16.11.2012 Aufrufe

WIEDERWORTE - Kliniken-Wied

WIEDERWORTE - Kliniken-Wied

WIEDERWORTE - Kliniken-Wied

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Märchen vom Einkaufen<br />

Es war wieder einmal … unser Hausmeisterehepaar<br />

„Lieb’ Weib, “ hub Franz, der Hausmeister, zu sagen<br />

an, “bald nun ist es so weit und wieder Markt im<br />

Nachbarort. Ich habe abgezählt heut’ unsere Kisten<br />

und Kasten an Mehl, Zucker, Schmalz und Salz, davon<br />

wir für den Winter uns ein reichlich Maß an Vorrat<br />

schaffen müssen. Auch bräuchten wir noch…“ –<br />

flugs sprang seine Frau Martha vom Schemel hoch<br />

und rief dazwischen: „Fürwahr, ich komme mit Dir<br />

mit! Du wirst Dich diesmal nicht sorgen müssen,<br />

denn ich habe hier auf dieser Liste alles stehen,<br />

was ich kaufen will und muss, und dabei soll und<br />

wird es bleiben!“<br />

Gesagt, getan – just früh des Morgens wurde angespannt<br />

und hin zum Markt getrabt. Schon an des<br />

Dorfes Eingang scholl den Ankommenden vielerlei<br />

Getöse entgegen, als da es schrie: “Hierher, hierher!<br />

Nur hier, da gibt’s die echte Wurst vom Schwein<br />

und Rind aus eig’ner Zucht!“, dort: „Nur hier bei<br />

uns bekommt Ihr feinstes Öl, gepresst aus Raps,<br />

gewachsen ohne schädlich Dung des Bodens!“,<br />

da am Bäckerstand: „Schaut her und kostet gleich!<br />

Denn Gutes muss nicht teuer sein!“, und leckere<br />

Düfte von gegrillten Kartoffelplätzchen und gerösteten<br />

Zuckermandeln zogen durch die Luft. Franz<br />

nahm den Weg zum Schmied zwecks einer neuen<br />

Axt, Martha wollte in die Weberei, und der Treffpunkt<br />

wieder sollte sein das große Zelt, in dem es<br />

Speise gab und Trank für jedermann.<br />

<strong>WIEDERWORTE</strong> 2 I 2007<br />

Allenthalben glitzerte und flimmerte es vor und in<br />

den Buden, die bestückt sich zeigten mit Bändern,<br />

Tüchern, Schnallen, Gürteln, Kämmen und Bürsten,<br />

Ringen, Ketten, Knöpfen und Broschen, darob Martha<br />

schier die Augen übergingen. Sie dachte drum<br />

bei sich: „Ich will nur kaufen Linnen fein für Tisch<br />

und Bett und noch zum Stricken gute Schafeswolle,<br />

denn mein Mann braucht dringend Socken und ein<br />

neues Wams – aber diesem Kamm aus Messing für<br />

mein Haar und diesen gülden glänzenden Schnallen,<br />

als sie passen wie gemacht zu meinen Schuhen,<br />

kann ich jetzt nicht widerstehen, und wer weiß,<br />

ob’ s dieses alles später noch mal wieder gibt!“<br />

Am nächsten Stand wurden Stoffe für Kleid, Rock<br />

und Mieder billig feilgeboten in Farben und Mustern,<br />

die schillerten, leuchteten, lockten und<br />

Marthas Sinne betörten - “ …ach, zwei Ellen nur von<br />

jedem und ein bisschen von der zarten Spitze da<br />

…“ – „…und hier! Diese bunt bemalte irdene Kanne<br />

mit den Tassen, Tellern und der Schüssel, als Sonderangebot<br />

im Set zum halben Preis zu haben statt<br />

im Einzel teurer jedes Stück – es wär’ doch Frevel,<br />

da nicht zuzugreifen!“<br />

Eine kleine Spieluhr aus Ebenholz öffnete sich wie<br />

von Geisterhand geführt und begann, eine lieblich<br />

süße Melodie zu spielen – berauscht in Ohr und<br />

Aug’ konnte Martha nicht davon ablassen, nahm<br />

sie für die letzten vier Taler mit und lief zur Weberei.<br />

Voller Schreck fing ihr dort das Herz zu klopfen an,<br />

als sie in den Beutel hineinsah, der auch nicht einen<br />

Deut mehr für Linnen und Wolle enthielt!<br />

Tief gebeugt unter der Last des übervollen Korbes<br />

und vom schlechten Gewissen schlich sie hin zu<br />

Franz ins Zelt. Dieser hielt schon kleinlaut nach ihr<br />

Ausschau. Er gestand seinem Weib reumütig, zwar<br />

im Besitz zu haben nun die gute Axt, doch auch<br />

noch ein besseres Gespann als wie ihr altes und<br />

den neuen Wagen gleich dazu. „Ein Mahl für uns<br />

kann ich nun nicht mehr zahlen!“ – Sprach sie erleichtert:<br />

“So lass’ uns hungrig denn und trock’ ner<br />

Zunge jetzt getrost zu Heim und Herd fahren. Die<br />

Weberin hat mir erzählt, sie liefert auch ins Haus<br />

genau nach aufgeschriebener Bestellung, wie sie<br />

der Bote überbringt.“<br />

SaWa

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!