Schall & Rauch
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Musik und Feuer 19<br />
Fotos: Martin Deckers, Christoph Fromont<br />
Zeichnung „Musik“: vectomart © www.fotolia.de<br />
Martin: „Lieber Christoph, sei mir nicht böse, aber ich<br />
behaupte, dass man richtige Partystimmung nicht an<br />
einem Lagerfeuer erzeugen kann. Es bietet einfach<br />
nicht den richtigen Rahmen dafür.“<br />
Christoph: „Da hast du wohl noch nicht beim Stamm<br />
Sonsbeck in der Jurte gesessen und einen richtigen<br />
dreistündigen Lagerfeuerabend durchgerockt. Damit<br />
erreicht man alle … vom Wö bis zum Leiter, und zwar<br />
fast jeden Abend! Wenn bei uns 80 Pfadfinderinnen<br />
und Pfadfinder in der Jurte „In Texas Kneipe“ aus voller<br />
Kehle grölen, um am nächsten Tag mit dem Heiserkeitsgrad<br />
ihrer Stimme anzugeben, dann fühlt sich das<br />
schon ziemlich nach Party an.“<br />
Martin: „Doch, ich hab ja letztens zumindest ein Stündchen<br />
bei euch im Pfingstlager verbracht und in der<br />
Jurte gesessen aber zu einer richtigen Party gehört für<br />
mich auch das Tanzen, laute (aber nicht zu laute) Musik,<br />
bunte Lichteffekte und ein DJ, der ein Gespür dafür<br />
hat, was die Leute hören wollen. Die Musik läuft und<br />
ich als Partybesucher kann mir aussuchen, wie viel ich<br />
zur Party beitrage. Entweder ich bin Partyhengst und<br />
gehe voll ab oder ich schau mir das Treiben aus sicherer<br />
Entfernung von der Theke oder so an.<br />
Außerdem hab ich als DJ oder auch als Band viel mehr<br />
Möglichkeiten auf die Stimmung einzuwirken und<br />
dazu noch ein Riesen-Repertoire zur Auswahl, du hingegen<br />
bist da doch eher eingeschränkt mit deinen<br />
Möglichkeiten.“<br />
und die Choreographie mitzutanzen. Bei „Killing in the<br />
name“ wird gepogt und zum „PUR Partymix“ zeigen<br />
alle ihre Discofox-Künste. Außerdem gibt es oft das<br />
Phänomen des „Tanzkreises“. Irgendwann im Laufe des<br />
Abends tanzt kaum noch jemand für sich, sondern alle<br />
sammeln sich in diesem großen Kreis und bewegen<br />
sich gemeinsam zur Musik, nicht selten auch Arm in<br />
Arm. Wenn das mal nicht gelebte Gemeinschaft ist!“<br />
Christoph: „Das ist sicherlich richtig und du weißt, ich<br />
gehöre zu den ersten, die jede einzelne dieser Tanzaktionen<br />
an vorderster Front unterstützen. Ich finde<br />
jedoch, dass ein pfadfinderischer Grundsatz bei der<br />
Musik aus der Dose etwas zu kurz kommt: etwas selbst<br />
schaffen und darauf stolz zu sein, weil man ein Gefühl,<br />
wie das am Lagerfeuer mit einer großen Zahl von Stimmen<br />
und einer Gitarre selbst erschaffen hat. Das hat für<br />
mich einfach etwas weniger mit Konsumieren zu tun,<br />
es motiviert uns Pfadfinder kreativ zu sein. Und mein<br />
Lieblings-Lichteffekt ist und bleibt ein scheinbar endlos<br />
vor sich hin flackerndes Lagerfeuer.“<br />
Martin: „Da hast du vollkommen Recht. Vielleicht ist es<br />
aus meiner Sicht auch etwas kurz gedacht. Der normale<br />
Partygänger ist vielleicht nicht so kreativ – bis auf<br />
seine Musikwünsche. Meinen Beitrag sehe ich dagegen<br />
schon kreativ, schließlich ist Musik Ausdruck des<br />
Lebensgefühls. Umso mehr freue ich mich dann, wenn<br />
ich Musik auflegen darf, zu der ich hinter dem DJ-Pult<br />
auch abgehen kann – und sei es nur innerlich.“<br />
Christoph: „Und vom Repertoire her ist das auch verdammt<br />
gut so! Die 157 Lieder in unserem Liederbuch<br />
sind eben genau die Lieder, die Kids und Leiter im Lager<br />
hören wollen, die sie an ihre Lager als Kinder erinnern,<br />
die für sie von Melodie und Text für Gemeinschaftsgefühl<br />
und die Pfadfinderei stehen. Genau das erzeugt<br />
doch diese gemeinschaftliche, romantische Atmosphäre<br />
eines Lagerfeuers. Außerdem variiere ich die Auswahl<br />
immer wieder durch aktuelle Songs, die in diese<br />
Schiene passen und durch Lieder aus meiner eigenen<br />
Mappe. Pfadfinder wollen ja nicht von gestern sein!“<br />
Martin: „Aber die Zusammengehörigkeit, von der du<br />
sprichst, ist bei einer Party in der Regel doch sehr ausgeprägt.<br />
Denk doch z.B. mal daran, wie sich die Leute<br />
in den Armen liegen, wenn die alten Hits aus den 90ern<br />
laufen: „I want it that way“ von den Backstreet Boys<br />
oder „Never forget“ von Take That. Dann ist es auch<br />
niemandem peinlich sich bei „Macarena“ einzureihen<br />
Christoph: „Ja, das Gefühl kenne ich. Es fällt mir auch<br />
leichter, zum 1.000. Mal „Leaving on a jet plane“ zu singen,<br />
als zum 100.000. Mal „Meine Biber haben Fieber“.<br />
Aber jetzt mal im Ernst – es kommt doch immer auf die<br />
Situation an. Ich würde z.B. auf dem WT niemals in Konkurrenz<br />
zu dir spielen wollen, dazu genieß ich die Party<br />
viel zu sehr. Wichtig ist am Ende doch, egal mit DJ oder<br />
mit Gitarre, dass man mit anderen Freunden, anderen<br />
Pfadfindern eine schöne Zeit gemeinsam erlebt.“<br />
Martin: „Ja! Ich würde mich auf dem WT auch immer<br />
liebend gerne noch zu euch dazugesellen und lauthals<br />
mitsingen, wenn ich nicht wüsste, dass der nächste Tag<br />
noch sehr anstrengend wird. Ich finde aber, das Wesentlichste<br />
ist unsere gemeinsame Leidenschaft: die<br />
Musik. Die gehört bei uns Pfadfindern auf jeden Fall<br />
dazu – egal ob handgemacht oder aus der Konserve.“<br />
Martin Deckers, Christoph Fromont