Stenografischer Bericht - Deutscher Bundestag
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18526 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008<br />
(A)<br />
(B)<br />
Beispielen wie der Mc-Donald-Geschichte – gleicher<br />
Preis für den Hamburger zum Mitnehmen und zum Im-<br />
Haus-Verzehr, obwohl einmal ermäßigter, einmal voller<br />
Steuersatz – wissen wir, dass der eigentliche Verlierer<br />
bei solchen Forderungen nur der ist, dem Sie eigentlich<br />
helfen wollen: der brave, fleißige Steuerzahler, der die<br />
Mindereinnahmen wieder aufbringen muss.<br />
Die von Ihnen angesprochenen Menschen mit geringem<br />
Einkommen können sich keinen Staat leisten, dem<br />
das Geld für die Förderung von Infrastruktur fehlt. Und<br />
Ihr Gegenfinanzierungsvorschlag – Gewinnabschöpfungsteuern<br />
bei den internationalen Mineralölkonzernen<br />
– ist lächerlich. Was glauben Sie, Kolleginnen und<br />
Kollegen von der Linken, die so tüchtige Weltökonomen<br />
in ihren Reihen haben, wo die Gewinne dieser Konzerne<br />
dann anfallen werden? Da können Sie dann statt bei Gewinnen<br />
bei den Verlusten abschöpfen und wir verlieren<br />
noch mehr Steuereinnahmen. Dass dieser Antrag mit<br />
ganz heißer Nadel gestrickt wurde und rein populistischen<br />
Zwecken, nicht aber wirklichen Lösungen für die<br />
Menschen dient, merkt man schon an der Überschrift.<br />
Sie bringen da zwei an sich ehrenwerte Forderungen, die<br />
sich aber eigentlich widersprechen, zusammen. Den<br />
Umstieg auf den öffentlichen Verkehr zu fördern, heißt<br />
doch viel mehr, als der Bahn für ihre ICEs und ICs mehr<br />
Geld zu geben in Form der ermäßigten Steuer. Es bedeutet<br />
unter Umständen auch im Gegenzug, den Autoverkehr<br />
zu verteuern, um die Menschen dazu zu bewegen,<br />
in den Zug zu steigen. Und gerade diese Verteuerung<br />
wollen Sie schon bei den jetzigen Verhältnissen sozial<br />
abfedern. Also was – Vorrang für den öffentlichen Verkehr<br />
oder Begünstigung der Autofahrer? Denn wenn Sie<br />
den Menschen mehr Geld in die Hand geben, haben Sie<br />
den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel noch lange<br />
nicht gesichert.<br />
Zu der zweiten Forderung aus dem Antrag sollte man<br />
gar nichts sagen. Welches bürokratische Monster – um<br />
einmal einen Ausdruck von der FDP-Fraktion zu übernehmen<br />
– bauen Sie denn da auf? Sie wollen einen<br />
Fonds einrichten, der sich speist aus bestimmten Teilen<br />
des Umsatzsteueraufkommens. Ich habe in meiner<br />
Nachbarschaft zu Hause eine Tankstelle mit automatischer<br />
Preisangabe. Da kann es vorkommen, dass der<br />
Preis viermal am Tag wechselt. Ich tanke Montag früh<br />
Diesel für 1,28 Euro und vor dem langen Wochenende<br />
mit Feiertag für 1,55 Euro. Wer soll nun den Überhang<br />
jeweils ausrechnen? Und die gerechte Verteilung auf die<br />
Länder ist auch kaum vorstellbar. Mir ist total schleierhaft,<br />
welche Kriterien angelegt werden sollen.<br />
Soll das Land die Mehrwertsteuereinnahmen erhalten,<br />
die seine Bürger durch fleißiges Fahren erwirtschaftet<br />
haben? Sollen diese Einnahmen den Ländern zugute<br />
kommen, deren öffentlicher Personennahverkehr ausgedünnt<br />
wurde? Was sagen dann die Länder, die stetig in<br />
ihren Nahverkehr investiert haben, wie wir in Rheinland-Pfalz<br />
mit dem Rheinland-Pfalz-Takt, mit Anrufsammeltaxis<br />
und Ähnlichem? Nein, dieser neue Wasserkopf,<br />
der bei Ihnen Fonds heißt, wird im Endeffekt allein<br />
durch seine aufwendige Verwaltungsnotwendigkeit mehr<br />
kosten als bringen. Die Koalition hat das Regionalisierungsgesetz<br />
