong>ist</strong><br />
jung, weiblich, unerfahren: nicht gerade<br />
ideale Voraussetzungen, um sich bei<br />
Schülern und Kollegen Respekt zu verschaffen.<br />
Denn wie Zoe bald feststellt,<br />
hören die Revierkämpfe um Sex, Macht<br />
und Anerkennung im Lehrerzimmer<br />
nicht auf. Ihr Kollege und Mentor Maz<br />
<strong>ist</strong> so attraktiv wie abgebrüht und <strong>ein</strong>er<br />
Affäre niemals abgeneigt. Und Harry <strong>ist</strong><br />
fast jedes Mittel recht, um den Ruf der<br />
Schule nicht völlig den Bach runtergehen<br />
zu lassen. Dennoch gelingt es Zoe<br />
nach und nach, beim täglichen Kampf<br />
um die Kontrolle im Klassenraum die<br />
Oberhand zu behalten. Als aber die Zuneigung<br />
<strong>ein</strong>es ihrer Schüler ihre gesamte<br />
weitere Karriere in Gefahr bringt, kann<br />
sich Zoe ihre Ideale nicht mehr le<strong>ist</strong>en.<br />
Stattdessen muss sie sich entscheiden,<br />
wie viel und vor allem wen sie opfern<br />
will, um ihren Hals zu retten.<br />
Mit «beunruhigender Eindringlichkeit<br />
und ätzendem Humor» (The Independent)<br />
hat John Donnelly, der selbst lan
«Unsicher?<br />
Das <strong>ist</strong> doch<br />
das Zeit-<br />
Magazin-<br />
Wort für<br />
Wichser?»<br />
ge an öffentlichen Schulen<br />
in England unterrichtete, <strong>ein</strong><br />
Stück geschrieben, das weder<br />
in das Lamentieren über<br />
bildungs und erziehungsres<strong>ist</strong>ente<br />
Schüler <strong>ein</strong>stimmt<br />
noch ihre Lehrer denunziert.<br />
«Donnellys Verdienst <strong>ist</strong> es, zu zeigen,<br />
wie Lehrer von ihrem Umfeld be<strong>ein</strong>flusst<br />
sind … Weit entfernt davon, sie<br />
pauschal abzuurteilen, verwe<strong>ist</strong> er darauf,<br />
dass in <strong>ein</strong>er Welt des Mangels, in<br />
der Lehrer gleichzeitig Ersatzeltern und<br />
Sozialarbeiter s<strong>ein</strong> müssen, Standards<br />
kaum zu wahren sind.» (The Guardian)<br />
Besser wissen, das im Januar 2011 am<br />
Londoner Bush Theatre mit großem Erfolg<br />
bei Publikum und Kritik uraufgeführt<br />
wurde, <strong>ist</strong> «k<strong>ein</strong> Stück zur Lage der<br />
Nation, das ideologische Messer zur Bildungsmisere<br />
wetzt … Immer wenn man<br />
zu wissen glaubt, worauf Donnelly hinauswill,<br />
bringt er etwas Neues ins Spiel»<br />
(Financial Times). «Ernüchternd und<br />
äußerst unterhaltsam … Was zunächst<br />
wie <strong>ein</strong> Thesenstück wirken mag, entpuppt<br />
sich auf der Bühne als schrecklich<br />
glaubhaftes, bitter komisches menschliches<br />
Drama.» (The Times) «Lesen Sie<br />
John Donnellys exzellentes Stück Besser<br />
wissen, um (unsere Gesellschaft) besser<br />
zu verstehen.» (Dennis Kelly in Theater<br />
der Zeit)<br />
John Donnelly wurde bisher mit dem<br />
PMA Award für den besten Nachwuchsautor<br />
und dem Sunday Times<br />
Play writing Award ausgezeichnet. Er<br />
unterrichtet an Londons Central School<br />
of Speech and Drama und schreibt derzeit<br />
an <strong>ein</strong>em Stückauftrag für das Royal<br />
Court Theatre, London.<br />
Simon Stephens<br />
Wastwater<br />
3D – 3H<br />
Deutsch von Barbara Chr<strong>ist</strong><br />
«Bester ausländischer Dramatiker des Jahres 2011»<br />
Der 25. Juni, 21 Uhr. Harry nimmt von<br />
s<strong>ein</strong>er Pflegemutter Frieda Abschied – er<br />
geht nach Kanada, und wahrsch<strong>ein</strong>lich<br />
werden sich die zwei nie wieder sehen.<br />
Zeitgleich treffen Mark und Lisa sich<br />
in <strong>ein</strong>em Hotelzimmer zu zwanglosem<br />
Sex, dem Lisas Vorgeschichte aber <strong>ein</strong>e<br />
ungeahnte Richtung gibt. Parallel dazu<br />
wartet Jonathan in <strong>ein</strong>em verlassenen<br />
Hangar auf die Ankunft <strong>ein</strong>es gekauften<br />
Kindes aus Fernost und wird dabei von<br />
der skrupellosen Sian <strong>ein</strong>em quälenden<br />
Kreuzverhör unterzogen.<br />
Wastwater heißt der tiefste See Englands,<br />
der, gelegen im Lake D<strong>ist</strong>rict, nie<br />
ganz von Tageslicht erhellt wird und<br />
ähnlich still und unheimlich wirkt wie<br />
die Ereignisse in Simon Stephens’ Stück.<br />
Kritikerumfrage von Theater heute<br />
«Alle drei Episoden von Wastwater –<br />
inhaltlich subtil mit<strong>ein</strong>ander verlinkt –<br />
spielen nahe dem Flughafen Heathrow<br />
und werden regelmäßig vom Lärm startender<br />
Maschinen durchdonnert. Doch<br />
es <strong>ist</strong> vor allem <strong>ein</strong> unterschwelliger<br />
Horror, der sie durchzuckt. Sie bergen<br />
<strong>ein</strong> Geheimnis, sorgen für Misstrauen<br />
und Unbehagen. Es <strong>ist</strong> der Kopf des<br />
Zuschauers, in dem diese Geschichten<br />
weiterarbeiten, Fragen, Zweifel und<br />
Monster gebären. Hat der Pflegesohn<br />
s<strong>ein</strong>en Freund getötet? Plant er <strong>ein</strong> Attentat?<br />
Geht es (in dem Hangar) tatsächlich<br />
um illegale Adoption – oder nicht<br />
vielleicht um Kindesmissbrauch? Es <strong>ist</strong><br />
die große Qualität von Simon Stephens,<br />
in s<strong>ein</strong>en Stücken mit minimalen Mitteln<br />
messerscharfe Ausrisse der Realität<br />
zu liefern – und es tun sich Abgründe<br />
auf.» (Süddeutsche Zeitung) «Jede Szene<br />
<strong>ist</strong> <strong>ein</strong> blitzendes Rätselfunkelspiel:<br />
nur langsam offenbart sich, wovon die<br />
Rede <strong>ist</strong>, nie, was die Figuren fürchten<br />
und flüchten lässt … Simon Stephens hat<br />
<strong>ein</strong> tastendes, vorsichtiges Stück Menschenerkundung<br />
geschrieben, vielleicht<br />
www.rowohlt-theater.de 29
s<strong>ein</strong> bestes bislang.» (Berliner<br />
Zeitung) «Ein melancholisches,<br />
kl<strong>ein</strong>es Großdrama.» (Frankfurter<br />
Allgem<strong>ein</strong>e Zeitung)<br />
Uraufgeführt wurde Wastwater<br />
im April 2011 in der Regie von<br />
Katie Mitchell am Londoner<br />
Royal Court Theatre; im Mai<br />
gastierte Mitchells Inszenierung<br />
bei den Wiener Festwochen. Das<br />
Stück war in Theater heute 07 / 2011<br />
abgedruckt.<br />
Die deutschsprachige Erstaufführung<br />
<strong>ist</strong> im März 2012 am Schauspiel Köln<br />
(Regie: <strong>Dieter</strong> Giesing), im April gefolgt<br />
von der österreichischen Erstaufführung<br />
am Burgtheater (Akademietheater)<br />
Wien (Regie: Stephan Kimmig).<br />
In der aktuellen Kritikerumfrage von<br />
Theater heute wurde Wastwater zum<br />
besten ausländischen Stück des Jahres<br />
gewählt.<br />
30<br />
«Du triffst <strong>ein</strong>e<br />
Entscheidung. Und<br />
sie bleibt dir. Als<br />
würden dir die<br />
Konsequenzen bis<br />
in die Knochen<br />
dringen. Klingt<br />
das jetzt irgendwie<br />
verrückt?»<br />
Punk Rock, Junges Theater Basel<br />
Three Kingdoms<br />
2D – 11H<br />
Deutsch von Barbara Chr<strong>ist</strong><br />
«Ich glaube, ihr habt da drüben <strong>ein</strong>e<br />
Phantasievorstellung vom Osten, und die<br />
dient eher euerm Selbstwertgefühl,<br />
weil ihr euch dann die Scheiße bei euch zu<br />
Hause nicht so genau ansehen müsst.»<br />
Der abgetrennte Kopf <strong>ein</strong>er Frauenleiche<br />
wird an das Themseufer gespült. Ein<br />
Tatverdächtiger <strong>ist</strong> schnell gefasst, doch<br />
dessen Geständnis <strong>ist</strong> erst der Auftakt<br />
labyrinthischer Ermittlungen, die Detective<br />
Ignatius Stone und s<strong>ein</strong>en Kollegen<br />
Charlie Lee von London über Hamburg<br />
nach Tallinn führen. Immer klarer<br />
sch<strong>ein</strong>en sich die Fäden <strong>ein</strong>es kriminellen<br />
Netzwerks zu entwirren, das sich<br />
auf internationalen Menschenhandel,<br />
Zwangsprostitution und brutale Pornofilme<br />
konzentriert. Bis Ignatius merkt,<br />
dass er – zunehmend geplagt von Schlaflosigkeit<br />
– <strong>ein</strong>er falschen Spur gefolgt <strong>ist</strong><br />
und s<strong>ein</strong>e Irrfahrt durch Europa von Anfang<br />
an <strong>ein</strong> völlig anderes Ziel hatte …<br />
Nicht zufällig erinnert Three Kingdoms<br />
an TVSerien wie The Wire oder<br />
Breaking Bad und entwickelt, nur vordergründig<br />
<strong>ein</strong> Krimi, <strong>ein</strong>en ähnlich kafkaesken<br />
Sog. «M<strong>ein</strong> Stück sollte davon<br />
ausgehen, dass der Teufel womöglich in<br />
uns allen steckt. Dass wir unter Umständen<br />
Jahre damit verbringen, das Böse zu<br />
suchen, um am Ende festzustellen, dass<br />
wir es die ganze Zeit selbst waren. Gut<br />
und Böse haben das exakt gleiche Gesicht.<br />
Das Hinterfragen und Unterwandern<br />
moralischer Gewissheiten <strong>ist</strong> das<br />
Herz des Stückes.» (Simon Stephens)<br />
Three Kingdoms entstand als Auftragswerk<br />
