Nutrition-Press
Freiheit für gesunde Nahrung - ein Schritt weiter!
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Ausgabe Nr. 6 – Februar 2015 · 4,95 Euro · ISSN 21958505
www.nutrition-press.com
Nutrition-Press
Fachzeitschrift für Mikronährstoffe
Thomas Büttner
Neue Rechtsprechung
zur Health Claims
Verordnung
Delia Germeroth
Fisetin – ein sekundärer
Pflanzenstoff mit vielen
Wirkungen
Andreas Binninger
Was ist gesunde
Ernährung?
Manfred Scheffler
Freiheit und Gerechtigkeit
kommen
selten von allein
Mikronährstoffe
Vitalstoffe
Nahrungsergänzungsmittel
Hersteller und Vertriebe
Europäischer Gerichtshof, Luxemburg
Freiheit für gesunde Nahrung –
ein Schritt weiter!
Etappensieg für den Verbraucher erreicht
NEM e.V.
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von Nahrungsergänzungsmitteln & Gesundheitsprodukten e. V.
Horst-Uhlig-Straße 3 · D-56291 Laudert · Telefon +49 (0)6746/80298-20
Telefax +49 (0)6746/80298-21 · E-Mail: info@nem-ev.de
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Editorial
Freiheit und Gerechtigkeit kommen selten von allein
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
Gute Nachrichten durch NEM – Aktivitäten
1. Health Claims – überraschende Wende zeichnet sich ab!
Weniger Verbote – mehr Infor ma tionsfreiheit für gesundheitsbezogene
Aussagen. Der Verbraucher darf sich mit
den mittelständischen Unternehmen richtig freuen.
Nur noch etwas Geduld. Das Grundrecht eines Bürgers
auf freie Meinungsäußerung wird wieder Gewicht bekommen.
Am 06. Januar 2012 hat der NEM Verband Klage beim
Europäischen Gericht einge reicht – gemeinsam mit
einem Mitgliedsunternehmen. Die Gerichtsverhandlung
fand am 23.10. 2014 in Luxemburg statt. Rechtsanwalt
Dr. Büttner und meine Person in der Funktion als Prä si
dent standen nun vor dem höchsten Gericht Europas. Ein
Gefühl, das einen schon mit Stolz erfüllt, Gerechtigkeit
zu erstreiten für den Ver braucher und den mittelständischen
Un ternehmer – die Wirtschaftsbasis unserer
Gesellschaft. Die Wirtschaftskraft in Deutschland wird
durch 80 % der Mittelständler gestellt.
Das Ergebnis: hier können wir nicht vorgreifen – das wäre
nicht seriös. Das Urteil wurde noch nicht gesprochen. Bis
zu 6 Monaten nach Gerichtsverhandlung kann es dauern,
bis ein Urteil verkündet wird. Sobald das Urteil bekannt
ist, wird es umgehend der Branche bekanntgegeben.
2.Und jetzt kommt der 2. Streich, wie angekündigt,
zu Novel Food.
Früchte, Gemüse, Pilze, Gewürze, die nicht maßgeblich
vor Mai 1997 im Europäischen Verkehr waren, dürfen zunächst
nicht nach Europa rein, auch wenn diese Lebensmittel
seit 1000 Jahren und mehr in anderen Ländern
verspeist werden. Solche Lebensmittel dürfen nur auf
den Markt, wenn sie über langwierige Prüf verfahren zugelassen
wurden. Was für ein Schildbürgerstreich.
Manfred Scheffler
Präsident NEM e.V.
Was die Novel Food Verordnung
betrifft: hier bereitet und diskutiert
man in den Behörden eine
Neugestaltung. Jetzt gilt es, unseren
Unmut nochmals kund
zu tun. Es sollte mir keiner vorschreiben,
was ich essen soll
oder darf. Wir Bürger sind mündig
genug, dies selbst zu entscheiden.
Synthetische Lebensmittel
auf Toxikologie zu prü fen,
ist sicher zwingend erforderlich und genehmigungswürdig.
Die Politik sollte erkennen, dass der Bürger nicht
ständig bevormundet wird.
Was tun wir:
a) wir haben eine Petition initiiert, auf Deutsch, Englisch,
Französisch (siehe www.nem-ev.de). Die wird den Europäischen
Behörden etc. vorgelegt.
b) wir werden Europa auffordern, den Bürger nicht für dumm
zu verkaufen und gehen ins Gespräch mit den Behörden,
dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Rat –
und in die Medien.
Vergessen wir nicht: wer die Macht über Lebensmittel
hat, der hat die Macht über uns Bürger.
Lebensmittel sind die Basis unserer Gesundheit. Fehlt der
gesunde Menschen verstand bereits in der Politik und den
Behörden, um dies zu erkennen?
Bleiben Sie gesund und munter!
Herzlichst Ihr
Wir alle wissen, Zigaretten sind tödlich – sind aber auch
erlaubt; besagte Lebensmittel werden erst einmal verboten.
Gerade versucht man Vitalpilze zu Arzneimitteln
zu machen (s. Presse mitteilung BfArM 2/15 vom
06. 02. 2015) Was für ein krankhaftes Denken der Behörden
und Politik. Oder sind hier andere Kräfte am Werk –
na wer wohl?
Manfred Scheffler
Präsident NEM e.V.
Nutrition-Press ist die offi zielle Zeitschrift des NEM e.V.
Verband mittelständischer europäischer Hersteller und
Distributoren von Nah rungs ergänzungsmitteln & Gesundheitsprodukten
e.V.
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Nutrition-Press
Inhalt
5 Neue Rechtsprechung zur Health Claims Verordnung • Dr. jur. Thomas Büttner
11 Fisetin – ein sekundärer Pflanzenstoff mit vielen Wirkungen • Dipl. Troph Delia Gemeroth
14 Was ist gesunde Ernährung? • Andreas Binninger
16 Ergothionein in Pilzen – der oxidative Stress • Prof. Dr. Jan I. Lelley
21 Alpha Liponsäure Chelatbildner bei Schwermetallbelastungen:
Wissenschaftsfundierte Problemdarstellung • Strahinja Tomic
26 Cayennepfeffer
28 Kurkumin zur Behandlung der Atrophie bzw.
tumorinduzierten Kachexie • Christopher Oelkrug, Dr. Andreas Schubert
32 Chronische Erkrankungen ... und kein Ende in Sicht • Prof. Dr. Dr. Fred Harms
36 Warum ist Homocystein so interessant? • Peter Abels
40 Schwermetalle – Ein Revival alter Bekannter • Dr. rer. nat. Cornelia Friese-Wehr
44 Indien – ein Markt für europäische Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetik?!
Indien – als Beschaffungsmarkt für Rohstoffe • Hon. Prof. Dr. Helmut Weidlich
48 Gefahrstoffe im Griff: Neues Angebot für verbessertes Gefahrstoffmanagement• BG RCI
49 eBay-Auktionen: Vorsicht beim Abbruch• ARAG
Impressum
Nutrition-Press
Fachzeitschrift für Mikronährstoffe,
Vitalstoffe, Nahrungsergänzungsmittel,
Hersteller und Vertriebe
Online-Ausgabe: ISSN 2195-8505
Herausgeber: Elite Magazinverlags GmbH
Boslerstraße 29 · 71088 Holzgerlingen
Telefon:+49(0)7031/744-0 · Fax:+49(0)7031/744-195
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Chefredaktion: Bernd Seitz (V.i.S.d.P.)
Leitender Redakteur: Manfred Scheffler
Redaktion: Gabriele Thum M.A.
Wissenschaftlicher Beirat:
Dr. Gottfried Lange
Prof. Dr. Kurt S. Zänker
Juristischer Beirat: Dr. jur. Thomas Büttner
Gastautoren:
Peter Abels
Andreas Binninger
Dr. jur. Thomas Büttner
Dr. rer. nat. Cornelia Friese-Wehr
Dipl. Troph Delia Gemeroth
Prof. Dr. Dr. Fred Harms
Prof. Dr. Jan I. Lelley
Christopher Oelkrug
Dr. Andreas Schubert
Manfred Scheffler
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Hon. Prof. Dr. Helmut Weidlich
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Recht
Neue Rechtsprechung
zur Health Claims Verordnung
Die Health Claims Verordnung 1924/2006/EG mit der VO 432/2012/
EG halten nach wie vor die Lebensmittelindustrie in Atem.
Die Zulässigkeit der Verwendung von nährwertbe
zo genen – und gesundheitsbezogenen
Aussagen für Lebensmittel ist aufgrund der gravierenden
Änderungen der Rechtslage im Vergleich zu
den Vorjahren ein beliebter Tummeplplatz für Abmahnvereine,
Wettbewerber und Überwachungsbehörden.
Nahezu jede Umverpackung, jeder Werbeflyer, jeder
Internetauftritt wird kritisch auf mögliche Verstöße gegen
die Health Claims Verordnung untersucht.
1. Hierbei zeichnete sich in den ersten Jahren ein sehr
restriktives Bild der Rechtsprechung, die die Verordnungen
sehr eng und konservativ auslegte.
Dies führte teilweise schon zu skurrilen Beanstandungen,
wenn z.B. die Behörden sich daran störten, dass
statt der Formulierung „Vitamin C trägt zur Verringerung
von Müdigkeit und Ermüdung bei“ formuliert
wurde „Vitamin C trägt zur Verringerung von Müdigkeit
und Erschöpfung bei“. Niemand wird erklären können,
worin der Unterschied zwischen Müdigkeit und Ermüdung
bestehen soll. Dies erst recht vor dem Hintergrund,
dass die englische Formulierung des zugelassenen
Claims „fatigue“ durchaus mit dem Begriff der Erschöpfung
übersetzt werden kann.
Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist, wenn die Formulierung
„Vitamin C trägt zu einer normalen Funktion des
Immunsystems bei“ nicht gleichgesetzt werden dürfe
mit der Formulierung „Vitamin C trägt zu einer gesunden
Funktion des Immunsystems bei“. Denn es ist
für den aufmerksamen, verständigen Durchschnittsverbraucher
klar, dass eine normale Funktion des Immunsystems
eine gesunde Funktion des Immunsystems
darstellt. Wenn die Funktion des Immunsystems nicht
normal ist, kann sie auch nicht gesund sein. In einigen
europäischen Ländern ist vor diesem Hintergrund auch
akzeptiert, dass statt normale Funktion des Immunsystems
auch „gesunde“ Funktion des Immunsystems
formuliert werden kann.
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Da nach Art. 5 Abs. 2 der VO 1924/2006/EG die Verwendung
gesundheitsbezogener Angaben nur zulässig
ist, wenn vom durchschnittlichen Verbraucher erwartet
werden kann, dass er die positive Wirkung, wie sie in
der Angabe dargestellt wird, versteht, halten wir vor
diesem Hintergrund auch die Formulierung „gesund“
für gleichbedeutend mit „normal“.
2. Aktuell häufen sich jedoch auch Urteile, die für die
Lebensmittelindustrie Licht am Ende des Health Claims
Tunnels aufzeigen.
So verweisen wir auf ein aktuelles Urteil des Landgerichts
Würzburg vom 11. 07. 2014, Az. 1 HKO 882/14.
Darin hat das Landgericht Würzburg bestätigt, dass ein
Nahrungsergänzungsmittel prominent auf Inhaltsstoffe
hinweisen darf, dass sie in dem Produkt enthalten sind
und diese auch mit Mengenangaben in der Nährstofftabelle
aufführen darf, ohne dass daraus auf eine Gesundheitsbezogenheit
dieser Bestandteile des Produktes
geschlossen werden darf.
Überwachungsbehörden und Wettbewerbsverbände
haben es in der Vergangenheit bereits beanstandet,
dass z. B. die bekannten Zutaten von Nahrungsergänzungsmitteln
Glucosamin und Chondroitinsulfat auf
Frontseiten von Nahrungsergänzungsmitteln abgebildet
werden, die sich auf die GelenkGesundheit beziehen.
Es ist bekannt, dass in der Vergangenheit Glucosaminsulfat
und Chondroitinsulfat als Wirkstoffe für gelenkspezifi
sche Wirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln
beworben wurden. Im Rahmen der Health Claims Verordnung
hatte jedoch die EFSA einen Nutzen dieser
Stoffe auf der Grundlage der ihr von den jeweiligen Antragstellern
vorgelegten Unterlagen als wissenschaftlich
nicht ausreichend belegt qualifi ziert. Dagegen wurde
z.B. für Vitamin C im Rahmen der VO 1924/2006/
EG ausdrücklich anerkannt, dass Vitamin C zu einer
normalen Kollagenbildung für eine normale Funktion
der Knochen und der normalen Knorpelfunktion beiträgt.
Auch können für andere Botanicals, deren Bewertung
noch zurückgestellt ist, entsprechende gelenkspezifi
sche oder knorpelspezifi sche gesundheitsbezogene
Aussagen weiterhin möglich sein. Eine Vielzahl von Anbietern
verweist jedoch nach wie vor darauf, dass Glucosaminsulfat
und Chondroitinsulfat in ihren Produkten
„enthalten“ sind, ohne diesen Zutaten spezifi sche gesundheitsbezogene
Wirkung zuzuschreiben.
Das Landgericht Würzburg hat nun diese Praxis ausdrücklich
als zulässig bestätigt.
So heißt es in dem Urteil unter anderem wie folgt:
„Die Angabe von Glucosamin- und Chondroitinsulfat auf
der streitgegenständlichen Umverpackung der … Kapseln
stellt keine „gesundheitsbezogene Angabe“ im Sinne
des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 Health Claims Verordnung dar,
denn die Angabe suggeriert weder, noch bringt Sie mittelbar
zum Ausdruck, dass zwischen den vorgenannten
Bestandteilen des Nahrungsergänzungsmittels und der
Gesundheit ein Zusammenhang besteht. … Da bezüglich
der Inhaltsstoffe Glucosamin- und Chondroitinsulfat keine
nähere Spezifizierung, für was die genannten Stoffe
nützlich sein sollen, wie für die anderen vorgenannten
Stoffe vorgenommen wird, wird ein Durchschnittsverbraucher,
auf den es entscheidend ankommt, weil sich
die Bewerbung der … durch die Beklagte grundsätzlich
an die Gesamtheit der Verbraucher richtet … nicht davon
ausgehen, dass Glucosamin- und Chondroitinsulfat eine
spezifische gesundheitsbezogene Wirkung aufweisen. …
Die Beklagte ist dabei allerdings nur an den von ihr selbst
verwendeten Werbeaussagen zu messen, denn werbliche
Äußerungen Dritter oder sonstiger Erfahrungswerte
sind der Beklagten nicht zuzurechnen … Die Erwähnung
der streitgegenständlichen Stoffe in der Nährwerttabelle
lässt ebenso wenig auf die besondere Gesundheitsbezogenheit
schließen. … Die Tatsache, dass Glucosaminund
Chondroitinsulfat auf der Vorderseite der Umverpackung
des Nahrungsergänzungsmittels genannt werden,
ist darauf zurückzuführen, dass die … zu einem Großteil
aus eben diesen Stoffen bestehen und damit zu ihren
Hauptbestandteilen des Produktes zu zählen sind … Für
Verbraucher kommt es auf die beworbene Wirkung des
Produktes insgesamt und gerade nicht auf die Einzelheiten
der chemischen Zusammensetzung an … Denn nach
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Recht
beitragen, andererseits, dass sie eine ernährungsspezifische
bzw. physiologische Wirkung aufweisen. In quantitativer
Hinsicht sind Glucosamin- und Chondroitinsulfat
charakteristisch für das streitgegenständliche Produkt,
weil sie einen Großteil der Zusammensetzung ausmachen
… Daneben ist die Angabe, dass die streitgegenständlichen
… Kapseln Glucosamin- und Chondroitinsulfat
enthalten, sachlich zutreffend. Die Angabe aller
Inhaltsstoffe eines Präparates ist für den Verbraucher
von überragendem Interesse, insbesondere dann, wenn
eine bestimmte Zutat den Hauptbestandteil eines Erzeugnisses
– wie hier Glucosaminsulfat – ausmacht.“
Dieses Urteil des Landgerichts wurde vom Oberlandesgericht
Bamberg mit Urteil vom 19.11.2014, Az.: 3 U
159/14 bestätigt. Wir zitieren aus dem Urteil unter anderem
wie folgt:
Ansicht der Umverpackung darf der Verbraucher vorliegend
ein Produkt erwarten, das sich positiv auf die Gesundheit
seiner Gelenke auswirkt. Gerade diese beworbene
Wirkung des Produktes ist vorliegend aber
unstreitig, denn nachweislich unterstützen Vitamin C,
Zink und Mangan gerade die Gelenkgesundheit…“
Von besonderem Interesse ist ebenfalls, dass das Landgericht
Würzburg bestätigt hat, dass die Angabe der
Bestandteile Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat
sogar eine Pfl ichtangabe für Nahrungsergänzungsmittel
darstellt. Auch hierzu zitieren wir aus dem Urteil wie
folgt:
„Selbst wenn man dies anders sehen und das Vorliegen
einer gesundheitbezogenen Angabe bejahen sollte, so
würden die streitgegenständlichen Angaben als Pflichtangaben
nicht dem Anwendungsbereich der Health Claims
Verordnung unterfallen. Dies folgt aus Art. 1 Abs. 2 unter
Abs. 1, 2 Abs. 2 Nr. 1 Health Claims Verordnung in Verbindung
mit § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NemV. … Deshalb
durften die streitgegenständlichen … Kapseln unter Angabe
der Kategorien der Nährstoffe, die für das Erzeugnis
kennzeichnend sind, in den Verkehr gebracht werden,
§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NemV. Eine „Kennzeichnung“ in
diesem Sinne setzt voraus, dass die fraglichen Inhaltsstoffe
einerseits in quantitativer Hinsicht zur Ernährung
„Eine Irreführung ist jedoch vorliegend, wie das Landgericht
zu Recht ausgeführt hat, nicht zu erkennen. … Glucosaminsulfat
und Chondroitinsulfat werden also in diesem
Zusammenhang ausdrücklich als Wirkstoffträger
nicht genannt. Aus der Umverpackung kann der (verständige)
Verbraucher also nichts entnehmen, woraus sich
der von dem Verfügungskläger gezogene Schluss einer
gesundheitsfördernden Wirkung dieser beiden Bestandteile
entnehmen lassen könnte. Dem Verbraucher wird
also nichts suggeriert. Eine irreführende Bezeichnung
nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB scheidet aus den vom Landgericht
genannten Gründen aus. Das beworbene Produkt
hat die ihm beigelegte Wirkung. … Mit den Bestandteilen
des streitgegenständlichen Produktes Glucosaminsulfat
und Chondroitinsulfaft wird jedoch auf der Umverpackung
kein Gesundheitsbezug hergestellt, sondern diese
werden, wie vorstehend erwähnt, als Inhaltsstoffe bezeichnet.
Letztendlich ist die Auffassung des Landgerichts nicht zu
beanstanden, dass jedenfalls die Listung der beiden Bestandteile
nach § 4 Abs. 2 NemV erforderlich war.“
Ebenfalls in diesem Sinne von Interesse ist ein aktuelles
Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28.08.2014,
Az.: 14 C O 138/13 aus dem wir wie folgt zitieren:
„Die mit dem Klageantrag … angegriffene … Angabe „B-
Vitamine und Zink für Gehirn, Nerven, Konzentration und
Gedächtnis“ ist zulässig. … Die Angabe „B-Vitamine und
Zink für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis“
ist auf Grund der freigegebenen Health Claims für einzelne
B-Vitamine und Zink, soweit sie auf diese bezogen
gemacht wird, zulässig… Dabei gilt zunächst, dass der
Verkehr die Angabe nicht dahingehend verstehen wird,
dass für jedes einzelne B-Vitamin und für Zink jeweils
sämtliche der genannten positiven Wirkungen ausgelobt
werden. Denn es handelt sich ersichtlich um eine Zu
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sammenfassung mehrerer Bestandteile einerseits und
verschiedener ausgelobter Wirkungen andererseits, so
dass kein Anlass für ein solches Verständnis besteht.
Dies legt auch die pauschale Bezugnahme auf B-Vitamine
nahe. Denn der Verkehr wird nicht davon ausgehen,
dass in dem Produkt sämtliche B-Vitamine enthalten
sind, sondern erwarten, dass die dort enthaltenen Vitamine
den ergänzenden Informationen entnehmen kann.
