Dieter ist ein Arsch. - Rowohlt Theaterverlag
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Ulrike Syha<br />
16<br />
Radikale<br />
Besetzung variabel<br />
Die Stimmung <strong>ist</strong> katastrophisch: Euro<br />
Krise, Stuttgart 21, Krieg in Afghan<strong>ist</strong>an,<br />
Streiks im Nahverkehr – globale<br />
Erschütterungen hallen auf lokaler<br />
Ebene wider, Privates und Politisches<br />
vermischen sich, bis Unterschiede kaum<br />
mehr auszumachen sind. Das Resultat<br />
<strong>ist</strong> <strong>ein</strong> diffuses kollektives Unbehagen,<br />
<strong>ein</strong>e leicht entflammbare Gemengelage,<br />
die in Ulrike Syhas neuem Stück wie in<br />
<strong>ein</strong>em Druckluftkessel brodelt. Erstmals<br />
verzichtet Syha auf <strong>ein</strong>e durchgehende<br />
Handlung und klar konturierte Charaktere;<br />
stattdessen zoomt sie auf Menschenansammlungen<br />
an Bushaltestellen<br />
oder in SBahnen, in Großraumbüros<br />
oder Fußgängerzonen und fischt aus<br />
der Masse Einzelstimmen heraus. Aufgeschnappte<br />
Dialogfetzen oder innere<br />
«Wir<br />
kommunizieren<br />
nicht, wir<br />
überwachen<br />
<strong>ein</strong>ander bloß.»<br />
Herr Schuster kauft <strong>ein</strong>e Straße, Nationaltheater Mannheim<br />
Monologe, die normalerweise ungehört<br />
bleiben, erzählen von gescheiterten<br />
Lebensentwürfen, Le<strong>ist</strong>ungsdruck<br />
und angestauter Aggression, trivialen<br />
Alltagssorgen und nackter Ex<strong>ist</strong>enzangst.<br />
Wechselnd zwischen chorischen<br />
Passagen und leisen Soli, Momenten<br />
voller Tragik und abgründiger Komik,<br />
verdichtet sich Radikale zur «Symphonie<br />
<strong>ein</strong>er Großstadt», die <strong>ein</strong>e aus dem<br />
Takt geratene Gesellschaft zeigt und in<br />
der gleich mehrere Zeitbomben ticken.<br />
Radikale entstand als Auftragswerk für<br />
das Theater Chemnitz, wo im Februar<br />
2012 die Uraufführung s<strong>ein</strong> wird (Regie:<br />
<strong>Dieter</strong> Boyer).<br />
Zuletzt wurde im September 2010 am<br />
Nationaltheater Mannheim, dessen<br />
Haus autorin Ulrike Syha in der Spielzeit<br />
2009 / 10 war, Herr Schuster kauft <strong>ein</strong>e<br />
Straße uraufgeführt (Regie: Mirja Biel<br />
und Joerg Zboralski). Das Stück war in<br />
Theater heute 11 / 2010 abgedruckt und<br />
hat im November 2011 österreichische<br />
Erstaufführung am Thea ter Drachengasse,<br />
Wien (Regie: Katrin Schurich). An<br />
selber Stelle und in derselben Regie war<br />
im Februar 2011 auch die österreichische<br />
Erstaufführung von Fracht (Nautisches<br />
Denken I – IV): «Syha bewe<strong>ist</strong><br />
<strong>ein</strong>mal mehr, dass sie zu Deutschlands<br />
witzigsten Autorinnen zählt.» (Falter)<br />
«Man könnte sie als die triumphale Komödienschreiberin<br />
der Wirtschaftsblase<br />
bezeichnen.» (Der Standard)<br />
Außerdem hatte im Februar 2011 am<br />
Theater Basel Syhas Bühnenfassung<br />
von John St<strong>ein</strong>becks Roman Jenseits<br />
von Eden Uraufführung (Regie: Peter<br />
Kastenmüller), von der weitere Inszenierungen<br />
in Vorbereitung sind, siehe S. 33.