für die Münchner Kammerspiele<br />
in Koproduktion mit dem Teater NO99,<br />
Tallinn, und dem Lyric Hammersmith<br />
Theatre, London. Premiere der dreisprachigen<br />
Uraufführungsinszenierung<br />
(Englisch, Deutsch von Barbara Chr<strong>ist</strong><br />
und Estnisch von Anu Lamp) war in der<br />
Regie von Sebastian Nübling im September<br />
2011 in Tallinn. Seit Oktober 2011<br />
<strong>ist</strong> die Produktion in München zu sehen,<br />
im Mai 2012 wechselt sie nach London.<br />
Im Februar 2011 war außerdem am<br />
Schauspiel Frankfurt die deutschsprachige<br />
Erstaufführung von Stephens’<br />
Monolog Terminal 5 (Regie: Lily Sykes),<br />
die Momentaufnahme <strong>ein</strong>er Frau, die<br />
nach <strong>ein</strong>em traumatischen Erlebnis<br />
plötzlich aus dem Alltag fällt: «Simon<br />
Stephens schafft es, bedrückende Stimmungen<br />
federleicht ersch<strong>ein</strong>en zu lassen.»<br />
(Süddeutsche Zeitung) «Es zeichnet<br />
s<strong>ein</strong>e Texte aus, dass er unglaublich
viel unausgesprochen lässt,<br />
dass die Sätze nur <strong>ein</strong> sehr<br />
weitmaschiges Netz bilden,<br />
durch dessen Lücken <strong>ein</strong>em<br />
ihre Deutung leicht mal entwischen<br />
kann. Oder jedenfalls<br />
die Gewissheit <strong>ein</strong>er bestimmten<br />
Deutung. Es sind,<br />
trotz ihres tragischen Kerns,<br />
zarte Texte.» (Frankfurter<br />
Rundschau)<br />
Stephens’ Stück Punk Rock,<br />
im März 2010 am Deutschen<br />
Schauspielhaus Hamburg<br />
erstaufgeführt (Regie: Daniel<br />
Wahl), wurde in der vergangenen Saison<br />
nachgespielt am Jungen Theater Basel<br />
(Schweizer Erstaufführung, Regie: Sebastian<br />
Nübling), Staatstheater Mainz<br />
(Regie: Matthias Kaschig), Thea ter Kiel<br />
(Regie: Ulrike Maack), Theater Bielefeld<br />
(Regie: Kerstin Lenhart) und am Volkstheater<br />
Wien (Österreichische Erstaufführung,<br />
Regie: Schirin Khodadadian).<br />
In der aktuellen Spielzeit hatte bzw. hat<br />
es Premiere am Schauspielhaus Graz<br />
(September 2011, Regie: Stefan Behrendt)<br />
und am Brandenburger Theater<br />
(Februar 2012, Regie: Chr<strong>ist</strong>iane Ziehl).<br />
Die nächsten Inszenierungen von Stephens’<br />
JarryFortschreibung Ubus Prozess,<br />
uraufgeführt im April 2010 am<br />
Schauspiel Essen in Koproduktion mit<br />
der Toneelgroep Amsterdam (Regie: Sebastian<br />
Nübling), sind im Januar 2012<br />
am Londoner Hampstead Theatre (Regie:<br />
Katie Mitchell) sowie im Mai 2012<br />
am Theater Ingolstadt (Regie: Vince<br />
Zrinyi Gál).<br />
Alan Ayckbourn<br />
Alle lieben George<br />
(Life of Riley)<br />
3D – 3H<br />
Deutsch von Inge Greiffenhagen<br />
Früher war George Riley der Schwarm<br />
sämtlicher Mädchen – die dann allerdings<br />
solidere Jungs geheiratet haben.<br />
Zwei, drei Jahrzehnte später <strong>ist</strong> der<br />
ewige Hippie George immer noch attraktiv,<br />
Single und für Kathryn, Monica<br />
und Tamsin, die alle mal mit ihm liiert<br />
waren, zum heimlichen Sinnbild ihrer<br />
unerfüllten Sehnsüchte geworden. Als<br />
bekannt wird, dass George unheilbar<br />
krank <strong>ist</strong> und voraussichtlich bald sterben<br />
wird, beginnt <strong>ein</strong> Wettkampf der<br />
drei Frauen, wer ihn auf s<strong>ein</strong>em letzten<br />
Weg begleiten darf – sehr zum Entsetzen<br />
ihrer Ehemänner.<br />
«Findest du nicht auch, dass<br />
die me<strong>ist</strong>en Männer nie richtig<br />
zuhören? Nach den ersten<br />
paar Minuten schalten ihre<br />
Ohren langsam auf taub.<br />
Sie hören nur das, was sie<br />
hören wollen. Klar, wenn du<br />
jung b<strong>ist</strong>, dann hängen sie<br />
an d<strong>ein</strong>en Lippen. Aber da<br />
glauben sie auch noch, dass<br />
was dabei für sie heraus-<br />
springt. Zuhören <strong>ist</strong> in ihrem<br />
eigenen Interesse. Aber wenn<br />
du älter wirst und weniger<br />
attraktiv – äußerlich –, hören<br />
sie immer schlechter. Dann<br />
kriegen sie diesen glasigen,<br />
vage interessierten Blick. Als<br />
ob du dich mit ihnen durch<br />
<strong>ein</strong>e Glasscheibe unterhältst.<br />
Wie im Gefängnis oder am<br />
Postschalter.»<br />
Zum ersten Mal hat Alan Ayckbourn<br />
<strong>ein</strong> Stück geschrieben, in dem die<br />
Hauptperson, die das Geschehen dominiert<br />
und ihre Umwelt in <strong>ein</strong> komplettes<br />
Chaos stürzt, nie auftritt. George Riley<br />
wird (auch für den Zuschauer) zur Projektionsfläche<br />
längst begrabener Hoffnungen<br />
und Träume, die plötzlich, wenn<br />
auch aus makaberem Anlass, fröhlich<br />
Wiederauferstehung feiern. In vier unterschiedlich<br />
gepflegten Gärten durchleben<br />
drei klassische Mittelschichtspaare<br />
noch <strong>ein</strong>mal die Gefühlsverwirrung<br />
ihrer Jugend – nur eben als Erwachsene<br />
und in Gestalt <strong>ein</strong>er Tragikomödie voll<br />
schwarzen Humors. Dabei knüpft Ayckbourn<br />
selbst nicht von ungefähr an s<strong>ein</strong><br />
eigenes «Jugendstück», s<strong>ein</strong>en ersten<br />
großen Erfolg Halbe Wahrheiten an:<br />
Es <strong>ist</strong> das Stück, das s<strong>ein</strong>e Figuren als<br />
Mitglieder <strong>ein</strong>er Amateurtheatergruppe<br />
nebenher proben und in dem sich die<br />
Gegenwart so heiter wie melancholisch<br />
spiegelt.<br />
www.rowohlt-theater.de 31
Uraufgeführt wurde Alle lieben George<br />
in Alan Ayckbourns Regie im September<br />
2010 am Stephen Joseph Theatre, Scarborough.<br />
Die deutschsprachige Erstaufführung<br />
<strong>ist</strong> im März 2012 im Großen<br />
Haus des Theaters St. Gallen (Regie:<br />
Tim Kramer).<br />
2009 wurde Alan Ayckbourn für s<strong>ein</strong><br />
Lebenswerk mit dem Laurence Olivier<br />
Special Award ausgezeichnet; 2010 erhielt<br />
er, ebenfalls für s<strong>ein</strong> Lebenswerk,<br />
in New York den Special Tony Award.<br />
32<br />
David Hare<br />
Gethsemane<br />
4D – 5H<br />
Deutsch von Stefan Kroner<br />
Die Regierung steht kurz vor <strong>ein</strong>em<br />
handfesten Skandal: Suzette, Tochter der<br />
Innenmin<strong>ist</strong>erin Meredith Guest, wurde<br />
beim Drogenkonsum erwischt; zugleich<br />
droht Merediths Mann im Ausland <strong>ein</strong><br />
Prozess wegen zwielichtiger Geschäfte.<br />
So etwas kann nicht nur Wählerstimmen<br />
kosten, sondern vor allem noch wertvollere<br />
Parteispenden. Die Fundraiser<br />
sind alarmiert und versuchen mit allen<br />
Mitteln – von dezenten Geldgeschenken<br />
bis hin zur Manipulation von Journal<strong>ist</strong>en<br />
–, die Affäre zu vertuschen. Nicht<br />
auf ihrer Rechnung haben sie jedoch Suzettes<br />
Lust an der Rebellion, gefördert<br />
von ihrer <strong>ein</strong>stigen Lehrerin Lori, die<br />
als bekennende Ideal<strong>ist</strong>in den Gegenpol<br />
zur pragmatischen Meredith bildet. Lori<br />
hat sogar in <strong>ein</strong>em Moment des Zweifels<br />
ihren Beruf gekündigt, statt sich um jeden<br />
Preis an ihn zu klammern, und von<br />
demselben Zweifel wird nun Meredith<br />
erfasst …<br />
«Wir sind<br />
nicht korrupt.<br />
Wir sind<br />
vorsichtig.»<br />
David Hares Stück, im November<br />
2008 am Londoner National<br />
Theatre uraufgeführt, hat<br />
im Jahr der gefälschten Doktorarbeiten<br />
und der Enthüllungen<br />
um das Boulevardblatt News<br />
of the World noch an Aktualität<br />
gewonnen: «Verpackt in<br />
<strong>ein</strong>e hochkomplexe Handlung,<br />
beleuchtet Gethsemane, das zu Hares<br />
besten Stücken zählt, die Überschneidungen<br />
von Wirtschaft, Politik und Medien<br />
… S<strong>ein</strong> wahres Thema aber sind<br />
die Ohnmacht und Entfremdung, die<br />
Menschen mit Idealen angesichts <strong>ein</strong>er<br />
Partei empfinden, die sich weniger um<br />
Inhalte sorgt als um den bloßen Machterhalt.»<br />
(The Guardian) «Eindringlich<br />
zeigt Hare, welchen Zwängen Integrität<br />
und Visionen in <strong>ein</strong>er Welt des sofortigen<br />
Medienechos ausgesetzt sind und<br />
wie stromlinienförmig Regierungsarbeit<br />
heute geworden <strong>ist</strong>.» (Financial Times)<br />
«Gethsemane <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> wichtiges Stück,<br />
das uns unsere aktuelle Misere treffsicher<br />
vor Augen führt.» (Time Out)<br />
Die deutschsprachige Erstaufführung<br />
von Gethsemane <strong>ist</strong> im Februar 2012<br />
am ErnstDeutschTheater, Hamburg<br />
(Regie: Rüdiger Burbach).<br />
Für s<strong>ein</strong>e Drehbücher zu The Hours und<br />
Der Vorleser war David Hare 2003 bzw.<br />
2009 für den Oscar nominiert. Zurzeit<br />
schreibt er am Drehbuch für die Verfilmung<br />
von Jonathan Franzens Roman<br />
Die Korrekturen.
