Verkehrsstrafrecht Ordnungswidrigkeiten
Verkehrsstrafrecht Ordnungswidrigkeiten
Verkehrsstrafrecht Ordnungswidrigkeiten
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Verkehrsstrafrecht</strong><br />
<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong><br />
Aktuelles <strong>Verkehrsstrafrecht</strong> 2007<br />
Rechtsanwalt Wolfgang Ferner, Heidelberg/Koblenz<br />
wferner@ferner.de<br />
Rommersheim/Koblenz/Heidelberg November 2007<br />
V 6.10<br />
Das Manuskript wird regelmäßig aktualisiert. Neuere Versionen finden<br />
Sie unter den Webseiten www.ferner.de (Beiträge)
Literaturliste<br />
Ausgewertete Zeitschrift<br />
1. Deutsches Autorecht (DAR)<br />
2. Mitteilungsblatt Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht (Mittl.Bl)<br />
3. Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ)<br />
4. Neue Zeitschrift für Strafrecht – Rechtsprechungsreport (NStZ-<br />
RR)<br />
5. Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV)<br />
6. Strafverteidiger (StV)<br />
7. Strafverteidiger Forum (StraFo)<br />
8. Straßenverkehrsrecht (SVR)<br />
9. Verkehrsdienst (VD)<br />
10. Verkehrsrechtsreport (VRR)<br />
11. Verkehrsrechtssammlung (VRS)<br />
12. Zeitschrift für die Anwaltspraxis (ZAP)<br />
13. Zeitschrift für Schadenrecht (zfs)<br />
Übersicht über einige Interessante Beiträge in Zeitschriften<br />
1. Albrecht: Fahren ohne Drogen nach der Entscheidung des<br />
Bundesverfassungsgerichts, SVR 2005, 81<br />
2. Albrecht: Begleitetes Fahren und neue Straftatbestände im<br />
Straßenverkehrsrecht, SVR 2005, 281<br />
3. Beck/Berr: OWi-Sachen im Straßenverkehr, C. F. Müller, 5 Aufl.<br />
2006<br />
4. Brenner: Rechtsfragen der europaweiten Vollstreckung bei<br />
Verkehrsverstößen SVR 2005, 5<br />
5. Burhoff: Praktische Fragen der Alkoholfahrt, ZAP 2005, 1071<br />
6. Ferner: Unbefugter Gebrauch eines Kraftfahrzeuges, SVR<br />
2005, 176<br />
7. Ferner: Sanktionen in OWiG-Verfahren, SVR 2005, 376<br />
8. Ferner: Belehrung des Betroffenen und Stellung des<br />
Verteidigers SVR 2006, 134<br />
9. Haase/Sachs: Beurteilung einer Drogenfahrt unter der Wirkung<br />
von Haschisch, DAR 2006, 61<br />
10. Hettenbach u.a.: Drogen und Straßenverkehr, AnwaltVerlag<br />
2006<br />
11. Himmelreich, § 14 FeV, SVR 2002, 295<br />
12. Himmelreich/Halm: Übersicht über neue Entscheidungen im<br />
Verkehrsstraf- und –bußgeldrecht, NStZ 2005, 319<br />
13. Iffland: Gerichtsverwertbarkeit von AAK-Messungen in der<br />
Resorptionsphase, DAR 2005, 198<br />
14. Iffland, Wartezeit bei Atemalkoholmessungen und notwendige<br />
Angaben im Messprotokoll aus sachverständiger Sicht, NZV<br />
2004, 433<br />
15. Janker: Führerscheinbeschlagnahme bei Alkohol- und<br />
Drogendelikten im Straßenverkehr SVR 2005, 100<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 2 von 121
16. Janker: Strafrecht gegen Verkehrsrowdies SVR 2005, 121<br />
17. Keerl: Mobiltelefone im Straßenverkehr NZV 2006, 181<br />
18. König, Verjährungsunterbrechung durch Anhörungsanordnung,<br />
DAR 2006, 230<br />
19. Krause: Drogen im Straßenverkehr, SVR 2005, 52<br />
20. Krause: Drogen SVR 2005, 137<br />
21. Krause: Nachgewiesene THC-Konzentration durch<br />
Passivrauchen von Cannabis, DAR 2006, 175<br />
22. Krumm: Augenblicksversagen bei Geschwindigkeits- und<br />
Rotlichtverstößen SVR 2005, 18<br />
23. Krumm: Verkehrsrowdies SVR, 2005, 1<br />
24. Krumm: Fahrverbot nach langer Verfahrensdauer, NZV 2005,<br />
449<br />
25. Laub: Polizeirechtliche Führerscheinbeschlagnahme bei<br />
Drogenkonsum SVR 2005, 450<br />
26. Mitsch: § 142 StGB und Wartezeit-Irrtum, NZV 2005, 347<br />
27. Müller: Die Ermäßigung des Verwarnungsgeldes durch<br />
Polizeibeamte und Kommunalbedienstete, SVR 2005, 286<br />
28. Müller: Drogen, SVR 2006, 81<br />
29. Prasser: Strafrecht gegen Verkehrsrowdies SVR 2005, 126<br />
30. Scheffler: Leider nichts Neues zum Regelfahrverbot, NZV 2005,<br />
510<br />
31. Schmahl: Der Unfallbegriff des § 142 Abs. 1 StGB und<br />
deliktische Planung, NZV 2005, 281<br />
32. Ternig: Zur Problematik des Fußgängerüberwegs im Sinne des<br />
§ 315c StGB<br />
33. Wegner: Die Strafrechtlichen Risiken bei der Benutzung<br />
mautpflichtiger Autobahnen, NZV 2005, 293<br />
Bücher von Wolfgang Ferner<br />
Wolfgang Ferner: Der neue Bußgeldkatalog, 10 Auflage<br />
Wolfgang Ferner: Strafzumessung<br />
Wolfgang Ferner: Praxistools Verkehrsrecht<br />
Ferner/Xanke: Drogen im Straßenverkehr<br />
Ferner: Strafzumessung in Verkehrsstrafsachen (erscheint Anfang<br />
2007)<br />
Wolfgang Ferner (Hrsg.): Praxismodul Verkehrsrecht<br />
Ferner: Kommentar zum OWiG<br />
Ferner (Hrsg.): Kommentar zur StVO<br />
Lütkes/Ferner/Kramer: Straßenverkehrsrecht (10 Bände, Loseblatt)<br />
Ferner (Hrsg.): Handbuch Verkehrsrecht, 2. Aufl. 2005, Nomos<br />
Verlag<br />
Ferner (Hrsg.): LexisNexis Onlinekommentar StGB<br />
Ferner (Hrsg.): LexisNexis Onlinekommentar OWiG<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 3 von 121
Inhaltsverzeichnis<br />
I. Strafzumessung<br />
II. Jugendstrafrecht<br />
III. StPO<br />
1. Hauptverhandlung und Wiedereinsetzung<br />
2. Durchsuchung wegen eines Verkehrsverstoßes<br />
3. Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis<br />
4. Belehrungspflichten<br />
5. Der Verteidiger<br />
6. Beschränkung von Rechtsmitteln<br />
7. Reformatio in peius<br />
8. Revisionsgründe<br />
9. Adhäsionsverfahren<br />
10. Vertretung in der Hauptverhandlung<br />
IV. Strafrecht – allgemeiner Teil<br />
1. Fahrverbot<br />
2. Entziehung der Fahrerlaubnis<br />
3. Einziehung eines Fahrzeuges<br />
V. Strafrecht – besonderer Teil<br />
1. Tötungsdelikte<br />
2. Körperverletzung<br />
3. Freiheitsberaubung<br />
4. Nötigung<br />
5. Eingriff in den Straßenverkehr<br />
6. Straßenverkehrsgefährdung<br />
7. Trunkenheit<br />
8. Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer<br />
9. Fahren ohne Fahrerlaubnis<br />
10. Missbrauch von Fahrstreckenzählern<br />
VI. <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> – Verfahren<br />
1. Tateinheit – Tatmehrheit<br />
2. Höhe der Geldbuße<br />
3. Verjährung<br />
4. Hinweispflicht gem. § 265 StPO<br />
5. Zustellung<br />
6. Der Bußgeldbescheid<br />
7. Beschränkung des Einspruchs<br />
8. Anwesenheitspflicht<br />
9. Rechtliches Gehör<br />
10. Beweisantrag<br />
11. Rechtsbeschwerde<br />
VII. Einzelne <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong><br />
1. § 111 OWiG<br />
2. Fahrverbot<br />
3. VZR<br />
4. Rückwärtsfahren<br />
5. Handy<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 4 von 121
6. FahrpersonalG<br />
VIII. einige ergänzende Anmerkungen<br />
1. Fahrzeuge im Sinne der StVO<br />
2. Verwaltungsrechtliche Maßnahmen<br />
3. Versicherungsrecht<br />
4. JVEG<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 5 von 121
II. Strafzumessung<br />
Allgemeine Strafzumessungserwägungen:<br />
Je mehr die Strafe sich am oberen Teil der Strafrahmen orientiert,<br />
umso mehr Ausführungen müssen die Tatrichter im Urteil niederlegen. 1<br />
Moralisierende Bemerkungen sind stets Ausdruck einer<br />
Voreingenommenheit und passen nicht zum Regelsystem des § 46<br />
StGB (BHG Beschluss vom 29.09.2005, 3 StR 303/05).<br />
Eine Strafschärfung aus general-präventiven Gründen ist möglich, der<br />
Rahmen der schuldangemessenen Strafe muss jedoch stets beachtet<br />
werden (BGH, Beschluss vom 01.07.2005, 5 StR 192/05).<br />
Verfahrensverzögerung:<br />
BGH, Beschluss vom 24.04.2006, 2 StR 497/05= HRRS 2006, 430<br />
Die bisherige Rechtssprechung scheint zweifelhaft, soweit jedenfalls<br />
angenommen wurde, dass der Instanzenzug nicht zu einer<br />
rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung führen kann.(BVerfG<br />
NJW 2003, 2897; BGH NStZ 2001, 106; s. auch Roxin, Strafverteidiger<br />
2003, 379). Hier entwickelt sich jedoch eine mögliche Änderung. Dies<br />
gilt insbesondere wenn eine Aufhebung wegen eines schwer<br />
wiegenden Verfahrensfehlers erfolgt. 2<br />
Ersatzansprüche können mildernd berücksichtigt werden, sind aber<br />
zumeinst nicht zu berücksichtigen, da sie typische und vorhersehbare<br />
Folgen der Tat sind (BGH Wistra 2005, 485). Zu Gunsten des Täters<br />
kann jedoch berücksichtigt werden, dass der Täter aufgrund der Tat<br />
insolvent geworden ist (BGH, Urteil vom 22.03.2006, 5 StR 475/05).<br />
Auch dürfe soziale Lasten durch den gesundheitlichen Zustand des<br />
Opfers nicht berücksichtigt werden. 3<br />
Straferschwerend gilt es, wenn bei dem Opfer typischerweise<br />
eingetretene seelischen Schäden nicht ausgeblieben sind, 4 Unzulässig<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
1<br />
Beschluss vom 17.11.2005, 3 StR 379/05; Urteil vom 29.06.2005, 1 StR 149/05; Beschluss vom<br />
08.02.2005, 3 StR 500/04.<br />
2<br />
S. BVerfG, Strafverteidiger 2006, 73; BGH, Urteil vom 07.02.2006, 3 StR 460/98 und Urteil vom<br />
08.03.2006, 2 StR 565/05; State NJW 2006, 1480<br />
3<br />
BGH a.a.o.<br />
4<br />
BGH, Beschluss vom 21.03.2006, 4 StR 21/06<br />
Seite 6 von 121<br />
Kommentar [WF1]: Z 1<br />
Kriterien der Strafzumessung
ist aber die Berücksichtigung einer beschränkten Lebenserwartung des<br />
Opfers. 1<br />
Berufliche Konsequenzen müssen berücksichtigt werden. 2 Auch weit<br />
zurückliegende Vorstrafen können berücksichtigt werden, je länger sie<br />
zurückliegen, desto geringeres Gewicht muss ihnen jedoch<br />
beigemessen werden. 3<br />
Weigert sich ein Jugendlicher, im Rahmen der Diversion Sozialdienst<br />
zu leisten, darf dies nicht berücksichtigt werden. 4<br />
Auch nicht abgeurteiltes, auch nicht angeklagtes Vorverhalten kann<br />
berücksichtigt werden. 5<br />
Fraglich ist, inwieweit die Ausländereigenschaft berücksichtigt werden<br />
kann. 6<br />
Bei dem Urteil darf weder berücksichtigt werden, dass das Opfer<br />
besonders jung bzw. besonders alt war. 7 Es darf aber nicht<br />
straferschwerend gewertet werden, dass der Angeklagte ein Kind, das<br />
ihm körperlich unterlegen war, ohne jeden rechtfertigenden Grund<br />
geschlagen hat. Dies ist bereit Tatbestand. 8<br />
1. Grundsätze der Strafzumessung<br />
BGH, Urteil vom 12.05.2005, 5 StR 86/05<br />
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist<br />
seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den in<br />
der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters<br />
gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastende<br />
Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander<br />
abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgericht in dieser Einzelakte der<br />
Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die<br />
Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das<br />
1 BGH, Beschluss vom 21.02.2006, 1 StR 456/05<br />
2 BGH, Beschluss vom 10.01.2006, 1 StR 541/05<br />
3 OLG Oldenburg, Beschluss vom 23.01.2006, Ss 446/05<br />
4 OLG Hamm, Beschluss vom 24.10.2005, 2 Ss 381/05<br />
5 BGH, Beschluss vom 10.08.2005, 2 StR 219/05<br />
6 vgl. BGH, Urteil vom 23.08.2005, 5 StR 105/05; BGHSt 43, 233<br />
7 BGH, Beschluss vom 14.06.2005, 3 StR 168/05<br />
8 OLG Hamm, Beschluss vom 08.06.2005, 2 Ss 123/05<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 7 von 121
Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn<br />
sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung<br />
löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Dagegen ist eine ins Einzelne<br />
gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen.<br />
Dies gilt auch, wenn der Tatrichter einen minderschweren Fall<br />
annimmt oder verneint. Die vom Tatrichter vorgenommene Wertung ist<br />
vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar.<br />
Doppelverwertung<br />
BGH, Beschluss vom 18.02.2005, 2 StR 551/04<br />
Es verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot, wenn der Tatrichter<br />
bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt,<br />
dass dieser die Tat begangen hat, anstatt von der Begehung Abstand<br />
zu nehmen. Dem steht es gleich, wenn dem Angeklagten nicht eine<br />
über die eigentliche Tatbestandverwirklichung hinausgehende<br />
kriminelle Energie zur Last gelegt werden kann, sondern lediglich<br />
Handlungen, die nach dem Tatplan des Angeklagten bereits<br />
erforderlich waren, um den angestrebten Erfolg überhaupt zu<br />
erreichen.<br />
Höhe der Strafe<br />
BGH, Beschluss vom 08.02.05, 3 StR 500/04<br />
Je mehr sich ein Strafmaß dem oberen oder unteren Ende des<br />
Strafrahmens nähert, umso höher sind die Anforderungen an die<br />
Abwägung und die erschöpfende Würdigung der maßgeblichen<br />
straferschwerenden und strafmildernden Umstände. Dazu gehört auch<br />
die Wirkung der Strafe für das zukünftige Lebens des Täters.<br />
Geldbuße in OWi-Verfahren<br />
OLG Dresden, Beschluss vom 10.01.2006, Ss (Owi) 532/05 = DAR<br />
2006, 222<br />
Die wirtschaftliche Verhältnisse eines Betroffenen sind nur dann nicht<br />
zu berücksichtigen und zu prüfen, wenn keine Anhaltspunkte dafür<br />
gegeben sind, dass sie außergewöhnlich gut oder schlecht sind.<br />
Anhaltspunkte für besonders schlechte wirtschaftliche Verhältnisse<br />