Er wird gleichzeitig erwarten, dass er sich durch den weiteren
Inhalt der Umverpackung bzw. der Gebrauchsinformation
darüber informieren kann, welchem einzelnen
Bestandteil welche der genannten positiven Wirkungen
zugeschrieben wird … Die Inanspruchnahme einer positiven
Wirkung auf Gehirn, Konzentration und Gedächtnis
ist für die Vitamine B1, B5, B12 und Zink deshalb gerechtfertigt,
weil für diese jeweils ein Health Claim betreffend
eine positive Wirkung auf die psychische Funktion bzw.
die geistige Leistung bzw. die kognitive Funktion freigegeben
ist; für die Vitamine B1 und B12 umfasst der freigegebene
Health Claim jeweils eine positive Wirkung auf
das Nervensystem. Die verwendeten Angaben sind zwar
nicht wortgleich mit den jeweils zugelassenen Health
Claims, aber doch aus Verbrauchersicht gleichbedeutend
im Sinne des Erwägungsgrundes Nr. 9 der HCVO,
so dass die Benutzung nach Art. 10 HCVO zugelassen
ist …
Die Beklagte kann sich vorliegend auch dann auf die Zulassung
der Health Claims für die einzelnen Vitamine und
Nährstoffe berufen, wenn sie diese in einem Kombinationspräparat
verwendet. Gegen die Auffassung der Klägerin,
die Zulassung eines Health Claims für einen bestimmten
Stoff greife schon dann nicht mehr, wenn
dieser in einer Stoffkombination verwendet wird, spricht
bereit, dass die Bedingungen für die Verwendung der Angaben
für die für einzelne Stoffe zugelassene Health
Claims, wie sie Gegenstand der Anlage zur VO EU-Nr.
432/2012 vom 16. 05. 2012 sind, ausdrücklich die Verwendung
in einer Stoffkombination vorsehen. Es besteht
beispielsweise die Verwendung verschiedener Health
Claims für den Einzelstoff Cholin jeweils unter der Bedingung,
dass die Angabe für Lebensmittel verwendet wird,
die mindestens 82,5 mg Cholin je 100 g oder 100 ml bzw.
je Portion enthalten. Der Verordnungsgeber geht mithin
gerade davon aus, dass eine Verwendung in einer Stoffkombination
erfolgen wird, und knüpft dies lediglich an
einzelne, hier unstreitig erfüllte Voraussetzungen. … Die
angegriffene Werbeaussage ist auch nicht deshalb gemäß
Art. 10 Abs. 1 HCVO unzulässig, weil jeweils ein Teil
der angesprochenen Verkehrskreise die beanspruchte
Wirkung auf „Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis“
auf den Bestandteil der Ginkgo zurückführen
würde, für den als Botanical (bislang) unstreitig kein entsprechender
Health Claim freigegeben oder eine entsprechende
Wirkung in der vorliegend empfohlenen Dosierung
von der Beklagten auch nicht substantiiert
behauptet worden ist. Denn bereits ein solches Verständnis
jedenfalls eines Teils der angesprochenen Verkehrskreise
lässt sich nicht feststellen.
Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher,
der der Werbung die in der Situation angemessene
Aufmerksamkeit entgegenbringt … wird die
unter … angegriffene Angabe, sobald sie sich auf der
Umverpackung bzw. der Gebrauchsinformation befinden,
jeweils dahingehend verstehen, dass ausschließlich
den Bestandteilen „B-Vitamine und Zink“ je nach der
Health Claims Verordnung genehmigten Wirkungen in der
vorstehend wiedergegebenen Weise zugeschrieben werden,
nicht aber auf den weiteren Bestandteil „Gingko“.
Die wirkungsbezogene Werbeaussage wird nach ihrem
unmissverständlichen Wortlaut ausdrücklich auf „B-Vitamine
und Zink“ bezogen gemacht. An lass für ein an dem
Produkt und damit an Gesundheitsfragen interessierten
Verbraucher dafür, die Werbe aus sage auch auf ein anderen
Produktbestandteil zu erstrecken, besteht nicht.
… Die Hervorhebung des Bestandteil Gingko führt zwar
dazu, dass er Ginkgo für den Hauptbestandteil des Produktes
halten wird. Die Worte „B-Vitamine und Cholin“
treten demgegenüber gleichzeitig aber nicht so zurück,
dass sie von ihm nicht zur Kenntnis genommen würden.
… Dem Ansatz, die Produktbezeichnung habe so eine
starke assoziative Wirkung, dass der Verbraucher den
Bestandteilen Ginkgo und Cholin gleichfalls die für die
B-Vitamine und Zink ausgelobten Wirkungen zumessen
würde, vermag die Kammer angesichts des eindeutigen
Wortlautes der angegriffenen Angabe und dem sich auch
durch den Kontext auftretenden Sprachverständnis mithin
nicht zu folgen.
... Da die hier angegriffene Angabe als Einführung der unmittelbaren
Auflistung der auf die einzelnen Produktbestandteile
bezogenen Health Claims vorangestellt ist und
mit dieser räumlich in einem Kontext, wird der Verbraucher
die angegriffene Angabe nicht ohne die nachfolgend
wiedergegebenen, im Wortlaut dem Inhalt des
Anhangs zur VO EU-Nr. 432/2012 vom 16. 05. 2012 entsprech
ende Health Claims lesen. Denn es besteht kein
Anlass für die Annahme, der Verbraucher, der sich mit
dem „Kleingedruckten“ auf der Rückseite der Verpackungsbeilage
bzw. dem Inhalt der Gebrauchsinformation
befasst, werde dort nur eine Textpassage isoliert
wahrnehmen, zumal die nachfolgenden Angaben teilweise
noch durch Fettdruck hervorgehoben sind und deshalb
besondere Aufmerksamkeit hervorrufen. Wenn der
§
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Anzeige /
Verbraucher aber den Text als Ganzes liest oder jedenfalls
überfliegt, so kann er die hier angegriffene Textpassage
in ihrem Kontext nur so verstehen, dass die positive
Wirkung für Gehirn und Nerven nicht dem gesamten Produkt
zugeordnet wird, sondern nur den unmittelbar nachstehend
wiedergegeben einzelnen Bestandteilen.“
Das Landgericht Düsseldorf hat somit klar bestätigt,
dass zugelassene Health Claims auch für Kombinationsprodukte
verwendet werden können. Darüber hinaus
hat das Landgericht klargestellt, dass die Verbraucher
die Werbetexte stets im Gesamtzusammenhang
wahrnehmen und keine Werbeaussagen isoliert zu bewerten
sind. Darüber hinaus hält das Landgericht auch
kurze Zusammenfassungen auf der Frontseite der Verpackung
für zulässig, wenn z.B. auf der Rückseite detailliertere
Erläuterungen zu den einzelnen Claims erfolgen.
Positiv zu bewerten ist auch, dass das Gericht für den
Verbraucher vereinfachende Erläuterungen, wie „für
Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis“ auch
eine zulässige Umschreibung eines Claims wie „trägt
zur normalen psychischen Funktion bei“ akzeptiert.
§
Dies entspricht schließlich auch den Maßstäben der
aktuellen Rechtsprechung des BGH in seinem Urteil
vom 9. Oktober 2014, Az.: I ZR 167/12 aus dem wir wie
folgt zitieren:
„Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die
Beurteilung des Berufungsgerichts, die vom Kläger beanstandete
Bezeichnung auf der Verpackung des Getränks
der Beklagten sei eine Angabe im Sinne von
Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung EG-Nr. 1924/2006.
9
Nutrition-Press
Dabei kann offenbleiben, ob die Beurteilung des Berufungsgericht
zutrifft, die fragliche Bezeichnung sei keine
nach dieser Bestimmung vom Anwendungsbereich
der Verordnung EG-Nr. 1924/2006 ausgenommene obligatorische
Angabe. Nicht zugestimmt werden kann
jedenfalls der Beurteilung des Berufungsgerichts, die
beanstandete Bezeichnung sei eine Angabe im Sinne
von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung EG-Nummer
1924/2006, wenn mit ihr zum Ausdruck gebracht
werde, dass das in der Verpackung enthaltene Getränk
besondere Eigenschaften besitze.
Dr. jur. Thomas Büttner
Rechtsanwalt und
lebensmittelrechtlicher
Beirat des NEM e.V.
… Eine solche Angabe liegt dann nicht vor, wenn eine
Aussage oder Darstellung aus der Sicht der angesprochenen
Verbraucher lediglich auf eine Eigenschaft eines
Lebensmittels hinweist, die alle Lebensmittel der angesprochenen
Gattung besitzen; in einem solchen Fall
fehlt der Aussage oder Darstellung die Lenkungswirkung,
deren Regulierung die Beschränkungen rechtfertigt,
die die Verordnung EG-Nummer 1924/2006
hinsichtlich der Verwendung nährwert- und ge sundheitsbezogener
Angaben vorsieht … Informationen über
Eigenschaften eines Lebensmittels stellen daher auch
dann, wenn sie sich auf Nährstoffe oder andere Substanzen
beziehen, keine Angaben im Sinne von Art. 2
Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung EG-Nr. 1924/2006 dar,
wenn mit ihnen keine besonderen Eigenschaften des Lebensmittels
herausgestellt, sondern lediglich objektive
Informationen über die Beschaffenheit oder die Eigenschaft
der Gattung von Lebensmitteln mitgeteilt werden,
zu der das beworbene Lebensmittel gehört. Bei der in
diesem Zusammenhang bei nährwertbezogenen Angaben
im jeweiligen Einzelfall vorzunehmenden Abgrenzung
sind Angaben über spezifische Inhaltsstoffe von
Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten die eine ernährungsphysiologische
Funktion haben, zwar regelmäßig
als Angaben über besondere Eigenschaften im Sinne von
Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung EG-Nr. 1924/2006
anzusehen. Nach dem Erwägungsgrund 5 dieser Verordnung
sind von der Anwendung jedoch allgemeine Bezeichnungen
wie etwa „digestif“ oder „Hustenbonbon“
auszunehmen, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft
einer Kategorie von Lebensmitteln verwendet
werden, die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit
haben können. Dementsprechend stellt eine Aussage
oder Darstellung, die dem Verbraucher lediglich
vermittelt, um welche Art von Lebensmittel es sich im
konkreten Fall handelt, keine Angabe im Sinne von Art. 2
Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung EG-nummer 1924/2006
dar.
Nach diesen Maßstäben enthält die im Streitfall beanstandete
Aufmachung des Produktes der Beklagten keine
Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr.1 der Verordnung
EG-Nummer 1924/2006. Bei der vom Berufungsgericht
insoweit als maßgeblich angesehenen anregenden
und stimulierenden Wirkung, auf die die Bezeichnung
„Energy“ hinweist, handelt es sich aus der nach
dem Erwägungsgrund 16 dieser Verordnung maßgeblichen
Sicht des normal informierten, aufmerksamen und
verständigen Durchschnittsverbrauchers um eine Eigenschaft,
die bei jedem Energy-Drink vorliegt. … Die vom
Berufungsgericht offengelassene Frage, ob der Verbraucher
den Begriff „Energy“ als Abkürzung für das auf der
Rückseite der Dose näher beschriebene Erfrischungsgetränk
mit erhöhtem Koffeingehalt versteht, ist im Hinblick
auf den Gesamteindruck, der von der vom Kläger
beanstandeten Aufmachung ausgeht, zu bejahen. Es ist
davon auszugehen, dass Verbraucher, die sich bei ihrer
Kaufentscheidung für ein Lebensmittel nach dessen Zusammensetzung
richten, regelmäßig zunächst das Zutatenverzeichnis
lesen … Im Streitfall kann der angesprochene
Verbraucher aus diesem Verzeichnis und den
weiteren Angaben auf der beanstandeten Aufmachung
des streitgegenständlichen Produktes ohne weiteres erkennen,
dass es sich bei diesem Produkt um ein Mischgetränk
handelt, das aus Wodka und einem Energy-Drink
besteht. Die dadurch bedingte „energetische“ Wirkung
dieses Getränks stellt damit einem solchen Getränk aus
der Sicht des angesprochenen Verbrauchers entsprechende
und deshalb keine besondere Eigenschaft im
Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung EG-Nr.
1924/2006 dar …“
Im Ergebnis liegen somit nun mehrere aktuelle Urteile
vor, die ausdrücklich bestätigen, dass die Verbraucher
die Umverpackungen insgesamt wahrzunehmen haben
und entgegen der bisherigen Rechtsprechung und insbesondere
Behördenpraxis die Zulassungen nach der
VO 1924/2006/EG und der VO 432/20012/EG doch
etwas mehr Spielräume für die Werbung ermöglichen,
als bisher angenommen.
In jedem Einzelfall bedarf es naturgemäß einer intensiven
Auseinandersetzung mit den zugelassenen Claims
und der hierzu passenden Rechtsprechung.
10
Ernährung / Prävention
Fisetin – ein sekundärer
Pflanzenstoff mit vielen
Wirkungen
Sekundäre Pfl anzeninhaltsstoffe oder auch Phytamine genannt,
sind Naturstoffe, die von der Pfl anze nicht essentiell für die Aufrechterhaltung
der Zelle benötigt werden. Jedoch haben sie einen
hohen Stellenwert für den Menschen. In der Flora gibt es mannigfaltige
Anwendungsgebiete. So dienen die sekun dären Pfl anzenstoffe
u. a. dem Schutz vor Insektenfraß und vor UV-Strahlung.
Aufgrund Ihrer Struktur werden die sekundären
Pfl anzenstoffe in verschiedenen
Klassen eingeteilt: Terpene, Polyphenole, stickstoffhaltige
sekundäre Pfl anzenstoffe, Phytate und
Proteine. Fisetin gehört zu der Gruppe der Polyphenole
und ist als gelber Farbstoff, u. a. in dem Holz des
Perücken strauches, den Flavonoiden zugeordnet. Diese
fi ndet man vorwiegend in den äußeren Randschichten
sowie den Blättern von Pfl anzen. Zudem kommt
Fisetin in verschiedenen Früchten und Gemüsen vor,
jedoch mit stark variiertem Gehalt (siehe Tabelle auf
nächster Seite).
11
Nutrition-Press
Nährstoff
Gehalt an Fisetin
[µg/g]
Tomate 0,12
Zwiebel 4,78
Lotus 5,8
Gurke 0,14
Kiwi 2,03
Pfi rsich 0,58
Apfel 26,90
Kakifrucht 10,50
Traube 3,93
Erdbeere 160,00
Ein ungesunder Lebensstil und eine hohe Belastung mit
Umweltgiften können jedoch dazu führen, dass der Körper
nicht mehr alleine mit den freien Radikalen fertig
wird und es zu einem Ungleichgewicht zwischen dem
Auf und Abbau von freien Radikalen kommt.
Tabelle 1: Gehalt an Fisetin in verschiedenen Früchten und
Gemüsen 1
Den Flavonoiden werden zahlreiche gesundheits fördernde
Wirkungen nachgesagt. So sollen sie u. a.
antioxidativ, antiinfl ammatorisch, antikanzerogen und immunmodulierend
wirken. Diese Wirkungen werden
durch Tierversuche sowie in vitro Studien bestätigt. Ihre
Anwendungen auf den Menschen stehen daher in Diskussion.
2, 3, 4
Wirkung Fisetin
Freie Radikale entstehen Tag für Tag in unserem Körper
und spielen eine wichtige Rolle in zahlreichen biologischen
Prozessen. Sie können jedoch auch gesundheitsschädliche
Auswirkungen haben und sind u. a.
an der Entstehung von Krebs, Arteriosklerose und
Alzheimer beteiligt. Um einen Überschuss an freien
Radikalen entgegenzuwirken, hat der Körper verschiedene
Schutz mechanismen entwickelt. So gibt es zum
Beispiel Antioxidantien, die freie Radikale unschädlich
machen, bevor es zu Zellschäden kommen kann.
Abbildung:
Strukturformel Fisetin 6
Literatur
1 Kimira et al.: Japanese Intake of Flavonoids and Isofl avonoids from Foods. J Epidemiol 1998, 8(3): 16875.
2 http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/fi setholz/24653. Spektrum Akademischer Verlag 1999, Heidelberg.
3 Biesalski et al.: Ernährungsmedizin, 4. Aufl age, Thieme Verlag 2010, Stuttgart.
4 Burgerstein et al.: Handbuch Nähstoffe. 12. Aufl age, Trias Verlag 2012, Stuttgart.
5 Sengupta et al.: Investigations on the binding and antioxidant proerties of the plantfl avonoid fi setin in model biomembranes.
FEBS Lett 570(13):7781.
6 http://www.chemicalbook.com/ProductChemicalPropertiesCB8451569_EN.htm.
7 Maher et al.: Flavonoid fi setin promotes ERKdependent long term potentiation and enhances memory. Proc Natl Acad
Sci USA 2006, 103:1656873.
8 Maher et al.: Modulation of multiple pathways involved in the maintenance of neuronal function during age by fi setin.
Genes Nutr 2009, 4:297307.
9 Olaharski et al.: Chromosomal malsegregation and micronucleus induction in vitro by the DNA topoisomerase II inhibitor
fi setin. Mutat Res 2005, 582:7986.
10Khan et al.: A novel dietary fl avonoid fi setin inhibits androgen receptor signaling and tumor growth in athymic nude
mice. Cancer Res 2008, 68:855563.
12
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Es gibt viele natürliche Quellen von Antioxidantien, deren
Aufnahme durch die Nahrung die körpereigene Abwehr
unterstützen kann. Durch seine Struktur und einer
Vielzahl von Hydroxylgruppen (OH) hat das Fisetin ein
hohes antioxidatives Potential (Abb. 1), welches auch
an einem Biomembran Modell gezeigt werden konnte. 5.
Als Antioxidans spielt das Fisetin aber auch eine wichtige
Rolle in der Reduktion von altersbedingtem Verfall
der Hirnleistung. Zudem konnte gezeigt werden, dass
durch die Gabe von Fisetin das Langzeitgedächtnis verbessert
werden kann. 7, 8
Einige Studien weisen darauf hin, das Fisetin verschiedene
Enzyme, die an der Entstehung von Krebs beteiligt
sind, hemmen kann und den Zelltod von Krebszellen
9, 10
induziert.
Die Gruppe der Flavonoide besteht aus einer Vielzahl
von Stoffen. Dazu gehört auch der gelbe Farbstoff
Fisetin. In den letzten Jahren wurde immer mehr daran
geforscht, die besagten Wirkungen der Stoffe nachzuweisen
und ihre Wirkmechanismen zu erklären. So
konnte für Fisetin schon gezeigt werden, dass es antioxidativ,
neuroprodektiv und antikanzerogene Eigenschaften
besitzen kann.
Fisetin ist somit nicht nur ein natürliches Antioxidans,
sondern besitzt auch eine Vielzahl an positiven und gesundheitsfördernden
Eigenschaften!
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Nutrition-Press
Was ist gesunde Ernährung?
Seit circa acht Jahren beschäftige ich mich
persönlich mit den Themen gesunde Ernährung
und Gesundheitsprävention. Und die Zahl derer,
die es mir gleich tun, steigt stetig. Etliche Hilfeforen und
Diskussionsgruppen sind inzwischen im Internet und
den sozialen Medien entstanden. Und wenn man sie
aufmerksam verfolgt sieht man, es sind meistens Gesundheitsstörungen,
die den Menschen einen Anlass
geben, sich mit der Ernährung und Nahrungsergänzungsmitteln
auseinander zu setzen. Dabei habe ich
den Eindruck, dass kaum ein anderes Thema derzeit
so viele neue Dogmen und Mythen produziert, wie
dieses. Nur allzu gerne folgen die Menschen den Versprechungen
von Gesundheit, Schönheit, Jugendlichkeit
und Vitalität bis ins hohe Alter. Und sie geben sehr
viel Geld dafür aus.
Zurecht, sollte man deshalb meinen, ertönt der Ruf
nach der Wissenschaft, um die Aussagen der Ernährungs
und Nahrungsergänzungsmittelbranche zu beweisen.
Schließlich soll der Konsument vor unlauteren
Aussagen und unnützen Ausgaben geschützt werden.
Die Behörden in Europa verbieten inzwischen unter
dem Deckmantel des Verbraucherschutzes immer
mehr Nahrungsmittel und Produkte aus natürlichen
Rohstoffen, die keinen hinreichend wissenschaftlich
bewiesenen Nutzen vorweisen können. Darunter Produkte,
die in anderen Teilen der Welt zum Teil auf jahrtausendealte
Traditionen und Verwendung zurück blicken
können und dort ohne wissenschaftlichen Nachweis
wie selbstverständlich verzehrt werden. Dieses überlieferte
Wissen zählt bei uns jedoch leider nicht viel, wenn
es um die Befriedigung eurokratischer Interessen geht.
Eine große Herausforderung für die Nahrungsergänzungsmittelbranche,
die seit vielen Jahren Naturextrakte
verwendet, denen gesundheitsfördernde Eigenschaften
nachgesagt werden.
Studien sind extrem teuer und ihr Ausgang ist oft ungewiss.
Zu wenig wissen wir noch immer insbesondere
über die Stoffgruppe der sekundären Pfl anzenstoffe,
denen der Großteil der gesundheitlich positiven Wirkungen
zugeschrieben werden muss.
Das Problem der Ernährungswissenschaft auf dem
Wege des Beweises ist aus meiner Sicht, dass sie zu
sehr in altem Gedankengut und alten Methoden verhaftet
ist. Neue Wissenschaftszweige, wie die Epigenetik
und die hiermit eng verknüpfte Nutrigenetik, setzen
sich nach meiner Meinung viel zu langsam durch. Noch
immer herrscht die klassische Methodik vor, einzelne
„Wirkstoffe“ und deren Zielstrukturen zu identifi zieren,
um einen beschriebenen Gesundheitseffekt zu beweisen.
