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Karrieretag Nur die Liebe zählt Dr. Aribert Heim - Österreichische ...

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Gastartikel<br />

Gastartikel:<br />

Schöne Scheiden oder Achselhöhlenwelten<br />

Ich gestehe, zu beeindrucken bin ich eher leicht, und der Neid<br />

frisst mich auch schneller auf als ich schauen kann, auch spreche<br />

ich ohne nachzudenken, was ganz oft ganz zuverlässig ins<br />

Auge geht, und glauben tu’ ich erst mal allen alles, doch an<br />

Fehlern wie <strong>die</strong>sen arbeite ich. Dabei rechne ich immer mit dem<br />

Schlimmsten, bin schnell aggressiv, auch ungerecht, und hab’<br />

den Geistesblitz ganz oft ganz zuverlässig als Allerletzte, doch<br />

an Fehlern wie <strong>die</strong>sen arbeite ich. Weiters arbeite ich an meinem<br />

Körperfettleben. Denn während alle Welt dünner wird, geh’ ich<br />

eher in <strong>die</strong> Breite. Mein jugendliches Selbstregulierungsding,<br />

das war einmal, mit fast dreißig schlägt sich alles knallhart<br />

nieder auf Bauch, Beine, Po. Und so bin ich zwischen einem<br />

mich ausrichtenden, mich zurichtenden „Das muss sich wieder<br />

einpendeln, das! muss! dünner! gehen!, Röhrenjeans mindestens“<br />

und einem phlegmatischen, bis in Sachen Eigenakzeptanz<br />

ausbaufähigen „Ich esse ich wachse“ hin und her gerissen.<br />

Die Erdanziehungskraft ist’s, <strong>die</strong> mich niederdrückt, und gegen<br />

<strong>die</strong> bin ich bloß ein Wurm. Jene goldene Zeit der Rubensbräute<br />

habe ich um Jahrhunderte überlebt. Schade eigentlich, ich hätte<br />

Kunstgeschichte geschrieben. Aber sei’s drum, ich habe mich<br />

vor kurzem auf Rebellion verlegt, denn an Perfektion hab’ ich<br />

mich erst mal satt gesehen. Den Beginn mache ich mit einem<br />

feierlichen Ja zu größerem Körperumfang. Im zweiten Schritt<br />

folgt ein Zugeständnis an <strong>die</strong> Evolution, denn wir stammen ja<br />

doch vom Affen ab, auch wenn <strong>die</strong>se Erkenntnis <strong>die</strong> Kirche<br />

kränkt. Weil wieso einen Mädchenkörper simulieren, wenn ich<br />

einen Frauenkörper hab’? Also wird jetzt Verzicht geübt in Sachen<br />

Schamhaar- und Achselrasur, und hab’ ich mich erst auf<br />

ein gesundes Selbstbewusstsein hochgecoacht, folgen <strong>die</strong> Beine,<br />

und <strong>die</strong> Pinzette verliert auch ihren Job. Das alles aus Trotz und<br />

Überzeugung.<br />

Überraschend einfach läuft ja das mit den Schamhaaren an, da<br />

hab ich mich glatt selbst gewundert. Doch <strong>die</strong> Achseln, <strong>die</strong> versteck<br />

ich noch immer, wenn ich mich im öffentlichen Raum bewege,<br />

um nicht als Sau zu gelten. Und das, das ist doch echt ein<br />

Armutszeugnis. Denn in <strong>die</strong>sen Körperhöhlen wachsen Haare<br />

circa seit ich mich für Sex interessiere. Also kein Grund mich<br />

zu verstecken, was wächst, soll präsentiert sein. Doch so bin<br />

ich nun mal trainiert und hörig einer den Körper euphemisierenden<br />

<strong>Dr</strong>essur. Und bei den Achseln macht <strong>die</strong>ser Spaß ja noch<br />

nicht mal Halt. Jeder verdammter Körperteil wird vermessen<br />

und verarbeitet. Da lassen sich Frauen ihre zu großen inneren<br />

Schamlippen zurechtstutzen, damit <strong>die</strong> nicht hervorquellen,<br />

