Stenografischer Bericht - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008 18535<br />
(A)<br />
(B)<br />
Die demokratische Legitimation des Wahlverfahrens<br />
wird nicht dadurch verbessert, dass die Entscheidung<br />
von einem Ausschuss des <strong>Bundestag</strong>es auf einen anderen<br />
verlagert wird. Die bestehende Staatspraxis hat sich<br />
bestens bewährt.<br />
Dies gilt auch für den Verzicht auf eine – nach § 70<br />
der Geschäftsordnung des <strong>Bundestag</strong>es – regelmäßig öffentliche<br />
Anhörung der Kandidaten. In einem Schaulaufen<br />
der Kandidaten, wie es im Stammland der Anhörungen,<br />
den USA, üblich ist, kann niemand ernsthaft eine<br />
Verbesserung des deutschen Systems ansehen. Ich habe<br />
das Gefühl, dass hier so eine Art weiteres Staatsexamen<br />
mit der Befähigung zum Verfassungsrichter angedacht<br />
ist. Im Übrigen umfasst die fachliche Qualifikation eines<br />
Kandidaten mehr als Kenntnisse im Verfassungsrecht.<br />
Ich jedenfalls möchte angesichts der uns allen bekannten<br />
Medienlandschaft meine Hand nicht reichen für ein mediengerechtes,<br />
hoch politisiertes und vor allem ideologisiertes<br />
Schaulaufen der Kandidaten. Bundesverfassungsrichter<br />
sind keine Politiker, auch wenn manche Politiker<br />
gute Bundesverfassungsrichter wurden.<br />
Der im Entwurf enthaltene Aspekt der angemessenen<br />
Vertretung qualifizierter Richterinnen auch beim höchsten<br />
Gericht ist sicherlich wichtig. Aber er sollte doch<br />
nicht in der vorliegenden Weise durch Quoten erzwungen<br />
werden. Zahlreiche Kriterien sind bei der Wahl der<br />
höchsten Richter zu beachten und nicht immer können<br />
alle ausreichend berücksichtigt werden. Durch Quoten<br />
stur Parität – auch nur teilweise – zu erzwingen, ist der<br />
Würde und dem Ansehen des Verfassungsgerichts nicht<br />
angemessen und wird dem wichtigen Anliegen der<br />
Gleichstellung nicht gerecht.<br />
Bringen die vorgeschlagenen Regelungen schon keine<br />
Verbesserung in der Sache, so enthält der Gesetzentwurf<br />
auch Mängel im Handwerklichen.<br />
Dies betrifft vor allem der vorgeschlagene neue § 7<br />
des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Hier soll dem<br />
Verfassungsorgan Bundesrat vorgeschrieben werden,<br />
was dieser in seine Geschäftsordnung aufzunehmen hat.<br />
Dies zeugt nicht nur von einem merkwürdigen Verständnis<br />
von dem Verhältnis der beiden Verfassungsorgane<br />
zueinander. Diese Regelung wäre auch verfassungswidrig,<br />
weil der Bundesgesetzgeber – hier allen voran der<br />
Deutsche <strong>Bundestag</strong> – nicht in die in Art. 52 Abs. 3<br />
Satz 2 des Grundgesetzes gewährte Satzungsautonomie<br />
des Bundesrates eingreifen kann.<br />
Entsprechendes gilt für den vorgeschlagenen § 6 des<br />
Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Hier geht es umgekehrt<br />
um die Geschäftsordnung des <strong>Bundestag</strong>es. Hier<br />
soll im Gegenzug der Bundesrat als Mitgesetzgeber in<br />
die Satzungsautonomie des <strong>Bundestag</strong>es mit hineinregieren.<br />
Auch dies wäre in meinen Augen verfassungsrechtlich<br />
nicht in Ordnung, obwohl wir uns hier leider<br />
schon einen Sündenfall im Abgeordnetengesetz geleistet<br />
haben.<br />
Insgesamt lässt sich sagen: Der Gesetzentwurf ist erstens<br />
oppositionelles Schaulaufen der Grünen, zweitens<br />