Bei Vielstoffgemischen, die unsere Nahrungsmittel
und Naturstoffkonzentrate nun einmal sind, ist es
schlicht die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen,
so vorzugehen.
14
Ernährung / Prävention
Gerade wenn es um gesunde Ernährung geht, stelle ich deshalb inzwischen immer
öfter diese klassische Methodik der Wissenschaft infrage. Denn in der Regel sieht
es so aus, dass der Beweis der Gesundheitsförderung eines Nahrungsmittels oder
Konzentrates auch noch völlig aus dem sozialen Kontext herausgerissen wird. Man
nimmt ein Produkt, verabreicht es einem Kollektiv von Probanden und schaut, ob der
gewünschte Effekt nachzuweisen ist. Dabei scheint es mir mittlerweile sehr zweifelhaft
zu sein, ob wirklich verbindliche Ergebnisse zu erzielen sind, wenn die sonstigen
Lebensumstände der Probanden sich stark von den Menschen unterscheiden, aus
deren Lebensraum ein Nahrungsmittel stammt.
Schon die Zusammenstellung der täglichen Nahrungsmittel, hat einen erheblichen
Einfl uss auf den Effekt der untersuchten Produkte. Auch bei noch so sorgfältigem
Studiendesign, halte ich es schlichtweg für unmöglich, über das gesamte Probandenkollektiv
identische Versuchsbedingungen darzustellen (im Übrigen sehe ich die gleiche
Problematik auch bei vielen Arzneimittelstudien).
Unberücksichtigt bleibt ferner die genetische Prädisposition der Probanden, die wir
im Rahmen von Studien zurzeit weder untersuchen, noch ihre Bedeutung bisher
in ganzem Ausmaß beurteilen können. Fest steht jedoch, die Erkenntnisse aus der
epigenetischen respektive nutrigenetischen Forschung legen uns nahe, dass die
Antwort auf die Frage „Was ist die richtige gesunde Ernährung?“ nicht pauschal zu
beantworten ist.
Weder ist der Begriff „abwechslungsreich“ im Zusammenhang mit Ernährung ausreichend
defi niert, noch lässt sich eindeutig beweisen, dass einseitige Ernährung
ge nerell schwer gesundheitsschädlich ist. Denn im Sinne von einseitig, ernähren sich
zahlreiche Völker auf der Erde. Beispielsweise Eskimos, die von fettem Fisch leben,
oder Nomaden in ZentralAfrika, die mehrere Liter Milch am Tag trinken. Beiden steht
kein abwechslungsreicher Speiseplan zur Verfügung, weil es ihr Lebensraum nicht
hergibt. Dennoch sind sie oftmals gesünder, als die Menschen hier bei uns. Ihre
Körper sind seit Jahrtausenden an diese einseitige Form der Ernährung angepasst,
während unsere Vorfahren neben der Jagd auf einen reichen Schatz an Früchten,
Nüssen, Kräutern, Pilzen und Gemüsen zurückgreifen konnten.
Andreas Binninger
Apotheker und Fachlicher
Beirat des NEM e. V.
Eine Abkehr von endemischen Ernährungsformen, an die wir genetisch angepasst
sind, macht nicht von heute auf morgen krank. Diabetes und andere Zivilisationskrankheiten,
ent wickeln sich über viele Jahre falscher Ernährung. Welches Ausmaß
epigenetische Veränderungen bei der Entstehung dieser Krankheiten haben, ist kaum
abzuschätzen. Ebenso wenig wie die Zeit, der es bedarf, diese Veränderungen wieder
zu reparieren. Zahlreiche Studien sind deshalb schon zum Scheitern verurteilt, weil
sie schlicht nicht lange genug durchgeführt werden. Und je länger eine Studie dauert,
umso schwerer wird es, einheitliche Bedingungen aufrecht zu erhalten.
Wir stecken in einem großen Dilemma. Wir müssen dringend neue Methoden und
Messverfahren entwickeln, um die Auswirkungen von Ernährung und Naturstoffen
auf unseren Körper beweisen zu können. Es sei denn, es kehrte irgendwann wieder
Vernunft bei der Politik ein.
15
Nutrition-Press
Als oxidativer Stress wird ein Stoffwechselzustand bezeichnet,
der durch eine hohe Konzentration von reaktiven Sauerstoffspezies
gekennzeichnet ist. Dabei ist der Organismus nicht mehr imstande,
die in ihm anfallenden reaktiven Sauerstoffverbindungen – dazu
gehören die freien Radikale – erfolgreich durch Antioxidantien
zu neutralisieren.
Ergothionein in Pilzen –
der oxidative Stress
Die reaktiven Sauerstoffspezies entstehen
durch sauerstoffabhängige Redoxreaktionen.
Es handelt sich um Atome, denen ein Elektron
fehlt, die aber die offene Stelle besetzen möchten und
entziehen Elektronen anderen Atomen. So entstehen
im Zuge einer Kettenreaktion freie Radikale.
Freie Radikale sind nicht generell schädlich. Im Gegenteil,
sie helfen dem Immunsystem Bakterieninfektionen
zu bekämpfen und auch entartete körpereigene Zellen
zu eliminieren. Solange im Organismus ein Gleichgewicht
besteht, das heißt der Überschuss an gebildeten
freien Radikalen durch entsprechende reduktive Gegenmaßnahmen
des Organismus neutralisiert bzw.
abgebaut werden, besteht keine Gefahr. An dem Abwehrprozess
des Organismus von freien Radikalen sind
Vi tamine (Ascorbinsäure, aTocopherol) und bestimmte
Enzyme (SuperoxidDismutase, Katalase, Glutathionperoxidase
u. a.) beteiligt. Wenn jedoch im Organismus
eine Verschiebung in Richtung oxidativer Prozesse stattfi
ndet, entsteht oxida tiver Stress.
Sie entstehen in den Mitochondrien, als Nebenprodukt
der Zellatmung. Sie entstehen aber auch in Entzündungsherden,
wo sie Bakterien und Viren schädigen
und insofern nützlich sind.
Die Folgen eines oxidativen Stresses können schwerwiegend
sein. Sie spielen bei der Entstehung von verschiedenen
Krankheiten eine wichtige Rolle. Nachgewiesen
ist, dass oxidativer Stress unter anderen bei Diabetes
mellitus, Alzheimer und bei Krebs molekulare
Schäden verursachen kann. Er ist maßgeblich am Alterungsprozess
des Organismus beteiligt und gilt als Mitauslöser
von bestimmten HerzKreislaufErkrankungen.
Ferner kann der oxidative Stress Arteriosklerose, rheumatische
und neurodegenerative Erkrankungen auslösen.
Am oxidativen Stress sind hauptsächlich reaktive Sauerstoffspezies
beteiligt. Solche sind Superoxidanionradikal,
Wasserstoffperoxid, Hydroperoxid und andere.
16
Ernährung / Prävention
Den oxidativen Stress können neben endogenen Fa k
toren auch exogene Einflüsse auslösen. Unter solchen
werden UV-Strahlung, Ozon, Umweltbelastungen, Ernährungsfehler
und Psychostress genannt. Die Gesamtzahl
der Erkrankungen, die mit oxidativem Stress
in Verbindung gebracht werden, geht über Einhundert.
Natürliche Antioxidantien und Ergothionein
Viele Antioxidantien kommen in Lebensmitteln vor, die
vom menschlichen Organismus nicht synthetisiert werden
können, sondern gezielt zugeführt werden müssen.
Am besten bekannt sind die Vitamine A, C und E. Diese
kommen in frischem Obst und Gemüse vor, die deshalb
reichlich konsumiert werden sollten. Wichtige Antioxidantien
sind Polyphenole, die in Äpfeln, Beeren (Brombeeren,
schwarzen Johannesbeeren, Holunderbeeren)
Tomaten, Rotwein sowie in Gewürzen wie Knoblauch
und auch Kurkuma enthalten sind. Antioxidantien aus
Pflanzenextrakten werden vielfach als Nahrungsergänzungsmittel
supplementiert. Ein im Allgemeinen weniger
bekannter natürlicher Antioxidans ist Ergothionein.
Strukturformel: Ergothionein
Ergothionein ist das Betain (Oxydationsprodukt) der
Aminosäure L-Histidin, die an der zweiten Position des
Imidazolrings eine Sulfhydrylgruppe als Schwefelsubstituenten
trägt (siehe Strukturformel).
Die Biosythese von Ergothionein geht von der Aminosäure
L-Histidin aus, geht über das Zwischenprodukt
Her zynin und wird durch den Einbau von Schwefel, der
aus der Aminosäure Cystein stammt, komplettiert (Zapilko,
2013).
Das mit der Nahrung aufgenommene Ergothionein wird
schnell resorbiert und über den Blutkreislauf in den
unterschiedlichsten Körperteilen eingelagert. Aus entsprechenden
Untersuchungen wissen wir, dass es im
Knochenmark, in der Leber, den Nieren, der Lunge und
Milz, im Herz und Dünndarm, im Harn und Sperma bis
zu den roten- und weißen Blutkörperchen (Erythrozyten,
Monozyten) im ganzen Körper nachweisbar ist.
Vermutlich enthalten auch die Makrophagen viel Ergothionein,
da sie sich aus den Monozyten entwickeln.
Allerdings ist es so, dass Ergothionein eines Transports
bedarf, der es ihm erlaubt, die Zellmembrane zu passieren
und in das Zellinnere zu gelangen. Es handelt sich
um einen hochspezifischen Transmembrantransporter,
den man bisher bei allen untersuchten Tieren und auch
beim Menschen gefunden hat (Zapilko, 2013).
Die wichtigsten Eigenschaften von Ergothionein kann
man wie folgt zusammenfassen:
• Es deaktiviert Hydroxyl-Radikale und Hypochlorsäure
• Durch Chelatieren verschiedener zweiwertiger metallischer
Kationen verhindert es die Produktion von
Radikalen
• Beteiligt sich im Metallionentransport und der Regulierung
der katalytisch aktiven Metalloenzyme
17
Nutrition-Press
Obwohl noch lange nicht alle positiven Eigenschaften in
vivo zweifelsfrei nachgewiesen sind, der Schutz der
Haut vor UVStrahlen, des Gehirns vor Neurotoxinen
und eine allgemeine Immunmodulation scheinen belegte
Effekte von Ergothionein zu sein. Seine biologische
Rolle bei Entzündungen und bestimmten Krankheitsbildern
ist inzwischen hinreichend untersucht und wird
zurzeit noch weiter erforscht.
Pilze und Ergothionein
Die Wertschätzung der Pilze als Nahrungsmittel und
als Nahrungsergänzungsmittel ist in den letzten 20 Jahren
sprunghaft angestiegene. War ihnen früher ein
Schattendasein zugewiesen, von unspezifi schen Empfehlungen
der Experten begleitet wie „Wo Gemüse
passt, passen auch Pilze, nur nicht zu viel“ kümmert
sich heute unter anderen die „Mushroom and Health
Global Initiative“, eine weltweit aktive Organisation um
die Förderung der gesundheitsbezogenen Pilzforschung
und Publizierung deren Ergebnisse. „Mushrooms – a
nutritious culinary star” oder „Mushrooms as a healthy
substitute for meatbased dishes without loss of fl avor“
sind nur zwei Berichte aus der letzten Ausgabe des
Bulletins dieser Organisation. Auch das deutsche „Grüne
Medienhaus“ ein Spezialist für Öffentlichkeitarbeit
im Gartenbau, berichtet in seiner neusten Ausgabe
über einen Aufwärtstrend für Speisepilze: „Kulturpilze
werden immer beliebter. In den vergangenen sieben
Jahren stieg die Einkaufsmenge frischer Champignons
in Deutschland um rund ein Viertel, hat die AMI – AgrarmarktInformationsgesellschaft
ermittelt.“ Und in
den USA sind Champignons inzwischen zum „Superfood“
avanciert. Die Gründe für diese Entwicklung sind
nachvollziehbar. Die in den letzten Jahrzehnten durchgeführten
Forschungsarbeiten über die essentiellen
Nährstoffe und bioaktiven sekundären Inhaltsstoffe der
Großpilze förderten vieles positives zutage. Nach Angaben
einer chinesischen Forschergruppe (Dai et al.
2009), die eine Recherche über die Ergebnisse der Forschungsaktivitäten
der letzten 15 Jahre hinsichtlich der
therapeutischen Wirkung von Großpilzen veröffentlichte,
wurden bisher insgesamt 126 solcher nachgewiesen.
Und eine der bioaktiven sekundären Substanz in
Pilzen ist das Ergothionen.
Ergothionein wurde bereits vor mehr als 100 Jahren,
konkret in 1909 entdeckt. Es wurde aus einem Pilz, der
als Parasit der Roggenpfl anze gilt, dem Mutterkorn (Claviceps
purpurea), isoliert. Seine Struktur wurde vier
Jahre später aufgeklärt. Das Besondere an diesem Antioxidans
ist, dass Pfl anzen es nicht synthetisieren können,
sondern ausschließlich Bakterien und Pilze.
Anfangs glaubte man, das Ergothionein nur von niederen
Pilzen (Aspergillus, Alternaria, Penicillium) und einigen
Bakterien synthetisiert werden kann. Spätere Untersuchungen
haben jedoch gezeigt, dass auch höhere
Pilze, so auch Nutzpilze (Champignon, Schopftintling,
Shiitake u.a.) Ergothionein produzieren. Dieser Entdeckung
kommt bei der Wertschätzung der Pilze besondere
Bedeutung zu.
Auch Pfl anzen enthalten Ergothionein, so z.B. die Nahrungspfl
anzen (Paprika, Brokkoli, Möhren, Bohnen und
Getreide), aber Pfl anzen nehmen es über die Wurzeln
aus dem Boden auf. Entsprechend beeinfl ussen die
Bodenbedingungen den ErgothioneinGehalt in Pfl anzen.
Der Mensch nimmt Ergothionein ausschließlich
über die Nahrung auf. Untersuchungen haben gezeigt,
dass die Konzentration von Ergothionein im Blut nach
dem Verzehr ergothioneinhaltiger Nahrung, insbesondere
nach dem Konsum von Speisepilzen und
Fleisch anstieg. Im Durchschnitt enthält menschliches
18
Ernährung / Prävention
Gewebe 12 Millimol Ergothionein. Von den tierischen
Quellen gilt übrigens Hühnerleber als besonders reich
an Ergothionein.
Bei den Speisepilzen wurden zahlreiche Untersuchungen
hinsichtlich des Ergothionein Gehaltes durchgeführt.
Besonders hervorzuheben sind jene, die an der
Pennsylvania State University stattgefunden haben. Einen
Vergleich des Ergothionein Gehaltes verschiedener
kultivierter Speisepilze zeigt Tabelle 1. Da unter den
Speisepilzen der Kulturchampignon in der westlichen
Hemisphäre die weitaus größte wirtschaftliche Bedeutung
hat, haben die Amerikaner den Kulturchampignon
näher unter die Lupe genommen und die Fruchtkörper
aus ein und derselben Kultur im Jungstadium und voll
ausgereift untersucht und auch eine Variante mit brauner
Hutfarbe dazu genommen (Tabelle 2).
In einer Publikation, deren Autoren aus mehreren Ländern
zusammengearbeitet haben, wurde der ErgothioneinGehalt
in Heilpilzen untersucht (Tabelle 3). Besonders
viel an diesem Antioxidans fanden die Autoren
beim Schopftintling (Coprinus comatus), bei der Orangengelben
Puppenkeule (Cordyceps militaris) und beim
Austernpilz (Pleurotus ostreatus).
Unter Berücksichtigung der physiologischen Bedeutung
des Ergothioneins auf den menschlichen Organismus,
leisten die vorliegenden Informationen weiteren Vorschub
für den Pilzkonsum. Gelten sie doch als exzellente
Quelle für dieses Antioxidans, viel besser als Gemüse
und Fleisch. Die Forscher der Penn State University
fanden in braunen Champignons ErgothioneinWerte,
die vergleichbar sind mit denen von roter Paprika und
Brokkoli und viel höher liegen als die von Möhren oder
grünen Bohnen. Sie sind zwölfmal höher als in Weizenkeimen
und viermal höher als in Hühnerleber, die wegen
seines ErgothioneinGehalts gepriesen wird. Die
übrigen untersuchten Pilzarten sind übrigens noch reicher
an diesem Antioxidans. Sie können in einer üblichen
Verkehrsportion bis zu 40mal (!) mehr Ergothionein
enthalten als Weizenkeime.
Lassen Sie mich deshalb mit der Empfehlung schließen:
„Eat more mushrooms
and live longer“
Tabelle 1: ErgothioneinGehalt verschiedener kultivierter Speisepilze.
Angaben in mg/g Trockensubstanz und Standardabweichung
(Tabelle 2 und 3 auf S. 20)
Pilzarten
Kulturchampignon
(Agaricus bisporus)
Kräuterseitling
(Pleurotus eryngii )
Ergothionein-
Gehalt
0,41 ± 0,18
1,72 ± 0,10
Maitake (Grifola frondosa) 1,84 ± 0,76
Austernpilz
2,01 ± 0,05
(Pleurotus ostreatus)
Shiitake (Lentinula edodes) 2,09 ± 0,21
nach Dubost et al. 2006.
19
Nutrition-Press
Tabelle 2: ErgothioneinGehalt im Kulturchampignon (Agaricus
bisporus) im Jungstadium und erntereif, sowie in einer Variante
von A. bisporus mit brauner Hutfarbe. Angaben in mg/g
Trockensubstanz, Standardabweichung und in 100 g Frischpilz
Kulturchampignons
nach Dubost et al. 2006.
im Jungstadium 0,47 ± 0,03 3,29
voll entwickelter Fruchtkörper 0,83 ± 0,01 5,76
mit brauner Hutfarbe 0,71 ± 0,01 5,06
Prof. Dr. Jan I. Lelley
Gesellschaft für angewandte
Mykologie und Umweltstudien GmbH
(GAMU), Krefeld , Deutschland
Fachlicher Beirat des NEM e.V.
Ergothionein-
Gehalt
mg/g Trockensubstanz
Ergothionein-
Gehalt
mg in 100 g
Frischpilzen
Pilzarten
Agaricus brasiliensis,
Fruchtkörper
Coprinus comatus,
Fruchtkörper
Cordyceps militaris,
Fruchtkörper
Flammulina velutipes,
Fruchtkörper
Ganoderma lucidum,
Myzelbiomasse
Grifola frondosa,
Fruchtkörper
Hericium erinaceus,
Fruchtkörper
Hericium erinaceus,
Myzelbiomasse
Lentinula edodes,
Fruchtkörper
Ophiocordyceps sinensis,
Myzelbiomasse
Pleurotus ostreatus,
Fruchtkörper
Trametes versicolor,
Myzelbiomasse
Tremella fuciformis,
Fruchtkörper
nach Cohen et al. 2014
Tabelle 3: ErgothioneinGehalt in verschiedenen Heilpilzen.
Angaben in Mikrogramm (µg)/g Trockensubstanz und Standardabweichung
Ergothionein-
Gehalt
37,36 ± 1,50
764,35 ± 9,12
409,88 ± 27,86
98,61 ± 3,99
219,59 ± 10,82
207,00 ± 13,69
629,96 ± 36,80
149,24 ± 5,51
334,01 ± 10,01
52,18 ± 2,75
2443,53 ± 135,18
119,70 ± 2,22
19,49 ± 0,53
Literatur
• Bach, M. 2009. Identifi zierung des orthologen ErgothioneinTransporters des Zebrafi sch, Etablierung und Phänotypisierung
des KnockoutModells. Dissertation, Univ. Köln, 140 S.
• Cohen, N., Cohen, J., Asatian, M.D., Varshney, V.K., Yu, HT., Yang, YiChi., Li, YuH., Mau, JL. & Wasser, S.P.
2014. Chemical Composition and Nutritional and Medicinal Value of Fruit Bodies and Submerged Cultured
Mycelia of CulinaryMedicinal Higher Basidiomycetes Mushrooms. Int. J. Medicinal Mushrooms, 16/3 273291.
• Dubost, N.J., Beelman, B.B., Peterson, D. & Royse, D.J. 2006: Identifi cation and Quantifi cation of Ergothioneine in
Cultivated Mushrooms by Liquid ChromatographyMass Spectroscopy. Int. J. Medicinal Mushrooms, 8/5, 215222.
• Dai, YC., Yang, ZL., Cui, BK. et al. 2009. Species Diversity and Utilisation of Medicinal Mushrooms and Fungi
in China (Rewiew). Int. J. of Medicinal Mushrooms. 11. 287302.
• Lelley, J. 2008: Die Heilkraft der Pilze – Wer Pilze isst lebt länger. B.O.S.S. Medienhaus, Goch.
• Mushroom and Health Global Initiative Bulletin, Issue No. 18, November 2014
• Zapilko, V. 2013. Identifi zierung Ergothioneinhaltiger Zellen im Zebrabärbling Danio rerio. Dissertation, Univ.
Köln, 161 S.