KLASSIKER · BEARBEITUNGEN · STOFFREcHTE<br />
Leo Tolstoi<br />
Anna Karenina<br />
«Ich möchte <strong>ein</strong>en Garten aus<br />
m<strong>ein</strong>em Land machen … Bisher<br />
habe ich k<strong>ein</strong>en Garten Eden<br />
gehabt, geschweige denn bin ich<br />
aus <strong>ein</strong>em vertrieben worden.»<br />
3D – 5H<br />
Bühnenfassung von John von Düffel<br />
Anna Karenina, verheiratet und Mutter<br />
<strong>ein</strong>es neunjährigen Sohnes, re<strong>ist</strong> von<br />
St. Petersburg nach Moskau, um die Beziehung<br />
ihres Bruders und s<strong>ein</strong>er Frau<br />
vor dem endgültigen Aus zu retten. Dass<br />
sie damit ihre eigene Ehe riskiert, ahnt<br />
sie noch nicht. Denn in Moskau begegnet<br />
Anna dem charismatischen Graf Wronski<br />
und beginnt mit ihm <strong>ein</strong>e Amour fou,<br />
die sehr bald öffentlich wird …<br />
John von Düffel gelingt es, Tolstois Klassiker<br />
ganz in unmittelbares Bühnengeschehen<br />
zu verwandeln. Ohne dass die<br />
Geschichte an Wucht und Intensität<br />
verliert, übersetzt er sie durchgehend in<br />
Spielszenen und behutsam aktualisierte<br />
Dialoge, so dass man vollständig vergisst,<br />
dass der Ausgangspunkt ursprünglich<br />
<strong>ein</strong> Roman war.<br />
Düffels Dramatisierung von Anna<br />
Karenina entstand als Auftragswerk für<br />
das Salzburger Landestheater, wo im<br />
April 2012 die Uraufführung s<strong>ein</strong> wird<br />
(Regie: Carl Philip von Maldeghem).<br />
Für das HansOttoTheater Potsdam<br />
hat John von Düffel außerdem Alexan<br />
Jenseits von Eden, Theater Basel<br />
der Solschenizyns Roman Krebsstation<br />
für die Bühne adaptiert; die Uraufführung<br />
<strong>ist</strong> dort im März 2012 (Regie: Tobias<br />
Welle meyer).<br />
Zuletzt wurde im August 2011 John von<br />
Düffels Stück Die Mätresse des Königs<br />
bei den Zwingerfestspielen Dresden uraufgeführt<br />
(Regie: <strong>Dieter</strong> Wedel), und<br />
im November 2010 hatte Düffels Neufassung<br />
von Gullivers Reise (nach Jonathan<br />
Swift) Uraufführung am Deutschen<br />
Nationaltheater Weimar (Regie: Marcelo<br />
Diaz), dicht gefolgt von der Inszenierung<br />
am Theater Heidelberg (Regie:<br />
Annette Büschelberger).<br />
In der aktuellen Spielzeit hat zudem<br />
Sieben Sonette (nach Shakespeare) Premiere<br />
am Rh<strong>ein</strong>ischen Landestheater<br />
Neuss (März 2012, Regie: Katharina<br />
Schmidt). Düffels Klassenzimmerstück<br />
Traumjobs wurde zuletzt nachgespielt<br />
am Theater St. Gallen (Februar 2011,<br />
Regie: Dominik Kaschke), läuft nach<br />
wie vor am Theater Naumburg (Regie:<br />
Paul Sonderegger) und <strong>ist</strong> seit September<br />
2011 zu sehen am SchleswigHolst<strong>ein</strong>ischen<br />
Landestheater (Regie: Ilona Januschewski)<br />
sowie ab November 2011 in<br />
spanischer und katalanischer Erstaufführung<br />
in <strong>ein</strong>er Tourne<strong>ein</strong>szenierung<br />
der Germinal Producciones / Alicante<br />
(Regie: Sergi Calleja).<br />
John St<strong>ein</strong>beck<br />
Jenseits von Eden<br />
(East of Eden)<br />
3D – 7H<br />
Bühnenfassung von Ulrike Syha<br />
Berühmt wurde Jenseits von Eden vor<br />
allem durch Elia Kazans Verfilmung<br />
(1955), die jedoch lediglich auf dem<br />
letzten Drittel von John St<strong>ein</strong>becks<br />
monumentalem Epos basierte. Für ihre<br />
Bühnenfassung greift Ulrike Syha nun<br />
auf den gesamten Roman des Literatur<br />
Nobelpre<strong>ist</strong>rägers zurück. Statt <strong>ein</strong>es<br />
intimen Kammerspiels erzählt sie <strong>ein</strong>e<br />
große Familiensaga, die sich über drei<br />
Generationen spannt und in deren Mikrokosmos<br />
sich die Umwälzungen der<br />
Weltgeschichte spiegeln.<br />
Syhas St<strong>ein</strong>beckDramatisierung entstand<br />
als Auftragswerk für das Theater<br />
Basel, wo im Februar 2011 die Uraufführung<br />
war (Regie: Peter Kastenmüller).<br />
Die deutsche Erstaufführung <strong>ist</strong> im<br />
März 2012 am Theater Bielefeld (Regie:<br />
Chr<strong>ist</strong>ian Schlüter). In der Saison<br />
2012 / 13 geht Syhas Fassung in <strong>ein</strong>er<br />
Produktion der Konzertdirektion Landgraf<br />
auf Tournee.<br />
Mehr zu Ulrike Syha siehe S. 16.<br />
www.rowohlt-theater.de 33
KLASSIKER · BEARBEITUNGEN · STOFFREcHTE<br />
Wie im Himmel, Rh<strong>ein</strong>isches Landestheater Neuss<br />
Kay Pollak<br />
34<br />
Wie im Himmel<br />
(Så som i himmelen)<br />
Besetzung variabel,<br />
mind. 4D – 6H – Chor<br />
Deutsch von Jana Hallberg<br />
Mit Beginn der aktuellen Spielzeit vertritt<br />
der <strong>Rowohlt</strong> Theater Verlag wieder die<br />
deutschsprachigen Aufführungsrechte<br />
an Kay Pollaks Film Wie im Himmel,<br />
den all<strong>ein</strong> in s<strong>ein</strong>er Heimat Schweden<br />
weit über zwei Millionen Kinobesucher<br />
sahen und der 2005 nominiert war für<br />
den Europäischen Filmpreis, den Europäischen<br />
Publikumspreis sowie für den<br />
Oscar als bester fremdsprachiger Film.<br />
Auch auf der Bühne <strong>ist</strong> Pollaks Geschichte<br />
um den Stardirigenten Daniel<br />
Daréus, der nach <strong>ein</strong>em Zusammenbruch<br />
in das Dorf s<strong>ein</strong>er Kindheit zurückkehrt<br />
und dort widerstrebend die<br />
Leitung des Kirchenchors übernimmt,<br />
seit der Uraufführung am Theater Konstanz<br />
(Januar 2007, Regie: Bettina Bruinier)<br />
<strong>ein</strong> Erfolg. Nachgespielt wurde<br />
Wie im Himmel bisher u. a. am Thüringischen<br />
Landestheater Rudolstadt (Regie:<br />
Alejandro Quintana), Theater Bielefeld<br />
(Regie: Michael Heicks), Rh<strong>ein</strong>ischen<br />
Landestheater Neuss (Regie: Bettina<br />
Jahnke), Theater Lübeck (Regie: Pit<br />
Holz warth), Staatstheater Cottbus (Regie:<br />
Mario Holetzeck), Staats theater<br />
Oldenburg (Regie: Michael Uhl) und<br />
bei den Domfestspielen Bad Gandersheim<br />
(Regie: Johannes Klaus). Fast<br />
alle Produktionen hielten sich lange im<br />
Repertoire und wurden von Publikum<br />
und Kritik gefeiert: «Eine Inszenierung,<br />
in der die Lebensfreude triumphiert<br />
und die die Menschen gut gelaunt nach<br />
Hause gehen lässt.» (Lübecker Nachrichten)<br />
«Ein gefühlvolles Stück großartigen<br />
Theaters.» (Neue Westfälische)<br />
«Ein berührender Theaterabend, von<br />
dem man k<strong>ein</strong>e Minute missen möchte.»<br />
(Kieler Nachrichten) «Ergreifend<br />
schön.» (Ostthüringer Zeitung) «Ein<br />
himmlisches Vergnügen mit Tiefgang.»<br />
(Nordwest Zeitung) «Breitwandkino<br />
fürs melancholische Glücklichs<strong>ein</strong>.»<br />
(Die Deutsche Bühne)<br />
Weitere Neuinszenierungen von Wie im<br />
Himmel sind derzeit in Vorbereitung.<br />
Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss, Düsseldorfer Schauspielhaus<br />
Horace McCoy<br />
Nur Pferden gibt man den<br />
Gnadenschuss<br />
(They Shoot Horses, Don’t They?)<br />
Horace McCoys Roman <strong>ist</strong> in den USA<br />
der 1930er Jahre zur Zeit der Weltwirtschaftskrise<br />
angesiedelt. Ein Tanzmarathon<br />
lockt nicht nur mit dem Preisgeld<br />
von 1000 Dollar, sondern auch mit der<br />
Aussicht auf freie Verpflegung zahlreiche<br />
Lebenskünstler, Verzweifelte und<br />
professionelle Glückssucher an. Die<br />
Teilnehmer unterwerfen sich den unmenschlichen<br />
Regeln, die von den Veranstaltern<br />
mit Blick auf die größtmögliche<br />
Publikumsattraktion aufgestellt<br />
werden. Im Grunde heißt das: Tanzen<br />
bis zum Umfallen. Unter den Paaren<br />
sind auch die arbeitslosen FilmStat<strong>ist</strong>en<br />
Gloria und Robert, die sich erst im Rahmen<br />
ihrer Anmeldung für den Wettbewerb<br />
kennengelernt haben. Wochenlang<br />
drehen sie ihre Runden auf dem Tanzboden,<br />
zunehmend zermürbt von körperlicher<br />
Erschöpfung, aber auch von den<br />
zwischenmenschlichen Querelen, die im<br />
Laufe des Marathons eskalieren. Als der<br />
Wettbewerb nach 879 Stunden vorzeitig<br />
abgebrochen wird, gehören Robert und
Gloria zu den letzten 20 Paaren. Gloria<br />
<strong>ist</strong> zu diesem Zeitpunkt bereits verbittert<br />
und völlig desillusioniert. Sie drückt<br />
Robert <strong>ein</strong>e P<strong>ist</strong>ole in die Hand …<br />
Im März 2011 inszenierte Susanne<br />
Ken ne dy <strong>ein</strong>e Fassung von Nur Pferden<br />
gibt man den Gnadenschuss an<br />
den Münchner Kammerspielen, im Mai<br />
2011 war die Premiere von Amélie Niermeyers<br />
Inszenierung am Düsseldorfer<br />
