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Der Würzburger Jura-Professor Eric Hilgendorf<br />

beschäftigt sich seit Jahren mit<br />

dem Thema, er gehört zur Projektgruppe<br />

Robotrecht, bei der Experten aus<br />

verschiedenen Disziplinen miteinander<br />

forschen. „Sich einfach in ein Fahrzeug<br />

zu setzen, ein Ziel einzugeben und sich<br />

dorthin chauffieren lassen – das lässt<br />

unser Rechtsrahmen nicht zu“, sagt er.<br />

Und sein Projektgruppen-Kollege Klaus<br />

Schilling, selbst Professor für Informatik,<br />

erläutert: „Hier ist das Recht ein regelrechtes<br />

Innovationshindernis.“<br />

„Das Problem könnte sein“, sagt Hilgendorf,<br />

dass bereits die nächste Generation<br />

von Fahrzeugen auch deutscher<br />

Premiumhersteller in Deutschland oder<br />

sogar ganz Europa nicht mehr mit allen<br />

vom Hersteller angebotenen Assistenzsystemen<br />

zugelassen werden können.<br />

Ein Stauassistent etwa, der selbst bei<br />

Stop-and-Go die Kontrolle über ein<br />

Fahrzeug übernimmt, damit sich der<br />

Fahrer ausruhen kann (was auch für<br />

Lkw-Fahrer in Sachen Lenkzeiten interessant<br />

wäre), ist nicht zulassungsfähig.<br />

Sich selbst bewegende Fahrzeuge gibt<br />

es natürlich auch jetzt schon, auch in<br />

Deutschland. Etwa in vollautomatisierten<br />

Hochregallagern oder in anderen<br />

Bereichen der Logistik. Aber: Diese dürfen<br />

sich nur in solchen abgeschlossenen<br />

Bereichen bewegen, in denen kein<br />

anderes Fahrzeug Zugang hat. Denn im<br />

Falle eines Unfalls stellt sich auch dann<br />

wieder die zentrale Haftungsfrage: Das<br />

deutsche Recht kennt natürliche und<br />

juristische Personen, die haften können,<br />

aber keine elektronischen.<br />

Beinahe alle Premiumhersteller arbeiten<br />

inzwischen an selbstfahrenden Fahrzeugen.<br />

Volvo testet schon jetzt autonome<br />

Prototypen im Stadtverkehr der schwedischen<br />

Metropole Göteborg. Ab 2017<br />

sollen sogar etwa 100 solcher Fahrzeuge<br />

dort für einen großen Massen-Praxistest<br />

unterwegs sein. Auf deutschen Straßen<br />

wäre so etwas nach gültiger Rechtslage<br />

völlig undenkbar. „Manchmal muss<br />

das Recht an die Technik angepasst<br />

werden“, so Hilgendorf, auch wenn dies<br />

Ausnahmen sein sollten.<br />

Die Haftungsfragen sind bei autonomen<br />

Fahrzeugen aber gar nicht so sehr der<br />

Knackpunkt, glauben die Robotrecht-<br />

Experten. Ob Hersteller, Programmierer,<br />

Verkäufer, Benutzer oder am Ende sogar<br />

die Maschine selbst – es wird sich eine<br />

rechtliche Regelung finden für den Fall,<br />

dass die Sensoren bei der Einparkhilfe,<br />

dem Spurhalte- oder Spurwechselassistenten<br />

nicht funktioniert haben, dass<br />

das System zur besseren Nachtsicht<br />

versagt und der Notbremsassistent zu<br />

spät den Bremsvorgang ausgelöst hat.<br />

Ein viel wichtigerer ungeklärter Punkt ist<br />

das Thema Datenschutz. „Das ist keine<br />

Lappalie wie manche denken“, sagt Hilgendorf,<br />

es handle sich um ein demokratisches<br />

Grundrecht. Weil jedoch autonome<br />

Pkw ohne das Sammeln von Daten<br />

über ihre Sensoren oder Eingabegeräte<br />

nicht auskommen, gibt es datenschutzrechtliche<br />

Probleme – und auch hier sehen<br />

die rechtlichen Grundlagen fast in jedem<br />

Land der Welt ein bisschen anders aus.<br />

Für die Autohersteller wieder eine riesengroße<br />

Herausforderung. Ist ein Auto<br />

vollgepackt mit Sensoren und Technik zur<br />

Datenerhebung, könnte der Fahrer natürlich<br />

technisch gesehen auch überwacht<br />

werden – der Arbeitgeber etwa könnte<br />

seine Arbeitnehmer in den Dienstwägen<br />

überprüfen, auch wenn es nach aktueller<br />

Rechtslage verboten ist. Sämtliche Fahrer<br />

könnten beispielsweise in Fahrzeugen mit<br />

Sprachsteuerung noch leichter abgehört<br />

werden – oder es werden Daten gesammelt,<br />

wer welche Geschäfte ansteuert, um<br />

ihn gezielter bewerben zu können.<br />

Der wohl heikelste Punkt bei autonomen<br />

Fahrzeugen aber ist die Cyber-Kriminalität.<br />

Manipulationen an Fahrzeugen sind<br />

physisch natürlich jederzeit möglich.<br />

Aber (teil)autonome Fahrzeuge, die<br />

ständig mit dem Internet verbunden sind<br />

und sein müssen, um all ihre Funktionen<br />

auch nutzen zu können, bieten auch ein<br />

Einfallstor für Viren, Trojaner und Schadprogramme<br />

aller Art. So könnten nicht<br />

bloß per Mausklick Unfälle provoziert,<br />

sondern auch ganze Autoflotten in Sekunden<br />

lahmgelegt werden.<br />

Man stelle sich Kriminelle vor, die an wenig<br />

befahrenen Straßen Autos per Laptop<br />

anhalten und die Türen entriegeln<br />

können – Räubern wären im wahrsten<br />

Sinne des Wortes Tür und Tor geöffnet.<br />

Und auch hierbei bleibt die Frage der<br />

Haftung: Wer kommt für durch Schadsoftware<br />

verursachte Unfälle, für Schäden<br />

an Leib und Leben, für Sachschäden<br />

auf? Die Cyber-Kriminellen werden nicht<br />

immer zu ermitteln sein. Haftet dann der<br />

Autobauer, der Internet-Provider oder<br />

doch wieder der Fahrer?<br />

Einfache Lösungen für all diese Probleme<br />

gibt es nicht. Aber gelöst werden müssen<br />

sie. Und weil die Gefahr besteht, dass<br />

die Autohersteller sich an Ländern wie<br />

den USA orientieren, in denen zumeist<br />

lockerere Vorschriften gelten, würden<br />

neue Fahrzeug-Generationen hierzulande<br />

dann entweder nur noch als abgespeckte<br />

Varianten verfügbar sein – oder aber in<br />

Vollausstattung zum vollen Preis, aber<br />

mit deaktivierten Funktionen. Die Politik<br />

muss also handeln, ehe der Verbraucher<br />

die Zeche zahlt.<br />

[jhs]<br />

„Darf ich, während das Auto<br />

automatisch einparkt, aussteigen<br />

und schon mal einen<br />

Parkzettel holen?“<br />

„Was passiert eigentlich mit<br />

all den Daten, die das Auto<br />

über mich sammelt?<br />

Sind diese sicher?“<br />

„Wie sicher sind die Systeme<br />

vor Angriffen von Hackern?<br />

Kann von außen mein Auto<br />

einfach lahmgelegt werden?“<br />

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