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Rassismus Report 2010 - Zara

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Rassistische Vorfälle · Sonstige Behörden, öffentliche Institutionen und DienstleisterInnen<br />

54<br />

Frau K.s Schwester besucht eine höhere Schule<br />

in Linz. Anfang des Jahres berichtet sie, dass<br />

einer der Lehrer im Unterricht mehrfach das N-Wort<br />

benutzt. Als SchülerInnen mit dem Hinweis, dass dies<br />

rassistisch wäre, dagegen protestieren, weist er den<br />

Vorwurf zurück und besteht darauf, diesen Ausdruck<br />

auch weiterhin im Unterricht zu gebrauchen. Frau K.s<br />

Schwester geht davon aus, dass der Lehrer die Äußerung<br />

nicht „rassistisch meinte“, es ihm aber sehr wohl<br />

an der nötigen sprachlichen Sensibilität mangelt, die<br />

man insbesondere von einem Pädagogen erwarten<br />

dürfte. Frau K. ersucht ZARA daher, der Schulleitung<br />

den Vorfall anonymisiert ohne Nennung des betreffenden<br />

Lehrers und der SchülerInnen zu schildern<br />

und auf die Problematik hinzuweisen. ZARA tut dies,<br />

klärt ausführlich über die diskriminierende und abwertende<br />

Bedeutung des Wortes auf und regt an, die<br />

Themen <strong>Rassismus</strong> bzw. rassistischer Sprachgebrauch<br />

im LehrerInnenkollegium zu besprechen. Weiters bietet<br />

ZARA an, Sensibilisierungsworkshops, sowohl für<br />

die Lehrpersonen als auch die SchülerInnen durchzuführen.<br />

In seinem kurzen Antwortschreiben weist<br />

der Direktor der Schule darauf hin, dass die Schule<br />

grundsätzlich sehr positiv gegenüber SchülerInnen<br />

nichtösterreichischer Nationalität und anderer Hautfarbe<br />

eingestellt sei, er aber mangels Nennung des<br />

betreffenden Lehrers keine Möglichkeit sehe, in der<br />

angeführten Angelegenheit direkt aktiv zu werden.<br />

ZARA leitet die Antwort an Frau K. weiter. Sie möchte<br />

jedoch nicht, dass der betreffende Lehrer namentlich<br />

genannt wird. Auch befürchtet sie, dass eine solche<br />

Meldung möglicherweise negative Folgen für ihre<br />

Schwester in der Schule haben könnte. Sie ist enttäuscht<br />

darüber, dass der Direktor sich lediglich beschwichtigend<br />

zu dem Vorfall äußert und den Hinweis<br />

auf die bestehende Problematik rassistischen Sprachgebrauchs<br />

in seiner Schule nicht aufgreift. Sie ersucht<br />

ZARA um ein zweites aufklärendes Schreiben an die<br />

Schule. Damit möchte sie die Sache auf sich beruhen<br />

lassen.<br />

ZARA klärt in einer zweiten Stellungnahme an die<br />

Schule nochmals darüber auf, dass die Motivation des<br />

ersten Schreibens nicht die Diffamierung der Schule<br />

als „ausländerfeindlich“, sondern das Hinweisen auf<br />

die Wichtigkeit eines sensiblen Umgangs mit Sprache,<br />

gerade bei der Erziehung von Kindern und Jugendlichen<br />

war. Ein unhinterfragtes Verwenden von veralteten<br />

Ausdrücken könne zu Diskriminierung ohne tatsächlich<br />

rassistische Einstellung führen. Eine weitere<br />

Stellungnahme durch den Direktor der Schule erfolgt<br />

nicht.<br />

55<br />

Anfang Jänner berichten die Medien über<br />

einen Prozess gegen einen Mann türkischer<br />

Herkunft in Wien. Im November 2009 stach er mehrere<br />

Male in Kopf, Brust und Hals seiner Ehefrau, nachdem<br />

diese die Scheidung von ihm verlangt hatte. Die<br />

Anklage lautet in der Folge auf „versuchten Totschlag“,<br />