Schauspielhaus. «Der Stoff führt die<br />
Le<strong>ist</strong>ungs und Spektakelgesellschaft<br />
brutalstmöglich vor.» (Süddeutsche Zeitung)<br />
«Unter dem Eindruck der ‹Great<br />
Depression› geschrieben, verdichtet<br />
McCoy die damals populäre Unterhaltung<br />
des Tanzmarathons zur Metapher<br />
für <strong>ein</strong>en (Über)Lebenskampf, der nur<br />
Verlierer kennt.» (Frankfurter Allgem<strong>ein</strong>e<br />
Zeitung)<br />
Seit Anfang 2011 vertritt der <strong>Rowohlt</strong><br />
Theater Verlag die Stoffrechte des Romans.<br />
Da die Theater ihre Bühnenfassungen<br />
auf Grundlage des englischen<br />
Originaltextes erstellen können, liegen<br />
für Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss<br />
k<strong>ein</strong>e Rollenbücher vor.<br />
David Foster<br />
Wallace<br />
Unendlicher Spaß<br />
(Infinite Jest)<br />
Deutsch von Ulrich Blumenbach<br />
1996 erschien Unendlicher Spaß in den<br />
USA und machte David Foster Wallace<br />
über Nacht zum Superstar der Literaturszene.<br />
Nicht all<strong>ein</strong> der schiere Umfang,<br />
sondern vor allem die sprachliche Kreativität,<br />
die ungeheure Themenvielfalt,<br />
die treffsichere Gesellschaftskritik sowie<br />
der Humor machen den Roman zum<br />
Meilenst<strong>ein</strong> der amerikanischen Literatur.<br />
Die Theaterrechte an Unendlicher<br />
Spaß – in der mehrfach preisgekrönten<br />
deutschen Übersetzung von Ulrich Blumenbach,<br />
die beim Verlag Kiepenheuer<br />
& Witsch erschienen <strong>ist</strong> – werden vom<br />
<strong>Rowohlt</strong> Theater Verlag vertreten.<br />
Die Handlung spielt in <strong>ein</strong>em leicht in<br />
die Zukunft versetzten Amerika, das mit<br />
Kanada und Mexiko die «Organisation<br />
der nordamerikanischen Nationen» bildet<br />
und von radikalen Separat<strong>ist</strong>en in<br />
Kanada, den rollstuhlfahrenden «Assassins<br />
des Fauteuils Rolants» (A. F. R.),<br />
KLASSIKER · BEARBEITUNGEN · STOFFREcHTE<br />
bekämpft wird. Das Staatsgebilde wird<br />
von <strong>ein</strong>em ehemaligen Schlagersänger<br />
und hypochondrischen Neurotiker namens<br />
Johnny Gentle regiert.<br />
Unendlicher Spaß, so nannte James<br />
Incandenza s<strong>ein</strong>en Film, der Menschen,<br />
die ihn anschauen, so verhext, dass sie<br />
sich nicht mehr von ihm lösen können<br />
und dabei verdursten und verhungern.<br />
Die A. F. R. <strong>ist</strong> auf der Suche nach der<br />
MasterKassette dieses Films, da sie ihn<br />
für die ultimative Waffe halten, um die<br />
Amerikaner Opfer ihrer eigenen unersättlichen<br />
Gier nach Unterhaltung werden<br />
zu lassen. Ebenso auf der Suche <strong>ist</strong><br />
der Geheimdienst, der die Verbreitung<br />
des Films verhindern möchte. Diese Suche<br />
verbindet unterschiedliche Figuren<br />
mit<strong>ein</strong>ander und fokussiert den Handlungsort<br />
auf die von Incandenza gegründete<br />
Tennisakademie, wo s<strong>ein</strong>e beiden<br />
Söhne Hal und Mario studieren, sowie<br />
<strong>ein</strong> nahe gelegenes Entziehungsheim für<br />
Drogenabhängige. Dabei stellen die Internatsbewohner<br />
um den marihuanaabhängigen<br />
Hal Incandenza und die schrägen<br />
Bewohner der Drogenklinik um den<br />
hünenhaften ExJunkie Don Gately nur<br />
<strong>ein</strong>en kl<strong>ein</strong>en Teil des bunten Figurenpersonals<br />
dar.<br />
Im März 2012 <strong>ist</strong> die Premiere <strong>ein</strong>er<br />
Dramatisierung des Romans am Volkstheater<br />
München (Regie: Bettina Bruinier).<br />
Das Hebbel am Ufer / HAU wird<br />
im Juni 2012 mit <strong>ein</strong>er großangelegten<br />
Adap tion, die in 24StundenPerformances<br />
und in Inszenierungen mehrerer<br />
Regisseure an verschiedenen Orten zu<br />
sehen s<strong>ein</strong> wird, ganz Berlin bespielen.<br />
Eine Bühnenfassung von David Foster<br />
Wallaces Erzählungen Kurze Interviews<br />
mit fiesen Männern <strong>ist</strong> unter dem Titel<br />
Böse Buben in <strong>ein</strong>er Koproduktion der<br />
Münchner Kammerspiele mit den Wiener<br />
Festwochen für Juni 2012 in Vorbereitung<br />
(Regie: Ulrich Seidl).<br />
www.rowohlt-theater.de 35
KLASSIKER · BEARBEITUNGEN · STOFFREcHTE<br />
Oscar Wilde<br />
36<br />
«Heutzutage machen wir alle <strong>ein</strong>en auf Moral, sogar wenns um <strong>ein</strong>en Krieg geht, und jeder<br />
muß so tun, als wäre er <strong>ein</strong> Muster an Friedensliebe, R<strong>ein</strong>heit, Unbestechlichkeit und allen anderen sieben<br />
Tugendsünden – und was<br />
kommt dabei heraus? …<br />
K<strong>ein</strong> Jahr vergeht, ohne<br />
daß hier jemand <strong>ein</strong>fach<br />
so von der Bildfläche verschwindet.<br />
Skandale früher,<br />
die hatten wenigstens<br />
noch <strong>ein</strong>en gewissen Stil!»<br />
Ernst <strong>ist</strong> das Leben (Bunbury), Thalia Theater Hamburg<br />
Der ideale Mann<br />
(An Ideal Husband)<br />
6D – 6H<br />
Deutsche Fassung von Elfriede Jelinek<br />
nach <strong>ein</strong>er Übersetzung von<br />
Karin Rausch<br />
Der populäre Politiker Sir Robert Chiltern,<br />
gut aussehend, glaubwürdig und<br />
vermögend, steht kurz vor dem Aufstieg<br />
ins Kabinett. Dass sich s<strong>ein</strong> Reichtum<br />
<strong>ein</strong>em Insidergeschäft verdankt, getätigt<br />
am Anfang s<strong>ein</strong>er Blitzkarriere,<br />
weiß nur Mrs. Cheveley, die Sir Robert<br />
nun erpresst. Gegen s<strong>ein</strong>e Überzeugung<br />
soll er im Parlament für den dubiosen<br />
HyperAlpenkanal stimmen, in den Mrs.<br />
Cheveley investiert hat. Plötzlich steht<br />
Sir Robert vor der unschönen Entscheidung:<br />
Rücktritt oder Selbstverrat.<br />
Basierend auf <strong>ein</strong>er Übersetzung von<br />
Karin Rausch, lässt Elfriede Jelinek ihre<br />
Neufassung von Oscar Wildes böser<br />
PolitikKomödie zwar nach wie vor im<br />
England des ausgehenden 19. Jahrhunderts<br />
spielen, verteilt jedoch genügend<br />
Seitenhiebe auf die unmittelbare Gegenwart,<br />
dass Ähnlichkeiten zu lebenden<br />
Personen durchaus beabsichtigt sind.<br />
Erstaufführung von Der ideale Mann<br />
<strong>ist</strong> im November 2011 am Burgtheater<br />
(Akademietheater) Wien (Regie: Barbara<br />
Frey), im Dezember gefolgt von der<br />
Schweizer Erstaufführung am Schauspielhaus<br />
Zürich (Regie: Tina Lanik).<br />
Jelineks / Rauschs Neufassung von Oscar<br />
Wildes Ernst <strong>ist</strong> das Leben (Bun bury)<br />
wurde seit ihrer Erstaufführung am<br />
Burgtheater (Akademietheater) Wien<br />
(Februar 2005, Regie: Falk Richter) vielfach<br />
nachgespielt, u. a. am Düsseldorfer<br />
Schauspielhaus (Regie: Patrick Schlösser),<br />
Deutschen Theater Berlin (Regie:<br />
Bettina Bruinier), Schauspielhaus Salzburg<br />
(Regie: Robert Pienz), Theater Heidelberg<br />
(Regie: Bernd Mottl), Thea ter<br />
Osnabrück (Regie: Jos van Kan), Thalia<br />
Theater Hamburg (Regie: Anna Bergmann)<br />
und am Theater Koblenz (Regie:<br />
Andrea Udl). Im Februar 2012 hat sie<br />
am Theater Ingolstadt Premiere (Regie:<br />
Cornelia Crombholz).<br />
Mehr zu Elfriede Jelinek siehe S. 11.<br />
Pierre Carlet de<br />
Marivaux<br />
Triumph der Liebe<br />
(Le Triomphe de l’amour)<br />
3D – 4H<br />
Deutsch von Almuth Voß<br />
Prinzessin Léonide dringt zusammen<br />
mit ihrer Dienerin als Mann verkleidet<br />
in den Garten des Philosophen Hermocrate<br />
<strong>ein</strong>. Hier verbirgt sich der rechtmäßige<br />
Thronfolger des Landes, Prinz Agis,<br />
dessen Vater von Léonides Onkel entmachtet<br />
wurde. Léonide <strong>ist</strong> entschlossen,<br />
das Unrecht wiedergutzumachen<br />
und Agis zu heiraten. Doch um nicht<br />
sofort wieder aus dem Haus des eigenbrötlerischen<br />
Philosophen vertrieben zu<br />
werden, muss sie nicht nur Agis’ Liebe<br />
erringen, sondern auch Hermocrate sowie<br />
dessen spröde Schwester verführen.<br />
Unter Aufbietung größter rhetorischer<br />
Finessen gelingt es Léonide, dreifach<br />
unsterbliche Liebe hervorzurufen, bis<br />
sie am Ende den Betrug aufdeckt und<br />
ihre Eroberung Agis heimführt.<br />
Almuth Voß’ Neuübersetzung von Marivaux’<br />
doppelbödiger Komödie um die<br />
Macht der Sprache und die Skrupellosigkeit<br />
des Gefühls entstand im Auftrag<br />
des Stadttheaters Bern und wird dort im<br />
Dezember 2011 erstaufgeführt (Regie:<br />
Matthias Kaschig).<br />
Für den <strong>Rowohlt</strong> Theater Verlag hat Almuth<br />
Voß außerdem Stücke von Fabrice<br />
Melquiot sowie Victorien Sardous Tosca<br />
ins Deutsche übertragen.
