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Besuch der alten Dame - Stowarzyszenie De Musica

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M u z y k a l i a IV · <strong>De</strong>utsches Heft 1<br />

Elend von vorne beginnen, nur noch schmerzlicher empfunden 64 . Auch in Die Mondfinsternis warnt Klara<br />

vor einer solchen Menge Geld, die im Dorf Unruhe stiften wird. Man könnte noch spekulieren, daß sich <strong>der</strong><br />

Pfändungsbeamte ins Spiel mischt. Ill nimmt auf sich nicht nur eigene Schuld, son<strong>der</strong>n auch die Schuld des<br />

ganzen Städtchens, das eigentlich kein Recht hat ihn zu verurteilen. Es grinste Klara nach, als sie es<br />

verlassen hatte, durch den Meineid brachte man sie in Verruf. Noch jetzt spottet Mathilde zu Ill: „Klärchen<br />

geht nicht aufs Ganze, ich kenne es, da hat es ein zu gutes Herz“ (79). Wird das Städtchen nicht das nächste<br />

Glied in <strong>der</strong> Kette <strong>der</strong> Bestrafungen von Claire sein, was auch <strong>der</strong> Lehrer vermutet Damit <strong>der</strong> Lehrer in<br />

<strong>der</strong> Oper seine Erkenntnis und Selbsterkenntnis aussprechen konnte, hätte er, wie sehr treffend Briner<br />

unterstreicht: „selbst einen ausgesprochenen, musikalischen Charakter erh<strong>alten</strong> und als solcher immer<br />

wie<strong>der</strong> in das Gesamtgeschehen eingreifen [müssen] 65 “. Ill ist zwar auch in <strong>der</strong> Oper ein „verschmierter<br />

Krämer“, was er selbst zugibt, aber nicht dumm („gedankenloses Mannsbild“ 66 ), nicht ruhig, son<strong>der</strong>n stolz,<br />

mutig, seine Angst ist mehr nach innen gerichtet, er hat sie allein überwunden, dies ist die schöne<br />

Baritonstimme Eberhard Wächters, die <strong>der</strong> Figur mehr Ehre erteilt. Ill wird zum Helden, sein Tod ist<br />

monumental. Er erkennt nicht demütig seine Schuld, son<strong>der</strong>n unterwirft sich <strong>der</strong> Gemeinde aus<br />

Ausweglosigkeit. In <strong>der</strong> Oper fehlt sein Geständnis <strong>der</strong> Schuld dem Lehrer gegenüber. „Ich habe Klara zu<br />

dem gemacht, was sie ist und mich zu dem, was ich bin, ein verschmierter Krämer. Was soll ich tun, Lehrer<br />

von Güllen <strong>De</strong>n Unschuldigen spielen Alles ist meine Tat, die Eunuchen, <strong>der</strong> Butler, <strong>der</strong> Sarg, die<br />

Milliarde. Ich kann mir nicht mehr helfen und auch euch nicht mehr“ (77). Klarer scheint jetzt zu sein,<br />

warum die Szenen mit dem Polizist und dem Bürgermeister fehlen. Seine Angst ist mehr innerlich als<br />

öffentlich. Die Kirche soll die Intimität des Menschen bewahren. Er ist in <strong>der</strong> Oper nur zum Pfarrer<br />

gekommen wie zur Beichte, um sich Rat zu holen, seelische Erleichterung zu erh<strong>alten</strong>. Als eine natürliche<br />

Folge kommt Ill nach dem Gespräch mit dem Bürgermeister, <strong>der</strong> ihn zum Selbstmord überreden will,<br />

siegreich. Er tut <strong>der</strong> Gemeinde kein Gefallen damit. Sie werden ihn öffentlich verurteilen müssen. In dieser<br />

Szene findet sich ein kleines Fragment von <strong>der</strong> gestrichenen Szene „Ills <strong>Besuch</strong> beim Bürgermeister“.<br />

Gestrichen wurde auch die Szene <strong>der</strong> Autofahrt, währenddessen die ganze neureiche Familie schön<br />

gekleidet, im neuen Mercedes die Stadt bewun<strong>der</strong>t. Beson<strong>der</strong>s Ill sieht den herankommenden Wohlstand,<br />

den er in seinem ganzen Leben nicht erreichen konnte, ihn freut die gedeihende Stadt, die er zugleich zum<br />

ersten und letzten Mal sieht. Zumindest wird seine Familie gut leben können.<br />

Es gibt auch kleinere jedoch wesentliche Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Oper: es gibt keinen Maler (diesen<br />

Vorschlag macht Dürrenmatt selbst im Nachwort 67 ), kein Fräulein Luise, keinen Radioreporter, <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Schlußszene die Handlung verkehrt kommentiert, keinen Pressemann II. Es gibt keine einzelnen Bürger,<br />

diese Rolle hat <strong>der</strong> gemischte Chor übernommen. Manche Figuren sind stumm, wie <strong>der</strong> Pfändungsbeamte<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Küster. Ill erfährt erst im Laden, daß die Medien bei <strong>der</strong> Versammlung sein werden und nicht<br />

64<br />

Vgl. H. Goertz, S. 75f.<br />

65<br />

Vgl. A. Briner, S. 255f.<br />

66<br />

Vgl. Nachwort, S. 102.<br />

67<br />

Vgl. Nachwort, S. 103.<br />

16

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