20
Prävention
Alpha Liponsäure als Chelatbildner
bei Schwermetallbelastungen:
Wissenschaftsfundierte
Problemdarstellung
1. Problematik der humanmedizinischen Entgiftung
Entgiftung setzt voraus, dass 1. ein Körpersystem mit gesundheitsschädlichen Substanzen
kontaminiert ist; 2. diese benannten Substanzen durch einen Chelatbildner
gebunden und ausgeschieden werden können, ohne unerwünschte Umverteilung
der gleichen; 3. dabei keine gesundheitsbedrohlichen Effekte entstehen.
Die häufi gsten und gefährlichsten Vergiftungen durch Umweltbelastung sind heutzutage
u. a. auf Schwermetalle zurückzuführen – und zwar solche, deren Formen eine
hohe Lipophilie (Membranendurchgängigkeit) aufweisen. Aufgrund ihrer Depots im
menschlichen Organismus kann eine toxische Schwermetallbelastung bzw. vergiftung
anhand des Blutbildes nicht signifi kant erfasst werden. Dies führt dazu, dass
in der Regel die Betroffenen zur Linderung der Symptomatik Medikamente verabreicht
bekommen. Somit wird das ohnehin belastete Entgiftungssystem mit noch
mehr „Chemie“ konfrontiert, unabhängig davon, dass dabei das primäre Problem
ganz außer Acht gelassen wird.
In wenigen Ausnahmefällen werden Mobilisierungstests gemacht – diese müssen
dann jedoch vom Patienten selbst fi nanziert werden – die auf eine genauere Bestimmung
der Schwermetallbelastung abzielen. Nach der analytisch erfassten Diagnose
werden sogenannte Chelatbildner verschrieben, die zwar erfolgreich das Schwermetall
mobilisieren, binden und ausscheiden können, jedoch werden im selben Chelatierungsprozess
auch essentielle Mineralien und Spurenelemente ebenso „ent
21
Nutrition-Press
sorgt“, was eine gewiss durch Schwermetallbelastung
begünstigte Dysmineralose nur weiterhin verschlimmert.
Hautreaktionen (Juckreiz, Hautausschlag), Fieber und
Schüttelfrost, Erhöhung der Transaminasen, Übelkeit,
Schwindel und Blutdruckabfall (Forth, Henschler, Rummel
2005) sind abhängig von der Dosis und Dauer der
Behandlung unausweichliche Begleiter. Spätestens an
dieser Stelle wird die Notwendigkeit einer studienbelegten
Prävention zur gesundheitsschonenden Schwermetallmobilisierung,
chelatierung und ausscheidung
plausibel.
2. Biochemische Eigenschaften von Alpha Liponsäure
Alpha Liponsäure (ALA), genauer (R)Liponsäure, ist ein
Naturstoff mit vitaminähnlicher Wirkung, der bereits in
den 50er Jahren aus Lebergeweben isoliert und bezüglich
Struktur, chemischer Eigenschaften und physiologischer
Funktionen ausführlich beschrieben wurde (Burgerstein
2002). Die Bezeichnung Alpha Liponsäure wird
aus der strukturellen Verwandtschaft mit Fettsäuren
(fett = lipo) abgeleitet. Aufgrund ihrer lipophilen Eigenschaften
ist ALA deshalb in der Lage, ihre antioxidative
Wirkung in bzw. an der Zellmembran zu entfalten. Ein
anderer gebräuchlicher Name für ALA ist Thioctsäure.
Diese Bezeichnung nimmt Bezug auf die Schwefelverbindung
(griechisch theion = Schwefel) und die Säure
mit einer achtgliedrigen Kohlenstoffkette (Pies 2003).
Die Pharmakokinetik der ALA ist nur teilweise bekannt
(Teichert, Kern, Tritschler, Ulrich, Preiss 1998). Die Aufnahme
in Zellen soll bei Konzentrationen unter 100
µmol/l durch ein aktives, von Na+, K+ und ATP abhängiges
Transportsystem erfolgen (Totskii 1978). Sowohl
Pfl anzen als auch Tiere können ALA synthetisieren. Die
Methode der Herstellung ist nicht bekannt, aber es wird
in den Mitochondrien laufen (Packer, Kraemer, Rimbach
2001) und einiges mag von Darmbakterien produziert
werden. Die normale Synthese führt nicht zu großen
Mengen von freier ALA im Blutstrom (Biewenga, Haenen,
Bast 1997). ALA aus der Nahrung kann an die Aminosäure
Lysin gebunden sein, was ihre vollständige
Abwesenheit im Blutstrom von Menschen, die nicht
supplementieren, erklären mag (Biewenga, Haenen,
Bast 1997).
Abb. 1: Strukturformel der ALA (links)
und der DHLA (rechts).
Quelle: Pies 2003, S. 14
Wenn ALA von außen zugeführt wird, dringt sie schnell
in die Zellen ein, wo sie zu Dihydroliponsäure (DHLA)
unter Nutzung von StoffwechselElektronen reduziert
wird (Handelman, Han, Tritschler, Packer 1994). DHLA
ist ihre reduzierte Form, die hingegen in wässerigem
Milieu löslich ist, was dieses Redoxpaar so interessant
macht. ALA und ihre reduzierte Form DHLA können an
jedem Ort im Körper, sowohl in wässriger als auch in
fettiger Umgebung, ihre chelatierende Wirkung entfalten.
Daher ergänzen sich beide Formen – ALA und
DHLA – ideal sowohl beim antioxidativen Schutz der
Zelle vor freien Radikalen als auch beim Chelatieren
von Schwermetallen (Pies 2003). Der antioxidative
Schutz von ALA und ihrer reduzierten Form DHLA wird
auf ihre Fähigkeit zurückgeführt, Metallionen binden
und so die Produktion von freien Radikalen unterbinden
zu können (Suh, Shigeno, Morrow, Cox, Rocha, Frei,
Hagen 2001). An dieser Stelle wird das biochemische
Wandlungs und Schutztalent dieser lipophilen Substanz
deutlich.
Bei erhöhtem intrazellulärem oxidativem Stress liegt
das Gluthationsangebot reduziert vor, was die Entgiftungskapazität
deutlich beeinträchtigt (Muss, Mellinghoff
2003). Aus diesem Grund ist der folgende Befund
für die beabsichtigte Entgiftung von wesentlicher Bedeutung:
22
Prävention
DHLA ist einerseits einer der mächtigsten Radikalenfänger,
der der Zelle zur Verfügung steht, andererseits
kann DHLA eine Anzahl anderer Antioxidantien regenerieren,
darunter Glutathion, CoEnzym Q10 sowie das
Vitamin C und E (Kagan, Serbinova, Packer 1990; Busse,
Zimmer, Schopohl et al. 1992; Scholich, Murphy,
Sies 1989). Somit kann angenommen werden, dass
diese vielfältige antioxidative Leistung auch eine ausreichende
Entgiftungskapazität erfolgreich sichern kann.
Laut den Studienbefunden weist die i. v. ALAGabe bei
Menschen bis zu 1200 mg und bei einer oralen Tagesdosis
von bis zu 600 mg dreimal täglich keine Toxizität
auf. Als seltene Nebenwirkungen von ALA werden Übelkeit
und Erbrechen beschrieben. Bei der oralen Verabreichung
von bis zu 1800 mg täglich sind keine Nebenwirkungen
zu beobachten. Dosen von 500 1000 mg
wurden auch in Placebo kontrollierten Studien gut vertragen
(Patrick 2002).
3. ALA als Chelatbildner von Schwermetallen
Laut Jones und Cherian sollte ein idealer Chelatbildner
in der Lage sein, ohne Probleme in die Zelle einzutreten,
das Schwermetall aus seinem Komplex mit Metallothionein
oder anderen Proteinen zu chelatieren und
die Ausscheidung des Metalls zu erhöhen, ohne seine
Umverteilung auf andere Organe oder Gewebe zu erhöhen.
Obwohl ALA bisher in keinen klinischen Studien
an Menschen als chelatierende Substanz bei Schwermetallvergiftungen
getestet wurde, gibt es Hinweise
darauf, dass ALA mindestens zwei der oben genannten
Kriterien erfüllt, d. h. das Eindringen in die intrazelluläre
Umgebung und Bindung von Metallkomplexen an andere
Sulfhydryl Proteine. Endogen produzierte ALA wird
an Proteine gebunden, sie kann aber auch nach exoge
ner Gabe in der Zirkulation in ungebundener Form vorkommen.
In dieser Form ist ALA in der Lage, chemisch
zirkulierende Schwermetalle zu binden und somit die
Zellschäden durch Metallvergiftung zu verhindern.
Die Tatsache, dass die freie ALA die BlutHirnSchranke
passieret, ist bedeutsam, weil sich manche Schwermetalle
im Gehirn akkumulieren können. Aufgrund ihrer
kleinen molekularen Form und ihrer starken lipophilen
Eigenschaften kann ALA ohne Schwierigkeiten die Blut
HirnSchranke passieren und sogar in die Zellen eindringen
sowie das dort deponierte Schwermetall mobilisieren.
Orale Dosen von 10 mg/kg ALA an Ratten haben
Spitzenwerte in der Großhirnrinde, im Rückenmark
und peripheren Nervensystem innerhalb von 30 Minuten
nach der Verabreichung erreicht. Damit beweisen
Studienbefunde, dass ALA alle Bereiche des ZNS erreichen
kann (Patrick 2002). Andere Studien weisen darauf
hin, dass ALA durch Cadmium erzeugte Leberschäden
reduzieren (Muller, Menzel 1990) und Quecksilber
binden sowie aus den Nieren entfernen kann (Keith,
Setiarahardjo, Fernando et al. 1997).
Alle Quecksilberverbindungen haben eine starke Affi
nität zu sulfhydrylhaltigen Liganden (Glutathion, ALA,
etc.), mit dem Ergebnis des reduzierten Glutathionspiegels.
Die Effi zienz von ALA als SchwermetallKomplexbildner
für Schwermetalle wurde zwar bislang nur
in Tierversuchen getestet, der erwiesene Ansatz lässt
allerdings vermuten, dass ihre chelatierende Fähig keit
auch auf den Menschen übertragbar ist. Ebenso Gre
23
Nutrition-Press
gus et al. bestätigen anhand von Tierexperimenten den
Befund, dass sowohl ALA als auch ihre reduzierte Form
DHLA die Fähigkeit haben, als intra und extrazelluläres
SchwermetallKomplexmittel zu wirken (Patrick 2002).
Nachweislich ist ALA in der Lage, sowohl den intraals
auch den extrazellulären Glutathionspiegel in den
TZellkulturen, den Erythrozyten, Gliazellen und peripheren
BlutLymphozyten zu erhöhen. Bei Ratten führte
die orale Dosierung von 150 mg/kg pro Tag zum deutlich
erhöhten Glutathionspiegel im Blut und in der Leber.
Es ist nachgewiesen, dass ALA in der Lunge, den
Leber und Nierenzellen von Mäusen die intrazelluläre
Glu tathion um 30 bis 70 Prozent erhöhen kann, die
für 11 Tage intraperitoneale Injektionen von 4, 8 oder
16 mg/kg ALA erhalten haben. ALA kann durch die Erhöhung
des zellulären Gluthationspiegels das Schwermetall
mobilisieren und dadurch vor Zellschäden schützen.
Die reduzierte Form von ALA scheint dagegen eine
direkte chelatierende Wirkung zu haben (Patrick 2002).
Im Blut gibt es andere schwefelhaltige Supplemente
wie MSM (Methylsulfonylmethan), die ebenfalls Quecksilber
und andere Schwermetalle binden und sicher
über den Urin ausscheiden können. Aber MSM kann, anders
als ALA, die BlutHirnSchranke nicht überwinden.
Für Schwermetallgeschädigte ist von Bedeutung, dass
ALA in der Lage ist, das Schwermetall zu binden, so
dass es dadurch 12 bis 37 Mal schneller als normal
über die Galle ausgeschieden werden kann (Patrick
2002). In Tierexperimenten konnten Vergiftungen mit
Quecksilber, Arsen oder Cadmium durch ALA dosisabhängig
abgeschwächt oder verhindert werden. Da bei
spielte die Detoxifi kation durch Chelatbildung eine
Rolle (Bano, Bhatt 2007; DomanskaJanik, Bourre 1987;
Ehrenthal, Prellwitz 1986). Zur genauen Festlegung der
Verhaltensweise und Effektivität von ALA als Chelatbildner
sind allerdings klinische Humanstudien notwendig.
24
Prävention
Zusammenfassung:
Entgiftung zählt heutzutage immer mehr zu einer essentiellen Prävention gegen
gesundheitsgefährliche Umweltgifte, zu denen ausnahmslos alle Schwermetalle
zählen. Schwermetalle befi nden sich überall: In Nahrung, Wasser, Luft – selbst
in der Medizin (Thiomersal, Almalgam usw.). Dies setzt eine Notwendigkeit gesundheitsförderlicher
Entgiftungsmaßnahmen voraus. Wesentliche Nachteile gängiger
Entgiftungsmethoden der Humanmedizin spiegeln sich in ihren z. T. erheblichen,
unerwünschten Nebeneffekten wider. So werden durch alle bekannten Chelatbildner
essentielle Mineralien ausgeschieden, was allergische Hautreaktionen
(Juckreiz, Hautausschlag), Fieber und Schüttelfrost, Erhöhung der Transaminasen,
Übelkeit, Schwindel und Blutdruckabfall hervorrufen kann (Forth, Henschler, Rummel
2005). Die Notwendigkeit einer gesundheitsschonenden Schwermetallentgiftung
wird immer größer. Alpha Liponsäure wurde bisher in Tierexperimenten als
er folgreicher, gesundheitsschonender Chelatbildner erwiesen. Die ersten Fakten
und Erkenntnisse aus randomisierten Humanstudien fehlen weiterhin.
Strahinja Tomic
Doktorand der Sport -
wissenschaften mit
S c h w e r p u n k t S p o r t -
medizin
Literatur:
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toxicity in cererbrum of mice. Res. J. Agricult. Biol. Sci., 3., 2007. S. 664 – 669. ISBN: 18161561
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Spurenelemente, Vitamine und Mineralstoffe:10. Aufl age. Stuttgart: Karl F. Haug Verlag, 2002. S. 512. ISBN: 383042065X
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25
Nutrition-Press
Wird auch als Chilli oder Spanischer Pfeffer bezeichnet.
Entgegen seinem Namen handelt es sich jedoch um
kein Pfeffergewächs (Piperaceae). Cayenne pfeffer gehört
wie Kartoffeln, Tomaten und Paprika (Capsicum annuum)
zur Familie der Nachtschattenge wächse (Solanaceae).
Cayennepfeffer
(Capsicum frutescens)
Die Pfl anze ist in Südamerika heimisch. Funde in prähistorischen Grabstätten
belegen, dass schon 7000 v. Chr. Kultivierungsversuche stattfanden.
1492 entdeckte Christoph Kolumbus bei den Ureinwohnern Amerikas die Pfl anze
und taufte diese auf den Namen Pimienta, was auf Spanisch „Pfeffer“ heißt. Seit
dem 16. Jahrhundert kennt man Cayenne als feurigscharfes Gewürz auch in Europa.
Die Früchte (rote, gelbe oder grüne ChilliSchoten) können frisch oder getrocknet verwendet
werden. Getrocknet werden sie grob zerstoßen und zusammen mit den Samen
als ChilliFlocken verwendet. Das gemahlene Pulver wird als Cayennepfeffer gehandelt
Inhaltsstoffe
Capsaicinoide, Vitamin C, Flavonoide und ätherisches Öl sind die wirksamkeitsbestimmenden
Inhaltsstoffe des Cayennepfeffers. Carotinoide sind außerdem für die
Färbung der Früchte verantwortlich. Für den charakteristischen scharfen Geschmack
sind die Capsaicinoide ver ant wortlich. Nicht alle Capsaicinoide sind gleich scharf. Der
scharfe Geschmack ist korrekterweise
eine Schmerzempfi ndung. Durch Aktivierung
des Wärme/Schmerzrezeptors
Tran sient Receptor Potential Vanilloid 1
(TRPV1) wird ein Schmerzsignal erzeugt,
welches dem Gehirn zu hohe Temperaturen
meldet. Der scharfe Geschmack wird also nicht
durch das gustatorische System vermittelt. Denn die
Geschmacksknospen der Zunge können nur die Geschmacksrichtungen
süß, sauer, bitter, salzig und umami
wahrnehmen.
26
Ernährung / Prävention
Es gibt insgesamt sechs Capsaicinoide, die sich in der
molekularen Struktur unterscheiden. Capsaicin, Dihydrocapsaicin,
Nordihydrocapsaicin, Homodihydrocapsaicin,
Norcapsaicin und Homocapsaicin gehören chemisch zur
Gruppe der Alkaloide und sind relativ temperaturstabil.
Löslich sind sie in Alkohol und Fett, nicht aber in Wasser.
Dies ist auch der Grund, warum Chilischoten stets in Öl
eingelegt werden und Milchprodukte wie Trinkmilch oder
Joghurt besser geeignet sind die „Flammen“ zu löschen.
Capsaicin ist der Hauptvertreter aller Capsaicinoide und
sitzt hauptsächlich in den Samen und den weißen Scheidewänden.
Der CapsaicinGehalt variiert in Abhängigkeit
von Standort, Klima, Nährstoffen und Stressfaktoren. In
ungetrockneten Chilis und anderen CapsicumArten sind
durchschnittlich 0,01 0,03 Prozent Capsaicin enthalten,
in getrockneten 0,3 0,5 Prozent.
Scoville-Einheiten – Ein Maß für die Schärfe
Die diversen ChiliSorten und die daraus hergestellten
Produkte zeichnen sich, in Abhängigkeit des Capsaicin
Gehalts, durch eine unterschiedliche Schärfe aus. Der
Pharmakologe Wilbur L. Scoville (1865 1942) entwickelte
1912 das erste Verfahren zur Messung der Schärfe von
Chilischoten. Gemessen wurde, wie in starker Wasserverdünnung
die Schärfe des untersuchten Chilis gerade
noch spürbar war. Der Grad der Verdünnung, bei dem
keine Schärfe mehr festzustellen war, wurde als Sco ville
Einheit (Scoville Heat Units (SHU)) angegeben. Brauchte
es für 1 ml aufbereitete Chili 10 Liter (10.000 ml) Wasser,
bis die Schärfe verschwand, betrug die Schärfe 10.000
SHU. Die durchschnittliche Wahrnehmungsschwelle für
Schärfe liegt bei ca. 16 SHU.
Tab. 1 ScovielleEinheiten anhand einiger Beispiele:
Scoville-Einheit
Beispiel
16.000 000 reines Capsaicin
100.000 350.000 Habaneros
30.000 50.000 Cayennepfeffer
2.500 8.000 JalapeñoChili
100 500 Peperoni
0 10 Gemüsepaprika
Die ScovilleSkala reicht von praktisch null für Paprika bis
zu rund 300.000 für Habaneros. Reines Capsaicin entspricht
16.000.000 Scoville.
Heutzutage wird mit Hilfe der HochleistungsFlüssigchromatographie
oder HPLC (High Pressure Liquid Chromatography)
der Gehalt der zwei häufi gsten Capsaicinoide
Capsaicin und Dihydrocapsaicin gemessen und in Scoville
Heat Units umgerechnet.
Wie wirkt Cayennepfeffer?
Capsaicin hat eine antibakterielle und fungizide Wirkung
und eignet sich deshalb z. B. hervorragend für die Konservierung
von Lebensmitteln. In Pfl anzen ist Capsaicin
vermutlich Bestandteil des pfl anzeneigenen Abwehrbzw.
Schutzsystems. Der scharfe Geschmack hält Tiere
davon ab, die Früchte zu konsumieren. Vögel hingegen
sind immun, da sie die für die Schärfeempfi ndung verantwortlichen
Rezeptoren nicht besitzen. So können sie
ohne Probleme die Früchte mit den Kernen essen und
später ausscheiden, was der Verbreitung der Capsicum
Pfl anzen dient.
Cayennepfeffer ist oral eingenommen wärmend, schweißtreibend
und stimuliert die Speichel und Magensäuresekretion.
Traditionell wird Cayennepfeffer bei Verdauungsbeschwerden,
zur Kreislaufstabilisierung, Blutreinigung
und zur Herzstärkung eingesetzt.
Lokal aufgetragen wirkt Capsaicin zunächst wärmend,
durchblutungsfördernd, reizend, gefäßerweiternd und
löst Juckreiz aus. Bei längerer Anwendung ist es schmerzlindernd
und juckreizlindernd. Diese schmerzlindernde
Wirkung funktioniert auf Grundlage des Counterirritans
Effekts, d.h. der Schmerz wird durch einen Gegenreiz gelindert.
Eine hohe CapsaicinDosis hält das Gehirn irrtümlich
für einen starken Schmerz, den es zu bekämpfen
gilt. Das bewirkt die Ausschüttung von Endorphinen, körpereigene
„Schmerzkiller“. Dies kann zu einem gesteigerten
Glücksempfi nden beitragen. Dieser Zustand wird
auch als „PepperHigh“ bezeichnet. Wenn Capsaicin an
den Schmerzrezeptoren angreift, macht es die dort befi
ndlichen Nervenendigungen zugleich unempfi ndlicher.