William<br />
Shakespeare<br />
Julius caesar<br />
Neufassung von Feridun Zaimoglu<br />
und Günter Senkel<br />
3D – 6H<br />
Nach Othello und Hamlet, die in Luk<br />
Percevals Inszenierungen nach wie vor<br />
am Thalia Theater Hamburg zu sehen<br />
sind, sowie nach Romeo und Julia haben<br />
Feridun Zaimoglu und Günter Senkel<br />
mit Julius Caesar bereits ihre vierte<br />
Neufassung <strong>ein</strong>es ShakespeareDramas<br />
geschrieben. Entstanden <strong>ist</strong> sie als Auftragswerk<br />
für das Theater Kiel, wo im<br />
April 2011 die Erstaufführung war (Regie:<br />
Anne Sophie Domenz).<br />
Ebenfalls für das Theater Kiel arbeiten<br />
Zaimoglu / Senkel zurzeit an dem Stück<br />
Bildergeschichten, das als theatraler<br />
Rundgang durch die Kieler Kunsthalle<br />
konzipiert <strong>ist</strong> und auf <strong>ein</strong>zelne Werke<br />
der dortigen Sammlung Bezug nehmen<br />
wird. Die Uraufführung des ersten<br />
Teils mit dem Untertitel Liebe, diesseits,<br />
jenseits <strong>ist</strong> im November 2011 (Regie:<br />
Nora Mansmann); der zweite Teil wird<br />
im März 2012 Premiere haben.<br />
Zuletzt wurde von Zaimoglu / Senkel<br />
an den Münchner Kammerspielen im<br />
April 2011 Alpsegen uraufgeführt (Regie:<br />
Sebastian Nübling), das auch zu<br />
den Autorentheatertagen am Deutschen<br />
Theater Berlin <strong>ein</strong>geladen war: «Mit auf<br />
deutschen Bühnen schon lange nicht<br />
mehr gehörter Sprachlust und Idiomverliebtheit<br />
stürzen sich Zaimoglu / Senkel<br />
in <strong>ein</strong> überbordendes Stimmengewirr<br />
aus wundersamen Wortzusammensetzungen,<br />
anmutigen Alliterationen und<br />
kühnen Syntaxverstrebungen.» (Theater<br />
heute) «Den Alpsegen sprechen die<br />
Bauern im Gebirge jeden Tag, auf dass<br />
ihr Vieh beschützt sei und die Ernte<br />
reich werde. Das <strong>ist</strong> sie tatsächlich, die<br />
Ernte, im Text von Zaimoglu / Senkel …<br />
Ein herrlicher, ungem<strong>ein</strong> saftiger Alb<br />
Alpsegen, Münchner Kammerspiele<br />
KLASSIKER · BEARBEITUNGEN · STOFFREcHTE<br />
traum … Man nimmt aus dieser Aufführung<br />
<strong>ein</strong>en f<strong>ein</strong>en Rausch mit nach<br />
Hause.» (Süddeutsche Zeitung)<br />
Außerdem hatte im März 2011 an der<br />
Neuköllner Oper das Libretto Discount<br />
Diaspora Uraufführung (Musik: Vivan<br />
und Ketan Bhatti, Regie: Markus H<strong>ein</strong>zelmann),<br />
und im Auftrag der Wuppertaler<br />
Bühnen haben Feridun Zaimoglu<br />
und Günter Senkel das Libretto für die<br />
Kammeroper Aufstand geschrieben, deren<br />
Uraufführung in der Komposition<br />
von Enver Yalçin Özdiker im März 2012<br />
s<strong>ein</strong> wird.<br />
Im Verlag Kiepenheuer & Witsch <strong>ist</strong> im<br />
Herbst 2011 Feridun Zaimoglus neuer<br />
Roman Ruß erschienen, dessen Dramatisierung<br />
bereits zur Uraufführung in<br />
der Saison 2012 / 13 optioniert <strong>ist</strong>.<br />
www.rowohlt-theater.de 37
KLASSIKER · BEARBEITUNGEN · STOFFREcHTE<br />
Zwischenfälle, Burgtheater (Akademietheater) Wien<br />
Daniil Charms<br />
Der <strong>Rowohlt</strong> Theater Verlag vertritt für<br />
den Verlag Galiani Berlin die Aufführungsrechte<br />
an Alexander Nitzbergs und<br />
Beate Rauschs Neuübersetzungen von<br />
Daniil Charms’ Gesamtwerk, die seit<br />
2010 in der ersten deutschen Charms<br />
Werkausgabe bei Galiani ersch<strong>ein</strong>en.<br />
«Nun kommt der ‹richtige› Daniil<br />
Charms! … Nitzberg begreift (und zitiert)<br />
Charms als den Performer, der<br />
er war … Es geht um Klanglichkeit,<br />
um den Vortrag, um das Gedicht als<br />
Ereignis, nicht nur als Text. Daraus erwachsen<br />
strenge Kriterien, auch wenn<br />
deren Ziel das höchste Maß an Verspieltheit,<br />
an Nonsens, an Sprachkomik<br />
und Albernheit manchmal, s<strong>ein</strong> mag.»<br />
(Deutschlandradio) «Nie hat man Nitzberg<br />
beschwingter gesehen als hier bei<br />
Daniil Charms, den er nicht <strong>ein</strong>fach<br />
übersetzt … mit dem er vielmehr korrespondiert,<br />
dessen Schreibbewegung er<br />
mitvollzieht und dessen vielfältigen Intonationen<br />
er im Deutschen zu entsprechender<br />
Echowirkung verhilft.» (Neue<br />
Zürcher Zeitung) «Die Prosa … <strong>ist</strong> in<br />
der Übersetzung von Beate Rausch <strong>ein</strong><br />
<strong>ein</strong>ziges schaurigschönes Vergnügen.<br />
Im Alltäglichen, Banalen entdeckte<br />
Charms das Mystische, im Biederen das<br />
38<br />
«Tragischer <strong>ist</strong> Komik derzeit nicht zu haben.»<br />
Frankfurter Allgem<strong>ein</strong>e Sonntagszeitung<br />
Schaurige, im Harmlosen die widerwärtigste<br />
Brutalität.» (Frankfurter Allgem<strong>ein</strong>e<br />
Zeitung)<br />
Eine Auswahl von Charms Prosawerken<br />
und Gedichten wurde im Februar<br />
2011 in der Regie von Andrea Breth mit<br />
überwältigendem Erfolg am Burgtheater<br />
(Akademietheater) Wien in der Produktion<br />
Zwischenfälle gezeigt. Neben<br />
zwei vollständigen Theaterstücken hat<br />
Daniil Charms auch <strong>ein</strong>e Fülle kurzer<br />
dramatischer Szenen geschrieben.<br />
Jelisaweta Bam<br />
2D – 3H<br />
Deutsch von Alexander Nitzberg<br />
Jemand hämmert an Jelisaweta Bams<br />
Tür: Draußen stehen zwei Männer,<br />
die sie verhaften wollen. Doch gerade<br />
als sie beginnen, die Tür aufzubrechen,<br />
endet die mit «Realismus, Melodram»<br />
überschriebene erste Szene und Szene 2,<br />
«Rea lis mus, Komödie» beginnt. Schlagartig<br />
ändert sich die Stimmung, unter<br />
den Herren draußen entbrennt <strong>ein</strong> heftiger<br />
Streit – Szenenwechsel. Szene 3,<br />
«Absurde Komik, naiv»: Die Besucher<br />
haben ihre Mission völlig vergessen und<br />
führen alberne Zaubertricks vor. Im wilden<br />
Schw<strong>ein</strong>sgalopp wechseln die Sze<br />
nen und mit ihnen die Genres – bis in der<br />
vorletzten Szene 18 die Aus gangs situation<br />
wieder hergestellt <strong>ist</strong>: Jelisaweta<br />
Bam wird tatsächlich verhaftet und abgeführt,<br />
für <strong>ein</strong>en Mord, der zu Beginn<br />
des Stücks noch gar nicht geschehen<br />
war. Statt <strong>ein</strong>es Entkommens vergönnt<br />
ihr das Stück nur <strong>ein</strong>e Schlussszene –<br />
«Kadenz, opernhaft».<br />
20 Jahre vor den absurden Theaterstücken<br />
Ionescos und Becketts entzieht<br />
Daniil Charms in Jelisaweta Bam dem<br />
Zuschauer alle Verlässlichkeiten und<br />
evoziert gerade im dauernden surrealen<br />
Wandel den Widersinn des Geschehens.<br />
Charms schrieb Jelisaweta Bam für die<br />
Theatersektion der AvantgardeGruppierung<br />
Oberiu, die das Stück im Januar<br />
1928 unter s<strong>ein</strong>er Regie uraufführte.<br />
In ihrer Deklaration heißt es: «Die<br />
dramaturgische Handlung des Stücks<br />
wird von vielen quasi nebensächlichen<br />
Themen verwackelt … darum wird<br />
der Zuschauer in der dramaturgischen<br />
Handlung k<strong>ein</strong>e klare narrative Linie<br />
erkennen (denn diese glimmt gleichsam<br />
dahinter), dafür aber <strong>ein</strong>e szenische<br />
Handlung, die sich mit Sturmgewalt<br />
aus allen Elementen unseres Spektakels<br />
heraus entwickelt.»
