WIEDERWORTE - Kliniken-Wied

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Jutta Dörr Interview + + + Interview der WiederWorte mit tanja Krämer, Dipl.-sozialpädagogin FH WW: Guten Tag, Frau Krämer. Schön, dass wir mit Ihnen ein Interview machen dürfen. t.K.: Hallo. WW: Liebe Frau Kollegin. Die neueste Ausgabe der WiederWorte hat „Kaufsucht“ zum Thema. Haben Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn schon mit Kaufsüchtigen zu tun gehabt ? t.K.: Eigentlich selten bzw. nur indirekt, wie ich vermute. Während meiner Zeit in der Jugendhilfe habe ich u.a. mit überschuldeten Familien zu tun gehabt, bei denen eine Abhängigkeitserkrankung bestand. Das Kaufverhalten der Klienten legte die Vermutung nahe, dass eine Kaufsucht vorlag. Die Familie kompensierte ihre Probleme durch die ständige Neuanschaffung von unnützen Einrichtungsgegenständen und überschuldete sich dadurch immer mehr, was die Problematik mehr und mehr forcierte. Auffällig war, dass wir immer wieder Finanzpläne machten und die Klienten sich nicht an diese Pläne hielten, sondern immer Zusatzausgaben hatten, die den Finanzrahmen sprengten. WW: Was an dem beschriebenen Verhalten sehen Sie als symptomatisch an ? t.K.: Kaufsucht zeichnet sich dadurch aus, dass Dinge angeschafft werden, die nicht gebraucht werden, zum Teil unausgepackt stehen bleiben und keinen Zweck erfüllen. Hierbei geht es lediglich um die Kaufhandlung an sich und nicht um den Besitz der angeschafften Waren. WW: Was glauben Sie, sind die Ursachen für dieses Verhalten ? t.K.: Die Mutter – die ich übrigens in diesem speziellen Fall für das „Familienoberhaupt“ hielt – äußerte wiederholt, sich dadurch Lebensqualität erschließen zu können. Allerdings benutzte sie die angeschafften Gegenstände kaum bis gar nicht, was die Begründung entkräftete und das Vorliegen einer Kaufsucht vermuten ließ. WW: Wurde dadurch für diese Familie wirklich „Lebensqualität“ geschaffen? t.K.: Auf keinen Fall. Die Probleme wurden nur größer und die Negativspirale, hin zu immer größerem Druck von außen, verstärkte sich. Darin wurde auch das süchtige Potential des Verhaltens deutlich, indem trotz besseren Wissens weiter gekauft wurde. WW: Wie sind Sie weiter vorgegangen? t.K.: Ich habe die Familie unterstützt, eine Schuldnerberatung aufzusuchen, was dazu beitrug, dass mehr Bewusstsein für das schädliche Verhalten entstand. Aufgrund einer zusätzlich bestehenden Drogenabhängigkeit der Mutter wurden weitere Hilfsmaßnahmen durch das Jugendamt eingeleitet und ein Kontakt zur Drogenberatungsstelle hergestellt. WW: Wissen Sie, was aus dieser Familie geworden ist? t.K.: Die Familie konnte meines Wissens ausreichend stabilisiert werden, so dass der Verbleib des Kindes in der Primärfamilie gesichert war. Bezüglich der Abhängigkeitserkrankung und der Kaufsucht habe ich keine weiteren Rückmeldungen nach dem Ende meiner betreuerischen Tätigkeit erhalten. WW: Besteht Ihrer Meinung nach bei den PatientInnen der hiesigen Klinik häufig ein solcher Symptomkomplex – in Kombination mit stoffgebundenen Süchten? t.K.: Das kann ich so nicht sagen. Grundsätzlich sind, meiner Meinung nach, bei der Behandlung von Suchterkrankungen die Verhaltenssüchte immer mit zu bedenken und bei der Anamneseerhebung abzufragen, u. a. auch Essstörungen, Spielsucht, Computersucht, Co-Abhängigkeit und eben auch Kaufsucht. WW: Gibt es die Diagnose „Kaufsucht“ als eigenständige Erkrankung? t.K.: Das ist eine schwierige Frage. Im Gegensatz zum pathologischen Spielen wird die Kaufsucht im ICD-10 (klinisch-diagnostische Leitlinien) nicht konkret benannt. Dennoch werden die Verhaltenssüchte in der Literatur als pathologisch anerkannt. Demnach kann jedes menschliche Verhalten zur Abhängigkeit führen und süchtig entgleisen, denn alle exzessiven Tätigkeiten können dazu dienen, persönliche Konflikte und Probleme zu betäuben. WW: Vielen Dank für das Gespräch. t.K.: Gerne. Das Interview führte Jutta Dörr WIEDERWORTE 2 I 2007 22-23
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