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Predigt Hans Norbert Janowski.pdf

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<strong>Predigt</strong> am 3. Juli 2011 in der Kirche in Oberstdorf (Gilde-Freizeit)<br />

Von der Dreieinigkeit - hnj<br />

Liebe Gemeinde,<br />

ich grüße Sie an diesem schönen Sommersonntag, dem zweiten Sonntag nach Trinitatis,<br />

jenem Sonntag, der der göttlichen Dreifaltigkeit gewidmet ist. Wir Christen halten jedoch<br />

jeden Gottesdienst und jede <strong>Predigt</strong> im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen<br />

Geistes. Am heutigen Sonntag sei nun eigens in Erinnerung gerufen, was wir damit meinen<br />

und was uns das bedeutet.<br />

Drei in eins – manche säkularisierte, aber auch christliche Zeitgenossen halten diese Aussage<br />

des Glaubens über Gottes Wesen für irrational, unvernünftig und unaufgeklärt, für den Rest<br />

eines überwundenen Polytheismus, eines Glaubens an viele Gottheiten. Und die Muslime<br />

lehnen aus diesem Grund das Christentum rundweg als ungläubig ab, obwohl sie in der<br />

Familie der abrahamitischen Religionen in der Erbfolge von Juden und Christen stehen.<br />

Wie können wir Gott, sein Wesen und sein Wirken verstehen, wenn wir ihn als Schöpfer und<br />

Lenker des Kosmos, der Natur und der Menschen glauben, zugleich aber auch als<br />

unseresgleichen, als Menschen. Wir glauben ja an den Sohn Gottes, der sich den Bedingungen<br />

des menschlichen Lebens, der Endlichkeit, dem Glück, Schmerz und Tod unterworfen hat und<br />

der als hingerichteter Gottessohn den Tod in neues Leben verwandelt hat – sitzend zur<br />

Rechten Gottes, des Vaters, woher er kommen wird zu richten die Lebenden und die Toten.<br />

Wie lässt sich die Nähe dieses fernen Gottes, den wir uns nicht in ein Bildnis fassen sollen,<br />

dessen menschliches Gesicht wir aber von Jesus von Nazareth kennen; wie seine Gegenwart<br />

als Geist vorstellen, der uns erleuchtet, begleitet und tröstet<br />

In der Bibel ist vom dreieinigen Gott nicht die Rede, wohl aber vom Vater, vom Sohn und<br />

vom Heiligen Geist, der bei der Taufe am Jordan sich vom Vater auf den Sohn herablässt, und<br />

der vom Sohn ausgehend die erfüllt, die an ihn glauben. Nach dem Evangelium des Matthäus<br />

fordert Jesus die Jünger am Ende auf: Tauft die Angehörigen aller Völker auf den Namen des<br />

Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Und der Apostel Paulus beendet seinen<br />

zweiten Brief an die Gemeinde in Korinth mit dem Segenswort: „Die Gnade unseres Herren<br />

Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch<br />

allen.“<br />

Die drei Gesichter Gottes, die sich in der Gnade, der Liebe und dem Geist der Gemeinschaft<br />

zeigen, gehören für den Glauben der Urgemeinde offenbar zusammen – aber wie Darüber<br />

haben die Väter der Alten Kirche fast fünfhundert Jahre lang nachgedacht, gestritten, sich auf<br />

den Synoden und Konzilien den Kopf zerbrochen und gelegentlich nahezu eingeschlagen.<br />

Ihnen standen die anschauliche griechische Sprache und die abstrakten Begriffe der<br />

griechischen Philosophie, aber auch die religiösen Vorstellungen der christlichen und<br />

jüdischen, später auch gnostischen Überlieferungen zur Verfügung, schließlich auch das klare<br />

Latein. Aber auch nach den großen ökumenischen Konzilien von Nicäa, Konstantinopel und<br />

Chalcedon war die Arbeit keineswegs abgeschlossen und wird bis heute fortgesetzt.<br />

Am vorläufigen Ende stand die Einsicht der Kirche: Das Wesen Gottes ist eins und gleich,<br />

von Ewigkeit her, aber es tritt in der Geschichte durch drei Personen und Gestalten in<br />

Erscheinung. Und Gott wirkt nicht von außen auf die natürliche und menschliche Wirklichkeit<br />

ein, sondern Gott ist als Schöpfer und Organisator des Kosmos das Gegenüber der Welt und


zur Natur, er wirkt als Mensch gewordener Geist aber ebenso in uns und hat durch sein<br />

