Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
GEMEINSCHAFT 11/2004 GEHET HIN 19<br />
erst viel später erfuhr, war er aber<br />
derjenige, der seine Mitbewohner<br />
immer in missionarische Gespräche<br />
verwickelte und dabei aber<br />
auch viel Gegnerschaft erfuhr.<br />
Nach einiger Zeit fragte Ahmet, ob<br />
wir denn nicht auch sonntags einen<br />
<strong>Gott</strong>es<strong>die</strong>nst feiern würden. So<br />
kam er bald in unsere Gemeinschaftsstunde.<br />
Mit dem einzigen<br />
Bus, der vom Asylbewerberheim<br />
in <strong>die</strong> Stadt fuhr, kam er. Zurück<br />
ging er zu Fuß; es war Frühjahr geworden,<br />
und unsere Stunde endete<br />
um 19 Uhr.<br />
Langsam entwickelte sich eine<br />
Freundschaft, nach und nach erfuhren<br />
wir mehr über sein bewegtes<br />
Leben. Zwischenzeitlich ist er<br />
unserer Gemeinschaft ans Herz gewachsen,<br />
<strong>Gott</strong> hatte ihn uns buchstäblich<br />
»vor <strong>die</strong> Füße gelegt« –<br />
<strong>wie</strong> der, »der unter <strong>die</strong> Räuber geraten<br />
war« und des Barmherzigen<br />
Samariters Weg gekreuzt hatte.<br />
Was mir anfänglich eher zuwider<br />
war, wurde zu einer großen Bereicherung<br />
für mich und auch unsere<br />
Gemeinschaft.<br />
Sie war eine treue Besucherin unserer<br />
Gemeinschaft. In der Familie<br />
war niemand, der mit ihr »auf dem<br />
Weg« war. Sie hatte es nicht leicht.<br />
Sie zu besuchen war nicht so einfach,<br />
vor allem wenn der Mann zu<br />
Hause war.<br />
Nun lag sie im<br />
Krankenhaus. Es<br />
stand schlecht um<br />
sie. Kein Wort der<br />
Klage kam über<br />
ihre Lippen, obwohl<br />
sie sehr mitgenommenaussah.<br />
Das Wort des Evangeliums<br />
nahm sie begierig an und auf. Es<br />
ihr zu sagen, fiel mir immer sehr<br />
leicht. Hier war es nötig. Kein<br />
Wort aber über ihre Krankheit,<br />
auch nicht in der Familie, niemand<br />
konnte und wollte sagen, <strong>wie</strong> es<br />
um sie stand. Es ging sichtlich<br />
Wir gehen immer zu zweit.<br />
Das ist gut, weil wir dann<br />
besser singen können.<br />
Beim Singen hören <strong>die</strong> Leute<br />
eher zu, als wenn wir ihnen<br />
etwas vorlesen.<br />
bergab. War nicht<br />
ein Stadium erreicht, wo man dem<br />
Ende ins Auge schauen musste?<br />
Ich sprach es an. Ihr war es recht,<br />
mit dem Arzt zu sprechen. Der<br />
Mann wurde mit dazu genommen.<br />
Dass nicht mehr viel zu hoffen<br />
war, wurde schnell deutlich. »Ein<br />
Mensch soll auch sterben dürfen«,<br />
so hatte man es uns während des<br />
theologischen Studiums gesagt.<br />
Nun aber begegnete<br />
ich beim<br />
nächsten Besuch<br />
einem Ehemann,<br />
der mir vorhielt,<br />
ich wollte seine<br />
Frau wohl vorzeitig<br />
ins Grab bringen.<br />
Er war der Situation nicht gewachsen,<br />
wollte oder konnte der<br />
Realität nicht ins Auge schauen.<br />
War es ein Fehler von mir gewesen,<br />
das Thema »Sterben« anzusprechen?<br />
Vierzehn Tage darauf<br />
standen wir am Grab der Frau. Ein<br />
Trauerbesuch stand an. Sch<strong>wie</strong>rige<br />
Die Leute sind so froh,<br />
wenn sie Besuch erhalten.<br />
Besuche gehören<br />
zu meinem »Berufsrisiko«, als Gemeinschaftspfleger<br />
gestehe ich mir<br />
<strong>die</strong>s ein (es gibt Schlimmeres ...).<br />
Überrascht und noch mit dem alten<br />
Groll, aber trotzdem dankbar für<br />
mein Dranbleiben traf ich den<br />
Trauernden an. Noch ein, zwei<br />
Anläufe machte ich danach. Ich<br />
war nicht mehr erwünscht. Doch<br />
ich werde nochmals hingehen,<br />
wer weiß, wann <strong>Gott</strong>es Stunde<br />
kommt ... Traugott Pohl<br />
Die Zitate wurden aufgeschnappt<br />
bei der Vorstellungsrunde des letzten<br />
Besuchs<strong>die</strong>nst-Seminars.<br />
Eine wertvolle Hilfe bieten auch<br />
<strong>die</strong> AGV-Texte 4 »Besuchs<strong>die</strong>nst«;<br />
10 »Tipps für Krankenbesuche<br />
in Kliniken« und 12<br />
»Worte der Bibel und Lieder für<br />
Besuche und Gespräche« (zu beziehen<br />
in der Geschäftsstelle).