Journal - Allianz
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<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 11<br />
MEINUNGEN<br />
Ich kann die Auffassung nicht teilen, dass man keinen Dialog zwischen Menschen hinkriegt, die von unterschiedlichen<br />
intellektuellen Traditionen und Gesellschaftsentwicklungen geprägt sind. Schon gar nicht jetzt, da in vielen muslimischen<br />
Ländern eine ganze Reihe von fundamentalen Annahmen hinterfragt werden.<br />
Ein ägyptischer Professor, der an Ihrem Programm teilgenommen hat, hat beschrieben, wie geschockt<br />
einige seiner Studenten waren, als sie am Bildschirm mit Juden diskutieren sollten.<br />
Es gibt auf beiden Seiten eine Fülle von Unterschieden, es gibt Ängste, Vorurteile und Unwissenheit. Das Beste, solch<br />
vorgefasste Einstellungen aufzulösen ist, Menschen mit Menschen zusammenzubringen und Auffassungen mit der<br />
Realität zu konfrontieren. Es gab da tatsächlich Studenten, die überzeugt waren, dass Juden anders aussehen als<br />
andere Menschen. Das ist erschreckend, aber das glauben Studenten eben, die noch nie einen Juden getroffen haben,<br />
die in einer Welt aufgewachsen sind, in der nur Negatives über Juden kolportiert wird. Für sie sind diese direkten<br />
Gespräche eine umwälzende Erfahrung. Zurück zu Ihrer Frage: Ja, ich glaube, wenn es um die Überwindung von<br />
Unwissenheit und Vorurteilen geht, ist das Internet unverzichtbar.<br />
Manch einer könnte meinen, dass Soliya die westlichen Werte aushöhlt, andere argwöhnen vielleicht,<br />
dass Sie ein Kollaborateur des Westens sind.<br />
Gab es alles. Viele Leute sind uns gegenüber anfangs misstrauisch.<br />
Verständlich. Für einen muslimischen Studenten muss es verdächtig erscheinen, dass die US-Regierung<br />
das Programm finanziert.<br />
Also zunächst einmal erhalten wir von der US-Regierung für unser Connect-Programm keine finanzielle Unterstützung.<br />
Die gibt es nur für das anschließende Stipendiatenprogramm. Wir werden oft gefragt, wer uns finanziert und gehen<br />
damit sehr offen um. Wir sind stolz darauf, dass wir von der norwegischen und der Schweizer Regierung finanziell<br />
unterstützt werden. Wir erhalten Mittel von der Alwaleed Bin Talal-Stiftung, der Ford-Stiftung, der <strong>Allianz</strong> Stiftung für<br />
Nordamerika und aus verschiedenen anderen Quellen. Diese Vielfalt ist für uns von großer Bedeutung.<br />
Sie kooperieren mit einer Vielzahl von Universitäten in Ägypten, das von den Muslimbrüdern regiert wird.<br />
Wie sieht die Zukunft von Soliya in Ägypten aus?<br />
Ich weiß es nicht. Zuvor hatten wir es mit einem autokratischen Regime zu tun, und ich war damals wenigstens<br />
genauso besorgt. Aber es gibt vielversprechende Entwicklungen. Wir haben auch in unserem Programm Mitglieder<br />
und Sympathisanten der Muslimbrüder. Sie sind Teil der Gesellschaft. Man kann die Religion dort nicht einfach ausblenden.<br />
Aber auch sie finden das Connect-Programm gut. Wir unterhalten zwei Klassen an der Al-Azhar-Universität<br />
in Kairo. Und dort will man unser Angebot ausweiten. Das zeigt, dass auch Menschen mit religiösen Überzeugungen<br />
echtes Interesse an Austausch haben.<br />
Im Moment sieht es eher so aus, als steuere Ägypten auf eine Diktatur zu.<br />
Das kommt auf die Perspektive an. Die Wahlen im letzten Jahr wurden allgemein als rechtmäßig angesehen.<br />
Das wurden sie in Deutschland 1933 auch.<br />
Jede Übergangsphase bedeutet für eine Gesellschaft Risiken. Ich glaube aber nicht, dass die Entwicklung unvermeidlich<br />
diese Richtung nehmen muss. Ich weiß nicht, ob Präsident Mursi ein neuer Idi Amin ist oder ein Abraham<br />
Lincoln. Aber ich bin jedem gegenüber skeptisch, der das schon jetzt ganz genau sagen kann. Ich will nicht alles<br />
verteidigen, was Mursi tut, aber was mich stört ist, dass Menschen aus beiden ideologischen Lagern so von ihrer<br />
Meinung überzeugt sind. Ich glaube, die Situation ist weitaus komplizierter. Ja, die Gefahr, dass sich die Sache in eine<br />
antidemokratische Richtung entwickelt, ist da, aber ausgemacht ist das nicht. Eine der großen Herausforderungen >