Sterben uns Menschen von den Fesseln der Endlichkeit und des ewigen Todes befreit. Er ist<br />

uns nahe und heilt alle unsere Gebrechen. Gott hat die Welt und die Natur mit dem Bösen und<br />

dem Tod der Einzelwesen, dem Fressen und Gefressenwerden geschaffen, er hat sich, so<br />

glauben wir, zugleich diesem Schicksalszwang selbst zum Opfer gebracht und erlöst uns<br />

Menschen von Sünde, Tod und allem Übel.<br />

Die Fülle des Daseins in drei Personen, aber einem gleich bleibenden, zeitbeständigen Wesen!<br />

Im Johannes-Evangelium gibt es eine schöne, etwas schwierige Passage – da spricht Jesus im<br />

sogen. hohepriesterlichen Gebet von sich, den Jüngern und den Glaubenden: „Wie du mich<br />

gesandt hast in die Welt, so sende auch ich sie in die Welt. Ich heilige mich selbst für sie,<br />

damit auch sie geheiligt seien in der Wahrheit. Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch<br />

für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien. Wie du Vater in<br />

mir bist, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. Und<br />

ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie<br />

wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit … die Welt erkenne, dass …du sie liebst, wie<br />

du mich liebst.“ (Joh.17,17-23)<br />

Die Tradition des Glaubens spricht von einem Wesen, das sich in drei Gestalten äußert. Diese<br />

drei Gesichter Gottes sollen die unterschiedliche, auch die in unserer Welt sich<br />

manifestierende Wirksamkeit Gottes als Schöpfer und Erhalter des Lebens, als Heiland und<br />

Erlöser der fehlbaren Menschen und als der Geist des Lebens, der uns erfüllt, belebt und<br />

füreinander öffnet, markieren. Diese Erfahrungen der Nähe Gottes, seines stetigen Schaffens,<br />

Orientierens, Rettens und Tröstens äußern sich als prägnante Züge der verschiedenen<br />

Gesichter, mit denen Gott sich uns zeigt und die sich nicht ineinander auflösen lassen.<br />

Diese drei persönlichen Gesichter – so stellten sich unsere christlichen Glaubensahnen das vor<br />

– sind nicht stumm, sie treten in Beziehung zueinander in einem ständigen Gespräch: Gott,<br />

der Organisator des Kosmos, Christus, sein wirkkräftiges Wort (der Logos) und der<br />

gottesgegenwärtige Geist (das Pneuma) – sie wohnen einander ein, und diese Einwohnung ist<br />

keine Besetzung oder gar Besatzung, sie kennt keine Herrschaft, keine Unterordnung oder<br />

Unterdrückung, in ihr vollzieht sich herrschaftsfreie Kommunikation von gleich zu gleich.<br />

Der Vater wohnt in seinem Sohn durch seinen Geist, der Sohn nimmt Anteil am Geist des<br />

Schöpfers und – wie das Johannes-Evangelium es besingt -: er wohnt gleichermaßen auch in<br />

all denen, die an ihn glauben.<br />

Heute können wir sagen: Hier wird früh in der späten Geschichte des Denkens ein<br />

anschauliches Modell von Kommunikation entwickelt, von einer Kommunikation, die nicht<br />

einseitig informiert oder uns gar formiert, sondern deren Geist in uns Wohnung nimmt und<br />

uns verbindet. Aus der Kommunikation der im Wesen dreieinigen Personen in Gott geht eine<br />

nachhaltige Wirkung hervor: Es entsteht eine Gemeinschaft des Geistes, eine „Kommunion“.<br />

Communio und communicatio – Kommunikation und Kommunion: die Brücke, die Gott zu<br />

uns Menschen schlägt, hat die Geschichte Europas und der christlichen Welt bis in die Tiefe<br />

hinein geprägt, im Guten wie im Argen – bis hin zu den Kommunitaristen, den Kommunarden<br />

und Kommunisten. Die weltliche Kommune kann sich darauf berufen, zumal aber die<br />

christliche Gemeinde und ihre Kommunitäten. In dieser Gemeinde sind alle gleich vor Gott,<br />

sein Reich ist eine fundamentale Demokratie der Kinder Gottes.<br />

Am Anfang stand jene Szene, deren wir zu Pfingsten gedenken: Alle waren sie zusammen,<br />

