KRAFTSTOFF 1.2015
Das Kundenmagazin vom ccunirent
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tem beschränkt. Software spielt im gesamten<br />
Komfortbereich eine Rolle, wie<br />
etwa bei der Sitzeinstellung oder den<br />
Funktionalitäten der Klimaanlage, aber<br />
auch bei der Steuerung von Fenstern<br />
und Licht. Hinzu kommen Assistenzsysteme<br />
und das Motorenmanagement.<br />
Haben die Kritiker der Systeme in Fahrzeugen<br />
denn Unrecht?<br />
Prof. Dr. Dr. Broy: Wo in der Tat Nachholbedarf<br />
besteht, ist im Bereich der<br />
Architektur der Systeme. Es gibt keine<br />
einheitliche Struktur, sondern eine<br />
Vielzahl von unabhängigen Geräten,<br />
die jeweils nur eine Funktion steuern –<br />
das können bis zu 100 unterschiedliche<br />
Steuergeräte in einem Fahrzeug sein.<br />
Hintergrund dieses Phänomens sind<br />
neben der sukzessiven Entwicklung der<br />
einzelnen Funktionen über Jahre und<br />
Jahrzehnte hinweg auch Kostengründe;<br />
für die Hersteller ist es heute noch<br />
effizient, ein bestimmtes Steuergerät<br />
einfach wegzulassen, wenn eine Funktionalität<br />
als Ausstattungsmerkmal fehlt.<br />
Warum ist die Verbesserung der Architektur<br />
der Systeme denn dann so<br />
wichtig?<br />
Prof. Dr. Dr. Broy: Tatsächlich um die<br />
Funktionalität zu verbessern – es gibt ja<br />
durchaus Wechselwirkungen zwischen<br />
den Systemen, die nicht erwünscht sind<br />
– und die Anzahl der Einzelfunktionen<br />
nimmt laufend zu. Deshalb muss die<br />
Komplexität dringend reduziert werden.<br />
In Zukunft wird sich das wiederum positiv<br />
auf die Kosten auswirken.<br />
Wie schafft es die deutsche Automobilwirtschaft,<br />
diese Anforderungen<br />
umzusetzen?<br />
Prof. Dr. Dr. Broy: Die Hersteller werden<br />
künftig in diesen Bereichen stärker<br />
zusammen arbeiten und gemeinsame<br />
Standards entwickeln. Außerdem<br />
denken sie darüber nach, intern Softwarekapazitäten<br />
aufzubauen. Die Frage,<br />
die sie sich stellen, ist letztlich: Sind das<br />
Kernkompetenzen, die später für die<br />
Kaufentscheidung relevant sind? Und<br />
die Antwort ist eindeutig: Ja.<br />
Honorieren die Kunden also die Entwicklung<br />
von besseren Systemen, auch<br />
wenn sie diese nicht bewusst wahrnehmen,<br />
durch ihre Kaufentscheidung?<br />
Prof. Dr. Dr. Broy: Die Kunden sind<br />
heute schon durch eine Vielzahl von digitalen<br />
Erfahrungen geprägt und werden<br />
das in der Zukunft noch viel stärker sein.<br />
Deshalb erwarten sie auch ein entsprechendes<br />
Fahrzeug. Sie nehmen zwar die<br />
Systeme im Hintergrund nicht wahr, wohl<br />
aber einen Zuwachs an Sicherheit und<br />
»Es gibt keine<br />
einheitliche Struktur,<br />
sondern eine Vielzahl<br />
von unabhängigen<br />
Geräten, die jeweils<br />
nur eine Funktion<br />
steuern« Prof. Dr. Dr. Manfred Broy<br />
Bequemlichkeit, der mit der verstärkten<br />
Konnektivität einhergeht.<br />
Zum Beispiel wo in naher Zukunft?<br />
Zur Person:<br />
Prof. Dr. Dr. Manfred Broy forscht<br />
und lehrt an der Technischen Universität<br />
München unter anderem<br />
dazu, wie elektronische Steuerungssysteme<br />
in Fahrzeugen besser<br />
aufeinander abgestimmt und<br />
verzahnt werden können.<br />
Prof. Dr. Dr. Broy: Etwa bei der Weiterentwicklung<br />
der Assistenzsysteme und<br />
ihrem Grad der Selbstständigkeit. Es ist<br />
ein Unterschied, ob ich einen Warnton<br />
höre, wenn ich aus einem bestimmten<br />
Grund die Spur wechseln sollte oder ob<br />
das Fahrzeug bereits gegenlenkt. In der<br />
dritten Stufe wechselt es dann etwa bei<br />
Gefahr sogar selbsttätig den Fahrstreifen.<br />
Mehr Bequemlichkeit kommt zum<br />
Tragen, wenn ich über Technologie und<br />
Vernetzung – also die Anwendung der<br />
digitalen Infrastruktur - sicherstelle,<br />
dass der Fahrer die Ampel immer dann<br />
erreicht, wenn sie gerade auf grün geschaltet<br />
ist. Das funktioniert, indem<br />
das System ihn davon abhält, vorher<br />
unnötig schnell zu fahren – und schon<br />
damit Treibstoff einspart – oder ihn<br />
aber dazu animiert, einen Tick schneller<br />
zu fahren, um die Ampel noch rechtzeitig<br />
zu erreichen.<br />
Gibt es daneben wichtige Themen, die<br />
bereits in näherer Zukunft serienreif<br />
werden?<br />
Prof. Dr. Dr. Broy: Ein weiteres großes<br />
Zukunftsthema ist die Mensch-<br />
Maschine-Interaktion. So hat BMW in<br />
Las Vegas gerade gezeigt, dass sich<br />
iDrive nicht nur per Berührung, sondern<br />
auch durch Gesten steuern lässt. In der<br />
Zukunft könnte auch die Blicksteuerung<br />
ein Thema werden. Ein wichtiges<br />
Thema sind außerdem die Head-up<br />
Displays, die enorm zur Sicherheit beitragen,<br />
weil sie dazu führen, dass man<br />
den Blick nicht mehr ständig von der<br />
Straße nehmen muss. Jeder, der schon<br />
mit einem solchen Auto gefahren ist,<br />
weiß das.<br />
Wo sehen Sie noch Nachholbedarf?<br />
Prof. Dr. Dr. Broy: Bei den verbauten<br />
Bussystemen, also im Bereich der<br />
Hardware, wenn Sie so wollen. Wir haben<br />
derzeit in den Fahrzeugen sehr heterogene<br />
Strukturen und eine Fülle von<br />
unterschiedlichen Kabelbäumen. Geschickte<br />
Schnittstellen und günstigere<br />
Kabelbäume zu entwickeln, bringt den<br />
Automobilherstellern große Kosteneffekte;<br />
die Kostenebene wird schließlich<br />
immer dominanter.<br />
[abu]<br />
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