liegen aber vor, wenn der Betroffene beschäftigungslos ist.<br />
Gesamtstrafe<br />
BGH, Beschluss vom 21.09.2005, 2 StR 266/05 = SVR 2006, 188<br />
Der Angeklagte wurde wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 100<br />
Fällen sowie vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe<br />
von drei Jahren verurteilt. Die Einzelstrafen betrugen ein Jahr und<br />
einhundert mal einen Monat. Bei der Bildung der Gesamtstrafe wurde<br />
auf die zusammenfassende Würdigung verwiesen. Die Revision hatte<br />
teilweise Erfolg. Die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei<br />
Jahren ist nicht ausreichend begründet. Bei der Bemessung der<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 8 von 121
Gesamtfreiheitsstrafe reicht es nicht aus, floskelhaft eine<br />
zusammenfassende Würdigung vorzunehmen. Angesichts der im<br />
Verhältnis zur Einsatzstrafe von einem Jahr hohen Gesamtstrafe ist<br />
eine ins Detail gehende Würdigung notwendig.<br />
2. Verfahrensverzögerung<br />
BVerfG, 2 BvR 1964/05 v. 05.12.2005<br />
Die Zeit zwischen erstinstanzlichen Urteil und einer<br />
Revisionsentscheidung ist eine zurechenbare Verfahrensverzögerung,<br />
wenn das Urteil auf Grund eines Verfahrensfehlers des<br />
erstinstanzlichen Gerichtes aufgehoben wird. Grundsätzlich ist zwar<br />
die Zeit zwischen erstem Urteil und rechtskräftiger Entscheidung keine<br />
rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, weil sie lediglich<br />
Auswirkung eines rechtstaatlichen Verfahren sind. Führt das<br />
Revisionsurteil aber wegen eines Verfahrensfehlers zur Aufhebung, ist<br />
dies der Justiz anzulasten(so auch BVerfG NJW 2003, 2897, sowie die<br />
Entscheidung 2 BvR 1471/03 vom 21.01.2004; EGMR NJW 2002,<br />
2856).<br />
Bei einem solchen Fehler kommt es auch nicht darauf an, ob der<br />
Rechtsverstoß versehentlich, absichtlich oder unter Verkennung der<br />
gesetzlichen Voraussetzungen erfolgte. Maßgebend ist allein, dass er<br />
offensichtlich der Justiz zuzurechnen ist.<br />
Unerträglich ist auch ein Zeitraum von mehr als 9 Monaten zwischen<br />
Eingang einer Anklage und dem Beginn einer Hauptverhandlung. Bei<br />
Inhaftierten hat das Gericht alle möglichen und zumutbaren<br />
Maßnahmen zu ergreifen, um zügig eine Hauptverhandlung<br />
durchzuführen.<br />
Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der<br />
Hauptverhandlung oder dem Erlass des Urteils kann nur in ganz<br />
besonderen Ausnahmefällen gerechtfertig sein. Je nach Sachlage ist<br />
bereits eine Zeitspanne von drei Monaten zu beanstanden.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 9 von 121
Beschleunigungsgebot<br />
BGH, Beschluss vom 24.08.04, 4 StR 293/04 = SVR 2005, 275<br />
Unabhängig davon, ob ein Verfahren gegen einen inhaftierten oder<br />
einen nicht inhaftierten Angeklagten geführt wird, führt lediglich ein<br />
vorübergehender Engpass in der Arbeits- oder Verhandlungskapazität<br />
der Strafverfolgungsbehörden nicht zu einem Verstoß gegen Artikel 6<br />
Abs. 1 S.1 MRK.<br />
3. Strafrahmenverschiebung bei Trunkenheitsdelikten<br />
BGH, Beschluss vom 01.09.04, 2 StR 268/04 = SVR 2005, 35<br />
Straftaten mit Alkoholisierung dürfen nicht schematisch nach Tabellen<br />
abgeurteilt werden. Die Strafzumessung bei Trunkenheitsfahrten muss<br />
daher über die festgestellte BAK auch die vorwerfbare individuelle<br />
Schuld des Angeklagten erfassen. Liegt ein Abhängigkeitssyndrom<br />
vor, liegt es nahe, dem Angeklagten in Alkoholkonsum nicht<br />
uneingeschränkt vorzuwerfen.<br />
Alkohol und § 21 StGB<br />
BGH, Urteil vom 15.12.2005, 4 StR 314/05<br />
Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf zu<br />
verantwortende Trunkenheit, spricht dies in der Regel gegen eine<br />
Strafrahmenverschiebung, wenn sich auf Grund der persönlichen oder<br />
situativen Verhältnisse des Einzelfalles das Risiko der Begehung von<br />
Straftaten vorhersehbar signifikant in Folge der Alkoholisierung erhöht.<br />
Ob dies der Fall ist, muss der Tatrichter aber im Einzelfall entscheiden.<br />
Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit zwar auf einer<br />
vom Angeklagten zu verantwortenden Trunkenheit, kann das<br />
Landgericht gleichwohl den Strafrahmen mindern, wenn der<br />
Angeklagte bisher nie unter Alkoholeinfluss aggressiv oder gewalttätig<br />
wurde und er auch bisher in diesem Zusammenhang keine<br />
homosexuellen Neigungen verspürte.<br />
BGH Urteil vom 09.08.05, 5 StR 352/04<br />
Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 StGB ist bei erheblicher<br />
Alkoholisierung nicht möglich, wenn der Täter die für ihn besonders<br />
ungünstige Wirkung des Alkohols kannte und wusste bzw. wissen<br />
musste, dass er nach Alkoholkonsum zu Gewalttätigkeiten neigt.<br />
Entscheidend ist, ob besondere Umstände in der Person des Täters im<br />
konkreten Einzelfall vorhersehbar das Risiko der Begehung<br />
rechtswidriger Taten signifikant erhöht haben. Dies ist auch bei<br />
anderen die Aggressivität steigernden Substanzen zu beachten oder<br />
bei einem Mischkonsum.<br />
§ 21 StGB und Alkohol<br />
BGH, Beschluss vom 20.04.2005, 5 StR 147/05 = BA 2006, 482<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 10 von 121
Bei der Entscheidung, ob einem Angeklagten eine<br />
Strafrahmenverschiebung gewährt wird, können im Rahmen der<br />
gebotenen Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte<br />
zwar auch einem alkoholkranken Straftäter die Schuld erhöhende<br />
Verhaltensweisen angelastet werden, die den grundsätzlich<br />
schuldmindernden Gesichtspunkt einer erheblichen Verminderung der<br />
Steuerungsfähigkeit aufwiegen. Voraussetzung ist jedoch nicht nur die<br />
Vorhersehbarkeit, sondern auch die Vermeidbarkeit entsprechenden<br />
Verhaltens. Gerade dem Alkoholkranken kann jedoch sein<br />
Alkoholkonsum in der Regel nicht vorgeworfen werden.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 11.10.2005, 4 Ss 361/05 = BA 2006, 487<br />
Eine Strafrahmenverschiebung kann bei Alkohol nicht ausgeschlossen<br />
werden, wenn es sich um einen Alkoholkranken handelt. 18 Monate<br />
stellen noch einen angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat dar, in<br />
dem das strafrechtliche Fahrverbot seine Warnungs- und<br />
Besinnungsfunktion erfüllen kann.<br />
4. Autobahnraser<br />
LG Karlsruhe, Urteil vom 29.07.2004, 11 Ns 40 Js 26274/03 = NZV<br />
2005, 274<br />
Bei der Strafzumessung ist die Kammer ausgegangen vom<br />
Strafrahmen des § 222, 52 Abs. 2 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf<br />
Jahren oder Geldstrafe. Bei der Bemessung der Strafe innerhalb<br />
dieses Strafrahmens hat die Kammer strafmildernd berücksichtigt: Der<br />
Angeklagte ist nicht vorbestraft und straßenverkehrsrechtlich bei sehr<br />
hoher Jahresfahrleistung im öffentlichen Straßenverkehr von 40 –<br />
60.000 km jährlich lediglich einmal, vor zwei Jahren in Erscheinung<br />
getreten und dass er den Straftatbestand der<br />
Straßenverkehrsgefährdung lediglich in der Form fahrlässiger<br />
Begehungsweise verwirklicht hat. Er war bis zur Beendigung des<br />
Arbeitsverhältnisses auf Grund des vorliegenden Verfahrens, beruflich<br />
integriert und lebt auch sonst in sozialer, persönlicher, familiärer und<br />
wirtschaftlicher Hinsicht in geordneten und intakten Verhältnissen.<br />
Als einschneidende Tatfolge wirkt sich strafmildernd aus, das ihm aus<br />
der Tat erhebliche berufliche Nachteile erwachsen sind. Das<br />
langjährige Arbeitsverhältnis wurde wegen der vorliegenden Straftat<br />
aufgelöst. Eine Weiterbeschäftigung in absehbarer Zeit oder die<br />
Aufnahme einer entsprechenden Tätigkeit bei einem anderen<br />
Arbeitgeber erscheint erheblich erschwert. Die ganz<br />
außergewöhnlich intensive Berichterstattung eines Teils der Presse,<br />
die in besonders aggressiver Weise vorgenommene Vorverurteilung<br />
des Angeklagten unter Darstellung seiner Person, auch mit Bild, seine<br />
Brandmarkung in der Öffentlichkeit als „Vollgaskiller“ etc. hat den<br />
Angeklagten, wie er glaubhaft und nachvollziehbar vermittelt,<br />
psychisch und physisch nachhaltig beeinträchtigt und daneben auch<br />
seine Familie und sein soziales Umfeld und dadurch ihn wiederum<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 11 von 121
selbst ebenso wie seine wirtschaftlichen Verhältnisse und seine<br />
Existenzgrundlage berührt. Auch diese Umstände sind zu<br />
berücksichtigen.<br />
Zu Lasten des Angeklagten wirkt sich aus, dass er im besonders<br />
hohem Maße pflichtwidrig gehandelt hat. Er hat gegen die gebotene<br />
Sorgfaltsmaßstäbe im Straßenverkehr massiv verstoßen.<br />
Strafschärfend wirkte sich ferner aus, dass der Angeklagte<br />
tateinheitlich zwei Strafgesetzte verletzt hat und wiederum<br />
tateinheitlich in zwei Fällen der fahrlässigen Tötung für schuldig<br />
befunden wird. Das Amtsgericht hatte ihn noch wegen fahrlässiger<br />
Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung<br />
in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs<br />
Monaten ohne Bewährung verurteilt. Auf die Berufung hin wurde das<br />
Urteil dahingehend abgeändert, dass er zu einer Freiheitsstrafe von<br />
einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt wird.<br />
Ausgeschiedene Strafsachen<br />
BGH, Beschluss vom 10.08.05, 2 StR 219/05<br />
Strafschärfend kann auch gewertet werden, was nicht angeklagt und<br />
nicht abgeurteilt wurde. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es so<br />
genau mitgeteilt wird, dass das Revisionsgericht Tatsachen und<br />
Wertung überprüfen kann.<br />
Gesamtstrafe<br />
OLG Köln, Beschluss vom 11.11.2005, 83 Ss 69/05 = StraFo 2006,<br />
119<br />
Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung darf nicht unterbleiben, wenn<br />
die erforderlichen Unterlagen wegen mangelnder Terminsvorbereitung<br />
fehlen. Es reicht nicht aus, dass Akten lediglich angefordert werden.<br />
Der Richter muss auch gegebenenfalls nachdrücklich an die<br />
Übersendung erinnern.<br />
Verschlechterungsverbot und Härteausgleich<br />
OLG München, Beschluss vom 07.02.06, 4 St RR 7/06 = NJW 2006,<br />
132<br />
Nimmt das Berufungsgericht erstmals einen Härteausgleich vor und<br />
verhängt es in seinem Urteil gleichwohl die vom Amtsgericht verhängte<br />
Einzelstrafe, so ist dies bei alleiniger Berufung des Angeklagten ein<br />
Verstoß gegen das Verbot der „reformatio in peius“.<br />
Der Angeklagte war wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis<br />
zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden, eine<br />
Sperrfrist von 18 Monaten wurde angeordnet.<br />
Täter-Opfer-Ausgleich (Vergewaltigung)<br />
BGH, Urteil vom 07.12.2005, 1 StR 287/05<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 12 von 121
Der Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB kann eine<br />
Strafrahmenverschiebung begründen. Dies setzt ein Bemühen des<br />
Täters um einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer<br />
voraus. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den<br />
Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt aber nicht. Ein<br />
Wiedergutmachungserfolg ist nicht zwingende Voraussetzung, das<br />
Opfer muss sich aber auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich<br />
bereit finden und auf ihn einlassen. Hierzu ist ein kommunikativer<br />
Prozess erforderlich. Bei diesem kommunikativen Prozess kommt es in<br />
erster Linie darauf an, dass das Opfer einbezogen wird und die<br />
Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert.<br />
Lässt sich das Tatopfer auf einen kommunikativen Prozess nicht ein,<br />
so ist das Verfahren für die Durchführung eines Täter Opferausgleichs<br />
nicht geeignet.<br />
Regelmäßig sind zu diesen Umständen tatrichterliche Feststellungen<br />
erforderlich. Hieraus muss sich ergeben, wie sich das Opfer zu den<br />
Bemühungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung etwaiger<br />
übernommener Verpflichtung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes ist<br />
und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter hat. Dabei muss<br />
sich das Gericht auch Gedanken darüber machen, ob diese<br />
Schmerzensgeldzahlung den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters<br />
entspricht.<br />
Anmerkung: Aus den Gründen der Entscheidung ist ersichtlich, dass<br />
dieser kommunikative Prozess auch durch den Verteidiger vorbereitet<br />
werden kann, der Verteidiger in geeigneten Fällen als vermittelnder<br />
Dritter tätig werden muss. Es entlastet den Täter nicht, wenn er sich<br />
dahingehend einlässt, dass er auf Anraten des Verteidigers keinen<br />
Kontakt zu dem Opfer aufgenommen hat, damit dieses die Tat nicht<br />
noch einmal durchlaufen muss. Es liegt an dem Geschick des<br />
Verteidigers, eine solche Kontaktaufnahme zu ermöglichen.<br />
Beamter<br />
BGH, Beschluss vom 10.01.2006, 1 StR 541/05<br />
Die beruflichen Konsequenzen einer strafgerichtlichen Verurteilung<br />
sind bei der Strafzumessung in Betracht zu ziehen. Zu diesem<br />