Kinder- und Jugendtheater<br />
Daniil Charms<br />
Zirkus Schardam<br />
Besetzung variabel<br />
Empfohlen ab 6 Jahren<br />
Deutsch von Alexander Nitzberg<br />
Im Zirkus Schardam geht alles drunter<br />
und drüber. Denn während die Vorstellung<br />
läuft, platzt immer wieder Wendehals<br />
in die verschiedenen Nummern,<br />
der selbst auch <strong>ein</strong>mal auftreten möchte.<br />
Leider hat er nur eher zweifelhafte<br />
Kunststücke auf Lager: Er steht auf<br />
<strong>ein</strong>em B<strong>ein</strong>, bellt (<strong>ein</strong>em Hund überhaupt<br />
nicht ähnlich) oder imitiert <strong>ein</strong>e<br />
Fliege. Nichts davon kann den Zirkusdirektor<br />
überzeugen, der zunehmend<br />
verzweifelt versucht, die Vorstellung im<br />
Griff zu behalten und sich gleichzeitig<br />
des lästigen Eindringlings zu entledigen.<br />
Er entwickelt <strong>ein</strong>en hinterl<strong>ist</strong>igen<br />
Plan – doch eben als er glaubt, Wendehals<br />
endgültig los zu s<strong>ein</strong>, setzt dieser<br />
versehentlich nicht nur die ganze Manege<br />
unter Wasser, sondern lässt auch<br />
noch den gefräßigen Haifisch Fifi frei.<br />
«Wunderbare Figuren, running gags<br />
und Missgeschicke, überhaupt <strong>ein</strong>e geradezu<br />
anarchische Komik. Man kann<br />
den Zirkus Schardam deutschsprachigen<br />
Bühnen nur ans Herz legen …<br />
R<strong>ein</strong>ster, schönster Blödsinn – und <strong>ein</strong>e<br />
lautpoetische Fingerübung, <strong>ein</strong>e Verneigung<br />
vor den russischen Futur<strong>ist</strong>en und<br />
ihrer Kunstsprache zwischen Magie und<br />
Mathematik.» (Deutschlandradio)<br />
1935 für das Leningrader Marionettentheater<br />
geschrieben, wurde das Stück<br />
direkt nach der Premiere von den Behörden<br />
abgesetzt. In Deutschland wurde<br />
es erst nach der Jahrtausendwende wiederentdeckt<br />
und vielfach gespielt.<br />
Schwarze Milch. Klassenfahrt nach Auschwitz, Comedia Theater, Köln<br />
«<strong>Dieter</strong> <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> <strong>Arsch</strong>.»<br />
Holger Schober<br />
Du b<strong>ist</strong> dabei!<br />
Klassenzimmerstück<br />
1D – 1H<br />
Empfohlen ab 12 Jahre<br />
Diese Tour <strong>ist</strong> ihre letzte Chance. Bastian<br />
Wunz (sieht so aus, wie er heißt)<br />
und Lisa Lohr (<strong>ist</strong> nicht mehr die<br />
StyleIkone, die sie in der dritten Staffel<br />
war) waren mal Stars <strong>ein</strong>er der vielen<br />
Castingshows, spielten vor Hunderttausenden<br />
und haben schon TopFünfHits<br />
vorzuweisen. Jetzt sind sie ganz unten<br />
angekommen: Sie treten in Klassenzimmern<br />
auf. Bastian hält mit s<strong>ein</strong>er<br />
Abscheu vor diesem mickrigen Publikum<br />
nicht hinterm Berg. Er <strong>ist</strong> halt<br />
das großmäulige, sozial inkompetente<br />
Musik genie. Da muss erst Lisa in ihre<br />
Rolle als optim<strong>ist</strong>ischer Energiefrosch<br />
schlüpfen, um Bastian zum professionellen<br />
«Performen» zu bewegen. Denn<br />
schließlich wird ihr Auftritt mit der<br />
mitgebrachten Kamera für <strong>ein</strong>e Realityshow<br />
dokumentiert. Dort können sie<br />
sich dann endlich mal so zeigen, wie sie<br />
wirklich sind. Aber wie sehr die beiden<br />
längst mit den Rollen, die ihnen vom<br />
Management vorgeschrieben wurden,<br />
verschmolzen sind, ob Bastian schwul<br />
<strong>ist</strong>, Lisa Depressionen hat, die beiden<br />
<strong>ein</strong> heimliches Liebespaar sind – all das<br />
<strong>ist</strong> letztlich egal. Eine Karriere als Musiker<br />
sch<strong>ein</strong>t mittlerweile angesichts ihrer<br />
desolaten Situation undenkbar. Dieser<br />
ganze CastingZirkus <strong>ist</strong> doch menschenverachtend,<br />
bei so <strong>ein</strong>em Dreck<br />
www.rowohlt-theater.de 39
Kinder- und Jugendtheater<br />
kann man nicht mitmachen, da sind sich<br />
Bastian und Lisa <strong>ein</strong>ig. Sobald sie dieses<br />
hochemotionale Material im Kasten<br />
haben, leiten sie zum Höhepunkt ihres<br />
Auftritts über: Das Publikum wird <strong>ein</strong>en<br />
der beiden rausvoten und somit bestimmen,<br />
wer die Schultour fortsetzen darf.<br />
Du b<strong>ist</strong> dabei! entstand als Auftragswerk<br />
für die internationale Koproduktion des<br />
Deutschen Theaters Berlin mit Fondazione<br />
TeatroDue Parma und dem Jungen<br />
Theater Zagreb. Die Uraufführung <strong>ist</strong><br />
am Deutschen Theater im November<br />
2011 (Regie: Dominik Günther), danach<br />
folgen die Produktionen in Italien<br />
und Kroatien.<br />
Im März 2011 war die Uraufführung<br />
von Schwarze Milch. Klassenfahrt nach<br />
Auschwitz am Comedia Theater, Köln<br />
(Regie: Ulrike Stöck). «Ein Balanceakt,<br />
der Schober großartig gelingt. Trotz<br />
des ernsten Themas <strong>ist</strong> Schwarze Milch<br />
wohltuend frei von falscher Betroffenheit.»<br />
(WDR) «Schober erschafft <strong>ein</strong><br />
aufklärendes Stück frei von verklemmter<br />
Political Correctness.» (Kölner<br />
Stadtanzeiger) Zuletzt wurde Aus der<br />
Traum, das als Auftragswerk für das<br />
Theater der Jungen Welt entstand, im<br />
September 2011 in Leipzig uraufgeführt<br />
(Regie: Jürgen Zielinski). Ebenfalls im<br />
September war die österreichische<br />
Erstaufführung von Heimat.com am<br />
Dschungel Wien (Regie: Kevin E. Osenau).<br />
Im März 2012 zeigt das Stadt theater<br />
Bremerhaven die Uraufführung von<br />
Holger Schobers neuem Stück mit dem<br />
Arbeitstitel Feiert! Facebooked! Folgt!<br />
40<br />
«Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende.<br />
Abgesehen von denen natürlich, die ihre Köpfe <strong>ein</strong>gebüßt hatten,<br />
denn die waren natürlich schon tot.»<br />
Dennis Kelly<br />
Unser Lehrer <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> Troll<br />
(Our Teacher’s a Troll)<br />
Besetzung variabel, mindestens<br />
drei Darsteller/innen<br />
Empfohlen ab 8 Jahren<br />
Deutsch von John Birke<br />
Als Holly und Sean, die schrecklichen<br />
Zwillinge, ihrer Schrecklichkeit mal<br />
wieder freien Lauf lassen, erleidet ihre<br />
Schulleiterin Mrs. Spike <strong>ein</strong>en Nervenzusammenbruch.<br />
Sie sitzt muhend in der<br />
Sandk<strong>ist</strong>e und isst Sand, dann wird sie<br />
fortgebracht. Mrs. Spikes Nachfolger<br />
<strong>ist</strong> <strong>ein</strong> Troll, der, weil er nun mal <strong>ein</strong><br />
Troll <strong>ist</strong>, Kindern und Lehrern bei der<br />
kl<strong>ein</strong>sten Ungezogenheit den Kopf abreißt<br />
– und das <strong>ist</strong> sehr wörtlich zu verstehen.<br />
Aber mit der Ankunft des neuen<br />
Schulleiters haben nicht nur die Streiche<br />
<strong>ein</strong> Ende. Statt Französisch, Mathe<br />
oder Geschichte zu lernen, müssen die<br />
Schüler jetzt jeden Tag in der Goldmine<br />
schuften, die auf dem Schulhof ausgehoben<br />
wird. Doch so schwer die Arbeit<br />
auch <strong>ist</strong>: Wenn man <strong>ein</strong> Kind <strong>ist</strong> (und<br />
speziell <strong>ein</strong> schrecklicher Zwilling), lässt<br />
sich auch beim besten Willen die <strong>ein</strong>e<br />
oder andere Ungezogenheit kaum vermeiden.<br />
Jeden Tag verhängt der Troll<br />
neue Strafmaßnahmen, lässt Rosenkohl<br />
in Erdnussbutter servieren und Männer<br />
und Frauen ihre Schuhe tauschen – aber<br />
niemand rebelliert. Nur Sean und Holly<br />
wollen sich nicht kampflos geschlagen<br />
geben. Immerhin <strong>ist</strong> Kinder zu fressen<br />
definitiv nicht erlaubt. Sie suchen Hilfe,<br />
aber leider stellen sich die Erwachsenen,<br />
an die sie sich wenden, als völlig nutzlos<br />
heraus: Von ihrer Mutter bis hin zum<br />
Premiermin<strong>ist</strong>er <strong>ist</strong> niemand bereit, etwas<br />
zu unternehmen. Da beschließen<br />
die Kinder, die Sache selbst in die Hand<br />
zu nehmen, und begeben sich dabei in<br />
große Gefahr.<br />
Unser Lehrer <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> Troll <strong>ist</strong> Dennis Kellys<br />
erstes Kinderstück. Im April 2009<br />
wurde es vom National Theatre of Scotland<br />
am Mull Theatre als Auftakt <strong>ein</strong>er<br />
schottlandweiten Tournee uraufgeführt.<br />
Im Februar 2012 <strong>ist</strong> die deutschsprachige<br />
Erstaufführung am Schauspiel Hannover<br />
(Regie: Ricarda Beilharz). «Ein<br />
Fest der Ungezogenheit und des Fragenstellens;<br />
<strong>ein</strong> wilder, haarsträubender<br />
Spaß.» (The Guardian)
Yoko Tawada<br />
M<strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong>er Zeh war <strong>ein</strong><br />
Wort<br />
1D – 1H<br />
Empfohlen ab 8 Jahre<br />
«Hallo. Hallo, schön, dass du uns besuchst.<br />
Du hast schon gehört, ja, es <strong>ist</strong><br />
wirklich ungewöhnlich, dass das Haus<br />
verschwunden <strong>ist</strong>. Aber uns geht es erstaunlich<br />
gut, und unser Kind sch<strong>ein</strong>t besonders<br />
glücklich zu s<strong>ein</strong>.» Mit dem Verlust<br />
und dem Verschwinden von Haus,<br />
Arbeit, Regeln und Grenzen beginnt<br />
auch das Gewohnte und Gewöhnliche<br />
sich aufzulösen. Die vertrauten Wörter<br />
und Klänge öffnen sich für neuen Sinn;<br />
die kl<strong>ein</strong>e Familie in Tawadas Stück<br />
richtet sich <strong>ein</strong> in <strong>ein</strong>er Welt aus Sprache.<br />
Ausgehend von den Buchstaben des<br />
Alphabets, entstehen Szenen, Wörter<br />
und Bilder. Dabei tun sich unerwartete<br />
Fragen auf: Ob in dem Wort «Dusche»<br />
Wasser läuft? Wie betritt man <strong>ein</strong> Haus<br />
ohne Tür? Träumt <strong>ein</strong> Adler manchmal<br />
davon, <strong>ein</strong> Hase zu s<strong>ein</strong>? Braucht <strong>ein</strong><br />
