KRAFTSTOFF 1.2015
Das Kundenmagazin vom ccunirent
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Der Würzburger Jura-Professor Eric Hilgendorf<br />
beschäftigt sich seit Jahren mit<br />
dem Thema, er gehört zur Projektgruppe<br />
Robotrecht, bei der Experten aus<br />
verschiedenen Disziplinen miteinander<br />
forschen. „Sich einfach in ein Fahrzeug<br />
zu setzen, ein Ziel einzugeben und sich<br />
dorthin chauffieren lassen – das lässt<br />
unser Rechtsrahmen nicht zu“, sagt er.<br />
Und sein Projektgruppen-Kollege Klaus<br />
Schilling, selbst Professor für Informatik,<br />
erläutert: „Hier ist das Recht ein regelrechtes<br />
Innovationshindernis.“<br />
„Das Problem könnte sein“, sagt Hilgendorf,<br />
dass bereits die nächste Generation<br />
von Fahrzeugen auch deutscher<br />
Premiumhersteller in Deutschland oder<br />
sogar ganz Europa nicht mehr mit allen<br />
vom Hersteller angebotenen Assistenzsystemen<br />
zugelassen werden können.<br />
Ein Stauassistent etwa, der selbst bei<br />
Stop-and-Go die Kontrolle über ein<br />
Fahrzeug übernimmt, damit sich der<br />
Fahrer ausruhen kann (was auch für<br />
Lkw-Fahrer in Sachen Lenkzeiten interessant<br />
wäre), ist nicht zulassungsfähig.<br />
Sich selbst bewegende Fahrzeuge gibt<br />
es natürlich auch jetzt schon, auch in<br />
Deutschland. Etwa in vollautomatisierten<br />
Hochregallagern oder in anderen<br />
Bereichen der Logistik. Aber: Diese dürfen<br />
sich nur in solchen abgeschlossenen<br />
Bereichen bewegen, in denen kein<br />
anderes Fahrzeug Zugang hat. Denn im<br />
Falle eines Unfalls stellt sich auch dann<br />
wieder die zentrale Haftungsfrage: Das<br />
deutsche Recht kennt natürliche und<br />
juristische Personen, die haften können,<br />
aber keine elektronischen.<br />
Beinahe alle Premiumhersteller arbeiten<br />
inzwischen an selbstfahrenden Fahrzeugen.<br />
Volvo testet schon jetzt autonome<br />
Prototypen im Stadtverkehr der schwedischen<br />
Metropole Göteborg. Ab 2017<br />
sollen sogar etwa 100 solcher Fahrzeuge<br />
dort für einen großen Massen-Praxistest<br />
unterwegs sein. Auf deutschen Straßen<br />
wäre so etwas nach gültiger Rechtslage<br />
völlig undenkbar. „Manchmal muss<br />
das Recht an die Technik angepasst<br />
werden“, so Hilgendorf, auch wenn dies<br />
Ausnahmen sein sollten.<br />
Die Haftungsfragen sind bei autonomen<br />
Fahrzeugen aber gar nicht so sehr der<br />
Knackpunkt, glauben die Robotrecht-<br />
Experten. Ob Hersteller, Programmierer,<br />
Verkäufer, Benutzer oder am Ende sogar<br />
die Maschine selbst – es wird sich eine<br />
rechtliche Regelung finden für den Fall,<br />
dass die Sensoren bei der Einparkhilfe,<br />
dem Spurhalte- oder Spurwechselassistenten<br />
nicht funktioniert haben, dass<br />
das System zur besseren Nachtsicht<br />
versagt und der Notbremsassistent zu<br />
spät den Bremsvorgang ausgelöst hat.<br />
Ein viel wichtigerer ungeklärter Punkt ist<br />
das Thema Datenschutz. „Das ist keine<br />
Lappalie wie manche denken“, sagt Hilgendorf,<br />
es handle sich um ein demokratisches<br />
Grundrecht. Weil jedoch autonome<br />
Pkw ohne das Sammeln von Daten<br />
über ihre Sensoren oder Eingabegeräte<br />
nicht auskommen, gibt es datenschutzrechtliche<br />
Probleme – und auch hier sehen<br />
die rechtlichen Grundlagen fast in jedem<br />
Land der Welt ein bisschen anders aus.<br />
Für die Autohersteller wieder eine riesengroße<br />
Herausforderung. Ist ein Auto<br />
vollgepackt mit Sensoren und Technik zur<br />
Datenerhebung, könnte der Fahrer natürlich<br />
technisch gesehen auch überwacht<br />
werden – der Arbeitgeber etwa könnte<br />
seine Arbeitnehmer in den Dienstwägen<br />
überprüfen, auch wenn es nach aktueller<br />
Rechtslage verboten ist. Sämtliche Fahrer<br />
könnten beispielsweise in Fahrzeugen mit<br />
Sprachsteuerung noch leichter abgehört<br />
werden – oder es werden Daten gesammelt,<br />
wer welche Geschäfte ansteuert, um<br />
ihn gezielter bewerben zu können.<br />
Der wohl heikelste Punkt bei autonomen<br />
Fahrzeugen aber ist die Cyber-Kriminalität.<br />
Manipulationen an Fahrzeugen sind<br />
physisch natürlich jederzeit möglich.<br />
Aber (teil)autonome Fahrzeuge, die<br />
ständig mit dem Internet verbunden sind<br />
und sein müssen, um all ihre Funktionen<br />
auch nutzen zu können, bieten auch ein<br />
Einfallstor für Viren, Trojaner und Schadprogramme<br />
aller Art. So könnten nicht<br />
bloß per Mausklick Unfälle provoziert,<br />
sondern auch ganze Autoflotten in Sekunden<br />
lahmgelegt werden.<br />
Man stelle sich Kriminelle vor, die an wenig<br />
befahrenen Straßen Autos per Laptop<br />
anhalten und die Türen entriegeln<br />
können – Räubern wären im wahrsten<br />
Sinne des Wortes Tür und Tor geöffnet.<br />
Und auch hierbei bleibt die Frage der<br />
Haftung: Wer kommt für durch Schadsoftware<br />
verursachte Unfälle, für Schäden<br />
an Leib und Leben, für Sachschäden<br />
auf? Die Cyber-Kriminellen werden nicht<br />
immer zu ermitteln sein. Haftet dann der<br />
Autobauer, der Internet-Provider oder<br />
doch wieder der Fahrer?<br />
Einfache Lösungen für all diese Probleme<br />
gibt es nicht. Aber gelöst werden müssen<br />
sie. Und weil die Gefahr besteht, dass<br />
die Autohersteller sich an Ländern wie<br />
den USA orientieren, in denen zumeist<br />
lockerere Vorschriften gelten, würden<br />
neue Fahrzeug-Generationen hierzulande<br />
dann entweder nur noch als abgespeckte<br />
Varianten verfügbar sein – oder aber in<br />
Vollausstattung zum vollen Preis, aber<br />
mit deaktivierten Funktionen. Die Politik<br />
muss also handeln, ehe der Verbraucher<br />
die Zeche zahlt.<br />
[jhs]<br />
„Darf ich, während das Auto<br />
automatisch einparkt, aussteigen<br />
und schon mal einen<br />
Parkzettel holen?“<br />
„Was passiert eigentlich mit<br />
all den Daten, die das Auto<br />
über mich sammelt?<br />
Sind diese sicher?“<br />
„Wie sicher sind die Systeme<br />
vor Angriffen von Hackern?<br />
Kann von außen mein Auto<br />
einfach lahmgelegt werden?“<br />
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