Konsequenzen kann auch der Verlust von Ruhestandsbezügen<br />
gehören. Ob dieser Strafzumessungsgrund ausdrücklich zu benennen<br />
ist, hängt aber davon ab, ob sich seine Erörterung als bestimmender<br />
Strafzumessungsgrund aufdrängt. Dies kann der Fall sein, wenn durch<br />
die Verurteilung die Grundlage für die wirtschaftliche Existenz verloren<br />
geht. Hat der Verurteilte aber neben Ruhestandsbezügen Einkünfte,<br />
die die Ruhestandsbezüge deutlich übersteigen, liegt eine solche<br />
Existenzvernichtung nicht bevor.<br />
Ausländerstatus<br />
BGH Beschluss vom 23.08.05, 5 StR 195/05<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 13 von 121
Der Ausländerstatus rechtfertigt nur bei Vorliegen besonderer<br />
Umstände eine Strafmilderung. Solche sind möglicherweise gegeben,<br />
wenn der Angeklagte bei Vollzug einer Freiheitsstrafe erhebliche<br />
sprachliche Verständigungsschwierigkeiten hat und der Kontakt zu<br />
seiner Familie erheblich erschwert ist.<br />
5. Bewährung<br />
5.1. Beschränkung des Rechtsmittels<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.11.04, 1 Ss 157/05 = VRS 108,<br />
425 = zfs 2005, 362<br />
Ist ein Angeklagter mehrfach bewährungsbrüchig, so bedarf es des<br />
Vorliegens besonderer Umstände, um erneut eine positive Prognose<br />
stellen zu können. Solche können darin liegen, dass der Angeklagte<br />
zur Überwindung einer bestehenden und die Straftaten auslösenden<br />
Alkoholsucht eine Therapie begonnen hat und bereits über einen<br />
längeren Zeitraum ein straffreies Leben ohne Alkohol führt.<br />
Das AG verurteilte den Angeklagten wegen vorsätzlicher<br />
Straßenverkehrsgefährdung und Urkundenfälschung zu einer<br />
Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten ohne Bewährung. Außerdem<br />
ordnete es eine Fahrerlaubnissperre von drei Jahren und ein<br />
Fahrverbot von drei Monaten an.<br />
Die auf den Rechtsfolgenausspruch (Bewährung) beschränkte des<br />
Berufung, verwarf das LG mit der Maßgabe, dass das Fahrverbot<br />
entfällt. Die Revision hatte Erfolg. Ausschlaggebend für das LG war<br />
ersichtlich das wiederholte und massive Bewährungsversagen des<br />
Angeklagten, der die ihm durch das Amtsgericht 1996 wegen einer<br />
einschlägigen Straftat bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung<br />
nunmehr zum vierten Mal und darüber hinaus eine weitere ihm durch<br />
ein anderes AG bewilligte Bewährung gebrochen hat. Bei Fällen<br />
mehrfachen Bewährungsversagen bedarf es regelmäßig besondere<br />
Umstände, um erneut eine positive Prognose stellen zu können.<br />
Allerdings darf eine Bewährung nicht allein auf Grund von<br />
Vorverurteilungen versagt werden. Eine umfassende Würdigung aller<br />
Umstände ist jedenfalls dann unerlässlich, wenn neue Tatsachen<br />
vorliegen, die prognostisch günstig sein können. So hat die Kammer<br />
festgestellt, dass der Angeklagte seit Begehung der<br />
verfahrensgegenständlichen Taten im Dezember 2002 ein straffreies<br />
Leben ohne Alkoholkonsum geführt hat, seiner Arbeit nachgegangen<br />
ist und sich einer Gesprächstherapie unterzogen hat, um seinen<br />
Umgang mit Alkohol auch in bisher kritischen Situationen in den Griff<br />
zu bekommen. Das Gericht hätte sich daher auch mit der Frage<br />
auseinandersetzen müssen, ob angesichts der daraus ersichtlichen<br />
Stabilisierung des Angeklagten und seiner gezeigten Bereitschaft,<br />
seinen Persönlichkeitsmängel therapeutisch anzugehen, jetzt von<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 14 von 121
einer Strafaussetzung zur Bewährung erwartet werden könne, dass er<br />
diese Chance nutzt und künftig keine Straftaten mehr begeht.<br />
5.2. Fahren ohne Fahrerlaubnis<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.03.2005, 1 Ss 203/04 = VRS<br />
108,423<br />
Das AG hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne<br />
Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt und<br />
eine Sperrfrist von 12 Monaten angeordnet. Die Berufung blieb ohne<br />
Erfolg.<br />
Auf die Revision des Angeklagten wurde der Rechtsfolgenausspruch<br />
aufgehoben. Auch bei der Frage, ob eine Freiheitsstrafe zur<br />
Bewährung auszusetzen ist, steht dem Richter ein weiter<br />
Bewertungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht<br />
jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinnehmen muss. Ein<br />
Eingreifen kommt nur bei Rechts- oder Ermessensfehler in Betracht.<br />
Fehler können daran liegen, dass die Entscheidung des Landgerichts<br />
unvollständig ist und die für die Prognoseentscheidung bedeutsamen<br />
Gesichtspunkte nicht gegeneinander abgewogen werden. Das<br />
Landgericht hat es als ausreichend angesehen, dass der Angeklagte<br />
siebenmal einschlägig vorbestraft ist und trotz einer Verurteilung zu<br />
einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung durch das Amtsgericht die hier<br />
abzuurteilende Straftat begangen hat.<br />
Dieses Vorleben des Angeklagten ist natürlich ein gewichtiger<br />
Prognosefaktor. Hat der Angeklagte aber zwischen Begehung und<br />
Aburteilung der Tat erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt, so muss<br />
die Verneinung einer ungünstigen Prognose auch darauf gerichtet<br />
sein, welche Wirkungen diese Strafverbüßung auf den Angeklagten<br />
hatte. Der von der Strafhaft ausgehende Warneffekt lässt bei einem<br />
Erstverbüßer allgemein erwarten, dass das der bloßen Verurteilung zu<br />
einer Freiheitsstrafe nicht vergleichbar erlebt wird, deren Vollstreckung<br />
seine Wirkung nicht verfehlt und den Täter befähigt, künftigen<br />
Tatanreizen zu widerstehen. Mit diesem Warneffekt hätte das LG sich<br />
auseinandersetzen müssen.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 15 von 121
5.3. Widerruf der Bewährung<br />
OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.07.2004, 4 Ws 180/04 = NZV 2005,<br />
276<br />
1. Im Hinblick auf die Entscheidung des EGMR 1 hält der Senat an<br />
seiner bisherigen Rechtssprechung nicht mehr fest, nach der auch vor<br />
einer rechtskräftigen Entscheidung die Strafaussetzung widerrufen<br />
werden kann, sofern das Gericht, das über den Widerruf zu befinden<br />
hat, auf Grund eigener Überzeugungsbildung ein strafbares Verhalten<br />
des Verurteilten annimmt.<br />
2. Der Widerruf der Strafaussetzung wegen einer neuen Straftat ist<br />
ohne rechtskräftige Aburteilung der Anlasstat jedenfalls dann zulässig,<br />
wenn der Verurteilte die neue Straftat glaubhaft vor einem Richter<br />
gestanden hat.<br />
1 NJW 2004, 43 = NStZ 2004, 159<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 16 von 121
III. Anwendung von Jugendstrafrecht in Verkehrsstrafverfahren<br />
1. Kriminalpädagogische Maßnahmen<br />
AG Saalfeld Urteil von 08.07.2003, 675 Js 1800/03 2 Ds jug. = VRS<br />
105, 303<br />
Gerade bei wiederholt wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis<br />
aufgefallenen Jugendlichen erscheint die jugendrichterliche Weisung,<br />
eine Fahrerlaubnis innerhalb einer bestimmten Zeit zu erwerben<br />
kriminalpädagogisch und kriminalprophylaktisch sinnvoll, um den<br />
Verurteilten vor erneuten einschlägigen Straftaten zu bewahren.<br />
LG Stade, Urteil vom 17.09.2004, 11 Ns 121 Js 399/04 = BA 2006, 242<br />
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen<br />
Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1, 3 StGB<br />
verurteilt. Das Amtsgericht hat die Fahrerlaubnis entzogen, den<br />
Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist festgesetzt. Zur<br />
erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten erscheint auch bei<br />
erneuter Überprüfung die Verhängung einer Arbeitsauflage<br />
erforderlich, aber ausreichend. Freiheitsentziehende Maßnahmen sind<br />
angesichts der offensichtlichen und glaubhaften Unrechtseinsicht und<br />
Reue des Angeklagten entbehrlich. Die Kammer hat jedoch auch nicht<br />
mehr feststellen können, dass der Angeklagte noch ungeeignet zum<br />
Führen von Kraftfahrzeugen ist. Da der Angeklagte schon acht Monate<br />
seinen Führerschein hat entbehren müssen, erscheint dies zur<br />
Einwirkung ausreichend.<br />
2. Unfallflucht<br />
AG Saalfeld, Urteil vom 16.02.2003, 663 Js 29960/03 2 Ds jug = DAR<br />
2004, 168<br />
AG Saalfeld Urteil vom 24.02.2004, 635 Js 25691/03 2 Ds jug. = VRS<br />
107,181<br />
Die Annahme einer Jugendverfehlung ist bei keinem Delikt von<br />
vornherein ausgeschlossen. Auch die Straßenverkehrsvergehen<br />
können unter § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG fallen. Jugendverfehlungen sind<br />
nicht nur Taten, die schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild die<br />
Merkmale jugendlicher Unreife aufweisen. Eine Tat kann vielmehr<br />
auch allein durch ihre Veranlassung und ihre Beweggründe als<br />
Jugendverfehlung gezeichnet sein.<br />
3. Entziehung der Fahrerlaubnis<br />
AG Saalfeld, Urteil vom 19.06.2001, 681 Js 47934/00 Ds jug. = VRS<br />
101, 194<br />
Der Angeklagte hat sich der fahrlässigen Körperverletzung und des<br />
unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig gemacht.<br />
Der betroffene Jugendliche hatte sich bei dem Geschädigten<br />
entschuldigt, ist geständig, bekennt seine Tat und bedauert sie.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 17 von 121<br />
Kommentar [WF2]: Z2<br />
Jugendstrafrecht
Angesichts des straffreien Lebens reicht als Reaktion auf das Unrecht<br />
und zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten die<br />
Verhängung von Auflagen und Weisungen. Eine Arbeitsauflage von<br />
60 Stunden gemeinnütziger Arbeit ist ausreichend, und um die<br />
Erziehung zu fördern und zu sichern, war ihm die Weisung zu erteilen,<br />
an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen. Die Fahrerlaubnis wurde<br />
nicht entzogen. Es liegt zwar eine Indiztat nach § 69 Abs. 2 Nr. 3<br />
StGB vor, weil der Angeklagte wissen konnte, dass bei dem Unfall ein<br />
Mensch nicht unerheblich verletzt worden war. Auch in solchen Fällen<br />
kann in Ausnahmefällen von einer Entziehung der Fahrerlaubnis<br />
abgesehen werden. Sie soll nur entzogen werden, wenn die Tat auf<br />
ein gefährliches Maß an Versagen und Verantwortungslosigkeit des<br />
Täter im Straßenverkehr schließen lässt. Bei Jugendlichen und<br />
Heranwachsenden ist jedoch eine besondere Zurückhaltung<br />
notwendig. Bei Jugendlichen und Heranwachsenden ist die<br />
Notwendigkeit jugendgerechter Maßnahmen und in jedem Einzelfall<br />
die Erforderlichkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis zu prüfen. Aus<br />
diesem Grunde ist vorliegend ein Fahrverbot, das durch die vorläufige<br />
Entziehung der Fahrerlaubnis abgegolten ist, ausreichend.<br />
§ 24a StVG<br />
Nach dem Wortlaut des § 25 StVG ist die Verhängung eines<br />
Fahrverbots nur bei Festsetzung einer Geldbuße möglich. Das<br />
Fahrverbot ist eine Nebenfolge. Jugendrechtliche Aspekte<br />
rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Jugendrichterliche Weisungen<br />
und Anordnungen, etwa nach § 10 JGG können als Schuldausgleich<br />
für Straßenverkehrsdelikte nicht angeordnet werden.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 14.10.2003, 4 Ss (OWi) 604/03 = BA<br />
2005, 317<br />
4. Trunkenheit<br />
AG Saalfeld, Urteil vom 15.02.2005, 635 Js 31395/04 2 Ds jug = BA<br />
2006, 242.<br />
Die Annahme einer Jugendverfehlung ist bei keinem Delikt von<br />
vornherein ausgeschlossen. Hierzu zählen auch<br />
Straßenverkehrsvergehen, die unter § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG fallen<br />
können. Ob eine Straftat als Jugendverfehlung zu beurteilen ist, ist im<br />
wesentlichen Tatfrage. Bestehen Zweifel, ist Jugendstrafrecht<br />
anzuwenden. Die Tatsache, dass auch Erwachsene solche Taten<br />
begehen, spricht nicht dagegen, einen Vorfall als Jugendverfehlung<br />
einzuordnen. Ausgeschlossen ist insbesondere eine vom Gesetz nicht<br />
vorgesehene Regel- und Ausnahmeprüfung mit der Annahme, dass<br />
bei Verkehrsdelikten in der Regel vom Erwachsenen Strafrecht<br />
ausgegangen wird.<br />
Der Vorwurf einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt stellt zwar keine<br />
typische Jugendverfehlung dar. Jugendverfehlungen sind aber nicht<br />
nur Taten, die schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild die<br />
Merkmale jugendlicher Unreife aufweisen. Eine Tat kann vielmehr<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 18 von 121
alleine durch ihre Veranlassung und ihre Beweggründe als<br />
Jugendverfehlung gekennzeichnet werden.<br />
Von einer Entziehung der Fahrerlaubnis kann abgesehen werde: Zwar<br />
liegt bei einer Trunkenheitsfahrt ein Regeltatbestand im Sinne von § 69<br />
Abs. 2 Nr. 2 StGB vor. In Ausnahmefällen kann aber von der<br />
Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden. Für Taten nach § 69<br />
Abs. 2 StGB wird ein gefährliches Maß an Versagen und<br />
Verantwortungslosigkeit indiziert. Im konkreten Tatgeschehen<br />
können jedoch Umstände vorliegen, die die Indizwirkung entfallen<br />
