Hart wie Kameldorn … - Wild und Hund
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FOTO: BURKHARD FISCHER<br />
FOTO: CLAUDIA VON REDEN<br />
AUS ALLER WELT<br />
saugen alles gierig von der Haut. Die Luftfeuchtigkeit<br />
liegt bei Null Prozent.<br />
Zwanzig Minuten später. Ein Blick<br />
nach oben. Nur noch zehn Höhenmeter<br />
trennen uns von der Stelle, an der das Rudel<br />
über den Grat gewechselt ist. Vorsichtig<br />
tasten wir uns vor. Nur keinen Krach<br />
machen <strong>und</strong> auf den letzten Metern alles<br />
verderben! Werden sie noch da sein? Wo<br />
wird der starke Bulle stehen?<br />
Der Puls hämmert in den Schläfen.<br />
Doch Alexander ist die Ruhe selbst. Er<br />
hockt sich hin, nimmt eine Hand voll<br />
Sand <strong>und</strong> lässt sie aus Brusthöhe zu Boden<br />
rieseln. „Der Wind kommt schräg von<br />
vorn. Das ist gut. Doch pass auf! Der Bulle<br />
könnte direkt hinter dem Bergrücken<br />
stehen. Du musst dann sofort schießen“,<br />
lauten seine Anweisungen. „Und schieße<br />
aufs Blatt – solange bis er zu Boden geht!“<br />
Ich nicke nur, denn meine Kehle ist so<br />
trocken <strong>wie</strong> die Kalahari. Aus Neugier,<br />
Spannung, Stress oder Angst zu patzen?<br />
48<br />
WILD UND HUND 14/2006<br />
Riesig, aufmerksam<br />
<strong>und</strong> majestätisch: Der<br />
Große Kudu gehört<br />
nicht ohne Gr<strong>und</strong> zu<br />
den begehrtesten<br />
<strong>Wild</strong>arten Namibias<br />
Während Guide <strong>und</strong><br />
Jagdgast das <strong>Wild</strong><br />
anpirschen,<br />
beobachtet der<br />
Fahrer das<br />
Geschehen<br />
entspannt vom<br />
30 Jahre alten<br />
Pickup aus<br />
Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus<br />
allem.<br />
Langsam schieben wir unsere Köpfe<br />
über den schroffen Felskamm. Wir<br />
blicken auf ein etwa 50 Meter tiefer<br />
liegendes Becken. Es erinnert an ein gigantisches<br />
Fußballstadion. Die hohen<br />
Berge bilden die Tribüne, die Ebene das<br />
Spielfeld. „Du meine Güte“, entfährt es<br />
mir. Denn nicht die erhofften Kudus sind<br />
auf dem Platz, sondern mindestens 100<br />
Springböcke. Was für ein Bild! Auch der<br />
Führer genießt diesen Anblick sichtlich.<br />
Dann fasst er sich <strong>und</strong> mahnt: „Los, wir<br />
müssen rüber. Von hieraus kannst Du<br />
nicht schießen.“ Ich schaue ihn verdutzt<br />
an. Er versteht meinen fragenden Blick.<br />
„Vergiss den Kudu, jetzt geht es auf<br />
Springbock!“<br />
Auf allen Vieren kriechen wir in Zeitlupe<br />
weiter vor. Unser Ziel ist ein kleiner<br />
Felsvorsprung, von dem aus wir uns einen<br />
besseren Überblick erhoffen. Deckung?<br />
Fehlanzeige! Auf den letzten Metern<br />
passiert es dann. Zwei weibliche Stücke<br />
haben uns wahrgenommen, pressen laut<br />
Luft durch ihre Nüstern. „Mist“, flucht<br />
mein Jagdführer. „Jetzt haben sie uns<br />
erkannt. Auf keinen Fall bewegen!“<br />
Leicht gesagt, wenn sich gerade ein spitzer<br />
Kiesel in die Kniescheibe bohrt <strong>und</strong><br />
ein kleines Stachelmonster von Pflanze<br />
unter dem Handballen ruht. Nach drei,<br />
vier Minuten haben sie sich <strong>wie</strong>der<br />
beruhigt, <strong>und</strong> ich krieche die letzten<br />
Meter allein weiter. Geschafft!<br />
Fest drücke ich meine Rücken gegen<br />
die Felswand, ziehe die Beine an <strong>und</strong><br />
beobachte das sich mir bietende Schauspiel.<br />
Doch Zeit zum Durchatmen lassen<br />
mir die Antilopen nicht. Wieder machen<br />
die beiden „alten Damen“ Stress <strong>und</strong> beunruhigen<br />
nun auch den Rest der Herde.<br />
Immer mehr Tiere werfen auf, hören auf<br />
zu Äsen oder verlassen ihr Lager. Jetzt ist<br />
Eile geboten. „Irgendwo muss der Pascha<br />
des Harems sein“, flüstert mir Alexander<br />
zu. Wir einigen uns, das Feld von zwei<br />
Seiten aufzurollen. Er spricht die Stücke<br />
von links außen nach innen an, ich beginne<br />
rechts. Ricke, Ricke – Bock! Gleich<br />
der dritte Springbock, den ich im Doppelglas<br />
habe, scheint der Chef zu sein. Die<br />
langen, schwarzen, knüppeldicken<br />
Schläuche mit den weit nach hinten gebogenen<br />
Enden lassen keine Zweifel aufkommen.<br />
Das muss der Bock der Böcke<br />
sein. Sofort weise ich aufgeregt den Führer<br />
ein. Natürlich erkennt auch er, dass es<br />
ein kapitaler ist <strong>und</strong> gibt ihn frei: „Wenn<br />
er hochkommt, musst du sofort<br />
schießen!“ Doch so einfach ist das gar<br />
nicht – schließlich sitze ich auf einem<br />
nackten Felsvorsprung.<br />
„Pass auf!“, zischt Alex. „Der will den<br />
Ricken hinterher!“ Da steht der alte Kämpe<br />
auch schon neben seinem Lager.<br />
Schnell wickle ich mir den Gewehrriemen<br />
um den linken Arm, schraube die<br />
Vergrößerung des Zielfernrohrs auf 14fach<br />
<strong>und</strong> spanne das Schloss der Mauser.<br />
„Wie weit?“, frage ich, um den richtigen<br />
Haltepunkt zu finden. „230, vielleicht<br />
250 Meter“, schätzt der erfahrene Guide.<br />
„Kein Problem für Deine .300er.“ Ruhig<br />
steht der Punkt des Absehens auf dem<br />
Blatt der begehrenswerten Beute. Den<br />
Rückstoß merke ich kaum. Der Bock<br />
zeichnet. Getroffen! Doch nun scheint