Cayennepfeffer lindert nachweislich Muskel und Nervenschmerzen
und kann eine positive Wirkung bei der
Behandlung eines Hexenschusses, Juckreiz, Arthritis und
Rheuma haben.
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen
Die Einnahme von Cayennepfeffer in hohen Dosen kann
mit starkem Augentränen, Nasenlaufen, erschwerter
Harn entleerung und Brennen bei der Defäkation innerhalb
von 12 Tagen einhergehen. In seltenen Fällen können
Überempfi ndlichkeitsreaktionen auftreten. Nicht angewendet
werden sollte Cayennepfeffer bei einer bekannten
Allergie gegen Paprika.
Bei lokaler Anwendung in Form von Salben gelten leichte
bis mittelschwere Hautreaktionen und eine Verschlechterung
der Beschwerden zu Beginn der Behandlung als
normal und nehmen mit der Zeit ab.
Mit freundlicher Genehmigung
der Redaktion des www.vitalstoffjournal.de
27
Nutrition-Press
Atrophie/Kachexie: Jährlich erkranken 490.000 Menschen in Deutschland
neu an Krebs. An den Folgen versterben etwa 218.000 Menschen
pro Jahr (Deutsche Krebshilfe e. V., 2012).
Neben Schmerzen, Fatigue, Haarausfall und anderen körperlichen sowie psychischen
Begleiterscheinungen ist der Gewichtsverlust, auch Kachexie genannt, eine
schwerwiegende Folge, die durch Chemotherapie, Operation und Radiotherapie verursacht
werden kann (Theologides, 1979).
Unter Kachexie (zusammengesetzt aus dem Griechischen: kakos „schlecht“ und hexis:
„Zustand“) versteht man die Abmagerung, Auszehrung, den Gewichtsverlust und
progressive Veränderungen von lebenswichtigen Körperfunktionen (Busquets, Almendro,
Barreiro, Fiqueras, Argilés, & LópezSoriano, 2005). Oft wird dieser Zustand
von Appetitlosigkeit begleitet (Bosaeus, Daneryd, & Lundholm, 2002).
Der Schweregrad der Kachexie ist abhängig vom Typ der Tumorerkrankung. Ein Gewichtsverlust
wurde bei 30 bis 80 Prozent der Krebspatienten beobachtet (Dhanapal,
Saraswathi, & Govind, 2011). Bei Pankreas und Magenkrebspatienten tritt Kachexie
am häufi gsten auf, wobei Patienten mit Brustkrebs, NonHodgkinLymphomen und
mit Sarkomen seltener betroffen sind (Fearon, Voss, Hustead, & Cancer Cachexia
Study Group, 2006).
Der tumorbedingte Gewichtsverlust ist ein wichtiger, prognostischer Faktor – je größer
das Ausmaß, desto geringer ist die Überlebensdauer/chance (Dhanapal, Saraswathi,
& Govind, 2011).
Kurkumin zur Behandlung
der Atrophie bzw. tumorinduzierten
Kachexie
28
Ernährung / Prävention
das aber auch nicht, um den Energie und Nährstoffbedarf
zu decken, kann Trinknahrung eingesetzt werden.
Krebszelle
Die Kachexie ist insgesamt für etwa 30 Prozent der
Todesfälle bei Krebspatienten verantwortlich. Sie ist
damit neben der Sepsis die zweithäufi gste Todesursache
von Krebspatienten und wird durch entzündliche
Prozesse ausgelöst. Die Anwendung diätischer Lebensmittel
soll daher unmittelbar nach der Diagnose der
Krebserkrankung beginnen, um eine mögliche Kachexie
der Patienten schon im statu nascendi zu verhindern.
Gegenwärtig erfolgt als Begleittherapie lediglich die
Gabe hochkalorischer Nahrung, was die Progredienz
der Kachexie lediglich verzögert und weitere Komplikationen
(Fettleber) hervorruft. Eine Mangelernährung
tritt bei 30 bis 90 Prozent aller Krebspatienten im Laufe
ihrer Erkrankung auf. Darunter fallen in erster Linie
Menschen mit Tumoren des MagenDarmTraktes (v. a.
in der Speiseröhre, Bauchspeicheldrüse oder im Magen)
bzw. in der Lunge.
Laut Expertenmeinung kommt es bei bis zu 85 Prozent
der Patienten mit einem Tumor im Gastrointestinaltrakt
im Laufe der Erkrankung zur Kachexie. Bei Lungenkrebspatienten
liegt das Kachexierisiko bei 50 Prozent.
Prinzipiell kann Tumorkachexie in jedem Stadium der
Krebserkrankung auftreten. Meist verliert etwa die
Hälfte der Patienten bereits vor der Diagnose als Folge
von Appetitverlust und frühem Sättigungsgefühl Gewicht.
Die eigentliche Tumorkachexie tritt aber meist in
einem sehr viel späteren Stadium auf.
Da bislang eine Ernährungstherapie allein keinen Erfolg
versprach, wurde meist in regelmäßigen Abständen
versucht, den Ernährungszustand des Patienten festzustellen,
um einer Mangelernährung vorzubeugen. So
kann rechtzeitig die Nahrungsmenge bzw. die täglich
auf genommene Kalorienzahl erhöht werden. Genügt
Bei der Verbesserung des Ernährungszustands geht es
nicht allein um das Wohlbefi nden des Patienten, sondern
auch um die Wirksamkeit der Krebstherapie, die
unter dem Einfl uss von Mangelernährung oder Tumorkachexie
verringert sein kann. So kann es nach einer
Operation zu Wundheilungsstörungen durch entzündliche
Reaktionen kommen, die häufi g bei tumorkachektischen
Patienten auftreten. Außerdem vertragen die
Patienten mit Tumorkachexie eine Chemo oder Strahlentherapie
weniger gut. Eine erfolgreiche Krebsbehandlung
erfordert vom Patienten viel Kraft, die ihm
durch eine gesunde und ausgewogene Ernährung zur
Verfügung gestellt werden muss. Daher ist es entscheidend,
den Gewichtsverlust rechtzeitig zu verhindern,
die Therapie und Heilungschancen zu erhöhen und
damit die Lebensqualität des Patienten zu verbessern.
Gegenstand aktueller Forschungen ist es, Wirkstoffe
gegen die verheerenden Folgen der Kachexie zu entwickeln.
Die Untersuchungen werden sowohl in vitro als
auch in vivo durchgeführt und basieren auf verschiedenensten
Modellen.
In einem in vivo Modell konnten Eley und Mitarbeiter
(Eley, Russell, & Tisdale, 2007) zeigen, dass die Behand
lung mit Protein Kinase R (PKR)Inhibitoren in kachektischen
Mäusen, denen Fragmente
eines MAC16 Tumors
(Murine adeno carcinoma
16) subkutan in die
seitl ich e Bauchre gion
trans plan tiert wurde,
das Tumor
wachstum hemmte
und dem Gewichtsverlust
entgegen
wirk te. Ähnliche
Ergebnisse kon n
ten in der Studie von
Smith und Mitarbeitern
(2005) gewonnen werden.
Der Leucin Meta bo lit HMB xyza
(βhydro xyβmethyl bu t yrate) vermindert die Proteindegradation
und stimuliert die Proteinsynthese in Skelettmuskeln.
In einem weiteren in vivo KachexieModell konnte der
Anstieg von infl ammatorischen Zytokinen (IL6) in Mäusen,
denen die Zelllinie C26.IVX transplantiert wurde,
detektiert werden. Durch die Zugabe eines monoklonalen
IL6 Antikörpers konnte die IL6Aktivität inhibiert
und damit die Kachexieprogression verhindert werden
(Strassmann, Fong, Kenney, & Jacob, 1992).
29
Nutrition-Press
Skelettmuskulatur
Die Skelettmuskulatur besteht aus ca. 15 cm langen,
schlauchförmigen Muskelfasern. Charakteristisch sind
hierbei die vielen marginalen Zellkerne sowie die typische
Querstreifung. In jeder Muskelfaser sind viele
Myoblasten zusammengefügt. An der Muskelfaseroberfl
äche befi nden sich einkernige, zum Teil differenzierte
Myoblasten. Diese werden bei Reparaturvorgängen aktiviert,
proliferieren und vereinigen sich mit anderen
Satellitenzellen sowie den Muskelfasern zu neuem
Muskelgewebe (Morgan & Partridge, 2003). Die Ausbildung
spezifi sch funktioneller und morphologischer Eigenschaften
einer Zelle nennt man Differenzierung.
Dem Austritt aus dem Zellzyklus folgt die terminale Differenzierung
der Muskelzelle, d. h. sie kann sich fortan
nicht mehr teilen (BrandSaberi, 2005, Gehring, 1995).
Kurkumin
Kurkumin ist ein Bestandteil des alkoholischen Extrakts
aus dem Rhizom der Pfl anze Curcuma longa, welche zu
der Familie der Ingwergewächse gehört. Das Rhizom
ähnelt dem des Ingwers, die Farbe des Fleisches ist
intensiv gelb bis orange. Das auch Turmeric genannte
Pulver wird in asiatischen Regionen z. B. als Mittel zur
Wundheilung eingesetzt (Aggarwal, Sundaram, Malani,
& Ichikawa, 2007).
Intensive Forschungen konnten zeigen, dass Kurkumin
der Wirkstoff des Pfl anzenpulvers ist. Seither wird Kurkumin
auch als Farbstoff unter Bezeichnung E100 in
der Industrie verwendet. Es gibt u. a. Curry und Senf die
typisch gelbe Farbe.
Eine Vielzahl von Studien hat gezeigt, dass Kurkumin
eine antiinfl ammatorische, antiseptische, antimalarische
und antioxidative Wirkung zugesprochen werden
kann (zusammengefasst in (Aggarwal, Sundaram, Malani,
& Ichikawa, 2007)). Die folgende Abbildung zeigt
das Wirkungsspektrum von Kurkumin.
Die Wirkung von Kurkumin kann in vitro durch die Aktivierung
von Apoptosesignalwegen begründet werden,
welche gewebe bzw. zellspezifi sch zu sein scheint.
Wirkungsspektrum von Kurkumin bei verschiedenen Krank heiten (links) und auf Genebene (rechts)
(Modifi ziert nach Aggarwal, Sundaram, Malani, & Ichikawa, 2007)
30
Ernährung / Prävention
Die Aktivierung der Caspase3 und 8 durch Kurkumin
wird bei Bush und Mitarbeiter dargestellt (Bush, Cheung
Jr., & Li, 2001). In einer anderen Studie wird die Aktivierung
des extrinsischen Apoptosesignalweges in Magenund
Darmkrebszelllinien beschrieben. Kurkumin aktiviert
auch hier die Caspase8 (Moragoda, Jaszewski, &
Majumdar, 2001). Ebenso kann die Regulierung der
Apoptose über den intrinsischen Signalweg erfolgen.
Shi und Mitarbeiter (Shi, Cai, Yao, Mao, Ming, & Ouyang,
2006) konnten in ovarialen Krebszellen zeigen,
dass durch Zugabe von Kurkumin die antiapoptotischen
Proteine Bcl2 und BclXL herunterreguliert wurden.
In in vivo Studien konnte gezeigt werden, dass Kurkumin
während einer Sepsis die NFKBAktivität reduziert
und somit der Muskelproteolyse entgegenwirkt (Poylin,
et al., 2008). Thaloor und Mitarbeiter (1999) fanden heraus,
dass Kurkumin die Muskelregeneration nach einer
Verletzung stimuliert. Antikachektische Effekte von Kurkumin
konnte dagegen im gastrointestinalen Tumormodell
nicht gezeigt werden (Busquets, Carbó, Almendro,
Quiles, LópezSoriano, & Argilés, 2001).
Hat Kurkumin anti-kachektische Eigenschaften?
Für die Inhibierung der Atrophie wurden daher in eigenen
Studien, Muskelzellen mit verschiedenen Konzentrationen
Kurkumin behandelt. Die Auswirkung auf den
Zellindex (CI, Zelldurchmesser wird hierbei über den
elektrischen Widerstand gemessen) wurde dabei kontinuierlich
beobachtet und nach 24 h zusätzlich mikroskopisch
überprüft. Der CI ist ein Maß für die Impedanz
und korreliert direkt mit der Adhäsion der Muskelzelle,
ihrem Differenzierungsgrad und dem zellulären elektrischen
Widerstand. Es können generell keine Aussagen
über eine Dosisabhängigkeit der Wirkung von Kurkumin
getroffen werden. Während durch die Zugabe der Konzentration
von 5µM Kurkumin am Tag 5 und 7 nach der
Atrophieinduktion zunächst eine Abnahme des Zellindex
(CI) hervorgerufen wurde, hatte sich dieser Prozess
nach 10 Tagen normalisiert. Durch die Zugabe von 5µM
über einen längeren Zeitraum stieg der CI um bis zu
60 Prozent an. Das könnte heißen, dass Kurkumin über
längere Zeiträume eingenommen, zu einem veränderten
Muskelstoffwechsel einhergehend mit einer verstärkten
Muskelbildung führt.
Zusammenfassung und Ausblick
Ziel unserer Forschungen ist es, sekundäre Pfl anzenstoffe
auf ihre antiatrophische Wirkung auf murine
C2C12Myotuben zu untersuchen. Die Ergebnisse
sollen als Grundlage für die Entwicklung einer Technologieplattform
dienen. Diese Plattform besteht aus
einem etablierten System, welches die Bereitstellung
von atrophischen Muskelzellen ermöglicht. Anschließend
können verschiedene Substanzen mit antiatrophischen
Eigenschaften getestet werden. Im Hinblick
auf diese Zielstellung sollten die Experimente
zur Atrophieinduktion mittels Dexamethason wiederholt
und optimiert werden. Ebenso wird die Verwendung
weiterer Substanzen zur Auslösung der Atrophie
empfohlen.
Durch die Zugabe von proinfl ammatorische Zytokinen
wie TNF α wird die Akkumulation von Ceramid
erhöht, welches u. a. die Proteinsynthese in Myotuben
inhibiert (De Larichaudy, et al., 2012). In einer
Studie von Eley und Mitarbeitern (2007) wird beschrieben,
dass PIF (Proteolyseinduzierender Faktor)
und Ang II (Angiotensin II) die Autophoshorylierung
von PKR (RNAabhängige Proteinkinase) induzieren
und somit die Proteinsynthese in Myotuben
vermindern. Ebenso ist die erhöhte Expression von
Murf1 und MAFbx ein Index für die erhöhte Proteindegradation
in atrophischen Zellen (Stitt, et al.,
2004).
Der gleiche Effekt wird erzeugt, wenn rekombinantes
Myostatin die DNA und Proteinsynthese in Myoblasten
und teilweise in Myotuben inhibiert (Taylor, et al.,
2001). In dieser Studie wird jedoch die Proteindegradation
durch die Einbindung des radioaktivmarkierten
[1 14 C] Leucins nachgewiesen. Die Verwendung
des xCELLigence Systems zum Nachweis der
Atrophie wäre somit eine sicherere Alternative zu
den derzeit verwendeten, auf radioaktiver Markierung
basierenden Methoden.
Dr. Andreas Schubert (links) und Christopher Oelkrug (rechts)
Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI), Leipzig
31
Nutrition-Press
Chronische Erkrankungen ...
und kein Ende in Sicht
Gestaltet sich unsere medizinische Versorgung effizient
oder verspielen wir unsere Zukunft? Soll der Staat
alle Aufgaben regeln oder kann nicht die Bevölkerung
wichtige Funktionen übernehmen? Diese Fragen
werden sehr kontrovers diskutiert. Die Antworten darauf
könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie diffe rieren
von Partei zu Partei, von Institution zu Institution bzw.
von Lobby isten zu Lobbyisten.
Was allerdings von niemandem mehr bestritten wird, ist die große Herausforderung
unserer demographischen Entwicklung. Waren im Jahre
1950 nicht einmal 10 Prozent unserer Bevölkerung älter als 65 Jahre, so sind im Jahre
2025 fast 25 Prozent der Menschen in West-Europa über 65 Jahre alt. Nach diesen
Zahlen wird die Altersstruktur in 20 Jahren ähnlich sein, wie die derzeit in Florida,
von den Amerikanern liebevoll „Gods Waiting-Room“ genannt.
32
Prävention
Von der Akutversorgung zur Betreuung
chronisch kranker Menschen – ein Paradigmenwechsel
Die Konditionierung unserer Heilberufler ist auch heute
noch stark geprägt durch die Zeit, in der die Akut
ver sorgung im Vordergrund jeglichen Handels stand.
Bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts waren es in
der Regel Infektionskrankheiten und Verletzungen an
denen die Menschen verstarben. In den letzten 60 Jahren
hat sich dieses Bild komplett gewandelt. Inzwischen
versterben 9 von 10 Menschen an einer chronischen
Er krankung. Aber worin liegt der entscheidende Unterschied?
Ein distinktives Merkmal ist das Ausmaß
des Einflusses, den der Patient auf seine Heilung oder
seinen Therapieerfolg hat. Bei akuten Erkrankungen hat
der Patient vergleichsweise wenig eigenen Einfluss – so
ist er z. B. auf ein wirksames Antibiotikum oder auf einen
guten Operateur angewiesen.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich jedoch die
Bedürfnisse der Patienten bzw. die Herausforderungen
grundlegend verändert. Die Menschen kommen mit
Asthma, COPD (= chronisch obstruktive Lungenerkrankung),
Herzkreislauferkrankungen, Typ 2 Diabetes oder
Rheuma – also chronischen Erkrankungen, mit denen
sie Jahre, meist Jahrzehnte leben müssen. Neu daran
ist, dass die Patienten auf ihren eigenen Therapieerfolg
selber den größten Einfluss haben. Es sind die vielen
kleinen alltäglichen Entscheidungen des Patienten über
seine Ernährung, die Bewegung, den Umgang mit Stress,
die Einnahme von Medikamenten und vieles mehr, die
darüber entscheiden, wie eine chronische Krankheit
verläuft. Der Arzt kann nur entscheidende Weichen
stellen, aber „gehen“ muss der Patient selbst.
Beispiel Typ 2 Diabetes – eine Krankheit wird
zur Epidemie
Die International Diabetes Federation (IDF) schätzt,
dass weltweit mehr als 6 Prozent aller Menschen an
Diabetes leiden. Epidemiologisch betrachtet haben wir
es inzwischen mit einer globalen Epidemie zu tun. In
den vergangenen Jahren stieg die Zahl der an Diabetes
Typ 2 Erkrankten merklich an. Nach Schätzungen der
IDF sind mittlerweile rund 10 Prozent der Deutschen,
Österreicher bzw. Schweizer von Diabetes betroffen.
Alleine in Deutschland werden jeden Tag 800 Menschen
neu mit Typ 2 Diabetes diagnostiziert. Die Anzahl
wächst in diesem Land jedes Jahr um eine Stadt mit der
Größe von Karlsruhe. Während noch in den 80er Jahren
fast ausschließlich ältere Menschen an Typ-2-Diabetes
erkrankten, sind es heute auch zunehmend junge Erwachsene.
Alleine in den Vereinigten Staaten von Amerika
waren in den letzten fünf Jahren 30 Prozent der
neu dia gnostizierten Typ 2 Diabetiker nicht älter als 30
Jahre.
Einer der größten Risikofaktoren in diesem Zusammenhang
ist das Übergewicht. Etwa 15 bis 20 Prozent
der Jugendlichen in Deutschland, Österreich und der
Schweiz sind übergewichtig. Bei 8 Prozent ist dieses
Übergewicht krankhaft (Adipositas). 85 Prozent dieser
jungen Menschen werden voraussichtlich ihr gesamtes
Leben an Übergewicht leiden. Ein nicht unerheblicher
33
Nutrition-Press
Teil wird bereits in jungen Jahren an Typ-2-Diabetes erkranken.
Das erste Mal in der Geschichte der modernen
Medizin kommen wir damit an einen Punkt, an dem
ein Teil der jungen Generation eine deutlich geringere
Lebenserwartung hat als die Generation ihrer Eltern.
Drei Viertel aller Diabetiker sterben an den Folgen eines
Herzinfarktes. Schlaganfälle treten viermal häufiger, Depressionen
und Parkinson etwa doppelt so oft auf wie
in der Normalbevölkerung. Das Risiko einer Demenz
steigt dreifach, bei zusätzlichem Bluthochdruck elffach.
Alle 15 Minuten wird alleine in Deutschland eine durch
Diabetes bedingte Amputation durchgeführt.In der
Summe sind dies jährlich rund ebenso vie le Amputationen,
wie im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges an
Wehrmachtssoldaten vorgenommen wurden.
Selbstmanagement der Patienten gefragt
Heute zählt die Bundesrepublik Deutschland, Österreich
und die Schweiz rund 8 bis 10 Millionen Menschen
mit Typ 2 Diabetes. Weitere 6 Millionen sind noch gar
nicht diagnostiziert. Läuft die Entwicklung so weiter,
wie sie derzeit von Statten geht, werden in 20 Jahren 25
Prozent der Erwachsenen in diesen Ländern Diabetiker
sein. Somit werden wir im Jahre 2035 allein für Typ 2
Diabetes und Adipositas so viel Geld aufbringen müssen,
wie wir derzeit für das gesamte Gesundheitssystem
investieren.