lassen. Hiervon kann vorliegend ausgegangen werden: Der<br />
Angeklagte hat im fahruntüchtigen Zustand den Pkw seines Freundes<br />
auf dem verkehrsentleerten Kundenparkplatz eines Einkaufsmarktes<br />
nur ein kurzes Stück mit geringer Geschwindigkeit geführt. Dieses<br />
Geschehen liegt soweit außer- und unterhalb der vom Gesetzgeber als<br />
typisch und indiziell angesehenen Begehungsweise des<br />
Straftatbestandes des § 316 StGB, dass vorliegend kein Regelfall<br />
mehr gegeben ist.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 19 von 121
IV. Strafprozess<br />
Verfahren nach einem Strafbefehl<br />
Wiedereinsetzung<br />
Bei einem Wiedereinsetzungsgesuch müssen Angaben zum Zeitpunkt<br />
des Wegfalls des Hindernisses gemacht werden. Dies gilt auch, wenn<br />
der Verteidiger eigenes Verschulden geltend macht. Die Gründe für<br />
eine unverschuldete Fristversäumung müssen unter umfassender und<br />
genauer Darstellung der Tatsachen, die für die Frage bedeutsam sind,<br />
wie und gegebenenfalls durch welche Umstände es zur Versäumung<br />
der Frist gekommen ist, innerhalb der einwöchigen Antragsfrist<br />
dargestellt werden. Außerdem müssen konkrete Angaben über den<br />
genauen Zeitpunkt, in dem das Hindernis, das der Vornahme der<br />
Prozesshandlung entgegenstand, weggefallen ist. Dies gehört zur<br />
Zulässigkeit und kann nach Ablauf der Wochenfrist nicht ergänzt oder<br />
klargestellt werden.<br />
KG, Beschluss vom 20.07.2005, 3 Ws (B) 342/05 = VRS 109, 281<br />
Einem Betroffenen ist von Amts wegen Wiedereinsetzung zu<br />
gewähren, wenn der Geschäftsstellenverwalter des Tatgerichtes von<br />
einem ersichtlich rechtunkundigen Betroffenen nicht nur die Einlegung<br />
des Rechtsmittels entgegen nimmt, sondern auch schon dessen nach<br />
§ 344 Abs. 2 StPO formbedürftige Begründung entgegen nimmt ohne<br />
auf die Zuständigkeit des Rechtspflegers hinzuweisen.<br />
OLG Köln, Beschluss vom 29.09.2005, 83 Ss Owi 37/05 = VRS 109,<br />
347 NZV 2006, 47<br />
Bei Terminverlegungsanträgen kurzfristig vor der Hauptverhandlung<br />
muss sich der Betroffene selbst bei Gericht über die beantragte<br />
Absetzung vergewissern. Auf Auskünfte seines Verteidigers darf er<br />
nicht vertrauen.<br />
Grundsätzlich kann ein Betroffener sich auf Mitteilung seines<br />
Verteidigers, auch wenn diese rechtsirrig sind, verlassen.<br />
Grundsätzlich ist dem Betroffenen ein Verschulden des Verteidigers<br />
nicht zuzurechnen. Dies gilt jedoch nicht, wenn ihn ein eigenes<br />
Verschulden trifft. Stellt er einen Antrag auf Terminverlegung so<br />
kurzfristig, dass mit einer rechtzeitigen Bescheidung durch das Gericht<br />
nicht mehr zu rechnen ist (zwei Monate nach Ladung, zwei Tage vor<br />
Termin) muss er sich selbst bei dem Gericht über die beantragte<br />
Absetzung des Termins vergewissern. Auf gegenteilige Auskünfte<br />
seines Verteidigers darf er sich nicht verlassen.<br />
LG Berlin, Beschluss vom 09.05.2005, 505 Qs 41/05 = NZV 2006, 48<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 20 von 121<br />
Kommentar [WF3]: Z 3<br />
Strafbefehl
1. Hauptverhandlung und Wiedereinsetzung<br />
LG München II, Beschluss vom 03.03.2005, 1 Qs 134/04 = NZV 2005,<br />
431<br />
Einem Arbeitnehmer kann es nicht als Verschulden angerechnet<br />
werden, wenn er einen Hauptverhandlungstermin nicht wahrnimmt,<br />
weil er von seinem Arbeitgeber nicht freigestellt wurde. Ihm kann das<br />
Verlassen der Arbeitsstelle mit dem Risiko des Verlustes des<br />
Arbeitsplatzes (Kündigung während der Probezeit) nicht als<br />
Verschulden angerechnet werden.<br />
Gem. § 74 OWiG kann der Betroffene in Fällen, in denen nach § 74<br />
Abs. 1 oder 2 OWiG eine Hauptverhandlung ohne ihn stattgefunden<br />
hat, gegen das Urteil „binnen einer Woche nach Zustellung die<br />
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ verlangen. Ausweislich des<br />
vorzitierten Gesetzeswortlaut wird die einwöchige Frist für die Stellung<br />
des Antrages somit erst durch die Zustellung des Verwerfungsurteils in<br />
Gang gesetzt. Nicht ausreichend ist die einfache Übersendung.<br />
LG Siegen, Beschluss vom 12.10.2005, 5 Qs 152/05<br />
2. Durchsuchung wegen eines Verkehrsverstoßes<br />
EGMR, Urteil vom 08.02.05, 41604/98 (Buck gegen Deutschland) =<br />
StraFo 2005, 371 = VA 2005, 181<br />
Im Allgemeinen kann nach deutschem Recht und deutscher<br />
Rechtsprechung der vorgesehene Schutz vor Missbrauch bei<br />
Durchsuchungen und Beschlagnahmen als angemessen und wirksam<br />
angesehen werden. Allerdings stellt eine<br />
Verkehrsordnungswidrigkeit nur ein geringfügiges Delikt dar, das<br />
aus dem Katalog der Straftatbeständen nach deutschem Strafrecht<br />
herausgenommen wurde. Dazu kommt, dass im vorliegenden Fall<br />
lediglich die Verurteilung einer Person auf dem Spiel stand, die noch<br />
nicht wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit in Erscheinung getreten<br />
war.<br />
Weiter berücksichtigte der Gerichtshof, dass das Fahrzeug ein<br />
Firmenfahrzeug war und gegen den Beschwerdeführer nicht selbst,<br />
(sondern gegen sein Sohn) ermittelt wurde. Der Richter hat parallel zu<br />
der Durchsuchung auch ein Passbild des Betroffenen angefordert und<br />
kurze Zeit später das Urteil gesprochen. Unter Berücksichtigung dieser<br />
Umstände stellte die Durchsuchung und Beschlagnahme von<br />
Unterlagen in den Geschäfts- und Wohnräumen des Betroffenen,<br />
jedenfalls nicht das einzige Mittel dar, um festzustellen, wer für die<br />
Geschwindigkeitsüberschreitung verantwortlich war. Schließlich war<br />
der Beschluss weit gefasst und im Hinblick auf die mögliche<br />
Auswirkungen auf den guten Ruf des Betroffenen erscheint die<br />
Maßnahme unverhältnismäßig, insbesondere weil nicht gegen den<br />
Beschwerdeführer ermittelt wurde.<br />
Durchsuchung wegen Ordnungswidrigkeit<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 21 von 121<br />
Kommentar [WF4]: Z 4<br />
Durchsuchung
LG Erfurt, Beschluss vom 12.12.2005, 6 Qs 341/05 = zfs 2006, 349<br />
An angemessenes Verhältnis zwischen Schwere des Tatvorwurfs<br />
(Nichteinhaltung des ausreichenden Sicherheitsabstandes) und dem<br />
einschneidenden Grundrechtseingriff der Durchsuchung mit<br />
anschließender Beschlagnahme ist gegeben.<br />
Wohnungsdurchsuchung<br />
BGH, Urteil vom 18.4.2007, 5 StR 546/06 = NJW 2007, 2269<br />
Die Rechtswidrigkeit einer Wohnungsdurchsuchung kann die<br />
Annahme eines Verwertungsverbotes rechtfertigen. Es ist davon<br />
auszugehen, dass im Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender<br />
Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften<br />
ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist. 1<br />
Diese Frage ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu<br />
entscheiden. Von besonderem Gewicht ist dabei die Art des Verbotes<br />
und das Maß des Verstoßes und Abwägung widerstreitender<br />
Interessen.<br />
Ein Verwertungsverbot ist beschränkt nach dem Grundsatz, dass das<br />
Gericht die Wahrheit zu erforschen hat und dazu die Beweisaufnahme<br />
von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken<br />
hat. Daran gemessen ist ein Verwertungsverbot eine Ausnahme, die<br />
nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus<br />
übergeordneten wichtigen Gründen anerkannt werden kann.<br />
3. Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis<br />
3.1. Beschleunigungsgebot<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.02.2005, 2 Ws 15/05 = VRS 108,<br />
383 = StV 2005, 429 = BA 2006, 152<br />
Die Aufhebung des Beschlusses nach § 111a StPO kommt auch in<br />
Betracht, wenn die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wg.<br />
vermeidbarer, auch sachwidriger Behandlung beruhender<br />
Verzögerung des Verfahrens unverhältnismäßig ist. Die vorläufige<br />
Entziehung der Fahrerlaubnis muss verhältnismäßig sein. Dabei muss<br />
1 BGHSt 44, 243<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 22 von 121<br />
Kommentar [WF5]: Z 5<br />
Vorläufige Entziehung
auch das Beschleunigungsgebot beachtet werden. Verfahren, in denen<br />
eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet wurde, sind<br />
daher mit besonderer Beschleunigung zu führen.<br />
Ein Verstoß kann auch durch sachwidrige Behandlung des Verfahren<br />
festgestellt werden. Vorliegend wurde der Führerschein des<br />
Betroffenen am 19.09.2003 sichergestellt, der polizeiliche<br />
Schlussbericht wurde am 13.11.03 gefertigt, dem Verteidiger am<br />
01.12.2003 Akteneinsicht mit einer Frist zur Stellungnahme bis<br />
15.01.2004 gewährt. Nach Ablauf dieser Frist hätte das Verfahren<br />
unverzüglich gerichtlich anhängig gemacht werden müssen. Daran<br />
ändert auch die Tatsache nichts, dass der Verteidiger Ende Januar<br />
fernmündlich erklärte, eine Stellungnahme werde alsbald abgegeben.<br />
Tatsächlich ist die Stellungnahme erst am 23.03.2004 eingegangen.<br />
Erst am 28.04.2004 hat die Staatsanwaltschaft den Abschluss der<br />
Ermittlungen verfügt. Der Zeitablauf von acht Monaten seit<br />
Sicherstellung des Führerscheins ist bedeutend zu lang, insbesondere<br />
auch, weil schon nach zwei Monaten die polizeilichen Ermittlungen<br />
abgeschlossen waren. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht das<br />
Verfahren, nachdem die eingestellten Teile wieder in das Verfahren<br />
einbezogen wurden, an das Amtsgericht zurückgewiesen. § 28 Abs. 2<br />
StPO ist insoweit nicht einschlägig. Eine Zurückverweisung ist nach<br />
der Neuregelung der StPO nur noch zulässig, wenn das AG zu<br />
Unrecht keine Sachentscheidung getroffen hat.<br />
3.2. Angemessenheit<br />
BVerfG, Beschluss vom 15.03.2005, 2 BvR 364/05 = NZV 2005, 379 =<br />
BA 2006, 151<br />
Die Verhängung eines Fahrverbotes muss verhältnismäßig sein. Ist<br />
der Betroffene aber wegen zweier Alternativen des § 315 c Abs. 1<br />
Nummer 2 StGB angeklagt und seit Ende 2002 wegen vier<br />
<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>, wovon zwei mit einem Fahrverbot sanktioniert<br />
wurden, aufgefallen, ist auch nach längerer Verfahrensdauer ein<br />
Fahrverbot noch angemessen.. Es kommt im einzelnen darauf an, wie<br />
lange war die Dauer der vorläufigen Entziehung, wer hat die lange<br />
Dauer zu vertreten und wie schwer ist der Vorwurf. Von Bedeutung<br />
kann auch das bisherige Verkehrsverhalten sein.<br />
(Aus der Entscheidung ergibt sich nicht, wie lange die Fahrerlaubnis<br />
entzogen war und wie lange der Zeitraum zwischen Entziehung und<br />
Tattag war.)<br />
Übersicht über einige Entscheidungen<br />
Zeit seit dem Vorfall<br />
Entscheidung<br />
4 Monate LG Kiel StV 2003, 325<br />
4 ½ Monate LG Duisburg zfs 1998, 484<br />
5 Monate LG Hannover NZV 1989,<br />
83<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 23 von 121
LG Darmstadt StV 1990,<br />
104<br />
8 Monate LG Düsseldorf zfs 1980,<br />
187<br />
10 Monate OLG Hamm NZV 2002,<br />
380; LG Dresden zfs 1999,<br />
122<br />
Zeitablauf zwischen Tat und dem Antrag auf vorläufige<br />
Entziehung der Fahrerlaubnis<br />
Nach Ablauf von sechs Monaten zwischen vorgeworfener Straftat und<br />
der Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung der<br />
Fahrerlaubnis ist der als eilige Sicherungsmaßnahme dienende Entzug<br />
der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO nicht mehr gerechtfertigt.<br />
LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 28.09.2004, 5/9a Qs 123/04 = BA<br />
2006, 154<br />
Vorläufige Entziehung der Fahrererlaubnis und<br />
Beschleunigungsgebot<br />
Wirksamer Rechtsschutz bedeutet zumal auch Rechtsschutz innerhalb<br />
angemessener Zeit.<br />
Ermittlungsverfahren, in denen eine vorläufige Entziehung der<br />
Fahrerlaubnis angeordnet wurde, sind mit besonderer Beschleunigung<br />
zu führen. Durch eine effektive Verfahrensgestaltung ist eine rasche<br />
Klärung der Dauerhaftigkeit des Ausschlusses vom Straßenverkehr zu<br />
gewährleisten und mit Rücksicht auf die Unschuldsvermutung der<br />
Gefahr eines übermäßigen Vorwegvollzuges der Maßregel vor der<br />
erstinstanzlichen, tatrichterlichen Entscheidung zu begegnen.<br />
BVerfG, Beschluss vom 03.06.2005, 2 BvR 401/05 = NZV 2005, 537 =<br />
zfs 2005. 622<br />
Ein erheblicher Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot kann eine<br />
Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen.<br />
OLG München, Beschluss vom 23.01.2006, 3 Ws 197/06 = MittBl<br />
2006, 76<br />
Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis dauert bereits neun<br />
Monate, eine Hauptverhandlung ist vor Ablauf von drei weiteren<br />
Monaten nicht wahrscheinlich. Unter diesen Voraussetzungen ist die<br />
weitere vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis besonders kritisch zu<br />
prüfen. Es ist fraglich, ob zum Zeitpunkt der erwarteten<br />
Hauptverhandlung einer charakterlichen Ungeeignetheit ausgegangen<br />
werden kann. Das LG Gera (23 Qs 35/04)hat bereits festgestellt, dass<br />
nach sieben Monaten nach der Tat eine vorläufige Entziehung der<br />
Fahrerlaubnis unverhältnismäßig ist.<br />
