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St. Gallen Business Review Sommer 2011
St. Gallen Business Review
Sommer 2011
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und durch eine Kaperung entstehen.<br />
Im Fall der Kaperung ist die öffentliche<br />
Wahrnehmung zunächst<br />
auf die Zahlung des Lösegeldes<br />
fixiert. Die entstehenden Kosten<br />
für die Reederei sind jedoch<br />
in der Regel um ein Vielfaches<br />
höher. Mehrere Reedereien berichten,<br />
dass allein die „Verhandlungskosten“<br />
mindestens ebenso<br />
hoch ausfallen wie das reine Lösegeld.<br />
Hier gilt es, über Wochen<br />
ein Team von internen und<br />
externen Beratern rund um die<br />
Uhr zur Verfügung zu haben, um<br />
schnell und fehlerfrei auf die immer<br />
wieder schwer berechenbaren<br />
Piratenforderungen reagieren<br />
zu können.<br />
Neben solchen in jedem Einzelfall<br />
bezifferbaren harten Kosten<br />
sind bislang die weichen Kosten<br />
nur sehr ungenau zu bestimmen.<br />
Hier geht es um die psychologische<br />
Nachsorge der Mannschaften,<br />
die sich über Jahre hinziehen<br />
kann.<br />
Zu intensiven Diskussionen haben<br />
auch die Versicherungsfragen<br />
geführt, denn in der Regel wird<br />
zumindest ein Teil der entstehenden<br />
Kosten im Falle einer Kaperung<br />
von unterschiedlichen Versicherungen<br />
übernommen.<br />
Bei den konkreten Zusatzkosten<br />
zirkulieren immer wieder unterschiedliche<br />
Schätzungen über<br />
deren Höhe, die von $ 200 Mill.<br />
bis zu $ 20. Mrd. jährlichen Zusatzkosten,<br />
die durch Piraterie<br />
verursacht werden, reichen. Seriöse<br />
Schätzungen gehen derzeit<br />
von Kosten in Höhe von rund $<br />
7 Mrd. aus, die von der Piraterie<br />
im Indischen Ozean verursacht<br />
werden.<br />
Aber Piraterie lässt sich nicht als<br />
Kostenfaktor betrachten. Zunächst<br />
geht es um das Leiden der<br />
Seeleute. Daneben aber darf es<br />
auch nicht sein, dass die Staatengemeinschaft<br />
ein Weltmeer und<br />
einen der wichtigsten Seewege<br />
der Welt den Piraten überlässt.<br />
Recht darf nicht Unrecht weichen.<br />
Als Folge würden Piraten<br />
Entwicklung von Piratenüberfälle und Geiselnahmen (Quelle: VDR)<br />
in allen Teilen der Welt ermutigt<br />
ähnlich vorzugehen.<br />
Bei der Abwehr und Bekämpfung<br />
der Piraterie verfolgen die<br />
Reeder zwei wesentliche Wege.<br />
Zuerst setzen die Reedereien die<br />
Empfehlungen „Best Management<br />
Practice“ der internationalen<br />
Reederverbände und der<br />
IMO um, nach denen die Mannschaften<br />
intensiv den Ernst- und<br />
Abwehrfall trainieren müssen,<br />
um Schaden für Leib und Leben<br />
zu vermeiden. Ein zeitweilig erfolgreiches<br />
Instrument war auch<br />
die Einrichtung einer so genannten<br />
„Zitadelle“, eines besonders<br />
gesicherten Rückzugsraumes.<br />
Zudem gilt es, Ausweichmanöver<br />
zu trainieren und sich mit der<br />
Kommunikation und den Verfahrensweisen<br />
der Marinen vor Ort<br />
vertraut zu machen. Mit allen<br />
praktisch sinnvollen und möglichen<br />
Mitteln werden die Schiffe<br />
vor einer Durchquerung der gefährdeten<br />
Gebiete sicherer gemacht.<br />
Die deutlich gesenkte Erfolgsquote<br />
der Piraten zeigt, dass<br />
diese Massnahmen einen messbaren<br />
Erfolg zeitigen.<br />
Die deutschen Reedereien lehnen<br />
die Bewaffnung der Mannschaften<br />
strikt ab. Hier darf es nicht<br />
den Paradigmenwechsel geben,<br />
dass die friedliche Handelsschifffahrt<br />
mit Waffen die Selbstverteidigung<br />
versucht. Die Mannschaften<br />
sind für Feuergefechte<br />
nicht ausgebildet und sollen dies<br />
auch nicht werden. Der laienhafte<br />
Umgang mit Waffen würde die<br />
Mannschaften in noch erheblich<br />
grössere Gefahr bringen.<br />
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