Diabetes ist eine so genannte Selbstmanagementerkrankung.
Die IDF führt den Behandlungserfolg auf bis
zu 90 Prozent auf das Verhalten der Patienten zurück.
Um möglichst lange gesund leben zu können, müssen
Diabetiker nicht nur die Zusammenhänge zwischen Erkrankung,
Ernährung und körperlichem Training kennen.
Sie müssen auch die mit einer chronischen Krankheit
verbundene seelische Belastung bewältigen, ihren
Diabetes überwachen und die medikamentöse Behandlung
in Eigenregie durchführen.
Dabei bilden sich Patienten ihre eigenen Vorstellungen
von ihren Erkrankungen und entwickeln als „medi zinische
Laien“ so genannte „Laienhypothesen“. Diese
stimmen oftmals nicht mit dem medizinischen Rat
über ein, nehmen jedoch eine dominierende Rolle ein.
Viele Patienten verändern die Dosis ihrer Medikamente,
setzen diese ab oder nehmen sie nur bei akutem
Bedarf. Für die Volkswirtschaft bedeutet das, dass sich
die Zeiten der Erkrankung verlängern, sich die Heilung
hinauszögert oder sogar verhindert wird. Folglich werden
vermehrte Einweisungen in Praxis und Krankenhäuser
verursacht, wobei nicht unerhebliche zusätzliche
Kosten entstehen. Nach Schätzungen der Europäischen
Stiftung für Gesundheit (Schweiz) und dem Institut
für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung
an der Sigmund-Freud Universität in Wien
belaufen sich die durch die nicht vorhandenen Selbstmanagementfähigkeiten
resultierenden Folgekosten in
Europa auf 200 - 300 Mrd. Euro pro Jahr. Alleine die
Folgen der Drug Non-Compliance werden mit 70 Mrd.
Euro jährlich beziffert.
34
Prävention
Zusammenfassung
Bei einem Menschen mit Typ 2 Diabetes und den entsprechenden
Möglichkeiten zum Selbstmanagement
der Erkrankung belaufen sich die Kosten, die durch das
Gesundheitssystem zu tragen, sind auf bis zu 3.000
Euro pro Jahr. Ein Patient, dessen Therapie nicht erfolgreich
verläuft, verursacht aufgrund der Folgekomplikationen
– unabhängig vom menschlichen Leid – Kosten
von bis zu 35.000 Euro pro Jahr.
Die Fähigkeit zum Selbstmanagement zu fördern, erfordert
dabei ein umfassendes Betreuungskonzept, das
alle Heilberufl er gleichermaßen einschließt. Eine Therapie,
die das hohe Maß an Eigenverantwortung berücksichtigt,
benötigt eine patientenzentrierte Kommunikation.
Gerade hier gilt es umzudenken. Patientenkommunikation
darf sich nicht auf die bloße Verordnung
von Medikamenten beschränken. Es geht um ein grundsätzliches
Verständnis für die Einstellungen, Sorgen
und Bedürfnisse der Erkrankten.
Kein Therapeut hat seherische Fähigkeiten. Trotzdem
wird innerhalb von 30 Sekunden aus einem Patienten
Arzt ein ArztPatientengespräch. Daher gilt: Hinhören,
nicht zuhören. 80 Prozent aller Patienten benötigen
genau 2 3 Minuten ihre Probleme und Bedürfnisse zu
artikulieren. Da mehr als 80 Prozent unserer Patienten
mit einer chronischen Erkrankung nicht einmal 4 Stunden
pro Jahr mit einem Arzt verbringen, können wir
nicht davon ausgehen, dass die verbleibenden 364
Tage und 20 Stunden problemlos verlaufen. Nur, wenn
wir die Patienten „empowern“, können diese die Verantwortung
übernehmen, die diese übernehmen müssen,
damit wir auch in Zukunft das hohe Niveau der
medizinischen Versorgung sichern können. Blenden wir
diesen Punkt aus, dann wird die Glorie der Vergangenheit
zum Stolperstein der Zukunft. In einem sich stark
verändernden Gesundheitssystem sind wir nicht in der
Lage die „Gesundheitsschlachten“ von morgen mit den
Waffen von gestern zu schlagen.
Prof. Dr. Dr. Fred Harms
Leiter des Instituts für Ge sundheitskommunikation
und Versorgungsforschung,
Sigmund-Freud Uni versität
Wien, Vize-Präsident der Europäischen
Stiftung für Gesundheit, Schweiz,
Fachlicher Beirat des NEM e.V.
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PETITION:
Freiheit für gesunde Nahrung!
Gesunde Ernährung ist für uns alle wichtig und darf nicht verhindert werden.
Foto: © Pitopia, Ildiko Papp, 2015
Europa schränkt schon seit längerem den Verzehr von Lebensmitteln
durch die Novel-Food-Verordnung ein. Lebensmittel,
die seit hunderten von Jahren außerhalb der EU
verzehrt werden, werden künftig per se verboten und brauchen
eine Genehmigung durch die Novel-Food-Verordnung.
Wollen wir uns verbieten lassen, was wir essen wollen? Wir sagen
NEIN und fordern: Freiheit für gesunde Nahrung!
Machen Sie mit:
Online-Petition unter www.nem-ev.de
NEM e.V. Verband mittelständischer
europäischer Hersteller und
Distributoren von Nahrungsergänzungsmitteln
& Gesundheitsprodukten
e.V. 35
Nutrition-Press
Warum ist Homo cystein
so interessant?
Homocystein entsteht aus dem Methylierungszyklus, einem Stoffwechselweg
in unserem Organismus. Dieser Stoffwechselweg dient haupts ächlich
der Synthese von S-Adenosylmethionin, ein Cosubstrat fast aller Enzyme.
Durch die Methylgruppen werden die Biomoleküle übertragen. Diese Methyltransferasen
sind an Biosynthesen und Regulationsprozessen unseres
Stoffwechsels beteiligt.
Die Aminosäure Homocystein kann zu Cystein umgewandelt werden. Diese
Aminosäure dient zur Synthese von Glutathion.
Homocystein ist ein kurzlebiges Zwischenprodukt aus dem Stoffwechsel, wenn der
Organismus mit allem gut versorgt ist und keine entsprechenden Störungen aufweist.
Das bedeutet, je niedriger der Plasmaspiegel im Blut, umso besser für den Organismus.
Eine Erhöhung im Plasma fi ndet dann statt, wenn die intrazelluläre Konzentration zunimmt.
In diesem Falle entlastet sich die Zelle und führt das Homocystein ins Blut ab.
Bei zunehmendem Anstieg im Plasma spricht man von der Hyperhomocysteinämie.
Dies kann besonders mit zunehmendem Alter einhergehen.
36
Ernährung / Prävention
Hier können besonders die Bereiche Koronarien der kleinen
Hirnaterien sowie der peripheren Arterien betroffen
sein. Bereits eine geringe Erhöhung der Homocysteinkonzentration
kann das Endithel schädigen, wodurch
Gerinnungsprozesse ausgelöst werden.
Plaque in der Arterie
Eine Veränderung, die auch heute noch immer unterschätzt
wird und in der täglichen Praxis wenig Beachtung
fi ndet, obwohl diese Erkenntnisse seit 1962 bekannt sind.
In prospektiven Kohorten Studien (Fraingham, Hordaland)
konnte nachgewiesen werden, dass die Risiken für
Schlaganfall, Herzinfarkt, Venentrombosen, Demenz,
Osteoporose, Depression und weitere psychische
Störungen zunehmen.
Warum wird dieser Erkenntnis so wenig Bedeutung in
der täglichen Praxis geschenkt? Ein wichtiger Grund ist
sicherlich, dass hier die Prävention im Vordergrund
steht und des Weiteren nicht Medikamente sondern die
BVitamine zum Einsatz kommen müssen.
Homocystein fördert gleich mehrere artereosklerotische
Prozesse, ein Beispiel (die Oxidation von LDL,
Schaumzellbildung, Thrombozytenaggreation). Homocysteinerhöhung
im Plasmaspiegel kann gleichfalls als
Risikofaktor für artereothrombotische Gefäßprozesse
angesehen werden.
Was bedeutet dies alles?
Erhöhte Konzentration von Homocystein erhöht die Produktion
von sehr aggressiven Sauerstoffradikalen (H 2 O 2 )
und vermindert die Bildung von Stickstoffmonoxid. Diese
körpereigene Substanz wirkt gefäßerweiternd. Durch
H 2 O 2 ausgelöste freie Radikale können nun die Innenwände
der Arterien (Endothelschicht) verletzt oder zerstört
werden. Durch diese Verletzung entstehen Gerinnungsprozesse
die mit Ablagerung von Blutplättchen und
Fibrin einhergehen. Ist dieser Prozess einmal eingeleitet,
können sich in der weiteren Entwicklung fetthaltige Substanzen
ablagern und es kommt zur Plaquebildung. Der
Cholesteringehalt der abgelagerten Plaques liegt bei ca.
1 Prozent. Durch die ständigen Ablagerungen verengen
sich die Arterien bis zum Totalverschluss.
Senkt ein niedriger Homocysteinspiegel das
Schlaganfallrisiko?
Seit mehr als 10 Jahren wird die Hypothese diskutiert, ob
ein Einfl uss von Homocystein auf das Schlaganfall oder
Herzinfarktrisiko besteht.
Ja, ein solches Risiko besteht neben anderen Risikofaktoren
wie Rauchen, Übergewicht, hohe Blutfettwerten,
Bluthochdruck. Diese Risiken kann der Betroffene selbst
beeinfl ussen, nicht die Erkennung seines erhöhten Homocysteins.
Hier muss eine entsprechende Untersuchung
vorgenommen werden.
Eine Senkung des Homocysteinspiegels um 3 umol/l
lässt das Schlaganfallrisiko um 10 Prozent sinken, eine
Senkung des Homocysteinspiegels um 25 Prozent lässt
das Risiko um 20 Prozent sinken. Metaanalysen zeigen
jedoch, dass die Risikoabschwächung erst nach ca. 3
Jahren greift. Dies benötigt eine lange Behandlungszeit.
Ein gesunder Wert sollte unter 10 umol/l liegen. Mit zunehmendem
Alter steigt das Risiko, daher sollte hier immer
eine Zeitnahe Überprüfung durchgeführt werden
und nicht abwartend, ob der Wert eine steigende Tendenz
aufweist.
Eine sinnvolle Behandlung ist die Zuführung der Vitamine
B12, B6, und Folsäure. B12 ist zudem wichtig für die Zellkernreifung.
Warum besteht die Gefahr, dass B12 dem
Organismus nicht mehr ausreichend zugeführt wird? Ein
wichtiger Grund ist der Rückgang des Intrinsic Factor
(wird im Magen gebildet) er ist ein spezielles Transportmolekühl,
was von den Belegzellen neben dem Transportprotein
Haptocorrin im Magen gebildet wird. Nachdem
das Vitamin B12 im Magen durch Enzyme aus der
37
Nutrition-Press
Nahrung gelöst wurde, wird es mit dem Haptocorrin
in den Dünndarm transportiert. Hier kann dann das B12
an den Intrinsic Factor angebunden werden und über
entsprechende Rezeptoren in die Schleimhaut weiter
in den Körper gelangen. Da in der täglichen Nahrung nur
geringe Mengen von B12 vorhanden sind, wird verständlich
wie wichtig ein ausreichender Intrinsic Factor ist.
Ein Rückgang kann schon früh eintreten, besonders ist
hier der Raucher angesprochen. Mit zunehmendem Alter,
etwa ab 50 Jahre sollte auch der Homocysteinspiegel
überprüft werden. Dieser sinkt mit zunehmendem Alter.
Menschen, die oft unter Gastriden leiden, sollten immer
ihren Homocyteinspiegel überprüfen lassen.
Bei einem reduzierten Intrinsic Factor sollten die täglichen
Gaben von B12 in kleinen Mehrfach-Dosen erfolgen,
ein Zuviel wird nutzlos ausgeschieden.
Will man eine sichere Therapie durchführen, um Homocystein
abzubauen, sind gleichfalls Vitamin B6 und
Folsäure sinnvoll. Nach mehr als 40 jähriger Erfahrung
konnte ich den Betroffenen mit der Injektionstherapie
und den späteren oralen Verabreichungen helfen. Bei
den Therapien müssen die möglichen Verursacher mit
therapiert werden. Hier gilt besonders der Lehrsatz
„Ursachenbehandlung und nicht nur Symptome bekämpfen.“
Vitamin B6 ist durchaus ein Multitalent in unserem Stoffwechsel.
Unter dem Begriff Vitamin B6 sind 3 wichtige
Formen vereint: Pyridoxal, Pyridoxin und Pyridoxamin.
Pyridoxal-5-Phosphat ist die Form von B6 die als Coenzym
in wichtigen Stoffwechselprozessen vorkommt und
hat somit in unserem Stoffwechsel eine große Bedeutung.
Bei Mangel an B6 sind neben dem Abbau von Homocystein
in Cystein und damit die Risikosenkung für
kardiovaskuläre Erkrankungen weitere Erkrankungen
möglich z.B.: Hauterkrankung (Seborrhea), Depression,
Erschöpfung, Verwirrtheit, Tremor, usw.
Vitamin B6 bringt Verbesserung z.B.: Senkung des Homocysteinspiegels
und Verringerung des kardiovaskulären
Risikos, Hemmung der Virenentwicklung bei Herpes,
Unterstützung des Immunsystems, positive Wirkung bei
Karpaltunnelsyndrom usw.
Folsäure ein weiteres wichtiges Vitamin aus der
Reihe der B-Vitamine
Folsäure und Vitamin B12 stehen in einer engen Beziehung.
Beide Vitamine bewirken im Zusammenspiel die
So sollte am Anfang immer die Injektion stehen
Nach entsprechendem Aufbau des Magens mit naturheilkundlichen
Mittel kann dann mit der oralen Einnahme
begonnen werden. Bei Risikopatienten sollte jedoch in
entsprechenden Abständen weiter eine Injektion verabreicht
werden.
Literatur
• The American Journal of Clinical Nutrition Derminaten der Plasmagesamthomocysteinkonzentration in der Framingham offsprin –
Kohorte 1, 2, 3, 4
• Institut für Medizinsche - Diagnostik Berlin – Potsdam
• Abels, J., Vegter, J.J.M., Woldring, M.G., Jans, J.H. and Nieweg, H.O. (1959), The Physiologie Mechanism of Vitabin B12 Absorption.
• Acta Medica Skandinavia, 165: 105 - 113
• Without Intrinsic Factor. David Rotter
• Zentrum für Humangenetik, Homocystein Netzwerk,
• Neue Risikofaktoren Universitätskrankenhaus Eppendorf – Hamburg
• Deutsches Grünes Kreuz für Gesundheit e.v.
• Dachliga Homocystein
38
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Ernährung / Prävention
Bildung von Purin und Pyrimidin. Die Folsäure nimmt
auch bei der Transformation an einigen Aminosäuren teil,
so beispielweise an der Umwandlung von Homocystein
zu Methionin. Durch diese Möglichkeit kann das kardiovaskuläre
Risiko gesenkt werden.
Folsäure-Mangel kann zu Müdigkeit, Depression, Verdauungsstörungen
führen, um nur einige Bereiche aufzuführen.
Es gibt keine Lagerstätte in unserem Körper, so
macht sich eine Mangelernährung kurzfristig bemerkbar.
Mangelerscheinungen können auch auftreten bei: Störung
der Resorption im Darm, Alkoholismus, bei Einnahme
bestimmter Medikamente, um auch hier nur einige zu
nennen.
Überprüfen wir unsere Nahrungskette
Vieles ist in unserer heutigen Ernährung nicht mehr oder
nur noch in abgeschwächter Form enthalten. Besonders
müssen Veganer und Vegetarier auf eine unterstützende
Ernährung achten, um die notwendigen Vitamine zu erhalten.
Immer deutlicher wird die Zuführung von Nahrungsergänzungsmitteln
auf Grund solcher Erkenntnisse. Oft
gibt es umfangreiche Diskussionen mit den Krankenkassen
und Versicherungen oder ihrer Gutachter, ob hier
eine Erstattung möglich ist, weil B-Vitamine auf Grund
von Untersuchungen insbesondere bei erhöhtem Homocystein
sinnvoll sind.
Da hilft ein Gerichtsurteil (AZ: 30C 502/03-75):
„Nahrungsergänzungsmittel, die nicht zum Zweck der
Ernährung oder des Genusses verschrieben werden, sind
zu erstatten.“
Im medizinischen Bereich kann man über viele Dinge viele
Jahrzehnte diskutieren, wenn aber vieles dafür spricht,
Risiken auszuschalten, Menschen zu helfen, sie vor
schweren körperlichen Schäden zu bewahren, kann die
Diskussion nur im Hintergrund geführt werden. Das Gebot
der Stunde ist, nach der Erfahrung und den heutigen
Erkenntnissen zu helfen.
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Vorsitzender des EFN – European
Federation for Naturopathy E.V.
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Leiter des Steinbeis-Transfer-Instituts
Gesundheitsprävention, Therapie
und Komplementärmedizin
Fachlicher Beirat des NEM e.V.
Besonders stolz sind wir auf unsere Innovationen
und unseren hohen Qualitätsmaßstab, bestätigt
durch einen internationalen Innovationspreis
und häufi g gelobte, „für gut befundene“
Produkte in deutschen Warentests.
DR. WERNER PHARMAFOOD GmbH
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39
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Nutrition-Press
Schwermetalle –
Ein Revival
alter Bekannter
Schwermetalle stellen ein Gesundheitsrisiko dar –
ein neuer ein facher Schnelltest ermöglicht Belastungsmonitoring
Schwermetalle – Vorkommen
Vor einigen Jahren war das Thema „Schwermetalle/
Schwer metallbelastungen“ in Verbindung mit Amalgam
füllungen in kariösen Zähnen in aller Munde. Die
Diskussion über einen Zusammenhang zwischen einer
Schwermetallbelastung und dem Abrieb im Mundbereich
wurde sehr kontrovers geführt. In den nachfolgenden
Jahren konnte aber doch eine messbare, wenn
auch geringe Schwermetallbelastung durch Amalgam
Abrieb aufgezeigt werden.
Mit der zunehmenden Zahnhygiene und Verwendung
von Keramikfüllungen geriet das Thema Schwermetallbelastung
etwas aus dem Fokus der Öffentlichkeit. Zu
Unrecht, denn Schwermetalle fi nden sich im gesamten
biologischen Kreislauf. Selbst wenn das Benzin kein
Blei mehr enthält, weniger Amalgam verwendet wird
und die Emissionen der Schwerindustrie um 70 90
Prozent deutlich gesenkt werden konnten (Umwelt
Bundesamt 2014) – die Schwermetalle werden immer
neu in die Umwelt eingetragen. Nahezu alle Verbrennungs
und viele Produktionsprozesse emittieren
schwer metallhaltige Gase oder Stäube. Bei hohen Anteilen
an Cadmium, Blei oder Quecksilber kann hier ein
hohes Gefährdungspotential entstehen.
Mit der Einführung der neuen Energiesparlampen arbeitet
sich das Thema Schwermetalle wieder nach vorn
in den Blickpunkt des Interesses: bei der Produktion
dieser Leuchtmittels wird u.a. das hochgiftige Quecksilber,
auch der Hauptbestandteil der alten Amalgamfüllungen,
verwendet.
Weitestgehend unbeachtet ist die Tatsache, dass z. B.:
Quecksilber in vielen Produkten verwendet wird und
wurde, und somit immer wieder in den biologischen
Kreislauf eingespeist wird.
Der BUND – Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland – beklagt eine hohe Schwermetallbelastung
in den Mündungsbereichen großer Flüsse und im
Meer. Durch die regelmäßige Ausbaggerung der Flüsse,
um tiefe Fahrrinnen für die Megacontainerschiffe zu gewährleisten,
fallen große Mengen als Abraum an, der in
hohen Konzentrationen giftige SchwermetallCocktails
enthält. Der Abraum wird häufi g im Meer verklappt, so
dass ein Teil der Schwermetalle über die Nahrungskette
wieder in den biologischen Kreislauf gerät.
Aber Schwermetalle fi nden sich auch in kommunalen
Abwässern und Klärschwämmen. Quellen sind hier z.B.:
alte Bleirohre, häusliche Verbrennungsanlagen, medizinischer
Bereich, Fahrbahnabrieb.
Schwermetalle – chemisch gesehen
Zu den Schwermetallen zählen eine ganze Reihe von
Metallen. Eine genaue Defi nition für den Begriff Schwermetalle
gibt es nicht. Man hat sich allgemein darauf
verständigt, dass alle Metalle mit einer Dichte größer
als 5 g/cm 3 zu den Schwermetallen zählen.
40
Ernährung / Prävention
stoffes mit der Konsequenz eines Gesundheitsrisikos
ist natürlich genauso gegeben.
Im nachfolgenden wird der Kreislauf der bekanntesten
Schwermetalle kurz dargestellt.
Auf eine detaillierte Darstellung der Toxikologie wird im
Rahmen dieses Artikels verzichtet. Der Autor verweist
auf die einschlägige Fachliteratur.