AG Cottbus, Beschluss vom 29.06.2005, 70 Gs 1009/04 = StV 2006,<br />
521.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 24 von 121
Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, Berufung und<br />
Beschwerde<br />
Hat sich die Strafkammer die Überzeugung von der fehlenden<br />
charakterlichen Eignung des Angeklagten zum Führen von<br />
Kraftfahrzeugen verschafft und eine Maßregel nach § 69 StGB<br />
angeordnet, ergeben sich die dringenden Gründe für das Vorliegen der<br />
Voraussetzung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis aus<br />
diesem Urteil. Diese Wertung hat das Beschwerdegericht<br />
hinzunehmen. Dies gilt ebenso für die tatsächlichen Feststellungen.<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.03.2004, 1 Ws 35/04 = BA 2006,<br />
152<br />
Die Fortdauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis wegen<br />
des Verdachts der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr bei einer von<br />
dem Betroffenen nicht verschuldeten Verfahrensdauer von mehr als<br />
fünf Monaten seit der Tat ist nicht verhältnismäßig.<br />
LG Würzburg, Beschluss vom 02.06.2005, 1 Qs 150/05 = BA 2006,<br />
154<br />
Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis<br />
LG Berlin, Beschluss vom 09.09.2004, 514 Qs 262/04 = Mitt.Bl 2005,<br />
77<br />
Das Amtsgericht Tiergarten hat einen Strafbefehl gegen Nötigung<br />
erlassen. Auf den hiergegen eingelegten Einspruch hat das<br />
Amtsgericht dem Angeklagten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen<br />
und einen Hinweis gem. § 265 StPO gegeben, dass auch ein<br />
gefährlicher Eingriff in dem Straßenverkehr möglich ist.<br />
Bei keinem der Vorwürfe liegt ein Regelfall für die Entziehung der<br />
Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 2 StGB vor. Hinsichtlich des gefährlichen<br />
Eingriffs liegt auch ein dringender Tatverdacht nicht vor. Der dringende<br />
Tatverdacht einer Nötigung und Beleidigung, der gegeben ist,<br />
rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres die Entziehung der Fahrerlaubnis.<br />
Das genaue Ausmaß der Nötigungshandlung und einer etwa hieraus<br />
resultierenden Gefährdung des Geschädigten ist unklar. Es muss<br />
daher der abschließenden Beurteilung in der Hauptverhandlung<br />
vorbehalten bleiben, ob die Anordnung der Maßregel notwendig ist.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 25 von 121
Die Fahrerlaubnis kann auch noch in einem späteren<br />
Verfahrensabschnitt (also während der Berufungsverhandlung<br />
beispielsweise) entzogen werden. Bei Entziehung – längere Zeit nach<br />
Tatbegehung – muss jedoch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz<br />
besonders geprüft werden. 1<br />
Eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens ist auch bei einer<br />
Dauer von neun Monaten noch nicht durchgreifend, so dass eine<br />
Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nicht in<br />
Betracht kommt.<br />
LG Marburg, Beschluss vom 10.02.2005, 4 Qs 22/05 = zfs 2005, 621<br />
Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind daher<br />
auch Strafverfahren, bei denen eine vorläufige Entziehung der<br />
Fahrerlaubnis angeordnet wurde, mit besonderer Beschleunigung<br />
durchzuführen. Es darf keine Verfahrenspausen geben, der<br />
Sachverhalt muss so schnell wie möglich geklärt werden. 2<br />
StGB § 69, 316 StPO 111a<br />
LG Leipzig, Beschluss vom 20.04.2006 7 Qs 29/06 = DAR 2006, 402<br />
Das Amtsgericht hat dem Betroffenen die Fahrerlaubnis vorläufig<br />
entzogen. Der Betroffene war mit einer Blutalkoholkonzentration von<br />
0,62 ‰ beim Rechtsabbiegen zu weit nach links abgekommen. Zum<br />
Zeitpunkt des Vorfalles waren die Straßenverhältnisse schlecht und es<br />
befand sich Schneematsch auf der Straße. 0,5 ‰ ist zwar eine<br />
kritische Grenze zur Prüfung der Fahruntüchtigkeit. Jedoch die<br />
Überschreitung dieser kritischen Grenze genügt alleine nicht. Es<br />
müssen weitere Anhaltspunkte für eine Fahruntüchtigkeit vorliegen.<br />
Mitentscheidend kann hierbei sein, was der Arzt bei der Blutentnahme<br />
feststellt, insbesondere aber Umstände, die auch einen nüchternen<br />
Fahrer passieren, können gegen eine Fahruntüchtigkeit sprechen.<br />
4. Belehrungspflichten, Verlesung und Verwertungsverbote<br />
4.1. Informatorische Befragung<br />
BayObLG, Beschluss vom 02.11.2004, 1 St RR 109/04 = NZV 2005,<br />
494= StV 2005, 430<br />
1<br />
OLG Hamm, zfs 2002, 199 = NZV 2002, 380<br />
2<br />
BVerfG, zfs 2005, 622; OLG Karlsruhe, Strafverteidiger 2005, 429, LG Würzburg,<br />
Strafverteidiger 2005, 545<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 26 von 121<br />
Kommentar [WF6]: Z 6<br />
Belehrung
Fragen Polizeibeamte auf einem Parkplatz den Angeklagten nach der<br />
Fahrereigenschaft, handelt es sich nicht lediglich um eine<br />
informatorische Befragung, für die eine Belehrung nicht erforderlich ist.<br />
Für die Unterscheidung zwischen einer informatorischen Befragung<br />
und einer Beschuldigtenvernehmung ist die Stärke des Tatverdachts<br />
bedeutsam. Hierbei hat der Polizeibeamte einen<br />
Beurteilungszeitspielraum, den er allerdings nicht missbrauchen darf.<br />
Neben der Stärke des Verdachts ist auch von Bedeutung, wie sich das<br />
Verhalten des Beamten nach außen in der Wahrnehmung des<br />
Befragten darstellt. So gibt es polizeiliche Verhaltensweisen, die schon<br />
nach ihrem äußeren Befund belegen, dass der Polizeibeamte den<br />
Befragten als Beschuldigten begegnet, mag er dies auch noch nicht<br />
zum Ausdruck bringen.<br />
Verlesbarkehit von Protokollen über Atemalkoholmessung<br />
BGH, Beschluss vom 20.07.2004, 1 StR 145/04 = NZV 2005, 542<br />
Protokolle über Atemalkoholtests können Gegenstand des<br />
Urkundenbeweises sein. Die StPO sieht zur Beweiserhebung über den<br />
Inhalt von Urkunden und anderen Beweismitteln dienenden<br />
Schriftstücken grundsätzlich die Verlesung gem. § 249 Abs. 1 StPO<br />
vor.<br />
Verwertungsverbot, Verstoß § 136 StPO 1<br />
Eine Aussage darf nicht verwertet werden, wenn ein Verteidiger des zu<br />
Vernehmenden bereit steht und die Vernehmung nicht unterbrochen<br />
wird. Allerdings muss der Betroffene spätestens zum Zeitpunkt des §<br />
257 StPO einer Verwertung in der Hauptverhandlung widersprechen.<br />
Vernehmungspersonen<br />
Nichtrichterliche Vernehmungspersonen dürfen in einer<br />
Hauptverhandlung erst vernommen werden, wenn Gewissheit darüber<br />
besteht, ob der Zeuge, dem möglicherweise ein<br />
Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, von seinem Verweigerungsrecht<br />
Gebrauch macht oder darauf verzichtet. Angaben einer nur<br />
informatorischen Befragung fallen auch unter das Verwertungsverbot<br />
des § 252 StPO. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Verbot, über<br />
dem Wortlaut der Vorschrift hinaus, dahin gehend auszulegen, dass es<br />
dem Gericht auch verwehrt ist, die früheren Aussagen eines Zeugen,<br />
1 BGH NStZ 1997, 502<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 27 von 121
der zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist, durch Anhörung<br />
nichtrichterlicher Vernehmungspersonen in die Hauptverhandlung<br />
einzuführen und zu verwerten.<br />
Nach den Urteilsfeststellungen hat er sich den beiden Polizeibeamten<br />
aufgedrängt, dass der Halter des Tatfahrzeuges wahrscheinlicher<br />
Täter ist. (Die Revision war gleichwohl erfolglos, da das Landgericht<br />
ausdrücklich ausgeführt hat von der Täterschaft des Angeklagten ohne<br />
jeden Zweifel alleine aufgrund der Indizienlage überzeugt gewesen zu<br />
sein).<br />
BayObLG, Beschluss vom 06.10.04, 1 St RR 101/04 = DAR 2005, 457<br />
= NZV 2005, 492<br />
4.2. Verteidigerkonsultation<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 04.03.04, 1 Ss 26/04 = SVR 2005, 35<br />
Wird ein Beschuldigter nicht über sein Recht, einen Verteidiger zu<br />
konsultieren belehrt, unterliegt die Vernehmung in dem Strafverfahren<br />
einem Verwertungsverbot. Notwendig ist aber, dass der Angeklagte<br />
oder sein Verteidiger der Verwertung im Rahmen der<br />
Hauptverhandlung widerspricht.<br />
Der Betroffene ist vor einer Vernehmung zu belehren, wenn im<br />
Zusammenhang mit einer Trunkenheitsfahrt ermittelt wird und der<br />
Betroffene als Fahrzeugführer in Betracht kommt.<br />
AG Ellwangen, Beschluss vom 30.01.2004, 3 Cs 34 Js 21412/03 Hw. =<br />
BA 2005, 497<br />
4.3. schriftliche Stellungnahme des Betroffenen<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 31.01.2005, 1 Ss 309/04 = VRS 109,<br />
24<br />
Soweit sich ein Betroffener in der Hauptverhandlung im<br />
Bußgeldverfahren dazu entschließt zu schweigen, sind Schriftstücke,<br />
die frühere Erklärung zur Sache enthalten nur dann als Urkunde<br />
verlesbar, wenn sie von sie von dem Betroffenen selbst verfasst<br />
worden sind. Erklärungen des Verteidigers gehören hierzu nicht.<br />
Wiederholtes Nachfragen bei einem unverteidigten<br />
Betroffenen/Beschuldigten<br />
Hat sich der Beschuldigte/Betroffene im Ermittlungsverfahren auf sein<br />
Schweigerecht berufen, ist diese Entscheidung zu respektieren. Ein<br />
Nachfragen beim unverteidigten Beschuldigten/Betroffenen ist in der<br />
Regel unzulässig.<br />
Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist zwar zu einem<br />
Kapitaldelikt ergangen, sie hat aber auch Bedeutung für das OWi- oder<br />
Strafverfahren mit nicht so schwer wiegenden Vorwürfen. Nicht selten<br />
geben sich auch hier die Beamten nicht mit der Erklärung des<br />
Beschuldigten/Betroffenen zufrieden, keine Angaben zur Sache<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 28 von 121
machen zu wollen, sondern insistieren und fragen weiter nach. Der<br />
BGH hat deutlich darauf hingewiesen, dass stetiges Nachfragen ohne<br />
zureichenden Grund das Schweigerecht des (unverteidigten)<br />
Betroffenen/Beschuldigten entwerten könne. Nachfragen seien nach<br />
ausdrücklicher Ausübung des Schweigerechts zwar unproblematisch,<br />
wenn neue Informationen erlangt werden, zu denen sich der<br />
Betroffene/Beschuldigte noch nicht positionieren konnte, eine neue<br />
prozessuale Situation eingetreten oder eine gewisse Zeitspanne<br />
verstrichen sei, in denen sich die Auffassung des<br />
Betroffenen/Beschuldigten geändert haben könne. Jenseits solcher<br />
neuer Umstände oder eines möglichen Sinneswandels dürfe das<br />
Schweigerecht jedenfalls beim unverteidigten<br />
Betroffenen/Beschuldigten nicht dadurch missachtet werden, dass<br />
beständig versucht wird, den Beschuldigten doch noch zu Angaben in<br />
der Sache zu bringen. Erst recht bedenklich sind – so der BGH –<br />
beharrliche Nachfragen gegenüber einem Beschuldigten/Betroffenen,<br />
der sich zur Frage einer Aussage zunächst mit einem von ihm<br />
benannten Verteidiger besprechen und bis dahin schweigen wolle,<br />
wenn die Benachrichtigung dieses Verteidigers unterbleibt<br />
BGH, Urteil vom 10.1.2006, 5 StR 341/05,<br />
Verwertbarkeit von Äußerungen<br />
Der Begriff der Vernehmung erfasst nicht nur Vernehmungen unter<br />
Beachtung der Förmlichkeiten des § 163a StPO. Der Begriff ist<br />
vielmehr weit zu verstehen und umfasst alle Bekundungen über<br />
wahrgenommene Tatsachen auf Grund einer amtlichen, von einem<br />
Staatsorgan durchgeführten Befragung. Gerade bei solchen formlosen<br />
informatorischen Befragungen, mit deren Hilfe Ermittlungsorgane<br />
versuchen sich an Tatorten einen ersten Überblick zu verschaffen, ist<br />
das Schutzbedürfnis der Zeugin eher noch größer, als bei einer mit der<br />
vorgeschriebenen Belehrung verbundenen förmlichen Vernehmung.<br />
Spontanäußerungen sind dagegen uneingeschränkt verwertbar. Dabei<br />
wird regelmäßig auf die vorhergegangene Eigeninitiative des späteren<br />
Zeugen abgestellt, die sich von sich aus an die Polizei gewandt und<br />
dann spontane Angaben gemacht hat. Handelt es sich dagegen ohne<br />
Initiative von Zeugen um die Beantwortung von Fragen eines<br />
Polizeibeamten, liegt regelmäßig eine nicht verwertbare<br />
informatorische Befragung vor. Auf die Intension des Befragenden<br />
kommt es hierbei nicht an.<br />
OLG Zweibrücken, Urteil vom 30.06.2006, 1 Ss 72/06 = Mitt.Bl. 2006,<br />
173<br />
Verwertungsverbot, § 252 StPO<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 03.01.2006, 1 Ss 344/05 = VRS 111,<br />
142<br />
Der Angeklagte war wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis<br />
und unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 50<br />
Tagessätzen verurteilt. Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 29 von 121
entzogen und eine Sperre von einem Jahr angeordnet. Die Revision<br />
hatte vorläufigen Erfolg.<br />
Es liegt ein Verstoß gegen § 252 StPO vor. Der Polizeibeamte hätte<br />
nicht als Vernehmungsperson zu den Bekundungen der Ehefrau des<br />
Angeklagten vernommen werden dürfen. Nach § 252 StPO ist es<br />
ausgeschlossen, die frühere Aussage eines zur Verweigerung des<br />
Zeugnisses Berechtigten durch Anhörung nicht richterlicher<br />
Vernehmungspersonen in die Hauptverhandlung einzuführen. Dieses<br />