Männer und Frauen, als ein brausendes Wehen jeden einzelnen erfasste und sich feurige<br />

Zungen auf ihnen niederließen – und sie redeten in allen Sprachen und verstanden einander;


sie wurden auch von den zahlreichen Immigranten in Jerusalem verstanden. Der Geist löste<br />

ihnen die Zunge, und sie redeten das Wort Gottes mit Freimut und wie es ihnen gegeben war.<br />

Was die Wirkung der heiligenden Kommunikation anbelangt, so haben vom Evangelisten bis<br />

in unsere Tage viele Denker und tätige Christenmenschen ein reales Symbol in die Mitte<br />

gestellt: die Liebe. Wenn Gott und Menschen sich einander in Liebe mitteilen, dann geht von<br />

der Kommunikation eine heilende Kraft aus: Bezieht sie sich auf die Schmerzen des Alltags,<br />

so wird aus geteiltem Leid halbes Leid; betrifft sie die Lust des Lebens, so wird aus geteilter<br />

Freude doppelte Freude. Aus diesem Mehrwert schöpfen Menschen die Kraft zum Leben und<br />

zum Glauben; von ihm nährt sich das gemeinsame Leben.<br />

Eine der schönsten Wirkungen dieser Gemeinschaft stiftenden Kommunikation: Wer sich<br />

Gott und anderen Menschen öffnet und liebend zuwendet, sie also bei sich wohnen lässt, der<br />

und diejenige macht eine Erfahrung, wie sie der dreieinige Gott im Glauben vorlebt: Er und<br />

sie kann sich verändern und doch der und die Gleiche bleiben, er wird ein anderer und bleibt<br />

doch er selbst; sie geht aus sich heraus und kehrt dabei nur tiefer bei sich selbst ein. Hier<br />

braucht man sich nicht die zeitgenössische Frage zu stellen: Wer bin ich, und wenn ja, wie<br />

viele Nein, wer sich verändert, gar kehrt macht, verliert sich nicht, sie oder er gewinnt<br />

vielmehr an Gewissheit und Identität.<br />

Nicht zuletzt: Auch im Streit der Meinungen sollen und können wir friedlich einen Konsens<br />

erzielen; wir sind im gemeinsamen Interesse in einem wichtigen Punkt eines Sinnes und<br />

können doch bleiben, wer wir sind: verschieden und eigenständig.<br />

Im Lichte dieser beglückenden Erfahrung erweisen sich viele Widersprüche, die sich zeigen,<br />

wenn wir an Gott, seine Geistesgegenwart und sein heilsames Wirken denken, als scheinbar;<br />

sie lösen sich auf. Gott, der ferne Schöpfer und Lenker des Kosmos kommt jedem von uns<br />

nahe und erfüllt uns mit seinem Geist; den aller Welt Kreis nie beschloss, der liegt jetzt in<br />

Marien Schoß; in ihm einen sich Leben und Tod zugunsten des Lebens; er steht über und<br />

gegenüber der Natur und lebt doch in ihr und allem Leben; er duldet die Bosheit und steht<br />

doch an der Seite der Leidenden, Armen und Elenden; seine Kraft ist in den Schwachen<br />

mächtig; er selbst ist auch in der Abwesenheit anwesend.<br />

Das Wesen und Wirken Gottes: alles Einbildung, Vielgötterei Den Erweis des Geistes und<br />

der Kraft wird der Alltag des gelebten Lebens erbringen. Machs wie Gott: werde Mensch, sei<br />

ein guter Geist, in dem alle, alt und jung, weiblich und männlich, schwarz, weiß und gelb<br />

gleich und eins sind vor Gott. Das Pfingstwunder erzählt von der mitreißenden Dynamik<br />

dieses Geschehens. - Drei Personen, unvermischt und ungetrennt, in einem Wesen: Dem<br />

dreieinigen Gott wird weder ein strenger Monotheismus gerecht, für den Gott der erhabene,<br />

ewig über der Welt stehende Herrscher ist, noch weniger die postmoderne Vielfalt der Geister<br />

und Idole, die uns überall begegnen und desorientieren mögen: Gottes Wahrheit ist konkret,<br />

über uns, zwischen uns und in einem jeden von uns. Und so sei die Gnade unseres Herrn Jesus<br />

Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes mit euch allen.<br />

Amen.

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