lassen sich ihre Rosette rosa färben, damit’s appetitlicher wirkt,<br />

oder sich an Signalstellen von innen her aufpolstern (von den<br />

täglichen Penis enlargement-Spams ganz zu schweigen, weil<br />

Männer haben’s da nicht leichter, nur anders). Egal ob wir uns<br />

danach richten oder uns davon abgrenzen, wir stehen in einem<br />

Verhältnis zum Diktat.<br />

Und wenn ein Frauenarzt einer Patientin ein Kompliment zu<br />

ihrer perfekten Scheide macht, weil halt nicht vielen Frauen so<br />

zarte, gleichmäßige Schamlippen erwuchsen, und ich davon<br />

Kunde krieg, dann schwirrt mir kurz der Kopf vor lauter Fetisch<br />

und sexualisiertem Blick. Aber dann, dann bin ich mir<br />

ja noch nicht mal sicher, ob ich verlangen darf, dass ein (hetero-<br />

oder bisexueller) Gynäkologe den Röntgenblick automatisch<br />

kappt, sobald ich mich mit ’ner Grätsche vor ihm auf dem<br />

Sessel platzier’, sodass er mir von unten bis in <strong>die</strong> verplombte<br />

Mundhöhle schauen kann, wenn er sich bückt. Aber eigentlich<br />

schon. Immerhin sind der Herr Doktor und seine Patientin<br />

GeschäftspartnerInnen und da sollten sich Scheidengespräche<br />

auf Pilze, Geschlechtskrankheiten und „Wie bitte wird bloß der<br />

Kopf des Kindes durchpassen?“ beschränken. Aber Ästhetik<br />

beziehungsweise Gedanken zu Segnungen seitens Gott und Natur<br />

sollten nach Möglichkeit ausgelagert werden. Mit meinem<br />

Hang zu schnellem Neid war ich es besagter, mit Komplimenten<br />

überhäufter Scheiden-Miss anfangs neidisch, derartig gelobt zu<br />

werden und selbst leer auszugehen, doch jetzt, jetzt denk’ ich<br />

mir: Bauch, Beine, Po, Scheide? Danke, hab ich alles schon, und<br />

perfekter, nein perfekter könnten sie wirklich nicht sein.<br />

Vielleicht werd’ ich das demnächst in einem „Akademikerin en<br />

détail“-Fotokalender dokumentieren. Und all jene, <strong>die</strong> vom Jörg<br />

Haider-Erinnerungskalender-2009, der derzeit von einem bunten<br />

Schmuddelbatt, das jüngst mit „So schön. So traurig!“ über<br />

<strong>die</strong> verwaisten Haider-Töchter titelte, <strong>die</strong> Nase voll haben, dürfen<br />

mich wegen einem signierten Exemplar jederzeit anhauen.<br />

Denn auch wenn er halb Österreich (plötzlich) (scheinbar) ein<br />

Vater war, ich bin gegen <strong>die</strong> Glorifizierung Verstorbener. Doch<br />

das ist eine andere Geschichte.<br />

Nadine Kegele<br />

www.nadinekegele.net<br />

Geboren 1980 in Vorarlberg, mehrere<br />

Jahre Berufstätigkeit als Sekretärin,<br />

Finanzassistentin und Mediaeinkäuferin,<br />

Stu<strong>die</strong>nberechtigungsprüfung<br />

und<br />

anschließendes Studium der Germanistik<br />

mit Schwerpunkt Gender Stu<strong>die</strong>s und<br />

Theater-, Film- und Me<strong>die</strong>nwissenschaften<br />

auf der Universität Wien, Kolumnistin und<br />

Buchrezensentin bei CHiLLi.cc, Schreiberin<br />

für an.schläge. Das feministische Magazin,<br />

literarische Veröffentlichungen bei Lichtungen, Keine Delikatessen u.a.,<br />

Diplomarbeit über Masturbation als literarisches Motiv bei Elfriede Jelinek<br />

und Marlene Streeruwitz.<br />

ÖH-Courier WS08 #6 | 19

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