typisch evangelisch - Kirchenbezirk Geislingen
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impuls<br />
6 EVANG. KIRCHENBEZIRKSZEITUNG<br />
Evangelisch aus gutem Grund?<br />
Evangelisch auf gutem Grund!<br />
FRIEDERIKE MAIER<br />
Gründe fürs <strong>evangelisch</strong> sein, ließen sich spontan<br />
einige nennen: Evangelische Pfarrer dürfen heiraten.<br />
Eine Frau kann Pfarrerin sein. Lehrmeinungen<br />
werden mehr in der Diskussion errungen, weniger<br />
von der Kirchenleitung vorgegeben. Und in<br />
Gesprächen mit Menschen begegnet mir oft die<br />
Aussage: Der <strong>evangelisch</strong>e Glaube sei freier, verständlicher,<br />
weltoffener, näher am Leben. Es gäbe<br />
weniger Dogmen, Regeln und altertümliche<br />
Gebräuche. All das könnte man als gute Gründe<br />
nennen, <strong>evangelisch</strong> zu sein.<br />
Doch den <strong>evangelisch</strong>en Glauben nur daran fest<br />
zu machen, greift für mich zu kurz. Ich möchte<br />
weiter gehend fragen: Was macht unseren <strong>evangelisch</strong>en<br />
Glauben aus? Was ist die Grundlage?<br />
Von der ursprünglichen Bedeutung her leitet sich<br />
„<strong>evangelisch</strong>“ von „Evangelium“ ab. Evangelisch<br />
ist, was der „guten Nachricht“, was der „frohen<br />
Botschaft“ entspricht.<br />
Vier grundsätzliche Kennzeichen eines <strong>evangelisch</strong>en<br />
Glaubens hat die reformatorische Theologie<br />
formuliert: Solus Christus – allein Christus,<br />
sola gratia – allein aus Gnade, sola fides – allein<br />
im Glauben, sola scriptura – allein die Heilige<br />
Schrift.<br />
In kurzen Sätzen erklärt, meint dies: Unser Heil<br />
kommt allein von Jesus Christus her. In ihm<br />
erweist Gott uns Menschen all seine Liebe. Aus<br />
eigener Kraft können wir unser Leben nicht zurechtbringen,<br />
mit unseren Werken unser Heil<br />
nicht verdienen. Gott schenkt uns sein Ja aus<br />
Gnade – „gratis“. Allein im Glauben haben wir<br />
daran Teil. Und die Heilige Schrift ist es, die uns<br />
Gott und seinen Heilswillen für uns offenbart.<br />
Was heißt das ins Leben übersetzt?<br />
Ein paar Spuren seien angedeutet.<br />
Wer entscheidet darüber, ob mein Leben recht ist?<br />
Nicht mein Tun und Lassen; nicht meine Leistung<br />
und mein Versagen; schon gar nicht Macht, Geld<br />
und Erfolg; auch nicht die Meinung der anderen.<br />
Gott ist es, der mein Leben zurechtbringt – obwohl<br />
ich Fehler mache, obwohl ich scheitere, obwohl<br />
so vieles bruchstückhaft bleibt. Gott ist es,<br />
der mir Heil schenkt, mich heil macht und mir zusagt:<br />
„Du bist mein geliebtes Kind!“ Darauf zu<br />
vertrauen, das ist <strong>evangelisch</strong>.<br />
Die Heilige Schrift ist so etwas wie das „Grundnahrungsmittel“<br />
für meinen Glauben: Ein Losungswort<br />
begleitet mich durch den ganzen Tag.<br />
Eine gute Predigt am Sonntagmorgen gibt mir<br />
Kraft für die nächste Woche. Ein Denkspruch, ein<br />
Wort Gottes, mir persönlich zugesprochen, geht<br />
mit mir durch mein Leben. Davon lebe ich, dass<br />
Gott mich anspricht – täglich neu.<br />
Das „Priestertum aller Gläubigen“ besagt, dass<br />
jeder Christ, jede Christin mündig den eigenen<br />
Glauben gestalten kann und soll. Wohl gibt es<br />
Pfarrerinnen, Diakone und andere, die speziell<br />
zum Dienst der Verkündigung freigestellt und beauftragt<br />
sind. Doch sie sind nicht höher gestellt,<br />
sie sind genauso Glied am einen Leib Christi. Alle<br />
wirken zusammen, jeder bringt sich mit seinen<br />
Begabungen ein, zusammen sind wir Kirche!<br />
All das und noch viel mehr ist <strong>evangelisch</strong>er<br />
Glaube – Glaube, der sich aufs Evangelium gründet,<br />
der von der frohen Botschaft lebt. Evangelisch<br />
auf gutem Grund!<br />
Doch da lässt sich fragen: Ist solcher Glaube ein<br />
Vorrecht der <strong>evangelisch</strong>en Kirche allein? Erheben<br />
die anderen Konfessionen nicht auch den Anspruch,<br />
auf dem Grund des Evangeliums zu stehen?<br />
Ist <strong>evangelisch</strong> also nicht gleich <strong>evangelisch</strong>?<br />
Mit unserer Kirchebezirkszeitung wollen wir das<br />
Gespräch darüber eröffnen.<br />
Evangelisch auf gutem Grund, was heißt das<br />
für Sie?<br />
Friederike Maier,<br />
Pfarrerin in Süßen