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Besuch der alten Dame - Stowarzyszenie De Musica

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M u z y k a l i a IV · <strong>De</strong>utsches Heft 1<br />

mythische Wesen <strong>der</strong> Hauptrolle“ 33 , aber die Oper selbst scheint den Aspekt unterlassen zu haben, so gibt<br />

es im Finale keine <strong>der</strong> griechischen Tragödie angenäherten Chöre: „<strong>De</strong>n Originalschluß mit dem<br />

griechischen Abgesang konnte ich für die Oper nicht verwenden, denn so was geht nur beim Sprechtheater,<br />

wie ich Dürrenmatt zu verstehen gab“ 34 . <strong>De</strong>r Schriftsteller fand eine an<strong>der</strong>e Lösung und meinte, daß die<br />

Arie in den Herzen <strong>der</strong> Mör<strong>der</strong> zu Ende ginge 35 . <strong>De</strong>r Chor in <strong>der</strong> griechischen Tragödie hatte nicht nur<br />

gesungen son<strong>der</strong>n auch getanzt 36 . Hat nicht diese Tatsache vielleicht Dürrenmatt auf diese Idee gebracht<br />

Auch die Stelle, wo <strong>der</strong> Lehrer im „Goldenen Apostel“ sich mit dem Bürgermeister und später auch mit<br />

dem Polizisten unterhält, wurde weggestrichen. Er vergleicht Claire mit einer Parze, einer griechischen<br />

Schicksalsgöttin und mit Klotho 37 , <strong>der</strong> Erynnie und mit <strong>der</strong> Hetäre Lais, die Lebensfäden spinnt (damit hat<br />

er verhängnisvoll recht). Es ist verwun<strong>der</strong>lich, daß sich diese Bezeichnungen in <strong>der</strong> Oper nicht mehr<br />

wie<strong>der</strong>holen. Dürrenmatt selbst meint im Nachwort zum Stück, Claire stelle: „we<strong>der</strong> Gerechtigkeit dar,<br />

noch den Marshallplan o<strong>der</strong> gar die Apokalypse, sie sei nur das, was sie ist, die reichste Frau <strong>der</strong> Welt,<br />

durch ihr Vermögen in <strong>der</strong> Lage, wie eine Heldin <strong>der</strong> griechischen Tragödie zu handeln, absolut, grausam,<br />

wie Medea etwa. Sie kann es sich leisten“ 38 . Ein Vergleich zu Medea erfolgt nur einmal, in <strong>der</strong> „Peterschen<br />

Scheune“, wo Lehrer und Arzt <strong>der</strong> Milliardärin ein Geschäft anbieten: „Sie verlangen absolute<br />

Gerechtigkeit. Wie eine Heldin <strong>der</strong> Antike kommen sie mir vor, wie eine Medea“ 39 . Die Symbolik <strong>der</strong><br />

vorklassischen Göttin-Heros-Struktur wird in dieser Arbeit jedoch nicht weiter analysiert 40 .<br />

Gezielt gezeichnet sind auch an<strong>der</strong>e Gest<strong>alten</strong> des Sprechstückes: <strong>der</strong> scheinheilige Pfarrer etwa,<br />

<strong>der</strong> sich, wie alle, etwas Neues anschafft (eine zweite Glocke) und dadurch an <strong>der</strong> Ermordung Ills<br />

teilnimmt. Er zeigt aber noch ein wenig Menschlichkeit in sich, indem er Ill zur Flucht rät. Eine<br />

interessante Figur ist <strong>der</strong> Bürgermeister mit seinem bürgerlichen Stolz und <strong>der</strong> Einbildung, die perversen<br />

Eunuchen würden adäquat zu ihrem Verbrechen bestraft, entmännlicht und geblendet nämlich, denn sie<br />

haben geschworen mit Klara Wäscher geschlafen zu haben. Die Oper gibt den Gest<strong>alten</strong> eine neue<br />

Dimension: die Eunuchen sind nicht ganz so, wie sie Dürrenmatt im Nachwort zum Stück beschreibt. Sie<br />

sind nicht märchenhaft, gespenstisch, unwirklich, leise, son<strong>der</strong>n künstlich, kindisch, grotesk, und so klingen<br />

sie. Dies spiegelt sich auch in ihren häufigen Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> einzelnen Sätze wie<strong>der</strong>. Diese <strong>De</strong>utung des<br />

Komponisten ist unserer Ansicht nach ein durchaus positiver Vorgang.<br />

Grundeinstellung zeichnet viele meiner Opern aus: Die Liebe, die Liebe zu den Menschen, Anteilnahme an<br />

ihrem Schicksal, an ihren Hoffnungen und Leiden, Mittel mit ihrem Ausgeliefertsein gegenüber bösen Mächten<br />

und Gew<strong>alten</strong>“.<br />

33<br />

Ebda, S.237.<br />

34<br />

Ebda, S. 241.<br />

35<br />

Vgl. vE, S. 241.<br />

36<br />

Vgl. Hellmut Flashar, Die Inszenierung <strong>der</strong> Antike. Das griechische Drama auf <strong>der</strong> Bühne <strong>der</strong> Neuzeit<br />

1585-1990, München 1994, S. 24.<br />

37<br />

In diesem Namen ist auch eine Parodie versteckt; die alte prothesentragende Milliardärin ist nicht mit <strong>der</strong><br />

schönen Klotho zu vergleichen.<br />

38<br />

Vgl. Nachwort zu <strong>Besuch</strong>, S. 102.<br />

39<br />

Vgl. <strong>Besuch</strong>, S. 68.<br />

40<br />

Vgl. dazu Marita Alami, Die Bildlichkeit bei Friedrich Dürrenmatt, Köln 1994<br />

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