Neben den bekannten, giftigen Schwermetallen wie
z. B.: Blei (Pb), Cadmium (Cd), Quecksilber (Hg) oder
Palladium (Pd), gehören auch die Elemente Eisen (Fe),
Mangan (Mn), Kupfer (Cu), Chrom (Cr) oder Zink (Zn)
dazu. Diese Metalle sind, im Gegensatz zu der erstgenannten
Gruppe, in kleinen Mengen lebenswichtig für
Pfl anzen, Tiere und Menschen; sie werden daher als
essentielle Schwermetalle oder auch, im allgemeinen
Sprachgebrauch besser bekannt, als Spurenelemente
bezeichnet. Allerdings können selbst diese essentiellen
Spurenelemente bereits bei leichten Überdosierungen
für den menschlichen Organismus gesundheitsschädlich
sein.
Blei (Pb)
Die Giftigkeit von Schwermetallen ist z. T. schon seit
dem Altertum bekannt. Schon die Römer verwendeten
Bleiverbindungen zur Entsäuerung von Wein. Bleiacetat,
wegen seines süßen Geschmacks auch Bleizucker genannt,
wurde bis ins 19. Jahrhundert eingesetzt und
häufi g Weinen zur Geschmacksverbesserung beigemischt.
Ludwig van Beethoven ist ein prominentes Opfer
einer schleichenden Bleivergiftung. Seine Schwerhörigkeit
und Tod sind Folge seines Konsums an billigen,
mit Bleizucker versehenen Weinen.
Auch heute besteht die Hauptbleibelastung über die
Nahrungskette, z.B.: durch Grünkohl, kräuterhaltige
Trockensuppen oder Muscheltiere. In Haushalten mit
bleihaltigen Wasserleitungen ist auch eine Bleibelastung
über das Trinkwasser gegeben. Die Belastung über
die Luft ist eher gering. In industriellen Gebieten oder
stark Feinstaubbelasteten Städten kann die Belastung
über die Luft aber extrem steigen. Milchprodukte sowie
ein Mangel an Vitaminen und essentiellen Spurenelementen
steigert die Aufnahme von Blei, ebenso wie
Fasten oder Diäten.
Bleibelastung
in Muscheltieren
und Grünkohl
Im menschlichen Stoffwechsel verdrängen die Schwermetalle
mit einer höheren Dichte z. B. Quecksilber, Blei
und Cadmium die wichtigen, essentiellen Schwermetalle
wie z.B. Zink aus deren zellulären Bindungsstellen. In
diesem Fall ist die Aufnahme von Zink beeinträchtigt,
worunter die Funktion von Zellen und Entgiftungssystemen
leidet.
Schwermetalle in Umwelt und Nahrung
Die Aufnahme von Schwermetallen erfolgt über die Umwelt
oder Nahrungskette. Kritisch ist die konstante Aufnahme
kleiner Mengen, die sich in den Organen und
Geweben anreichern und zu einem Gesundheitsrisiko,
zu einer Gesundheitsbelastung, werden können. Der
medizinische Begriff „Belastung“ beinhaltet bereits das
Gesundheitsrisiko, während die Umweltmedizin nicht
so weit geht und unter dem Begriff „Belastung“ zunächst
die bloße Anwesenheit eines Schadstoffes versteht.
Aber das Risiko der Anreicherung eines Schad
41
Nutrition-Press
Cadmium (Cd)
Cadmium ist ein ebenfalls weitverbreitetes Metall, das
in der Industrie häufi g eingesetzt wird. Das Metall fi ndet
sich in Farbpigmenten, Kunststoffen, Batterien oder im
Korrosionsschutz. Ähnlich wie bei Blei liegt auch hier
die Hauptbelastungsquelle in der Nahrung. Mit 36 Prozent
haben Weizenmehlhaltige Backwaren den höchsten
Anteil an der täglichen Cadmiumaufnahme. Weitere
Quellen können sein: Karotten (13 Prozent), Salat oder
Kartoffeln (18 Prozent). Die Belastung des Gemüses
kommt über eine Bodenbelastung durch das Ausbringen
Cdhaltiger Phosphatdünger oder Klärschlämme.
Über die Wurzeln werden die Schadstoffe in die Pfl anze
aufgenommen. Raucher haben eine bis zu 4fach höhere
CadmiumKonzentration im Blut als Nichtraucher.
Quecksilber (Hg)
Auch Quecksilber ist seit dem Altertum bekannt. Die
griechischen Ärzte setzen es als Heilmittel ein, wegen
der häufi g verwendeten toxischen Dosen allerdings mit
mäßigem Erfolg. Bis ins 20. Jahrhundert wurde Quecksilber
zur Behandlung der Syphilis, damals eine Volksseuche,
bis zur Entdeckung des Penicillins eingesetzt.
Heute werden in Deutschland jährlich noch ca. 20 Millionen
Amalgamfüllungen eingesetzt; das entspricht einer
Gesamtmenge an Quecksilber von ca. 10 t.
Quecksilber fi ndet sich in vielen Alltagsprodukten wie
Batterien, Thermostate, Thermometer, Manometer, Barometer,
oder Leuchtmittel (s.o.). In Deutschland werden
so jährlich 250 t Quecksilber und dessen Verbindungen
verbraucht. Im biologischen Kreislauf werden
durch bakterielle Zersetzung aus den schwerlöslichen,
weniger giftigen anorganischen Quecksilberverbindungen
leicht lösliche hochgiftige organische Quecksilberverbindungen,
die sich in der Nahrungskette anreichern.
Die höchsten Gehalte weisen fetthaltige Fischsorten
auf.
Look“Instrument dem allgemeinen Verbraucher zur
Verfügung. Methodische Grundlage des Tests ist die im
Falle einer Belastung entstehende Verminderung der
Zinkresorption. Der Test verwendet eine indirekte Methode,
um eine allgemeine Belastung aufzuzeigen.
Der Test ist einfach und in wenigen Arbeitsschritten und
zu Hause durchzuführen. Als Probenmaterial wird Morgenurin
verwendet. Etwas Morgenurin in das Testgefäß
mit Testreagenz geben, Indikatorblatt dazu – der Testansatz
ist fertig. Das Testgefäß verschließen, leicht schütteln
und nicht mehr als 5 Minuten warten. Die Auswertung
erfolgt über eine chemische Farbreaktion. Bei ei
Schwermetallmonitoring – sinnvolle Gesundheitsprophylaxe
Wie dargestellt, ist das Risiko, Schwermetalle aufzunehmen
vielfältig. Das Human Biomonitoring beschäftigt
sich mit der Bestimmung einer StoffwechselBelastung
und gegebenenfalls mit deren Folgen im Organismus.
Im Rahmen eines Belastungsmonitoring werden Stoffe
oder deren Verbindungen in Körperfl üssigkeiten bestimmt.
Das Belastungsmonitoring erlaubt die Bewertung
der individuellen Gesamtbelastungssituation. Zusammen
mit der Bewertung weiterer individueller Faktoren
wie Wohnsituation, Ernährungsweise, Sozialstatus,
physischer Zustand kann hier ein sinnvoller Risikoindex
ermittelt werden.
Mit einem neuen, einfachen Schnelltest (Biomonitor
SCHWERMETALLE) steht zum ersten Mal ein „First
42
Ernährung / Prävention
ner geringen Belastung bleibt der Test grün. Bei zunehmender
Belastungskonzentration verändert sich die
Farbe über grau zu rot (siehe Darstellung Farbkarte).
Der Gelbbereich stellt den Grenzbereich des Tests im
oberen Bereich dar. Der Test ist für den medizinischen
Laien geeignet und konzipiert. Testdurchführung sowie
Interpretation erfordern keine Fachkenntnisse.
medizin bewegen. Durch ArbeitsplatzExposition oder
andere Situationen kann es zu akuten Schwermetallver
gif tungen kommen, die umgehend schulmedizinisch
mit entsprechenden Maßnahmen behandelt werden
müssen.
Als „FirstLook“Test empfi ehlt er sich aber auch in Gesundheitsinstituten
wie z. B.: Arztpraxen sowie ganzheitliche
Zahnärzte mit kleinem Labor oder Heilpraktiker
Praxen. Gerade bei kurmäßigen (Schwermetall) Entgiftungen
kann mit diesem Test der Fortschritt der Entgiftungsmaßnahme
beobachtet werden.
Im Rahmen eines ganzheitlichen Gesundheitsmanagements
ist eine regelmäßige Belastungskontrolle einmal
im Monat zu empfehlen. Wegen der in der Regel geringen,
aber dauernden Aufnahmemengen dauert die
Anreicherung bis zur „sichtbaren“ Schwelle eine Weile.
Ebenso müssen Entgiftungskuren gegebenenfalls durch
aus mehrmals durchgeführt werden, um die Schwermetalle
zu entfernen.
Ergänzend soll dargestellt werden, dass wir uns mit
dem Test im Bereich von Individual und Präventions
Dr. rer. nat. Cornelia Friese-Wehr
Joining HEALTH Medicare Int. GmbH
Quellen:
• Reichl, F., Moderne Umweltmedizin, Lehmanns Media 2011
• Tomic, Str., Nutrition Press 3, 28 34, 2014
www.wikipedia.de
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43
Nutrition-Press
Indien – ein Markt für euro -
päische Nahrungsergänzungsmittel
und Kosmetik?!
Indien – als Beschaffungsmarkt
für Rohstoffe
Wer kennt sie nicht, die begehrten Rohstoffe, die seit der Antike ihren
Weg vom fernen indischen Kontinent nach Europa gefunden haben
und hier mit Gold aufgewogen wurden? Gewürze aus Kerala, Farben
aus Madras, Tee aus Darjeeling und viele uns fremdartig erscheinende
Früchte wie z. B. „Amla“ (Phyllanthus emblica).
Einerseits ist Indien noch immer eines der
Länder, in denen ein nicht unbedeutender
Teil der Bevölkerung nicht ausreichend oder zu einseitig
ernährt wird. Z. B. gibt es Reis und Linsen in allen denkbaren
Würzungen, aber diese Würzerei täuscht oft nur
eine Ernährungsvielfalt vor, lässt aber übersehen, dass
auf vielen Tellern zu wenige Nährstoffe aus sonstigen
Gemüsen, Früchten und Getreideprodukten angeboten
werden. Das Land hält einen WeltSpitzenplatz beim
Vorkommen ernährungsbedingten Übergewichts (Zufuhr
zu vieler Kalorien) und Diabetes bei gleichzeitigen
Mangelerscheinungen aufgrund zu geringer Aufnahme
essentieller Nährstoffe.
44
Ernährung / Kosmetik
Wie steht es also um die Qualität indischer Produkte?
Natürlich kann hier keine verallgemeinernde Gesamtaussage
getroffen werden. Doch ein Blick in das Rapid
Alert System des Zolls der EULänder (https://webgate.ec.europa.eu/rasff)
zeigt, dass es an Bemängelungen
für Ware indischen Ursprungs nicht fehlt. Es gibt
indische Unternehmen, die eigene Fertigungsanlagen
für solche Ware betreiben, die nach Europa oder USA
exportiert wird, während die Ware für den innerindischen
Markt in anderen Fabriken hergestellt wird. Viele
indische Betriebe verfügen über die Auditbasierten
Zertifi zierungen (BFS, IFS, Bio/Organic etc.), die von
europäischen Kunden vorausgesetzt werden. Aber in
diesem Land stoßen Auditbasierte Zertifi zierungssysteme
eben an ihre Grenzen. Institut Kurz hat in den vergangenen
Jahren zahlreiche indische Rohstoffe und
Fertigprodukte im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel,
Kosmetik und Pharmaka auf Einhaltung gesetzlicher
Grenzwerte und auf Einhaltung der HerstellerSpezifi
kation getestet. Als Fazit darf mit allem Respekt gezogen
werden: Ob der Lieferant Zertifi zierungen hat
oder nicht, es ist empfehlenswert jede einzelne importierte
Charge auf Einhaltung der zugesicherten Qualität
testen zu lassen. Wenn das gegeben und dem Lieferanten
bekannt ist, wird gleichbleibend hervorragende
Ware geliefert.
Andererseits ist Indien durchaus ein nennenswerter
Exporteur von Lebensmitteln und Rohstoffen für Lebensmittel,
Pharmaka und Kosmetik. Fruchtpüree von
Mangos der begehrten Sorte Alphonso, Curcumin, SojaProteine
sind Beispiele, also das Besondere, das es
nur aus Indien gibt (worauf wir später noch einmal eingehen)
und auch Massenprodukte, wie sie ebenfalls
aus anderen Ländern bezogen werden können. Bei letzteren
entscheiden natürlich der Preis inklusive der
Transport und Importkosten sowie die Einhaltung der
handelsüblichen Qualität. Bei ersteren sind es vor allem
die besonderen Eigenschaften der Ware sowie natürlich
auch dort die Einhaltung der zugesicherten Qualität.
Gibt es denn – über die handelsüblichen Rohstoffe
hinaus – besondere indische Rohstoffe,
die für europäische NEM-/Kosmetik-Hersteller
von Interesse sein können?
Nahrungsergänzungsmittel bzw. Gesundheitskosmetik,
örtlich auch „Nutraceuticals“ und „Cosmeceuticals“
genannt; Begriffe, die einerseits aus den Worten „Nutrition“
bzw. Cosmetics und andererseits aus dem zweiten
Teil von „Pharmaceuticals“ gebildet sind, haben in
Indien ein wesentlich höheres Ansehen in der Bevölkerung,
bei den Vertretern des Gesundheitswesens und
auf regierungsamtlicher Seite als in Europa. So gibt es
in den Regierungen einiger indischer Bundesstaaten
eigene Abteilungen für ayurvedische Produkte („Ayush
Department“), die den Auftrag haben, die Verbreitung
und Anwendung solcher Nutraciticals und Cosmeceuticals
zu fördern. Die Produkte werden von den zahlreichen
Heilpraktikern verschrieben und entweder in
Klein mengen traditionell in Handarbeit oder aber industriell
hergestellt. Im indischen Recht nehmen die Nutraceuticals
eine eigenständige Rolle neben den Lebensmitteln
und den Arzneimitteln ein (während Nahrungsergänzungsmittel
bzw. „Food for Special Groups“ [die
ehemaligen bilanzierten Diäten] in Europa ja spezielle
Untergruppen der Lebensmittel sind.). Dabei wird nicht
zwischen schützender (NEM) oder heilender (AM) Wirkung
unterschieden, sodass die in Europa übliche Abgrenzung
in Nahrungsergänzungsmittel und Arzneimittel
für Indien so nicht anwendbar ist.
Die Gesundheits und Heilslehren Ayurveda, Siddha
und Unani gehen auf z. T. zwei bis dreitausendjährige
(schriftlich verfasste) Traditionen zurück und haben Rezepte
hervorgebracht, die heute z. T. spezifi sch „Ayushceuticals“
genannt werden. Beispiele für solche ayurvedischen
Formulierungen sind (hier identifi ziert nur mit
dem „aktiven Hauptbestandteil“ und der ihm in der indischen
Tradition zugeschriebene gesundheitliche Wirkung.
In der Regel sind detaillierte Zubereitungsvorschriften
vorhanden):
• Haritaki (Terminalia Chebula): Soll die Verdauungsfunktionen
unterstützen, entschlackend auf den ganzen
Körper wirken, die Sehfähigkeit unterstützen.
• Satvari Ghrita (Asparagus Racemosus, ein Verwandter
des uns bekannten Gemüsespargels Asparagus
Offi cinalis): soll stillende Mütter unterstützen.
• Trikatu (Gemisch aus Piper Longum, Piper Nigrum,
Zingiber Offi cinale, Phyllanthus Amarus): Soll schützende
Wirkung gegen Lebererkrankungen haben.
45
Nutrition-Press
In den traditionellen Schriften (Chastras) lassen sich
hunderte weitere Rezepte für solche Nutraceuticals fi n
den und somit auch hunderte Kandidaten für Ausgangstoffe
ggf. interessanter Nahrungsergänzungsmittel
oder Gesundheitskosmetik. In Europa ist dieser Schatz
an Rezepturkandidaten bisher weitgehend ignoriert
worden. Auch die Pharmaindustrie hat sich hierfür nicht
systematisch interessiert.
Lassen sich die traditionell zugeschriebenen
schützenden/heilenden Wirkungen denn nachweisen?
Den „theoretischen Überbau“ der Lehren von Ayurveda,
Siddha, Unani (z. B. Vata [Wind, Luft und Äther], das
Bewegungsprinzip; Pitta [Feuer und Wasser], das Feuerbzw.
Stoffwechselprinzip; Kapha [Erde und Wasser],
das Strukturprinzip) kann man, bei allem Respekt vor
der traditionellen Überlieferung, sicherlich als „nicht
verifi zierbar“ bzw. „wissenschaftlich nicht weiterführend“
bei Seite legen. Anders sieht es mit der gerade
von indischen Fachleuten immer wieder betonten Erkenntnisbasis
einer zweitausendjährigen Epidemiologie
(also einer über zweitausend Jahre gesammelten empirischen
Beobachtung eben dieser schützenden/heilenden
Wirkung) aus. Dieser lange Beobachtungszeitraum
und die Vielzahl der Fälle würden in der Tat die empirische
Basis für den Wirkungsnachweis vieler europäischer
Nahrungsergänzungsmittel, Gesundheitskosmetika
und Arzneimittel bei weitem übertreffen. Leider ist
diese reiche empirische Erfahrung zu den indischen
Nutraceuticals zwar schriftlich aber im wissenschaftlichen
Sinne nur schlecht dokumentiert. Praktisch alle
Ansprüche, die man heute an empirisch verwertbare
Daten stellt (z. B. Defi nition der beobachteten Fälle, beobachtete
Fallzahl, Positiv und Negativergebnisse, Beschreibung
der Begleitumstände) sind in aller Regel für
diese indischen Rezepte nicht erfüllt, ganz zu schweigen
von einer exakten chemisch/molekularbiologischen
Beschreibung.
Die hunderten traditionellen Ayurveda, Siddha, Unani
Rezepte sind daher eine interessante Quelle für neue
Nahrungsergänzungsmittel, Heilkosmetika oder auch
Arzneimittel, es führt aber kein Weg daran vorbei, dass
vor einem Einsatz in Europa zwei Fragenkomplexe nach
den heutigen in Europa geltenden Anforderungen geklärt
werden müssen:
• Sind die jeweiligen Rohstoffe in Europa zugelassen?
(Oder würden sie „noch nicht zugelassene“ Botanicals
oder Novel Food etc. sein, die einem Zulassungsverfahren
unterzogen werden müssen?)
• Kann der Wirkungsnachweis gemäß heutigen europäischen
Anforderungen erbracht werden? (Bekanntlich
bestehen hier unterschiedliche Anforderungen
an den Wirkungsnachweis für Nahrungsergänzungsmittel,
Heilkosmetika, Arzneimittel). 1 )
Indien – als Absatzmarkt für europäische Nahrungsergänzungsmittel
Der Markt: Obwohl (oder gerade weil?) die Speisen in
Indien traditionell überwiegend vegetarisch sind, gilt
die Ernährung weiter Teile der indischen Bevölkerung
hinsichtlich der Zufuhr an essentiellen Nährstoffen als
nicht ausgewogen. (Unterschiedlich gewürzter Reis ist
eben noch kein variantenreiches vegetarisches Gericht).
Das wird auch von den damit befassten Behörden
so beurteilt. Die zusätzliche Supplementierung
durch Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ist für
die Schichten, die es sich leisten können, daher eher
die Regel als die Ausnahme. Bei der Abschätzung die
46
1 Institut Kurz betreibt in Kooperation mit der indischen
Kasturba Health Society, Sthankvasi Jain
Aarandhan Dham, Mumbai 400056, ein Projekt zur
„Reverse Pharmakology“ in dem für vier solcher traditioneller
Formulierungen die exakte chemische
und molekularbiologische Charakteri sierung und
der Wirkungsnachweis erbracht werden soll.
Ernährung / Kosmetik
ses derzeit schon vorhandenen Marktes in Indien hilft
der folgende Vergleich weiter: Wenn in Deutschland
ggf. jeder zehnte Einwohner gesundheitsbewusst und
wohlhabend genug ist, um sich Nahrungsergänzungsmittel
zu leisten, und wenn dies in Indien vielleicht nur
auf jeden hundertsten Einwohner zutrifft, so sind es
dann immer noch deutlich mehr potentielle indische
Kunden (ca. 12 Mio.) als deutsche (ca. 8 Mio). Tendenz
weiter rapide steigend, einerseits durch das Bevölkerungswachstum
und andererseits durch den ökonomischen
Aufstieg weiterer Bevölkerungsschichten. Der
indische Markt für industriell gefertigte Nutraceuticals
wird für 2017 auf ca. 6 Milliarden US$ geschätzt. Indische
Branchenstatistiker gehen davon aus, dass dort in
ca. 10 bis 15 Jahren der Markt für Nutraceuticals größer
sein wird als der Pharmamarkt. Wo fi ndet man sonst
noch solche Wachstumsmärkte?