verabschiedet. Das bietet den Ländern alle<br />
Möglichkeiten, den Personennahverkehr optimal zu gestalten.<br />
Und auch Sie von der Fraktion Die Linke sollten<br />
das zu Hause in ihren Ländern überprüfen, bevor Sie<br />
eine neue Umverteilungsmaschinerie in Gang setzen.<br />
Richtig erkannt haben Sie mit der dritten Forderung,<br />
dass Menschen mit geringem Einkommen keine oder<br />
kaum Steuern zahlen, also von der eventuellen Wiedereinführung<br />
der gesamten Pendlerpauschale nichts haben.<br />
Diese sollen nun in einem ebenfalls komplizierten Verfahren<br />
einen Mobilitätszuschuss erhalten. Wissen Sie, dass<br />
es immer noch viele Firmen gibt, die ihren Angestellten<br />
Monatskarten zur Verfügung stellen? Es gibt Tarifverträge<br />
zum Beispiel im Baubereich, in denen Fahrtkostenerstattungen<br />
eingearbeitet sind. Die BASF, aber auch<br />
andere Betriebe haben Werkszüge. Wie trennen Sie das<br />
alles oder wollen Sie die jetzige Leistung der Unternehmen<br />
durch den Steuerzahler übernehmen lassen? Damit<br />
wäre Ihre bisherige Politik total auf den Kopf gestellt.<br />
Aber das ist das Gleiche wie bei der Mehrwertsteuerermäßigung:<br />
Populismus an erster Stelle – das Nachdenken<br />
kommt, wenn überhaupt, erst lange danach.<br />
Natürlich meinen die Bürgerinnen und Bürger im ersten<br />
Moment, eine Mehrwertsteuerermäßigung fließe in<br />
ihre Taschen oder ein Mobilitätszuschuss käme allein ihnen<br />
zugute. Sei müssten das besser wissen. Einfluss auf<br />
die Ausgaben der Bundesländer haben Sie übrigens auch<br />
nicht, wie Sie es mit diesem Antrag suggerieren. Sie<br />
streuen mit Ihren Forderungen einen Berg von Sand in<br />
die Augen der Menschen, die Ihnen vertrauen. Es ist Ihnen<br />
egal, ob Sie wirklich helfen können. Hauptsache, die<br />
Überschriften stimmen. Denn dass Sie als Abgeordnete<br />
die Konsequenzen nicht durchschauen, will ich Ihnen<br />
wirklich nicht unterstellen. Ich sehe das Problem der hohen<br />
Belastung kleiner Einkommen durch den rabiaten<br />
Anstieg des Ölpreises genauso in aller Schärfe. Aber<br />
Pseudolösungen helfen diesen Menschen nicht. Dass uns<br />
keine Mehreinnahmen durch den hohen Benzinpreis zufließen,<br />
hat das Bundesfinanzministerium im Ausschuss<br />
eindrucksvoll dargelegt. Geld kann man nur einmal ausgeben.<br />
Wenn im Familienbudget die eine Seite steigt,<br />
muss an der anderen gespart werden. Da die Mehrwertsteuer<br />
eine Verbrauchsteuer ist, hat der Staat dann auch<br />
nicht mehr in der Tasche, wenn die Menschen nicht<br />
mehr ausgeben können. Das ignorieren Sie alles einfach,<br />
weil es sich in Schlagzeilen und Flugblättern nicht gut<br />
macht.<br />
In der Realität bedeuten Ihre Forderungen zum großen<br />
Teil eine unnötige Förderung der Bahn für ihre<br />
schnellen Strecken, für Geschäftsreisende und Ausflügler.<br />
Sie bedeuten einen Zuschuss für die Bundesländer,<br />
dessen Verwendung Sie nicht kontrollieren können. Und<br />
Sie nehmen Unternehmen soziale Aufgaben ab und wollen<br />
sie stattdessen den Staat schultern lassen. Was das<br />
kostet, interessiert Sie nicht. Sie haben ja ein Trumpf-<br />
Ass im Ärmel. Ihre Kollegin Bulling-Schröter hat es bereits<br />
im Januar im <strong>Bundestag</strong> angekündigt. Sie wollen<br />
die Energieunternehmen enteignen. Dabei wünsche ich<br />
viel Spaß. Es gibt ja so viele rein nationale Mineralölkonzerne,<br />
zum Beispiel. Wie die Bürgerinnen und Bürger<br />
auf eine eventuell daraus resultierende Benzinknappheit<br />
reagieren, mag ich noch nicht einmal träumen. Ich<br />
(C)<br />
(D)