Regenschirm den Regen? Unbeschwert<br />
von Linearität und Chronologie, <strong>ist</strong><br />
M<strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong>er Zeh war <strong>ein</strong> Wort <strong>ein</strong> Tanz<br />
der Bedeutungen, in dem auch das, was<br />
tragisch und dramatisch s<strong>ein</strong><br />
könnte, neue Leichtigkeit gewinnt.<br />
Konkret und zugleich<br />
philosophisch lässt der Text<br />
den Gedanken der Zuschauer<br />
Raum für eigene Assoziationen<br />
und Bilder.<br />
«Das Alphabet als Welt, jeder<br />
Buchstabe <strong>ein</strong> Wort und Beginn<br />
<strong>ein</strong>er Szene – das Spiel damit fügt sich<br />
zu <strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>en Kosmos als Theater<br />
der erzählten Dinge … Tawada hat <strong>ein</strong><br />
‹Alphabeet› bereitet, auf dem die Schauspieler<br />
Geschichten sprießen lassen, von<br />
A wie anders bis Z wie zählen … Ein<br />
Spiel als Anregung, die eigene Sprache<br />
mit Tawadas staunendem Blick zu begreifen.»<br />
(Thomas Irmer für die Auswahljury<br />
des Mülheimer KinderStücke<br />
Preises 2011)<br />
M<strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong>er Zeh war <strong>ein</strong> Wort entstand<br />
als Auftragswerk für die Theaterwerkstatt<br />
Pilkentafel in Flensburg,<br />
wurde dort im Juni 2010 uraufgeführt<br />
und war nominiert für den Mülheimer<br />
KinderStückePreis 2011. Im April 2013<br />
hat das Stück an der Württembergischen<br />
Landesbühne Esslingen Premiere.<br />
Yoko Tawada wurde 1960 in Tokio<br />
geboren und studierte in Japan Literaturwissenschaften.<br />
Seit 1982 lebt sie in<br />
Deutschland. Tawada schreibt Essays,<br />
Prosa, Theaterstücke, Hörspiele und<br />
Lyrik in deutscher und japanischer Sprache<br />
und wurde vielfach ausgezeichnet.<br />
Kinder- und Jugendtheater<br />
Finegan<br />
Kruckemeyer<br />
Das tragische Leben des<br />
Käsejungen<br />
(The Tragical Life of Cheeseboy)<br />
1D oder 1H<br />
Empfohlen ab 6 Jahre<br />
Deutsch von Thomas Kruckemeyer<br />
Das Leben des Käsejungen nimmt <strong>ein</strong>e<br />
dramatische Wendung, als s<strong>ein</strong>e eigenartig<br />
märchenhafte Welt, <strong>ein</strong> Miniaturplanet<br />
mitsamt s<strong>ein</strong>er ganzen Familie<br />
zerstört wird. Durch <strong>ein</strong>en glücklichen<br />
Zufall, eigentlich weil er sich nicht an<br />
die Verbote s<strong>ein</strong>er Eltern hält, driftet der<br />
kl<strong>ein</strong>e Held schlafend in <strong>ein</strong>em Beiboot<br />
ins Weltall hinaus, ohne von der Kata<br />
www.rowohlt-theater.de 41
Kinder- und Jugendtheater<br />
strophe etwas zu bemerken. So beginnt<br />
<strong>ein</strong>e Odyssee, die ihn auf der Suche nach<br />
s<strong>ein</strong>en Eltern und nach sich selbst durch<br />
die Wüste, übers Meer und bis zum<br />
Mond und zurück führt. Bald muss er<br />
erkennen, dass er nach s<strong>ein</strong>er Heimat<br />
noch viele andere Dinge verlieren wird.<br />
S<strong>ein</strong>e beiden neuen Freunde, die als Astronom<br />
und Astrologin durch die Welt<br />
ziehen, sind nur temporäre Gefährten,<br />
und selbst Ebbe und Flut erweisen sich<br />
auf s<strong>ein</strong>er Reise als unbeständig. Das<br />
mag traurig s<strong>ein</strong>, aber es <strong>ist</strong> nie hoffnungslos.<br />
Dementsprechend <strong>ist</strong> auch der<br />
Erzähler dieser Geschichte vom Verlieren<br />
und (Wieder)Finden unbeschwert<br />
heiter und nie um <strong>ein</strong>e überraschende<br />
Wendung oder <strong>ein</strong> zuversichtliches Lied<br />
verlegen. Am Ende steht der Protagon<strong>ist</strong><br />
ganz all<strong>ein</strong>e und mit neuem Selbstbewussts<strong>ein</strong><br />
am Rand <strong>ein</strong>er unüberschaubaren<br />
Welt, vielleicht so <strong>ein</strong>sam wie nie<br />
zuvor – und erfüllt uns trotzdem mit<br />
seltsamer Zuversicht.<br />
Finegan Kruckemeyer, 1981 als Sohn <strong>ein</strong>es<br />
Deutschen in Irland geboren, <strong>ist</strong> in<br />
Australien aufgewachsen und lebt derzeit<br />
in Tasmanien. Er hat bereits über<br />
40 Stücke geschrieben, die international<br />
aufgeführt wurden. Er war u. a. zu World<br />
Interplay 2005, zum ASSITEJ Weltkongress<br />
2008 und zuletzt zum ASSITEJ<br />
Weltkongress 2011 in Kopenhagen <strong>ein</strong>geladen.<br />
Das tragische Leben des Käsejungen<br />
wurde 2008 uraufgeführt, mit<br />
zahlreichen Preisen ausgezeichnet und<br />
war u. a. in England, Spanien, Kanada<br />
und den USA zu sehen. Die deutschsprachige<br />
Erstaufführung <strong>ist</strong> im März 2012<br />
am Theater Ingolstadt (Regie: Donald<br />
Berkenhoff).<br />
42<br />
Alina Bronsky<br />
Scherbenpark<br />
Bühnenfassung von Thomas Richhardt<br />
1D<br />
Empfohlen ab 16 Jahre<br />
Sascha, 17, hat zwei Träume: «Ich will<br />
Vadim töten. Und ich will <strong>ein</strong> Buch über<br />
m<strong>ein</strong>e Mutter schreiben. Ich habe auch<br />
schon <strong>ein</strong>en Titel: ‹Die Geschichte <strong>ein</strong>er<br />
hirnlosen rothaarigen Frau, die noch<br />
leben würde, wenn sie auf ihre kluge<br />
älteste Tochter gehört hätte›.» Seit er<br />
Saschas Mutter erschossen hat, sitzt<br />
Vadim im Gefängnis. Und Sascha lebt<br />
mit ihren zwei jüngeren Geschw<strong>ist</strong>ern<br />
und <strong>ein</strong>er Tante aus Sibirien weiter in<br />
ihrer Plattenbausiedlung am Stadtrand,<br />
auch schlicht «Russenghetto» genannt.<br />
Getrieben von ihrer Wut und ihrem messerscharfen<br />
Verstand, hat sie k<strong>ein</strong>esfalls<br />
vor, sich mit ihrem Schicksal <strong>ein</strong>fach so<br />
abzufinden. Sie wird an ihrem katholischen<br />
Elitegymnasium weiter Einsen<br />
schreiben, sie wird für ihre Geschw<strong>ist</strong>er<br />
sorgen, und sie wird ihre Mutter rächen,<br />
so viel <strong>ist</strong> klar. Doch als sie den Journal<strong>ist</strong>en<br />
Volker und dessen Sohn Felix ken<br />
nenlernt, entwickelt die Geschichte sich<br />
in <strong>ein</strong>e unerwartete Richtung. «Je mehr<br />
Sascha ihre Stärke, ihre Selbständigkeit<br />
und ihre Unerschrockenheit betont,<br />
umso sichtbarer werden ihre Ängste,<br />
ihre Verzweiflung und ihre Sehnsüchte<br />
… Von <strong>ein</strong>er, die auszog, das Fürchten<br />
zu lernen, könnte dieses Buch auch<br />
heißen.» (Süddeutsche Zeitung)<br />
Alina Bronskys Debütroman Scherbenpark,<br />
erschienen 2008 bei Kiepenheuer<br />
& Witsch, war für den Deutschen Jugendliteraturpreis<br />
2009 sowie für den<br />
Aspekte Literaturpreis nominiert. Der<br />
<strong>Rowohlt</strong> Theater Verlag vertritt die<br />
Dramatisierungsrechte an dem Roman.<br />
Thomas Richhardts Monologfassung<br />
wurde im Juli 2010 am Theaterhaus<br />
Stuttgart uraufgeführt (Regie: Werner<br />
Schretzmeier). Außerdem hatte der<br />
Text in jeweils eigenen Spielfassungen<br />
am Deutschen Theater Berlin (November<br />
2010, Regie: Annette Kuß) und am<br />
Thea ter haus Frankfurt (Juni 2011, Regie:<br />
Elisabeth Gabriel) Premiere.
Wolfgang<br />
Herrndorf<br />
Tschick<br />
Bühnenfassung von Robert Koall<br />
1D – 3H<br />
Empfohlen ab 14 Jahre<br />
Es <strong>ist</strong> der erste Tag der Sommerferien.<br />
Die Mutter des 14jährigen Maik <strong>ist</strong><br />
beim jährlichen Entzug, s<strong>ein</strong> Vater mit<br />
jugendlicher Geliebter auf Geschäftsreise,<br />
der Rest der Klasse <strong>ein</strong>geladen bei der<br />
Geburtstagsfeier der Jahrgangsschönsten.<br />
Und Maik all<strong>ein</strong> mit Villa, Pool<br />
und 200 Euro Taschengeld. Da taucht<br />
Tschick vor Maiks Haustür auf, in <strong>ein</strong>em<br />
geklauten Lada. Tschick <strong>ist</strong> noch<br />
neu in Maiks Klasse, <strong>ein</strong> Proll aus der<br />
Hochhaussiedlung, öfters betrunken,<br />
möglicherweise Russenmafia. Trotzdem<br />
steigt Maik <strong>ein</strong>. Zuerst wollen die beiden<br />
noch Richtung Walachei, Tschicks<br />
Familie besuchen, aber schon bald<br />
(«Landkarten sind für Muschis») fahren<br />
sie <strong>ein</strong>fach drauflos, die Fenster offen,<br />
als Soundtrack die <strong>ein</strong>zig verfügbare<br />
Kassette, Richard Claydermans Solid<br />
Gold Collection.<br />
Tschick <strong>ist</strong> die Geschichte <strong>ein</strong>er sommerlichen<br />
Deutschlandreise durch <strong>ein</strong><br />
vertrautes, fremdes Land. Durch Orte<br />
mitten im Nirgendwo, bizarre Kraterlandschaften<br />
und fehlplatzierte Gebirgszüge,<br />
bevölkert von seltsamen, aber häu<br />
Deutscher Jugendliteraturpreis 2011<br />
fig entwaffnend freundlichen Menschen.<br />
Eine Reise, getränkt mit dem Gefühl von<br />
Freiheit und Abenteuer und gleichzeitig<br />
voller Wehmut, weil sie nicht ewig dauern<br />
kann. «Man lacht viel, wenn man<br />
Tschick liest, aber ebenso oft <strong>ist</strong> man gerührt,<br />
gelegentlich zu Tränen. Tschick <strong>ist</strong><br />
<strong>ein</strong> Buch, das <strong>ein</strong>en Erwachsenen rundum<br />
glücklich macht und das man <strong>ein</strong>em<br />
Altersgenossen s<strong>ein</strong>er Helden jederzeit<br />
schenken kann.» (Süddeutsche Zeitung)<br />
«Dass diese Hymne auf das Jungs<strong>ein</strong>, die<br />
Freundschaft, die Liebe und das Leben<br />
auch von großer Wehmut und Trauer<br />
kündet, macht sie aus … Auch in 50 Jahren<br />
wird dies noch <strong>ein</strong> Roman s<strong>ein</strong>, den<br />
wir lesen wollen. Aber besser, man fängt<br />
gleich damit an.» (Frankfurter Allgem<strong>ein</strong>e<br />
Zeitung) «Leider endet dieser<br />
Roman.» (Frankfurter Rundschau)<br />
Wolfgang Herrndorf erhielt für Tschick<br />
