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SFT 1/84 - Science Fiction Times

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<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> 12/19<strong>84</strong> 19<br />

DAS BUCH DES<br />

MONATS<br />

Als ich Horst Pukallus kennenlernte (wir<br />

durchwühlten beide ein Kaltes Büffet<br />

auf der Suche nach Gehacktesbrötchen<br />

mit Zwiebeln, dem einzigen Antidot,<br />

das einem Nicht-Kölner den Genuß von<br />

Kölsch erlaubt), da machte er eine Bemerkung,<br />

die mich sehr überraschte :<br />

er bezeichnete sich als Autor, der auch<br />

übersetzt. Ich hingegen hatte ihn bislang<br />

als Übersetzer betrachtet, der auch<br />

schreibt.<br />

Streitfrage<br />

Rein quantitativ gesehen lag ich mit meiner<br />

Ansicht natürlich richtig - die Zahl<br />

seiner Übersetzungen überwiegt die seiner<br />

literarischen Arbeiten bei weitem.<br />

Trotzdem habe ich mich mittlerweile<br />

zu seiner Ansicht bekehren lassen, allerdings<br />

keineswegs, weil es seine Meinung<br />

ist, sondern weil die Qualität seiner<br />

Arbeiten den entsprechenden Beweis liefert.<br />

Für die NichtSammler unter den SF-<br />

Lesern dürfte diese Behauptung bisher<br />

jedoch kaum überprüfbar gewesen sein,<br />

sind ‚ doch die Arbeiten dieses Autors in<br />

diversen Anthologien verschiedener Verlage<br />

verstreut. Unter diesem Aspekt gesehen<br />

war die vorliegende (erste) Collection<br />

schon längst überfällig.<br />

Chronologie<br />

Vier Stories und zwei Novellen enthält<br />

der vorliegende Band, und um es gleich<br />

vorweg zu sagen: die besten Stories von<br />

Horst Pukallus, wie der Untertitel des<br />

Buches vermeldet, sind in dem Band<br />

nicht, bzw. nur teilweise enthalten, was<br />

der Sache aber keinen Abbruch tut, sondern.<br />

dem Leser die Möglichkeit gibt,<br />

die Entwicklung eines der besten deutschen<br />

SF-Autoren nachzuvollziehen.<br />

„Wunderkind“, die erste Story der<br />

Collection, ist eine auf einen Schlußgag<br />

hinauslaufende Geschichte, die sich<br />

kaum von dem unterscheidet, was praktisch<br />

alle Anfänger zu Papier bringen.<br />

„Der Wechselgänger“ ist im Vergleich<br />

dazu ein deutlicher Schritt nach vorn.<br />

Der Plot selbst - ein junger Mann begegnet<br />

seinem Spiegelbild - ist sicher nicht<br />

gerade umwerfend originell, der Aufbau<br />

der Handlung und vor allem die Zeichnung<br />

des Protagonisten sind jedoch bemerkenswert,<br />

insbesondere wenn man<br />

berücksichtigt, was andere deutsche SF-<br />

Autoren im Jahre 1969 vorlegten.<br />

Horst Pukallus<br />

DIE WELLENLÄNGE DER WIRK-<br />

LICHKEIT<br />

Bergisch Gladbach 1983, Bastei-Lübbe<br />

TB 22063<br />

Das Rheinknie<br />

Als die Novelle „Das Rheinknie bei<br />

Sonnenaufgang“ 1976 erstmals erschien,<br />

beschämte sie, wie Ronald M. Hahn im<br />

Nachwort erzählt, alle anderen Autoren<br />

jener Anthologie. Die Geschichte, die<br />

vom Aufbau her an John Brunners beste<br />

Werke erinnert, hat seither nichts von ihrer<br />

Aktualität verloren, sie scheint im Gegenteil<br />

als Handlungsvorlage gedient zu<br />

haben, denn das vom Autor geschilderte<br />

Düssei dorf einer nahen Zukunft, schwer<br />

leidend an Umweltverschmutzung und<br />

politischer Korruption, ist mittlerweile<br />

sehr nahe gerückt - näher vielleicht, als·<br />

selbst der Autor geahnt oder befürchtet<br />

haben mag.<br />

Thematisch verwandt mit dem<br />

„Rheinknie“ ist die zweite Novelle des<br />

Bandes: „Die Wellenlänge der Wirklichkeit“.<br />

Schauplatz ist diesmal der<br />

Großraum MannheimjLudwigshafen ;<br />

der Protagonist, Angestellter eines Chemiekonzerns,<br />

soll zur Preisgabe von<br />

Firmengeheimnissen gezwungen werden.<br />

Wie schon im „Rheinknie“ ist aber<br />

auch hier der Plot lediglich Aufhänger<br />

fur die Schilderung einer Zukunft, die<br />

zwar niemand erle ben möchte, die aber<br />

doch anscheinend unaufhaltsam auf uns<br />

zukommt. Und wer heu te in Mannheim<br />

mal tief Luft holt, wird bestätigen können,<br />

daß Ludwigshafen schon jetzt eine<br />

Pestbeule ist.<br />

Heldenhafter Autor<br />

„Held des Universums“ ist eine in mancherlei<br />

Hinsicht kontroverse Story. Man<br />

mag durchaus der Ansicht sein, daß eine<br />

Geschichte , in der sich der Au tor direkt<br />

an den Leser wendet und ihm erläutert,<br />

weshalb er gerade nicht in der Lage ist,<br />

eine SF-Story zu schreiben, nicht zur <strong>Science</strong><br />

<strong>Fiction</strong> gehört. .Allerdings ist auch<br />

eine andere Betrachtungsweise möglich:<br />

die SF beeinflußt all jene, die sich mit ihr<br />

intensiv beschäftigen, also Autoren, Lektoren,<br />

Übersetzer und Fans, in massiver<br />

Weise. Von daher mag es also durchaus<br />

berechtigt sein, eine Geschichte, die sich<br />

mit dieser Beeinflussung befaßt, zur SF<br />

zu rechnen. Auf besondere Ablehnung<br />

stieß diese Geschichte bei einer Reihe<br />

von Fans, die als SFPuri“ sten nicht nur<br />

um die Reinerhaltung der Art besorgt<br />

waren, sondern sich offenbar auch nicht<br />

mit der Vorstellung anfreunden konnten,<br />

daß Leute, die ihre Freizeit damit verbringen,<br />

im Keller eine Zeitmaschine<br />

zusammenzubasteln, eindeutige Anwärter<br />

ftir die Klappsmühle sind. Für all<br />

jene aber, die Erich von Däniken nicht<br />

ftir den bedeutendsten Wissenschaftler<br />

des 20. Jahrhunderts halten, dürfte die<br />

Lektüre dieser Story einen besonderen<br />

Genuß bedeuten.<br />

Und all die Leser, die sich diesen<br />

Band mit Genuß zu Gemüte geführt haben,<br />

werden sich vermutlich ebenso wie<br />

der Rezensent fragen, warum, zum Teufel,<br />

der Horst Pukallus sich nicht endlich<br />

traut, als Autor sein Glück zu versuchen.<br />

Harald Pusch

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