da die Staatsanwaltschaft dem Mann – bedingt durch<br />

seine türkische Herkunft – zubilligte , in einer „allgemein<br />

begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung“ gehandelt<br />

zu haben. Gerade Ausländer oder Personen<br />

mit Migrationshintergrund befänden sich häufig in<br />

besonders schwierigen Lebenssituationen, die sich,<br />

auch begünstigt durch die Art ihrer Herkunft, in einem<br />

Affekt entladen können. Im Prozess entschlägt<br />

sich die verletzte Ehefrau der Aussage. Der Schöffensenat<br />

schließt sich dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft<br />

an und verurteilt den Mann wegen „versuchten<br />

Totschlags“ zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren.<br />

Die Staatsanwaltschaft beruft gegen die Strafhöhe, da<br />

sie ein Strafmaß „im oberen Viertel“ der Strafdrohung<br />

von 10 Jahren gefordert hatte.<br />

Politikerinnen der SPÖ und der Grünen kritisieren<br />

das Urteil und die herkunftsbezogene Wertung der<br />

Tat als „kulturbedingte Affekthandlung“. In einem<br />

Zeitungsartikel wird die Grüne Nationalratsabgeordnete<br />

Alev Korun zitiert: „Migranten-Herkunft als Milderungs-<br />

oder gar Entschuldigungsgrund bei Gewalt<br />

gegen Frauen seitens eines Gerichts anzuführen, widerspricht<br />

dem Grundsatz, Menschen gleichen rechtlichen<br />

Schutz zu gewähren. In Österreich lebende<br />

Menschen haben unabhängig von ihrer Herkunft das<br />

Recht, nach österreichischem Recht geschützt und<br />

bestraft zu werden.“<br />

In Reaktion auf diese Kritik rechtfertigt der Sprecher<br />

der Wiener Staatsanwaltschaft Gerhard Jarosch<br />

die Anklage seiner Behörde. Bei der Frage, ob bei<br />

dem Angeklagten eine „heftige Gemütsbewegung“<br />

gegeben war, sei nicht auf den Durchschnittsösterreicher<br />

abzustellen gewesen, sondern „auf einen durchschnittlichen,<br />

aus der Türkei stammenden Arbeiter in<br />

seinem Alter“, sagte Jarosch. Einem solchen sei, bezogen<br />

auf seine Herkunft, Sozialisation und Mentalität<br />

eine heftige Gemütsbewegung jedenfalls zuzubilligen,<br />

wenn ihm seine Frau die Scheidungspapiere präsentiere.<br />

„Die Anklage wegen versuchten Totschlags<br />

war schlicht und ergreifend richtig“, meinte Jarosch<br />

(http://wien.orf.at/stories/417563/).<br />

ZARA dokumentiert das Gerichtsverfahren und die<br />

Kritik am Urteil anhand von Medienberichten.<br />

56<br />

Im August wird ZARA von einer Zeugin auf<br />

einen Artikel hingewiesen, in dem eine Angehörige<br />

der serbischen Minderheit der Walachen<br />

von ihren Erlebnissen bei der Verleihung der österreichischen<br />

Staatsbürgerschaft berichtet (http://dastandard.at/,<br />

12.08.<strong>2010</strong>, „Ich-bin-offensichtlich-anders“).<br />

Frau G. ist Vertriebs- und Marketingverantwortliche<br />

einer großen internationalen Fluglinie. Im Jahr <strong>2010</strong><br />

entschließt sie sich, die österreichische Staatsbürgerschaft<br />

zu beantragen, da sich die Visa-Beschaffung<br />

auf ihren zahlreichen Dienstreisen als Serbin sehr<br />

mühsam gestaltet. Obwohl sie in Österreich geboren<br />

und aufgewachsen ist und ihre Schullaufbahn mit Matura<br />

abgeschlossen hat, muss sie einen Deutschtest<br />

absolvieren. Bei einem anschließenden Telefonat mit<br />

einer Mitarbeiterin des für sie zuständigen Magistrats<br />

37

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