Für einen Absatz europäischer Produkte in Indien
spricht:
• Europäische (und speziell britische, schweizerische
oder deutsche Produkte) genießen einen exzellenten
Ruf beim Konsumenten sowie bei den dort so wichtigen
Heilpraktikern
• Die notwendigen Zulassungen über das zuständige
föderale Ministerium (FSSAI = Food Saferty and
Standards Agency of India) werden wohlwollend begleitet
(siehe die oben angeführte generelle Aufgeschlossenheit
der Behörden)
• Eine der europäischen Health Claims Verordnung
analoge Vorschrift hinsichtlich der Anforderungen an
die auszulobenden Wirkungen ist zwar in Vorbereitung,
aber noch (lange?) nicht in Kraft. Die bisherigen
Entwürfe zeigten, dass man aus den internationalen
Erfahrungen lernen will und die Anforderungen für
Claims in Indien deutlich praxisnäher als beim europäischen
Vorbild gestalten will
• Englisch wird überall in der indischen Geschäftswelt
und bei vielen Konsumenten verstanden.
Zu beachten ist jedoch:
• Die sprichwörtliche indische Administration wird man
nur mit einem indischen Partner vor Ort erfüllen
können
• die im internationalen Handel üblichen kommerziellen
Gepfl ogenheiten (Akkreditiv oder Vorkasse etc.) zum
Selbstschutz sind unbedingt einzuhalten, werden von
den indischen Partnern auch verstanden und als normal
akzeptiert, weil der Rechtsweg für Europäer
nicht einfach ist
Hon. Prof. Dr. Helmut Weidlich
• Geschäftsführender Gesellschafter der Institut Kurz GmbH
• Honorarprofessor der Tamil Nadu Agricultural University,
Coimbatore, India benannter Sachverständiger für Nutraceuticals
der All-India Handelskammer FICCI (Federation
of Indian Chambers of Commercea and Industry)
sowie assoziiertes Mitglied der Tamil Nadu Ayurvedic, Siddha
and Unani Drug Manufacturers Association (TASUDMA)
• Fachlicher Beirat des NEM e. V.
• Standortwahl ist gleichbedeutend mit Marktwahl. Die
einzelnen indischen Bundesstaaten sind extrem unterschiedlich,
wesentlich unterschiedlicher als die
zur EUgehörenden Staaten untereinander, in Kultur,
Sprache, Schrift, Kaufkraft.
Die Markterkundung
Eine der besten Gelegenheiten den indischen Markt für
Nahrungsergänzungsmittel aus erster Hand kennen zu
lernen, ist die Teilnahme als Besucher oder auch Aussteller
an der alljährlichen Konferenz und Messe „Nutra
India Summit“, deren 10. Ausgabe demnächst wieder
vom 18. bis 20. März 2015 in Mumbai stattfi nden wird:
http://www.nutraindiasummit.in/nutra_2015/index.
php. Marktsegmente, Kundenpotentiale, mögliche indische
Partner, Entwicklungs und Konsumententrends,
alles dies wird dargestellt. An der letztjährigen gleichen
Veranstaltung, der „9th Nutra India Summit“ haben alle
52 Vortragende, über 50 Aussteller und 2500 Besucher,
ausschließlich zum Thema „Nutraceuticals“ teilgenommen.
NEM e.V. wird zusammen mit Institut Kurz auf dieser
Konferenz und Messe mit eigenem Stand vertreten
sein. Wir laden interessierte Mitglieder ein, ebenfalls als
Besucher oder als Aussteller (jeweils zu Vorzugskonditionen)
teilzunehmen. Ein reichhaltiges Hauptprogramm
und interessante Nebenprogramme führen in den indischen
Markt als Rohstoffl ieferant oder als Absatzmarkt
für Fertigprodukte ein.
Natürlich ist es auch möglich, individuell den indischen
Markt zu erkunden. Wer hier Unterstützung sucht, kann
sich gerne an den Vorstand des NEM e.V. oder Institut
Kurz wenden.
47
Nutrition-Press
Gefahrstoffe im Griff:
Neues Angebot für verbessertes
Gefahrstoffmanagement
Der sichere Umgang mit Gefahrstoffen ist vor allem für kleine und mittlere
Betriebe (KMU) oft eine besondere Herausforderung. Um ihre Mitgliedsunternehmen
darin noch besser zu unterstützen, haben die Berufsgenossenschaft
Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) und die Berufsgenossenschaft
Holz und Metall (BGHM) jetzt die gemeinsame „Geschäftsstelle Gefahrstoffinformation“
gegründet.
Die Geschäftsführer Ulrich Meesmann
(BG RCI) und Dr. Albert Platz (BGHM)
sind überzeugt, dass mit dieser Neugründung die Mitgliedsbetriebe
in ihrer Kompetenz für die Prävention
von betrieblichen Gesundheitsgefahren gestärkt werden.
„Unser Ziel ist es, das gemeinsame Knowhow zusammenzuführen,
um die bereits bestehenden Angebote
zum Gefahrstoffmanagement zu bündeln, weiterzuentwickeln
und zu optimieren“, erläutert Geschäftsstellenleiter
Dr. rer. nat. Thomas Martin, Mitarbeiter im
KompetenzCenter Wissenschaftliche Fachreferate der
BG RCI.
Bisher haben die beiden beteiligten Unfallversicherungsträger
jeweils eigene Gefahrstoffi nformationssysteme
betrieben. Das GisChem der BG RCI (www.gischem.de)
beinhaltet Datenblätter mit Informationen zum sicheren
Umgang mit Gefahrstoffen, interaktive Module zur Erstellung
von Betriebsanweisungen sowie den GHSKon
verter und den GHSGemischrechner. Die GISMET der
BGHM (www.gismetonline.de) besteht aus Datenblättern
und Betriebsanweisungsentwürfen. Beide Gefahrstoffi
nformationssysteme orientieren sich an den speziellen
Anforderungen der jeweiligen Branchen, stehen
aber allen Interessierten kostenlos zur Verfügung.
„Durch die Kooperation können wir unser Angebot nun
auf eine deutlich breitere Basis stellen und gleichzeitig
Synergieeffekte nutzen, da Gesetzesänderungen oder
andere Neuerungen nur noch einmal eingepfl egt werden
müssen“, freut sich Dr. Wolfgang Damberg, Präventionsleiter
der BGHM.
In den nächsten Monaten wird die Geschäftsstelle Gefahrstoffi
nformation die bisherigen Informationen überarbeiten
und neu konzipieren. Das neue, gemeinsame
Angebot soll Anfang 2015 zur Verfügung stehen.
Weitere Informationen:
Geschäftsstelle Gefahrstoffinformation
c/o Berufsgenossenschaft Rohstoffe
und chemische Industrie (BG RCI)
KurfürstenAnlage 62
69115 Heidelberg
Telefon: 06221 510828360
EMail: thomas.martin(at)bgrci.de
Quelle: BG RCI > Presse & Medien > Pressemitteilung
48
eBay-Auktionen:
Vorsicht beim Abbruch
Sei es das zu klein gewordene Kinderfahrrad, die Designer-
Jeans oder das vorletzte Handymodell: Wer etwas verkaufen
möchte, tut dies heutzutage oftmals über eBay. Das Einstellen
eines Artikels geht ja auch (fast) kinderleicht. Doch wie
sieht es aus, wenn man sich doch nicht vom lieb gewonnenen
Stück trennen mag, der Nachbar inzwischen Interesse
am Kinderfahrrad bekundet oder die erhofften hohen Gebote
ausbleiben?
Natürlich bietet eBay die Möglichkeit, Auktionen auch wieder abzubrechen.
Das geht allerdings nur unter engen Voraussetzungen,
will man sich nicht hinterher Schadensersatzforderungen ausgesetzt sehen, wie das
jüngste Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) zum Thema zeigt. Die ARAG Experten
sagen Ihnen, was Sie bei einem Abbruch beachten sollten und informieren außerdem
über die Tricks der sogenannten „Abbruchjäger“.
49
Nutrition-Press
Wie funktioniert ein Vertragsschluss bei eBay?
Nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches
(BGB) wird ein Vertrag in der Regel durch zwei übereinstimmende
Willenserklärungen – Angebot und Annahme
genannt – geschlossen. Beim Verkauf von Waren
ist das „Angebot“ auf einer Internetseite oder –
ganz klassisch – im Schaufenster dabei aber nur eine
Aufforderung an den Kunden, ein Angebot im Rechtssinne
abzugeben. Die Annahme und damit der Vertragsschluss
erfolgt erst durch die Bestellbestätigung
des Onlineshops oder an der Kasse. Bei Versteigerungen
über eBay sieht dies anders aus: Laut den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (AGB) des Portals machen
Sie, wenn Sie einen Artikel auf eBay.de einstellen,
nämlich bereits ein verbindliches Angebot auf den Abschluss
eines Vertrages über diesen Artikel. Bietet ein
Käufer nun auf den Artikel, erklärt er damit die Annahme
Ihres Angebots. Sein Gebot erlischt, wenn ein
höheres Gebot abgegeben wird. Mit demjenigen, der
bei Ablauf der Auktion das Höchstgebot abgegeben
hat, kommt schließlich ein Vertrag zustande.
Abbruch nur bei berechtigtem Grund
Doch auch bei einem vorzeitigen Abbruch der Auktion
durch den Verkäufer kann ein wirksamer Kaufvertrag
zustande gekommen sein, sofern zu diesem Zeitpunkt
bereits Gebote auf den Artikel abgegeben wurden. In
diesem Fall sind Sie verpflichtet, den Artikel an den zum
Zeitpunkt des Abbruchs Höchstbietenden herauszugeben.
Anders sieht es nach den eBay-Regeln nur dann
aus, wenn Sie einen berechtigten Grund hatten, Ihr Angebot
zurückzunehmen und die schon abgegebenen
Gebote zu streichen. Dabei gibt es laut den AGB zwei
Arten von Gründen:
Sie haben sich beim Einstellen des Artikels geirrt,
d. h. es liegen die Voraussetzungen der gesetzlichen
Irrtumsanfechtung (§ 119 BGB) vor. Das kann z. B. der
Fall sein, wenn Sie aus Versehen einen falschen Startpreis
oder Sofort-Kaufen-Preis eingegeben haben (sogenannter
Erklärungsirrtum) oder den Artikel versehentlich
bei eBay eingestellt haben, weil Sie ihn vorher
schon verkauft hatten (sogenannter Inhaltsirrtum).
Denkbar ist auch, dass Sie sich über ein entscheidendes
Merkmal des Artikels geirrt haben, also etwa dachten,
der angebotene Sessel sei ein Nachbau, tatsächlich
handelt es sich aber um ein originales Designer-
Stück (sogenannter Eigenschaftsirrtum). Dass in diesen
Fällen für den Verkäufer ein berechtigter Grund vorliegt,
sich von seinem Angebot zu lösen, hat Anfang des Jahres
auch der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil
erneut be stätigt (Az.: VIII ZR 63/13).
Sie können den Artikel aus Gründen, die Sie nicht verschuldet
haben, nicht an den Höchstbietenden herausgeben.
Darunter fällt z. B. der Diebstahl des Artikels
nach Beginn der Auktion. Aber auch, wenn Sie den Artikel
verlieren oder er beschädigt wird, sind Sie berechtigt,
die Auktion zu beenden. Denken Sie aber daran,
dass Sie den Grund für den Abbruch im Zweifelsfall
dem Höchstbietenden gegenüber nachweisen müssen!
Kein Grund für eine vorzeitige Beendigung des Angebots
liegt hingegen vor, wenn Sie den eingestellten Artikel
während der Dauer der Auktion anderweitig verkauft
oder verschenkt haben. Auch das Argument, Sie
hätten es sich anders überlegt und wollten den Artikel
nun doch nicht mehr verkaufen, zählt nicht. Gleiches
gilt selbstverständlich für den Fall, dass Sie angesichts
des Verlaufs der Auktion befürchten, den gewünschten
Preis nicht erzielen zu können.
50
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Unser Praxistipp, wenn Sie eine Auktion abbrechen
müssen
Wenn Sie eine Auktion abbrechen, für die es schon Gebote
gibt, werden die Bieter von eBay zwar über die
vorzeitige Beendigung des Angebots informiert. Wenden
Sie sich in diesem Fall aber dennoch selbst an den
Höchstbietenden und teilen ihm Ihren (berechtigten)
Grund für den Abbruch mit. So beugen Sie eventuellen
Streitigkeiten vor.
Das Risiko von Schadensersatzforderungen
Brechen Sie eine Auktion ohne berechtigten Grund ab,
sollten Sie sich klar darüber sein, dass Sie sich gegenüber
dem Höchstbietenden unter Umständen schadensersatzpflichtig
machen, wenn Sie den Artikel nicht
herausgeben können oder wollen. Der Höchstbietende
ist dann so zu stellen, als ob der Vertrag ordnungsgemäß
erfüllt worden wäre. Konkret bedeutet das: Sie
müssen ihm die Differenz zwischen seinem Gebot –
sprich dem Kaufpreis – und dem Marktwert des Artikels,
den er durch den Abbruch der Auktion nicht erhalten
hat, erstatten. Je niedriger das Höchstgebot also
war, desto höher kann der Schadensersatzanspruch
des Höchstbietenden ausfallen.
Das musste in dem eingangs bereits erwähnten Urteil
des BGH nun auch der Verkäufer eines Gebrauchtwagens
erfahren. Er hatte beim Einstellen des Wagens –
wissentlich – ein Mindestgebot von einem Euro festgesetzt.
Der klagende Käufer bot kurz nach Beginn der
Auktion eben diesen einen Euro. Einige Stunden später
brach der Verkäufer die Auktion ab. Per E-Mail teilte er
dem Kläger als Höchstbietendem mit, er habe außerhalb
der Auktion einen Käufer gefunden, der 4.200 Euro
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51
Nutrition-Press
zahlen wolle. Daraufhin verlangte der Kläger von ihm
Schadensersatz in Höhe von 5.249 Euro – ausgehend
von einem Wert des Fahrzeugs von 5.250 Euro abzüglich
des einen Euros, den er geboten hatte. Der BGH
gab ihm jetzt Recht: Den Auktionsgegenstand zu einem
Schnäppchenpreis zu erwerben, mache gerade den
Reiz von Internetauktionen aus. Ein krasses Missverhältnis
zwischen Höchstgebot und Marktwert führe
deshalb nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages. Im Gegenteil
trage der Verkäufer dieses Risiko, wenn er einen
derart niedrigen Startpreis wähle und die Auktion dann
auch noch ungerechtfertigt abbreche, so das Fazit der
Richter (Az.: VIII ZR 42/14).
Die Tricks der „Abbruchjäger“
Dass sich Verkäufer bei einem unberechtigten Abbruch
der Auktion schadensersatzpfl ichtig machen, nutzen in
letzter Zeit auch vermehrt sogenannte „Abbruchjäger“
aus. Sie geben nur zu dem Zweck Gebote ab, um bei
einem Abbruch der Auktion vom Verkäufer Schadensersatz
zu verlangen. Das Prinzip ist einfach: „Abbruchjäger“
bieten unter wechselnden Accounts auf zahlreiche
Artikel gleichzeitig. Dabei geben Sie gleich zu Beginn
der Auktion ein Gebot ab, dass nahe am Marktwert
des angebotenen Artikels liegt. Weil „echte“ Interessenten
bei den meisten Auktionen erst kurz vor Ablauf
höhere Gebote abgeben, bleiben sie so möglichst
lange Höchstbietender – und lauern dann auf abgebrochene
Auktionen, um anschließend vom Verkäufer
Schadensersatz zu fordern. Da die „Abbruchjäger“
tatsächlich aber kein Kaufi nteresse
haben, ist ihre Forderung nach Schadensersatz
rechtsmissbräuchlich.
Das hat z. B. das Amtsgericht
(AG) Alzey im Fall einer abgebrochenen
Auktion über
ein iPhone entschieden. Das
Höchstgebot zum Zeitpunkt
des Abbruchs lag zwar deutlich
unter dem Marktwert.
Der Höchstbietende hatte jedoch
nachweislich bei mehr
als 100 Auktionen auf Elektroartikel
geboten und in mehreren Fällen
schließlich Schadensersatz verlangt.
Das Gericht ging deshalb von einem rechtsmissbräuchlichen
Verhalten aus und wies seine Klage
ab (Az.: 28 C 165/12).
Was können Opfer von „Abbruchjägern“ tun?
Haben Sie den Verdacht, Opfer eines „Abbruchjägers“
geworden zu sein, sollten Sie zunächst im Internet recherchieren,
ob die Forderung von einem der einschlägig
bekannten und zum Teil von eBay auch bereits gesperrten
Accounts kommt. Ist dies der Fall, sollten Sie
dem Anspruchsteller gegenüber auf das mangelnde
Kaufi nteresse verweisen. Außerdem sollten Sie in jedem
Fall eBay über Ihren Verdacht informieren.
Angebote bei eBay nicht vorzeitig stoppen
Wer eine Ware bei eBay zum Verkauf anbietet, erklärt
zum Zeitpunkt der Einstellung des Artikels und der Freischaltung
des Angebots, dass er das höchste wirksam
abgegebene Kaufgebot annimmt. Die logische Konsequenz
daraus: Ist ein eBayVersteigerer
mit den abgegebenen Geboten für seine
Ware unzufrieden, hat er Pech
gehabt und sollte die Auktion nicht
einfach abbrechen. Auch im Fall
der vorzeitigen Beendigung
durch den Anbieter kommt zwischen
diesem und dem Meistbietenden
nämlich grundsätzlich
ein Kaufvertrag zustande.
ARAG Experten weisen darauf
hin, dass es im Extremfall sogar
Schadenersatzansprüche gegen den
Verkäufer geben kann, wenn dieser das
Gebot nicht akzeptieren will. So geschehen
in einem konkreten Fall, in dem ein Mann seinen
Wagen bei eBay verkaufen wollte. Der geschätzte Verkehrswert
des Fahrzeugs lag bei 7.000 Euro. Das
Höchstgebot zum Zeitpunkt des Auktionsabbruchs betrug
ca. 4.500 Euro. Der Verkäufer wollte das Auto
nicht ausliefern und hat es anderweitig veräußert. Der
Bieter klagte. Die Richter verdonnerten den Versteigerer
daraufhin zu einer Schadenersatzzahlung von rund
2.500 Euro an den leer ausgegangenen Bieter – die
Differenz zwischen Höchstgebot und Verkehrswert
(OLG Oldenburg, AZ: 8 U 93/05).
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Abbruch der eBay-Auktion
Eine wegen einer vergessenen Mindestpreisangabe abgebrochene
eBayAuktion begründet auch bei einem
vorhandenen Gebot keinen Vertragsschluss. Im verhandelten
Fall hatte der volljährige Sohn des Beklagten
über den eBayAccount seines Vaters einen Audi A4
2.0 TDI ohne Angabe eines Mindestpreises angeboten.
Kurz nach dem Einstellen brach er die Auktion ab und
stellte den Wagen erneut ein, diesmal mit der Angabe
eines Mindestpreises. Zum Zeitpunkt des Abbruchs war
eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit einem Gebot
von 7,10 Euro Höchstbietende und verlangte die Herausgabe
des PKW für 7,10 Euro. Nach Meinung der Käufer
war ein entsprechender Vertrag zustande gekommen.
Vor Gericht hatte das keinen Erfolg, denn es war
kein Kaufvertrag abgeschlossen worden. Das erste
eBayAngebot des Beklagten war wirksam zurückgezogen
worden. Ein bei eBay eingestelltes Angebot steht
laut ARAG unter dem Vorbehalt, dass kein Widerrufsgrund
nach den eBayBedingungen gegeben sei. Ein
Widerrufgrund liege unter anderem dann vor, wenn dem
Anbieter beim Einstellen des Angebots ein Fehler unterlaufen
ist. Im vorliegenden Fall stand fest, dass dies der
Fall war (OLG Hamm, Az.: 2 U 94/13).
Vorzeitige Beendigung der Auktion
Wird eine Ware während einer laufenden eBayAuktion
beschädigt, darf der Verkäufer die Auktion trotz bereits
vorliegender Angebote beenden. Im zugrunde liegenden
Fall hatte ein Autobesitzer seinen Mercedes Benz A
140 bei eBay eingestellt. Während die Auktion lief, ging
die Zentralverriegelung des Autos kaputt. Der Verkäufer
beendete daraufhin die Auktion vorzeitig. Dagegen zog
der bis dahin Höchstbietende vor Gericht, hatte allerdings
keinen Erfolg. Bereits das Amtsgericht entschied,
dass der Verkäufer die Auktion vorzeitig beenden durfte,
da laut AGB eine vorzeitige Beendigung einer Auktion
erlaubt ist, wenn der zu versteigernde Artikel nicht
funktioniert oder ein Teil fehlt. Bei der nach Auktionsstart
kaputt gegangenen Zentralverriegelung handelte
es sich um einen Mangel der Kaufsache, der auch den
Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt hätte,
erklären ARAG Experten die Argumentation
des Gerichts (LG Bochum, Az.: 9 S 166/12).
Quelle: www.arag.de > Service
> Aktuelle Rechtstipps und
Gerichtsurteile > Internet
und Computer vom 18.11. 2014
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