Verwertungsverbot besteht nicht erst nach erfolgter<br />
Zeugnisverweigerung, sondern auch und solange wie Ungewissheit<br />
darüber besteht, ob der Zeuge von seinem Zeugnisverweigerungsrecht<br />
Gebrauch macht. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Zeugin<br />
lediglich informatorisch befragt wird. § 252 StPO gilt auch für nicht<br />
förmliche Anhörungen und auch dann, wenn über diese Anhörung kein<br />
Vermerk getätigt wird.<br />
Schwere Verstöße<br />
BVerfG, Beschluss vom 12.04.2005 - 2 BvR 1027/02 = NJW 2005,<br />
1917 = AnwBl 2005, 578 L = BRAK-Mitt 2005, 186 L = StV 2005, 363 =<br />
wistra 2005, 295<br />
Zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen<br />
Verfahrensverstößen ist ein Beweisverwertungsverbot als Folge einer<br />
fehlerhaften Durchsuchung und Beschlagnahme von Datenträgern und<br />
darauf vorhandenen Daten geboten.<br />
5. Der Verteidiger<br />
5.1. Pflichtverteidiger<br />
Auch wenn die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hat, liegen die<br />
Voraussetzungen für eine Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht<br />
vor, wenn die Sach- und Rechtslage einfach ist.<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.05.05, 2 Ws 121/05 = DAR 2005,<br />
573 = SVR 2005, 393<br />
Eine Pflichtverteidigung wegen Schwierigkeit der Sach- und<br />
Rechtslage ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Angeklagte<br />
erstinstanzlich wegen eines unkomplizierten Verkehrsvorganges einer<br />
Nötigung für schuldig befunden wurde. Die Sachlage wird auch nicht<br />
kompliziert, wenn in 2. Instanz ein Sachverständiger hinzugezogen<br />
wird. Gründe für eine Beiordnung können sein: Fragen der<br />
Fahrerlaubnisentziehung und Sperrfrist; Berufung der<br />
Staatsanwaltschaft; Rechtsanwalt als Nebenklägervertreter;<br />
Notwendigkeit einer Akteneinsicht zur Verteidigung; Verfahren gegen<br />
Jugendliche und Heranwachsende.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 01.03.2005, 4 Ws 85/05 = SVR 2005, 437<br />
5.2. Ladung des Verteidigers,<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 30 von 121<br />
Kommentar [WF7]: Z 7
OLG München Beschluss vom 31.03.2005, 4 St RR 41/05 = zfs 2005,<br />
467 = NZV 2006, 48<br />
Ein Verteidiger der rechtzeitig vor dem Termin sein Mandat angezeigt<br />
hat, ist grundsätzlich auch dann zu laden, wenn er von dem Termin<br />
bereits Kenntnis hat. Ein auf diesen Umstand gestützter<br />
Aussetzungsantrag, muss in der Hauptverhandlung Erfolg haben. Wird<br />
hiergegen verstoßen, liegt eine unzulässige Beschränkung der<br />
Verteidigung vor. Ein Verteidiger ist auch dann zu laden, wenn er von<br />
dem Termin Kenntnis hat.<br />
Vollmacht § 137StPO<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 17.01.2005, 2 Ws 7/05 = VRS 108, 266<br />
Die Wirksamkeit der Einlegung eines Rechtsmittels durch einen<br />
Verteidiger setzt nicht voraus, dass dieser seine Befugnis hierzu<br />
gleichzeitig durch eine Vollmacht nachweist. Dies gilt auch, wenn der<br />
Angeklagte in erster Instanz nicht von einem Anwalt verteidigt war. 1<br />
Zum Nachweis der Berechtigung genügt dabei in der Regel, dass der<br />
Verteidiger seine rechtzeitige Bevollmächtigung gegenüber dem<br />
Gericht versichert, ohne das es bei einer rechtzeitigen Ermächtigung<br />
des Verteidiger darauf ankommt, wann eine zum Nachweis seiner<br />
Bevollmächtigung dienende Vollmachtsurkunde ausgestellt wurde.<br />
6. Beschränkung von Rechtsmitteln<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 25.05.2005, 2 Ss 207/05 = VRS 309,122<br />
Die Beschränkung der Berufung allein auf das Fahrverbot ist<br />
unzulässig. Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen<br />
unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 50<br />
Tagessätzen verurteilt und ein Fahrverbot von 3 Monaten verhängt.<br />
Das Landgericht verwarf die auf das Fahrverbot beschränkte Berufung.<br />
Auf die Revision hob das Oberlandesgericht das Urteil auf. Die<br />
Berufung allein auf das Fahrverbot ist in diesem Falle unzulässig, da<br />
zwischen der Höhe der Hauptstrafe und der Nebenstrafe eine<br />
Wechselwirkung besteht. Beide Sanktionen verfolgen überwiegend<br />
den identischen Strafzweck.<br />
Die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung beurteilt sich nach<br />
der sogenannten Trennbarkeitstheorie. Danach ist eine Beschränkung<br />
1 So auch BGH St 36, 259<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 31 von 121
nur möglich, wenn sie sich auf solche Urteilsteile erstreckt, die<br />
losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt nach dem inneren Zusammenhang<br />
rechtlicht und tatsächlich selbständig geprüft und beurteilt werden<br />
können, ohne das eine Entscheidung eine Prüfung der Entscheidung<br />
im übrigen erforderlich ist. Seiner Rechtsnatur ist das Fahrverbot eine<br />
Nebenstrafe, wobei Haupt- und Nebenstrafe in einem inneren<br />
Abhängigkeitsverhältnis stehen. Die Verhängung des Fahrverbots<br />
setzt die Feststellung voraus, das die Hauptstrafe alleine zur<br />
Erreichung des Strafzwecks nicht ausreicht. Wegen diesen inneren<br />
Zusammenhanges ist eine Beschränkung eines Rechtsmittel auf den<br />
Ausspruch eines Fahrverbots nicht wirksam. Eine Abhängigkeit vom<br />
Schuldspruch ist indes nicht gegeben.<br />
Thüringisches OLG, Beschluss vom 25.05.2005, 1 Ss 244/04 = NZV<br />
2006, 167<br />
Beschränkung der Berufung<br />
Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist<br />
unwirksam, wenn das Amtsgericht in den Feststellungen zum<br />
Schuldspruch ein nicht allgemein verständliches Tatbestandsmerkmal<br />
verwendet, ohne dieses durch entsprechende Tatsachenfeststellungen<br />
auszufüllen.<br />
OLG Köln, Beschluss vom 22.07.2005, 82 Ss 6/05 = VRS 109, 277<br />
Beschränkung der Berufung auf die Dauer der Sperre<br />
Die Beschränkung der Berufung auf die isolierte Sperre ist in der Regel<br />
unwirksam, denn die der Strafzumessung zugrunde liegenden<br />
Tatsachen bieten zugleich auch eine wesentliche<br />
Entscheidungsgrundlage für die Anordnung und Dauer der Sperre. In<br />
einem solchen Fall kann das Landgericht davon ausgehen, dass die<br />
Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch insgesamt beschränkt wird.<br />
In solchen Fällen liegt allerdings ein voller Erfolg des Rechtsmittels<br />
vor, wenn der Beschwerdeführer das von ihm erklärte angestrebte<br />
beschränkte Ziel im Ergebnis auch erreicht.<br />
KG, Beschluss vom 13.06.2005, 3 Ws 372/05 = VRS 109, 278<br />
7. Reformatio in peius<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.07.2005, 1 Ss 60/05 = DAR 2005,<br />
645 = VRS 109, 171<br />
Der Tatrichter ist durch das Verbot der reformatio in peius<br />
grundsätzlich nicht daran gehindert, die Geldstrafe angemessen<br />
aufzustocken, wenn ein gleichzeitig verhängtes Fahrverbot entfällt.<br />
Eine Erhöhung der Anzahl der Tagessätze ist jedoch unzulässig, da<br />
sich bei der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe auch die Dauer der<br />
Ersatzfreiheitsstrafe erhöhen würde. Eine Freiheitsstrafe ist<br />
unabhängig von ihrer Dauer gegenüber der Geldstrafe und einem<br />
Fahrverbot immer die schwerere Sanktion. Dagegen kann der<br />
Tagessatz erhöht werden. Dies gilt insbesondere, wenn das<br />
Fahrverbot für den Angeklagten eine ökonomische Bedeutung hat.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 32 von 121
Dabei darf nach wirtschaftlicher Betrachtung die neue Sanktion die<br />
ursprüngliche Sanktion jedoch nicht übersteigen.<br />
Formalitäten der Revision<br />
Wird ein Rechtsmittel zum Protokoll der Geschäftstelle begründet,<br />
muss sich der Urkundsbeamte an der Anfertigung der<br />
Rechtsmittelbegründung gestaltend beteiligen und Verantwortung für<br />
den Inhalt übernehmen. Die Begründung ist unzulässig, wenn sich der<br />
Urkundsbeamte den Inhalt des Protokolls vom Betroffenen bzw.<br />
Angeklagten diktieren lässt.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 29.08.2005, 2 Ss Owi 606/05 = VRS 109,<br />
361<br />
Revisionsschrift<br />
Unterzeichnet ein Rechtsanwalt für einen anderen Verteidiger die von<br />
diesem verfasste Rechtsmittelrechtfertigung mit dem Zusatz „für<br />
Rechtsanwalt XY“ so ist gleichwohl davon auszugehen, dass er sich<br />
deren Inhalt zu eigen gemacht und dafür aufgrund eigener Prüfung die<br />
Verantwortung übernommen hat. Die Revision ist dann nicht im Zweifel<br />
zu verwerfen.<br />
OLG Köln, Beschluss vom 24.01.2006, 83 Ss – Owi 68/05 = DAR<br />
2006, 228<br />
Die Wahl des Rechtsmittels kann nur bis zum Ende der<br />
Rechtsmittelbegründungsfrist erfolgen. Eine nach Ablauf der<br />
Revisionsbegründungsfrist eingegangene Erklärung, dass das<br />
Rechtsmittel als Revision durchgeführt werden soll ist unwirksam. In<br />
einem solchen Fall ist das Rechtsmittel der Berufung durchzuführen.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 11.08.2005, 4 Ss 308/05<br />
8. Revisionsgründe<br />
8.1. Beschränkung der Verteidigung, Akteneinsicht<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 25.05.2005, 2 Ss OWi 261/05 = VRS 109,<br />
114<br />
Die Verweigerung der Akteneinsicht kann zu einer Beschränkung der<br />
Verteidigung führen. Voraussetzung ist jedoch, dass in der<br />
notwendigen Verfahrensrüge die konkret – kausale Beziehung<br />
zwischen dem Verfahrensfehler und einem für die Entscheidung<br />
wesentliche Punkt dargelegt wird.<br />
Hierzu gehört, dass nach Einsichtnahme in die Aktenbestandteile, die<br />
in der Verhandlung vorenthalten wurden, ein konkretes Ergebnis für<br />
den Fall vorheriger vollständiger Akteneinsicht vorgetragen wird. Dies<br />
kann auch ein Antrag auf Unterbrechung oder Aussetzung der<br />
Verhandlung sein, der dann durch einen Gerichtsbeschluss abgelehnt<br />
wird. Nur in einem solchen Fall kann der Revisionsgrund des § 338 Nr.<br />
1 in Verbindung mit § 79 OWiG geltend gemacht werden.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 33 von 121
8.2. Faires Verfahren<br />
EGMR, Beschluss vom 31.3.2005, 62116/00<br />
Einem Angeklagten und seinem Verteidiger muss ausreichend Zeit für<br />
die Vorbereitung einer Hauptverhandlung verbleiben. Diese Zeit ist<br />
nicht abstrakt bestimmbar. Dabei darf nicht erwartet werden, dass ein<br />
Rechtsanwalt sein gesamtes Arbeitsprogramm so umstellt, dass er<br />
seine gesamte Zeit nur für einen einzigen Fall zur Verfügung stellen<br />
kann. Es ist jedoch unter Umständen zu erwarten, dass ein<br />
verteidigender Rechtsanwalt eine besondere Dringlichkeit bei seiner<br />
Arbeitsorganisation beachtet.<br />
9. Anerkenntnis am Adhäsionsverfahren<br />
Gem. § 406 StPO ist im Adhäsionsverfahren ein Anerkenntnisurteil<br />
zulässig.<br />
BGH, Beschluss vom 30.06.2005, 1 StR 176/05 = DAR 2006, 285 =<br />
StraFo 2005, 381<br />
10. Persönliches Erscheinen in der Hauptverhandlung<br />
(Strafbefehl)<br />
OLG Dresden, Beschluss vom 24.02.2005, 2 Ss 113/05<br />
Nach Erlass eines Strafbefehls kann der Angeklagte sich auch dann<br />
von einem mit einer Vollmachtsurkunde versehenen Vertreter vertreten<br />
lassen, wenn das persönliche Erscheinen angeordnet ist. Wird der<br />
Einspruch gleichwohl verworfen, liegt ein Verfahrensmangel vor, der<br />
zur Aufhebung des Urteils führen muss.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 34 von 121
V. StGB – allgemeiner Teil<br />
Führen eines Fahrzeuges<br />
Das Gericht hat lediglich festgestellt, dass der Betroffene im<br />
alkoholisierten Zustand versucht hat, einen Pkw, der sich im<br />
Waldboden festgefahren hatte, frei zu fahren. Dabei hat der Betroffene<br />
die Bedienungselemente des Fahrzeuges genutzt, das Fahrzeug habe<br />
sich bewegt, die Räder sind durchgedreht. Ein solches Freikommen ist<br />
kein Führen eines Kraftfahrzeuges. Dies gilt auch bei minimaler<br />
Fortbewegung, sofern das Fahrzeug nicht von seinem Standort<br />
fortbewegt werden kann. 1<br />
OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.12.2005, 2 Ss (Owi) 266 B/05 =<br />
DAR 2006, 219<br />
Führen eines Fahrzeuges setzt voraus, dass das Fahrzeug willentlich<br />
in Bewegung gesetzt wird. Führen liegt nicht vor, wenn jemand sein<br />
Fahrzeug abstellt, dabei vergisst die Handbremse einzulegen,<br />
woraufhin sich das Fahrzeug von alleine in Bewegung setzt.<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.09.2005, 1 Ss 92/05 = VRS 110,<br />
271 = NZV 2006, 441 = VRR 2006, 148<br />
1. Fahrverbot<br />
Auch bei einer Verurteilung wegen § 315c StGB kann von einem<br />
Fahrverbot abgesehen werden. Der Angeklagte wurde zu einer<br />
Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt. Für die Anordnung eines<br />
Fahrverbotes gelten im Hinblick auf seinen Strafcharakter die<br />
allgemeinen Strafzumessungsregeln. Das Fahrverbot ist vorwiegend<br />
als spezialpräventive Besinnungsstrafe für nachlässige oder<br />
leichtsinnige Kraftfahrer gedacht und soll den Täter vor einem Rückfall<br />
warnen. Ein Fahrverbot ist somit auszusprechen, wenn der Strafzweck<br />
allein durch die Strafe nicht erreicht werden kann.<br />