den Clemens Brentano Förderpreis der<br />
Stadt Heidelberg sowie den Deutschen<br />
Jugendliteraturpreis 2011. Robert Koalls<br />
Bühnenfassung wird im November<br />
am Staatsschauspiel Dresden (Regie:<br />
Jan Gehler) uraufgeführt, gefolgt von<br />
Premieren am Deutschen Theater Berlin<br />
(Regie: Alexander Riemenschneider),<br />
Badischen Staatstheater Karlsruhe (Regie:<br />
Ulrike Stöck), Theater Osnabrück<br />
(Regie: Alexander May), HansOtto<br />
Theater Potsdam (Regie: Sascha Hawemann)<br />
sowie am Gostner Hoftheater,<br />
Nürnberg (Regie: Thomas Stang).<br />
Kinder- und Jugendtheater<br />
Janne Teller<br />
Nichts<br />
Was im Leben wichtig <strong>ist</strong><br />
(Intet)<br />
Bühnenfassung von Andreas Erdmann,<br />
nach der deutschen Übersetzung von<br />
Sigrid C. Engeler<br />
5 oder 8 Darsteller/innen<br />
Empfohlen ab 13 Jahre<br />
Am ersten Tag nach den Sommerferien<br />
verkündet Pierre Anthon s<strong>ein</strong>e Erkenntnis:<br />
«Nichts bedeutet irgendwas, deshalb<br />
lohnt es sich nicht, irgendwas zu<br />
tun.» Er verlässt mitten im Unterricht<br />
die Klasse, zieht sich auf <strong>ein</strong>en hohen<br />
Ast im Pflaumenbaum zurück und traktiert<br />
s<strong>ein</strong>e Schulkameraden von da an<br />
abwechselnd mit reifen Pflaumen und<br />
nihil<strong>ist</strong>ischen Einsichten. Die Klasse <strong>ist</strong><br />
sich schnell <strong>ein</strong>ig, dass sie Pierre Anthon<br />
etwas entgegensetzen muss. Die Schüler<br />
beginnen, persönliche Gegenstände zusammenzutragen<br />
und so <strong>ein</strong>en «Berg aus<br />
Bedeutung» aufzuhäufen. Sie werden zu<br />
<strong>ein</strong>er <strong>ein</strong>geschworenen Gem<strong>ein</strong>schaft,<br />
die sich mit zunehmendem Fanatismus<br />
ihrer Mission widmet. Als ihr mons tröser<br />
Plan, der immer drastischere Opfer<br />
verlangt, auffliegt, stürzen sich die<br />
Medien darauf, und es kommt zu <strong>ein</strong>er<br />
landesweiten Diskussion um Sinn und<br />
Unsinn ihres Tuns. Nur Pierre Anthon<br />
bleibt von alldem unbe<strong>ein</strong>druckt – und<br />
die Klasse rächt sich an ihm … Die<br />
Hauptfigur in Janne Tellers Roman <strong>ist</strong><br />
www.rowohlt-theater.de 43
Kinder- und Jugendtheater<br />
Kinder- und J ugendtheater<br />
Agnes, die rückblickend die Ereignisse<br />
dieses Schuljahres schildert, das alle Beteiligten<br />
für immer verändern wird.<br />
Janne Teller wurde 1964 in Kopenhagen<br />
geboren. Nach Abschluss ihres Jurastudiums<br />
arbeitete sie für internationale<br />
Organisationen wie die EU und die UN,<br />
u. a. in New York und in verschiedenen<br />
Krisengebieten der Welt. Seit 1994<br />
widmet sie sich ausschließlich dem Schreiben.<br />
In Deutschland ersch<strong>ein</strong>en ihre<br />
Bücher beim Carl Hanser Verlag.<br />
Nach der Veröffentlichung von Nichts<br />
in Skandinavien gab es zunächst viel<br />
Widerstand gegen den Roman. Das dänische<br />
Schulamt untersagte sogar, das<br />
Buch im Unterricht durchzunehmen.<br />
2001 erhielt Nichts den Dänischen Kinderbuchpreis.<br />
Mittlerweile <strong>ist</strong> der Roman<br />
<strong>ein</strong> internationaler Bestseller und<br />
wurde vielfach ausgezeichnet.<br />
Die deutschsprachige Erstaufführung<br />
war im Oktober 2011 am Düsseldorfer<br />
Schauspielhaus (Regie: Marco Štorman),<br />
es folgen Inszenierungen u. a. am Theater<br />
Ingolstadt (Regie: Julia Mayr),<br />
Tha lia Theater Halle (Regie: Michael<br />
Krenz), Theater am Ortw<strong>ein</strong>platz, Graz<br />
(Österreichische Erstaufführung, Regie:<br />
Simon Windisch), Theater im Marien<br />
44<br />
Nichts. Düsseldorfer Schauspielhaus<br />
«Du sitzt bloß da und gaffst in die Luft.<br />
Ist das vielleicht besser?»<br />
bad, Freiburg (Regie: N. N.), Theater an<br />
der Parkaue, Berlin (Regie: Roscha A.<br />
Saidow), Landestheater Tübingen (Regie:<br />
Michael Miensopust), Staatsschauspiel<br />
Dresden (Regie: Tilmann Köhler),<br />
Schauspielhaus Zürich (Schweizer Erstaufführung,<br />
Regie: Enrico Beeler) sowie<br />
an der Badischen Landesbühne Bruchsal<br />
(Regie: N. N.).<br />
«Ein brutales, <strong>ein</strong> mutiges Buch – <strong>ein</strong><br />
literarischer Glücksfall zur rechten<br />
Zeit! Nichts deprimiert nicht, sondern<br />
ermutigt s<strong>ein</strong>e Leser, ihr Leben selbst<br />
zu bestimmen. Es beschreibt <strong>ein</strong>e Suche,<br />
auf die sich jeder irgendwann begibt,<br />
die aber selten so packend erzählt<br />
worden <strong>ist</strong>.» (Die Zeit) «Eine psychologisch<br />
spannende Parabel über Mut und<br />
Feigheit, über die Verführbarkeit durch<br />
Ideologien und die Suche nach dem Sinn<br />
des Lebens. Nichts erschüttert dadurch,<br />
dass das Erzählte so unaufhaltsam abläuft<br />
wie <strong>ein</strong> antikes Drama.» (Deutschland<br />
radio) «Wer wissen möchte, welchen<br />
Weg Fanatiker hinter sich haben,<br />
die alles und jeden zu opfern bereit sind,<br />
findet in Nichts <strong>ein</strong>e Antwort.» (Frankfurter<br />
Allgem<strong>ein</strong>e Zeitung)<br />
Krieg<br />
Stell dir vor, er wäre hier<br />
(Hvis der var krig i Norden)<br />
1 oder 2 Darsteller/innen<br />
Empfohlen ab 12 Jahre<br />
Deutsch von Sigrid C. Engeler<br />
Stell dir vor, es <strong>ist</strong> Krieg – nicht irgendwo<br />
weit weg, sondern hier in Europa.<br />
Die demokratische Politik <strong>ist</strong> gescheitert<br />
und fasch<strong>ist</strong>ische Diktaturen haben die<br />
Macht übernommen. Wer kann, flieht<br />
in den Nahen Osten, wie der 14jährige<br />
Protagon<strong>ist</strong> aus Deutschland. In <strong>ein</strong>em<br />
ägyptischen Flüchtlingslager versucht er<br />
mit s<strong>ein</strong>er Familie <strong>ein</strong> neues Leben zu beginnen.<br />
Weil er k<strong>ein</strong>e Aufenthaltsgenehmigung<br />
hat, kann er nicht zur Schule gehen,<br />
k<strong>ein</strong> Arabisch lernen, k<strong>ein</strong>e Arbeit<br />
finden. Er fühlt sich als Außenseiter und<br />
sehnt sich nach Hause. Doch wo <strong>ist</strong> das?<br />
«Eine ebenso <strong>ein</strong>fache wie geniale Idee:<br />
Mit <strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>en Dreh stellt die Autorin<br />
unsere Alltagswirklichkeit auf den<br />
Kopf und zwingt uns, in <strong>ein</strong>en hässlichen<br />
Zerrspiegel zu schauen.» (Deutschlandradio)<br />
Die Bühnenfassung, der ungekürzte Text<br />
des Buches für maximal zwei Darsteller,<br />
wurde im Mai 2011 an der Badischen<br />
Landesbühne Bruchsal uraufgeführt<br />
(Regie: Carsten Ramm). Die österreichische<br />
Erstaufführung <strong>ist</strong> für März 2012<br />
am Dschungel Wien geplant (Regie: Mareike<br />
Dick).
Bildnachweise:<br />
Arno Declair (Cover: Szenenfoto aus<br />
Winterreise, Deutsches Theater Berlin,<br />
Regie: Andreas Kriegenburg)<br />
R<strong>ein</strong>hard Werner (S. 1 o.)<br />
Ruth Walz (S. 1 u.)<br />
Jochen Jezussek (S. 2)<br />
Matthias Horn (S. 3 & S. 4)<br />
Fernando Perez Re (S. 5 o.)<br />
Hans Jörg Michel (S. 5 u.)<br />
<strong>Dieter</strong> Wuschanski / Die Theater<br />
Chemnitz gGmbH (S. 6 o.)<br />
Beowulf Sheehan (S. 7)<br />
Peter Awtukowitsch (S. 9)<br />
Johannes Gebert (S. 10 o.)<br />
Alexi Pelekanos (S. 10 u.)<br />
Karin Rocholl (S. 11)<br />
Julian Röder (S. 12)<br />
Jörg Landsberg (S. 13 l.)<br />
Ekko von Schwichow (S. 13 r.)<br />
David Finck (S. 14)<br />
Sebastian Hoppe (S. 15)<br />
Chr<strong>ist</strong>ian Kl<strong>ein</strong>er (S. 16 l. & r)<br />
Tobias Bohm (S. 17)<br />
Nicole Gräter (S. 18)<br />
Renate Baricz (S. 19)<br />
Arno Declair (S. 20 o.)<br />
Martin Skoog (S. 20 u.)<br />
Jan Giliam van Arkel (S. 21)<br />
Hans Jörg Michel (S. 23 l.)<br />
Aaron Eckhardt (S. 23 r.)<br />
Michael Rafelson (S. 25)<br />
Bettina Müller (S. 26 r.)<br />
www.fayethomas.com (S. 29 l.)<br />
Katrin Ribbe (S. 29 r.)<br />
Uwe H<strong>ein</strong>rich (S. 30)<br />
Adrian Gatie (S. 31)<br />
Daniel Farhi (S. 32)<br />
Judith Schlosser (S. 33)<br />
Björn Hickmann / Stage Picture (S. 34 l.)<br />
Sebastian Hoppe (S. 34 r.)<br />
Kiepenheuer & Witsch (S. 35)<br />
Krafft Angerer (S. 36)<br />
Iko Freese, Drama – Agentur für<br />
Theaterfotografie (S. 37 o.)<br />
Philipp Ottendörfer (S. 37 u.)<br />
Bernd Uhlig (S. 38)<br />
MEYER ORIGINALS (S. 39 o.)<br />
Yves Noir (S. 41 o.)<br />
Andy Rasheed, Eyefood (S. 41 u.)<br />
Bettina Fürst Fastré (S. 42)<br />
Mathias Mainholz (S. 43)<br />
Sebastian Hoppe (S. 44 l.)<br />
Morten Holtum Nielsen (S. 44 r.)<br />
Alle weiteren Abbildungen sind über das Archiv<br />
des <strong>Rowohlt</strong> Theater Verlages nachweisbar<br />
oder konnten bisher nicht ermittelt werden.<br />
Impressum:<br />
<strong>Rowohlt</strong> Theater Verlag<br />
Hamburger Straße 17<br />
D-21465 R<strong>ein</strong>bek bei Hamburg<br />
Tel. 040-7272-270<br />
Fax 040-7272-276<br />
theater@rowohlt.de<br />
www.rowohlt-theater.de<br />
Leitung:<br />
Nils Tabert<br />
(nils.tabert@rowohlt.de)<br />
Lektorat:<br />
Bastian Häfner<br />
(bastian.haefner@rowohlt.de)<br />
Maren Zindel<br />
(maren.zindel@rowohlt.de)<br />
Aufführungsverträge:<br />
Tanja Müller<br />
(tanja.mueller@rowohlt.de)<br />
Honorarbuchhaltung:<br />
Marion St<strong>ein</strong>ert<br />
(marion.st<strong>ein</strong>ert@rowohlt.de)<br />
Kerstin Runte<br />
(kerstin.runte@rowohlt.de)<br />
Redaktion: Bastian Häfner, Nils Tabert,<br />
Maren Zindel<br />
Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg<br />
Druck: Bartels Druck, Lüneburg
<strong>Rowohlt</strong> Theater Verlag · Hamburger Straße 17 · D-21465 R<strong>ein</strong>bek · Tel. 040-72 72 270 · Fax 040-72 72 276 · E-Mail: theater@rowohlt.de<br />
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