nicht geeignet, das Klassenziel zu erreichen, und hat<br />
drittens erhebliche handwerkliche Mängel. Deshalb erlaube<br />
ich mir auch, auf die gleichfalls vorgeschlagenen<br />
Änderungen unserer Geschäftsordnung nicht einzugehen.<br />
Die fachliche Qualität, die Ausgewogenheit der Besetzung<br />
der Spruchkörper und das hohe Ansehen des<br />
Bundesverfassungsgerichts aufrecht zu erhalten und zu<br />
bewahren, muss unser Ziel bleiben. Der vorliegende Gesetzentwurf<br />
von Bündnis 90/Die Grünen dient dem in<br />
keiner Weise.<br />
Joachim Stünker (SPD): Wie schon in der elften,<br />
zwölften und dreizehnten Legislaturperiode geht es der<br />
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auch diesmal wieder<br />
um die Frage, das Wahlverfahren zum Bundesverfassungsgericht<br />
so zu ändern, dass nicht ein Wahlgremium,<br />
sondern der <strong>Bundestag</strong> selbst wählt. Damit wird der unzutreffende<br />
Anschein erweckt, dass die Wahl der Richterschaft<br />
durch eine Direktwahl des gesamten Plenums<br />
eher legitimiert sei als durch ein Wahlgremium.<br />
Bevor man sich jedoch Forderungen nach Veränderung<br />
des Wahlverfahrens zuwendet, sollte man sich die<br />
grundlegenden Prinzipien vergegenwärtigen, die bei der<br />
Wahl von Bundesverfassungsrichterinnen und -richtern<br />
zu beachten sind und die einen Zusammenhang bilden.<br />
Dann wird offensichtlich, dass es heute wie damals bei<br />
dem Änderungsvorschlag abermals nicht um die Frage<br />
der Legitimation, sondern um die Frage der Opportunität<br />
geht.<br />
Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten.<br />
In jeden Senat werden acht Richterinnen und Richter<br />
gewählt. Nach einem in der Verfassung festgeschriebenen<br />
Prinzip werden die Richterinnen und Richter je<br />
zur Hälfte vom <strong>Bundestag</strong> und vom Bundesrat gewählt.<br />
Das heißt, die Hälfte der Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts<br />
wird ohne Mitwirkung des <strong>Bundestag</strong>es<br />
gewählt. Sinn der Regelung ist es, dem Bundesstaatsprinzip<br />
Rechnung zu tragen und Einseitigkeiten vorzubeugen.<br />
Als ein Grundprinzip ist auch die Vermeidung von Inkompatibilitäten<br />
zu nennen. Insofern bestimmt Art. 94<br />
Absatz 1 Satz 3 des Grundgesetzes, dass Bundesverfassungsrichterinnen<br />
und -richter weder dem <strong>Bundestag</strong><br />
noch dem Bundesrat noch der Bundesregierung noch<br />
entsprechenden Organen eines Landes angehören dürfen.<br />
Ebenfalls ein Prinzip ist, dass drei der acht Richter eines<br />
jeden Senats von einem der obersten Bundesgerichte<br />
kommen sollen. Dies ist ein in der Verfassung angelegtes,<br />
wenn auch dort nicht in Zahlen festgelegtes Gebot.<br />
Dieses wird durch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz<br />
konkretisiert. Sinn der Regelung ist es, eine Verbindung<br />
zwischen dem Bundesverfassungsgericht und den sogenannten<br />
Fachgerichten herzustellen und zugleich zu verhindern,<br />
dass das Bundesverfassungsgericht sich von<br />
den übrigen Gerichten abhebt.<br />
Ein weiterer Grundsatz lautet, dass alle Richterinnen<br />
und Richter des Bundesverfassungsgerichts die Befähigung<br />
zum Richteramt haben müssen. Die Befähigung<br />
zum Richteramt hat, wer das zweite juristische Staatsexamen<br />
oder wer ordentlicher Professor des Rechts an<br />
(C)<br />
(D)