Die Tatzeit liegt gut ein Jahr zurück, der Angeklagte ist<br />
zwischenzeitlich nicht auffällig geworden. Er ist durch das anhängige<br />
Verfahren hinreichend beeindruckt.<br />
LG München I, Urteil vom 11.02.2004, 26 Ns 497 Js 109227/03 = NZV<br />
2005, 56<br />
1 So auch OLG Karlsruhe VRS 83, 425<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 35 von 121
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen unerlaubten Entfernens<br />
vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 18,- €<br />
verurteilt und ein Fahrverbot von zwei Monaten angeordnet. Die<br />
Revision hatte insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des Fahrverbots<br />
führt.<br />
Im vorliegenden Fall ist die Beschränkung der Berufung auf das<br />
Fahrverbot nicht möglich, weil dieser Ausspruch mit dem<br />
Strafausspruch insgesamt untrennbar verknüpft ist. Selbst wenn dem<br />
Betroffenen mit dem unerlaubten Entfernen eine Verletzung der Pflicht<br />
eines Kraftfahrzeugsführers vorgeworfen wird, darf das Fahrverbot als<br />
Nebenstrafe nur verhängt werden, wenn feststeht, dass der mit ihm<br />
angestrebte spezialpräventive Zweck mit der Auflage allein nicht zu<br />
erreicht ist. Das Gericht muss daher prüfen, ob nicht Geldstrafe allein<br />
oder eine angemessen Erhöhung der Geldstrafe ausreichend ist, um<br />
der Warnfunktion für den Kraftfahrer Genüge zu tun.<br />
OLG Köln, Beschluss vom 18.11.2005, 82 Ss 57/05 = VRS 109, 338<br />
Keine Erhöhung der Geldstrafe bei Wegfall des Fahrverbot<br />
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen Nötigung zu einer<br />
Geldstrafe von 30 Tagessätzen und verbot ihm für die Dauer von<br />
einem Monat im öffentlichen Straßenverkehr Fahrzeuge zu führen.<br />
Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht das Urteil<br />
abgeändert und den Angeklagten wegen Nötigung zu einer Geldstrafe<br />
von 30 Tagessätzen zu je 50, - € verurteilt und das Fahrverbot<br />
entfallen lassen. Das Rechtsmittel hatte vorläufigen Erfolg.<br />
Fahrverbot nach § 44 StGB soll bei schuldhaft begangenen<br />
Verkehrsverstößen, die noch nicht die mangelnde Eignung des Täters<br />
ergeben (somit keine Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB)<br />
wobei allerdings die spezialpräventive Einwirkung auf den Täter im<br />
Vordergrund steht. Das Fahrverbot ist die einzige Nebenstrafe, die das<br />
Gesetz kennt. So dass in einem unmittelbaren Zusammenhang mit<br />
dem gesamten Strafausspruch zu werten ist. Voraussetzung für die<br />
Anordnung des Fahrverbots ist, dass der angestrebte<br />
spezialpräventive Zweck mit der Hauptstrafe alleine nicht zu erreichen<br />
ist.<br />
Das Landgericht hat angenommen, dass durch eine Erhöhung des<br />
Tagessatzes von 35,- € auf 50,- € der spezialpräventive Zweck erreicht<br />
werden könne.<br />
Anders als im <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>recht besteht im Strafrecht<br />
eine prozessuale Grenze für die Erhöhung der Geldstrafe zur<br />
Kompensation eines an sich angemessenen Fahrverbots. Das Gericht<br />
hat hierbei zum einen die reformatio in peius zu beachten, zum<br />
anderen die Bestimmung des § 40 Abs. 2 StGB. Eine Erhöhung der<br />
Tagessatzanzahl scheidet aus. Eine Anhebung des einzelnen<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 36 von 121
Tagessatzes ist zwar mit § 331 Abs. 1 StPO vereinbar, sofern ein<br />
Gesamtvergleich des früheren und des neuen<br />
Rechtsfolgenausspruchs ergibt, dass der Angeklagte wirtschaftlich<br />
nicht schlechter gestellt wird. In sachlich-rechtlicher Hinsicht bleibt die<br />
Festsetzung der Tagessatzhöhe jedoch an der Bemessungsvorschrift<br />
des § 40 Abs. 2 StGB gebunden. Die Erhöhung des einzelnen<br />
Tagessatzes kommt nur in Betracht, wenn die Nichtanordnung des<br />
Fahrverbots zu einer nachhaltigen Verbesserung der wirtschaftlichen<br />
Situation des Angeklagten führt. Allein die Entlastung von<br />
Einkommenseinbußen reicht nicht aus. Der Rahmen des § 40 Abs. 2<br />
StGB darf nach oben nicht überschritten werden.<br />
OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.09.05, 3 Ss 135/05 = VRS 109, 340<br />
Der Betroffene wurde wegen Beleidigung und Sachbeschädigung zu<br />
einer Geldstrafe verurteilt. Außerdem wurde ein Fahrverbot von drei<br />
Monaten angeordnet. Die Berufung führte zu einer Ermäßigung des<br />
Tagesssatzes und des Fahrverbotes. Die Revision blieb im<br />
wesentlichen erfolglos, dass Fahrverbot entfiel aber.<br />
Dem Betroffenen war vorgeworfen worden, aus spontaner<br />
Verärgerung heraus einen Kratzer in den Pkw Ford Mondeo gemacht<br />
zu haben. Da der Betroffene nicht vorbestraft ist, die Tat zum Zeitpunkt<br />
der Entscheidung des OLG auch schon längere Zeit zurücklag, war<br />
nicht erkennbar, dass es zur besonderen spezialpräventiven<br />
Einwirkung auf den Betroffenen noch des Fahrverbots bedürfte. Ein<br />
Fahrverbot darf nur verhängt werden, wenn feststeht, dass der mit ihm<br />
angestrebte spezialpräventive Zweck mit der Hauptstrafe nicht erreicht<br />
werden kann. Gegebenenfalls muss das Gericht prüfen, ob<br />
gegebenenfalls eine Erhöhung der Geldstrafe die Warnfunktion auch<br />
insoweit erledigt.<br />
Über den Wegfall des Fahrverbotes kann das Gericht nach § 354 Abs.<br />
1 selbst entscheiden.<br />
OLG Köln, Beschluss vom 19.08.2005, 83 Ss 26/05 = DAR 2005, 697<br />
= VRS 109, 343<br />
Berufung und Fahrverbot<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 25.05.2005, 2 Ss 207/05 = VRS 309,122<br />
Eine Berufung kann nicht alleine auf das Fahrverbot beschränkt<br />
werden. Das Amtsgericht hatte dem Angeklagten wg. unerlaubten<br />
Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen<br />
verurteilt und ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Der<br />
Angeklagte hat hiergegen Berufung eingelegt und diese auf das<br />
Fahrverbot beschränkt.<br />
Eine Beschränkung der Berufung allein auf das Fahrverbot ist<br />
unzulässig. Zwischen der Höhe der Hauptstrafe und der Nebenstrafe<br />
des Fahrverbots besteht eine Wechselwirkung. Beide Sanktionen<br />
verfolgen einen überwiegend identischen Strafzweck, der mit<br />
unterschiedlichen Mitteln erreicht werden soll. Als Nebenstrafe soll das<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 37 von 121
Fahrverbot zusammen mit der Hauptstrafe diesem Zweck dienen und<br />
kommt in der Regel in Betracht, wenn der mit ihm angestrebte<br />
spezialpräventive Zweck mit der Hauptstrafe allein nicht erreicht<br />
werden kann und die Verhängung eines Fahrverbots deshalb<br />
erforderlich wird. Ein Berufungsurteil muss aufgehoben werden, wenn<br />
auf Grund einer unwirksamen Beschränkung der Berufungskammer<br />
sich dieser Wechselwirkung nicht bewusst war.<br />
1.1. Zeitablauf<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 15.03.2005, 4 Ss 54/04 = VRS 109, 19<br />
Das Fahrverbot nach § 44 StGB ist als Denkzettel für nachlässige und<br />
leichtsinnige Kraftfahrer vorgesehen, um den Täter vor einem Rückfall<br />
zu warnen und ihm ein Gefühl für den zeitweisen Verlust des<br />
Führerscheins und den Verzicht auf die aktive Teilnahme am<br />
Straßenverkehr zu vermitteln. Diese Warnungs- und Besinnungsgebot<br />
kann das Fahrverbot – auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter –<br />
nur dann erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen Zeitabstand<br />
zwischen Tat und Urteil für den Täter auswirkt. Die Verhängung, die<br />
sich nach allgemeinen Zumessungserwägungen richtet, kommt<br />
jedenfalls für sehr lange zurückliegenden Taten nicht mehr in Betracht.<br />
So ist es im vorliegenden Fall, nach dem zwischen Tat und<br />
Berufungsurteil mehr als zwei Jahre liegen.<br />
1.2. Fahrverbot bei allgemeiner Straftat<br />
LG Karlsruhe, Beschluss vom 04.07.2005, 1 Ss 60/05 = VRS 109, 171<br />
Tätliche Übergriffe im Straßenverkehr bedürfen in der Regel einer<br />
nachdrückliche Sanktion auch in Form eines Fahrverbots. Solche<br />
Tätlichkeiten im Zusammenhang mit dem Führen eines<br />
Kraftfahrzeuges weisen nämlich auf eine äußerst bedenkliche<br />
Fehlentwicklung des Angeklagten hin.<br />
1.3. Fahrzeugarten<br />
AG Lüdinghausen, Urteil vom 14.06.05, 16 Cs 81 Js 583/05 – 67/05 =<br />
NZV 2005, 593 = BA 2006, 160<br />
Geldtransportfahrzeuge sind eine Fahrzeugart im Sinne von § 44<br />
StGB.<br />
2.Entziehung der Fahrerlaubnis, § 69 StGB<br />
2.1 Entscheidung des Großen Strafsenats<br />
BGH Beschluss vom 27.04.2005, GSSt 2/04,= SVR 2005, 272 = zfs<br />
2005, 464 = StV 2005, 311 = StV 2005, 551 = DAR 2005, 452 = NZV<br />
2005, 486 = Mitt.Bl. 2005, 60 = BA 2005, 311<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 38 von 121
Die Entziehung der Fahrerlaubnis kommt bei „Zusammenhangtaten“<br />
nur in Betracht, wenn durch die Tat die Verkehrssicherheit gefährdet<br />
wird. Dies kann sich aus der Vorbereitung der Tat, der Ausführung<br />
oder auch aus früherem Verhalten des Täters ergeben.<br />
2.2. Sexualstraftat<br />
BGH, Beschluss vom 19.09.2005, 1 StR 296/05<br />
Die Fahrerlaubnis kann entzogen werden, wenn die Anlasstat mit einer<br />
Ablenkung der Aufmerksamkeit des Fahrers verbunden war. Im<br />
vorliegenden Fall hat der Betroffene ein später sexuell belästigtes<br />
Mädchen und einen – ungesichert mitfahrenden Hund – gezwungen in<br />
das Fahrzeug einzusteigen. Während der Fahrt nahm er sexuelle<br />
Handlungen an dem Mädchen vor.<br />
Dagegen kein Fall der Entziehung der Fahrerlaubnis:<br />
Der Täter fährt zum Tatort, um einen Betrug zu begehen oder einen<br />
Raub 1 .<br />
Auch nicht, wenn der Täter mit List den Opfer an einen abgelegenen<br />
Ort bringt, um dort eine Sexualstraftat zu begehen. 2 Nicht bei<br />
Begehung einer Hehlereitat. 3 Und auch nicht in so genannten<br />
Kurierfällen. 4 Auch nicht wenn besonders präparierte Verstecke im<br />
Auto benutzt werden. 5<br />
Hinweis zum Verfahren:<br />
Der Richter hat von sich aus eigene Sachkunde, um die charakterliche<br />
Eignung zu beurteilen. Beweisanträge, die auf die Hinzuziehung eines<br />
Sachverständigen zu dieser Frage zielen, gehen in der Regel ins<br />
Leere.<br />
Sexualstraftat und § 69<br />
BGH, Beschluss vom 21.06.05,4 StR 28/05 = DAR 2005, 520 = NZV<br />
2005, 589 = BA 2006, 483<br />
1 BGH, Beschluss vom 13.07.2005, 1 StR 153/05<br />
2 BGH NJW 2005, 2933<br />
3 Beschluss vom 09.12.2005, 2 StR 235/05<br />
4 BGHHRRS 2005, 905<br />
5 BGH Strafverteidiger 2006, 186<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 39 von 121
Verbringt der Täter das Tatopfer unter Anwendung einer List in seinem<br />
Fahrzeug zu einem abgelegenen Ort und dort eine Sexualstraftat zu<br />
begehen, so erweist er sich allein dadurch noch nicht als ungeeignet<br />
zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne von § 69 Abs. 1 S. 1 StGB.<br />
BtM<br />
BGH, Beschluss vom 19.09.2005, 1 StR 274/05<br />
Eine Entziehung der Fahrerlaubnis kommt wegen eines Verstoßes<br />
gegen das BtMG nicht in Betracht.<br />
Sachbeschädigung<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.09.2005, 1 Ws 169/05 = NZV 2005,<br />
590 = VRS 109, 272 = DAR 2005, 695 = BA 2006, 484<br />
Der Angeklagte ist vom Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von 2<br />
Jahren und 8 Monaten verurteilt wurden. Ihm wurde eine<br />
Sachbeschädigung in 96 Fällen vorgeworfen. Er soll in der Zeit von<br />
1999 bis Februar 2002 in 11 Fällen Reifen abgestellter Kraftfahrzeuge<br />
durchstochen haben, wobei er sich in 9 Fällen zu den einzelnen<br />
Tatorten mit dem PKW begeben hat. Er hat den Antrag gestellt, die mit<br />
Beschluss vom 22.09.2003 angeordnete vorläufige Entziehung der<br />
Fahrerlaubnis aufzuheben. Dies hat die Strafkammer, bei der das<br />
Berufungsverfahren anhängig ist, mit Beschluss vom 27.07.2005<br />
abgelehnt. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.<br />
Der Begriff des Zusammenhangs im § 69 StGB ist weit gefasst. Es<br />
kommt nicht darauf an, ob die Fahrt vor, während oder nach der Tat<br />
unternommen wurde. Wesentlich ist, dass das Führen des<br />
Kraftfahrzeuges dem Täter für die Vorbereitung oder Durchführung der<br />
Straftat oder anschließend für ihre Ausnutzung oder Verdeckung<br />
dienlich sein sollte. Dies gilt auch bei Einwirkung von außen auf den<br />
Verkehr.<br />
Aus einer solchen Anlasstat kann die charakterliche Ungeeignetheit<br />
aber nur hergeleitet werden, wenn dabei konkrete Anhaltspunkte auf<br />
eine mögliche Gefährdung des Straßenverkehrs ersichtlich sind. Der<br />
Schutzzweck der Norm besteht darin, die Allgemeinheit vor<br />
Kraftfahrzeugführern zu schützen, die für andere Verkehrsteilnehmer<br />
eine Gefahr darstellen. Lassen sich dagegen nur Hinweise aus der<br />
Straftat entnehmen, dass der Täter zu Aggression, Rücksichtslosigkeit<br />
oder allgemein zu Missachtung gesetzlicher Vorschriften neigt, ohne<br />
das dies Auswirkungen auf die Fahrsicherheit hat, ist es allein Aufgabe<br />
der Verwaltungsbehörde zu prüfen, ob Anlass besteht, Maßnahmen<br />
nach der FeV zu ergreifen. Da der Angeklagte vorwiegend<br />
Stechwerkzeuge mit kleinem Durchmesser benutzt hat, führte dies zu<br />
einem langsamen Entweichen der Luft und damit zu unkontrollierten<br />
Ausbrüchen der Fahrzeuge während einer späteren Fahrt. Dies hätte<br />
zu schwersten Unfällen führen können.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 40 von 121
2.3. Bedeutender Schaden<br />
2.3.1. Verfahrensdauer und bedeutender Schaden<br />
AG Lüdinghausen, Urteil vom 10.02.2005, 16 Cs 824 Js 441/04 –<br />
130/04 = VRR 2005, 116<br />
Ab einer Zeit von 18 Monaten seit Tat erscheint die Verhängung eines<br />
Fahrverbotes nicht mehr angemessen. Die Grenze für einen nicht<br />
bedeutenden Schaden im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist bei<br />
1.300 Euro noch nicht erreicht.<br />
2.3.2.Bedeutender Schaden<br />
OLG Thüringen, Beschluss vom 14.02.2005, 1 Ss 19/05 = StV 2005,<br />
336 = NZV 2005, 434 = NStZ-RR 183. 1<br />
Bedeutender Schaden an fremden Sachen ist bei einer Schadenhöhe<br />
von 1.300,- € anzunehmen.<br />
Bedeutender Schaden<br />
Der bedeutende Schaden beginnt bei einer Wertgrenze vom 1.300,00<br />
€.<br />
LG Berlin, Beschluss vom 29.04.05, 516 Qs 85/05 = DAR 2005, 467<br />
Die Wertgrenze für einen bedeutenden Schaden liegt bei 1.300,00 €.<br />
Der Schaden an mehreren Sachen ist zusammenzuzählen.<br />
LG Berlin, Beschluss vom 17.03.2005, 501 Qs 50/05 = VRS 109, 274<br />
Die Grenze des bedeutenden Schadens liegt bei 1.300,00 €. Ein nicht<br />
bedeutender Schaden liegt auch dann vor (Grenze 1.300,- €), wenn<br />
ein Gutachten vorliegt, das ein Reparaturaufwand von 2.391,- €<br />
bescheinigt, sich die Parteien aber auf eine Entschädigung in der Höhe<br />
von 1.200,- € geeinigt haben.<br />
LG Paderborn, Beschluss vom 05.09.2005, 1 Qs 118/05 = DAR 2006,<br />
290 = zfs 2006, 112 = VRS 109, 344<br />
§ 142 StGB, Vorsatz, vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis<br />
1 Ebenso LG Berlin, Beschluss vom 17.03.2005, 516 Qs 59/05 = NZV 2005, 434=<br />
VRS 108, 426: „In solchen Fällen liegt es eher fern, dass die Fahrerlaubnis entzogen<br />
wird, ein Anlass für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis besteht daher<br />
nicht.“<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 41 von 121
LG Hildesheim, Beschluss vom 13.04.2005, 1 Qs 8/05 = Mitt.Bl. 2005,<br />
78<br />
Zwar besteht der dringende Tatverdacht hinsichtlich des Entfernens<br />
vom Unfallort. Auch ein bedeutender Reparaturschaden ist in Höhe<br />
von 1.913,19 € entstanden bei einer Wertminderung von 200,- €.<br />
Weitere Voraussetzungen für die vorläufige Entziehung der<br />
Fahrerlaubnis ist aber, dass der Beschuldigte Kenntnis von dem<br />
Schaden und dessen Bedeutsamkeit hatte oder zumindest haben<br />
konnte. Insoweit ist eine betragsmäßige Wertung durch den Täter<br />
erforderlich. Zwar gab es nach den Angaben von Zeugen einen<br />
erheblichen Knall, sodass der Beschuldigte vom Eintritt eines<br />
Schadens ausgehen müsste. Zweifelhaft ist aber, ob der Beschuldigte<br />
auch erkennen konnte, dass einen erheblichen Schaden entstanden<br />
ist. Der Polizeibeamte, der den Unfall aufgenommen hat, hat den<br />
Schaden auf 300,- € geschätzt. Dass der Beschuldigte weiterreichende<br />
Erkenntnismöglichkeiten hatte, ist nicht dargelegt.<br />
2.3.3. Bedeutender Schaden und Entschädigung für die<br />
Entziehung<br />
Der bedeutende Schaden liegt erst an 1300,00 € vor.<br />
Zur Berechnung des bedeutenden Schaden für Fälle des § 142 StGB<br />
ist die Vermögensverminderung des Geschädigten als direkte Folge<br />
des Unfalls heranzuziehen: Reparaturkosten, Abschlepp- und<br />
Bergungskosten, Umsatzsteuer sowie ein merkantiler Minderwert.<br />
Aber auch in diesen Fällen – selbst wenn ein Fahrverbot von einem<br />
Monat angeordnet wird – liegen dringende Gründe im Sinne von §<br />
111a StPO für die Annahme einer endgültigen Entziehung der<br />
Fahrerlaubnis nicht vor. Aus diesen Gründen ist auch, wenn ein<br />
Fahrverbot verhängt wird, ein Angeklagter gem. § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr.<br />
5 StrEG zu entschädigen, soweit die Zeit der Sicherstellung des<br />
Führerscheins das angeordnete Fahrverbot von einem Monat<br />
übersteigt.<br />
OLG Dresden, Beschluss vom 12.05.2005, 2 Ss 278/05 = SVR 2005,<br />
439 = NZV 2006, 104 = VRS 109, 20 = StV 2005, 443 = DAR 2005,<br />
459<br />
Die Grenze für einen bedeutenden Schaden ist bei 1.300,- €<br />
anzunehmen. Ist die Reparatur nicht durchgeführt, bemesst sich der<br />
Schaden alleine nach dem Nettobetrag laut Kostenvoranschlag.<br />
Ereignet sich ein Verkehrsunfall im fliesenden Verkehr und ermöglicht<br />
ein Beschuldigter die erforderlichen Feststellungen innerhalb von 24<br />
Stunden nachträglich, so begründet dies in analoger Wertung des §<br />
142 Abs. 4 StGB eine Ausnahme von der Regel der Entziehung der<br />
Fahrerlaubnis.<br />
LG Gera, Beschluss vom 22.09.2005, 1 Qs 359/05 = NZV 2006, 105 =<br />
DAR 2006, 107<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 42 von 121
Trunkenheit, Entzug der Fahrerlaubnis<br />
AG Bensheim, Urteil vom 04.04.2006, 8220 Js 22570/05 5 Ds VIII =<br />
zfs 2006, 527<br />
Der Angeklagte wurde wegen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316<br />
StGB (eine Stunde nach dem Vorfall, 0,85 ‰ BAK zu einer Geldstrafe<br />
von 40 Tagessätzen verurteilt. Von einer Entziehung der Fahrerlaubnis<br />
wurde abgesehen.<br />
Der Angeklagte hatte seit 15 Monaten ohne weitere Beanstandung am<br />
Straßenverkehr teilgenommen. Von daher kann nicht mehr gesagt<br />
werden, dass der Angeklagte noch ungeeignet zum Führen eines<br />
Kraftfahrzeuges ist.<br />
2.3.4. Zweifel bezüglich der Eignung<br />
AG Waldbröl, Urteil vom 17.05.05, 4 Ds 864/04-666 Js 321/04 = SVR<br />
2005, 315<br />
Kann die Frage, ob der Angeklagte lange Zeit nach der Tat noch<br />
ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, nicht abschließend<br />
geklärt werden, so ist im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten hiervon<br />
auszugehen. Einer vollständigen Klärung der Frage bedarf es nicht.<br />
2.3.5. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Beschränkung des<br />
Rechtsmittels auf die Entziehung der Fahrerlaubnis<br />
OLG Dresden, Urteil vom 08.07.2005, 2 Ss 130/05 = VRS 109, 172 =<br />
NZV 2006, 168<br />
Das Amtsgericht hat den Angeklagten freigesprochen. Dieser hat sich<br />
nach einer Kollision mit seinem Fahrzeug und einer Straßenlaterne<br />
vom Unfallort entfernt. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass er<br />
in Folge Alkoholkonsums nicht in der Lage gewesen sei, ein Fahrzeug<br />
sicher zu führen, aber auf Grund einer Depression unter<br />
Medikamenteneinfluss stand und somit ohne Schuld handelte. Auf<br />
einen Entzug der Fahrerlaubnis hat es verzichtet.<br />
Die Berufung der Staatsanwaltschaft, beschränkt auf die Maßregeln<br />
nach § 69 StGB, war zulässig ebenso die Beschränkung die Revision,<br />
blieb jedoch ohne Erfolg. Das Rechtsmittel kann innerhalb des<br />
Rechtsfolgenausspruches auch allein auf die die Entziehung der<br />
Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB beschränkt werden. Eine solche<br />
Beschränkung ist immer dann möglich, wenn sich die Entscheidung<br />
über die Maßregel unabhängig von den übrigen<br />
Strafzumessungserwägungen beurteilen lässt. Dies wird von der<br />
überwiegenden Auffassung in der Rechtssprechung allerdings nur<br />
angenommen, wenn die Ungeeignetheit eines Angeklagten zum<br />
Führen von Kraftfahrzeugen auf körperlichen oder geistigen Mängeln<br />
beruht. Ist seine Ungeeignetheit dagegen ein Charaktermangel, so<br />
stehen Straf- und Maßregelausspruch nach dieser Auffassung in solch<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 43 von 121
einer engen gegenseitigen Abhängigkeit, dass sich ein Angriff gegen<br />
die Anordnung der Maßregel auch auf die Strafzumessung erstreckt.<br />
Trunkenheit<br />
BayObLG, Urteil vom 16.08.2004, 1 St RR 113/04 = NZV 2005, 592<br />
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger<br />
Trunkenheit zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen. Die<br />
Fahrerlaubnis wurde entzogen, der Führerschein eingezogen. Eine<br />
Sperrfrist von 9 Monaten wurde angeordnet, von der Sperre wurde der<br />
LKW mit dem amtlichen Kennzeichen XX werktags in der Zeit von<br />
07.00-17.00 Uhr ausgenommen. Hiergegen eingelegte Berufung der<br />
Staatsanwaltschaft wurde verworfen. Die Revision der<br />
Staatsanwaltschaft war erfolgreich: die Berufung konnte nicht wirksam<br />
auf die Zubilligung der Ausnahme von der Sperre beschränkt werden,<br />
weil zwischen der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Bemessung<br />
der Sperrfrist einerseits und den Überlegungen zur Bewilligung einer<br />
Ausnahme eine Wechselwirkung besteht, die eine losgelöste<br />
Beurteilung allein der letzt genannten Frage nicht ermöglicht.<br />
Auch der übrige Rechtsfolgenausspruch kann von der Anfechtung<br />
nicht ausgenommen werden, denn ein zu Ungunsten des Angeklagten<br />
eingelegte Rechtsmittel kann von vorneherein nicht wirksam auf die<br />
unterbliebene Entziehung der Fahrerlaubnis beschränkt werden.<br />
Gleiches gilt, wenn die Staatsanwaltschaft eine Verschärfung des<br />
Maßregelausspruches erstrebt. Deshalb ist es erforderlich, dass das<br />
Landgericht im Berufungsverfahren sowohl die Strafaussetzung als<br />
auch die Verhängung der Maßregel insgesamt überprüft. Allerdings ist<br />
es unzulässig, ein konkretes Fahrzeug für eine bestimmte Tageszeit<br />
aus der Sperre auszunehmen. Daran ändert dich nichts, selbst wenn<br />
die Maßnahme sinnvoll erscheint. Nach § 69a Abs. 2 StGB kann ein<br />
Gericht von der Sperre bestimmter Art dann von Kraftfahrzeugen<br />
ausnehmen.<br />
Richterliche Frist zu Prüfung, ob ein Ausnahmefall von § 69 Abs.<br />
2 StGB vorliegt<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.08.2004, 1 Ss 79/04 = BA 2005,<br />
381<br />
Liegt auch beim Vorliegen eines Regelfalles nach § 69 Abs. 2 StGB<br />
vor, hat der Tatrichter stets zu prüfen, ob ausnahmsweise von der<br />
Maßregel der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden kann,<br />
weil der Angeklagte zum Zeitpunkt der Urteilsfällung nicht mehr<br />
ungeeignet zum Führen eines Fahrzeuges ist. Dies kann der Fall sein,<br />
wenn es sich um einen Ersttäter handelt, seit der Tat ein erheblicher<br />
Zeitraum verstrichen ist, keine große Überschreitung des Grenzwertes<br />
von 1,1 Promille vorlag und die Fahrerlaubnis für längere Zeit vorläufig<br />
entzogen war und der Täter an einem anerkannten<br />
Nachschulungskurs teilgenommen hat.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 44 von 121
2.3.6. Verkehrspsychologische Beratung<br />
AG Görlitz, Urteil vom 14.12.2004, 4 Cs 150 Js 16976/04<br />
Hat ein Angeklagter nach einer Trunkenheitsfahrt freiwillig an einer<br />
verkehrspsychologischen Intensivberatung teilgenommen, die bei ihm<br />
glaubhaft und nachvollziehbar zu einem Umdenken bezüglich seiner<br />
Beziehung zum Konsum von Alkohol und Straßenverkehr geführt hat,<br />
kann dies dazu führen, dass von einer Entziehung der Fahrerlaubnis<br />
abgesehen wird.<br />
2.3.7. Verkehrstherapie<br />
AG Wesel, Urteil vom 07.12.04, 7 Cs 341 Js 1048/04 = SVR 2005, 351<br />
Eine vor der Hauptverhandlung durchgeführte Verkehrstherapie kann<br />
die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen<br />
beseitigen, auch wenn der Angeklagte mit einer<br />
Blutalkoholkonzentration von 1,87 Promille am Verkehr teilgenommen<br />
hat.<br />
Entziehung der Fahrerlaubnis - Beschwer<br />
BGH, Beschluss vom 11.10.2005, 4 StR 362/05<br />
Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung, die fehlerhaft die in einem<br />
anderen Urteil verhängte Entziehung der Fahrerlaubnis durch ein<br />
durch Anrechnung abgegoltenes Fahrverbot ersetzt, beschwert den<br />
Angeklagten nicht.<br />
Von der Entziehung der Fahrerlaubnis kann Abstand genommen<br />
werden, wenn der Angeklagte bereits durch die vorläufige Entziehung<br />
der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO als Taxifahrer einen erheblichen<br />
wirtschaftlichen Einbruch erlitten hat, seit der Tat mehr als sechs<br />
Monate vergangen sind, bislang noch nie strafrechtliche oder<br />
verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten war und seit fast zwanzig<br />
Jahren Inhaber einer Personenbeförderungsberechtigung ist.<br />
AG Halle, Beschluss vom 06.07.2005, 320 Cs 816 Js 2076/05<br />
2.3.7. Vorzeitige Aufhebung einer Sperre für die Erteilung einer<br />
Fahrerlaubnis<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 12.01.2005, 1 Ws 3/05 = VRS 108,361<br />
Die durch das Gericht angeordnete Sperre kann nur aufgehoben<br />
werden, wenn erhebliche neue Tatsachen vorliegen. Reiner Zeitablauf<br />
ist nicht ausreichend, ebenso dürfen wirtschaftliche Gesichtspunkte<br />
keine Rolle spielen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur<br />
möglich, wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen als Warnung einen<br />
Wandel bei dem Betroffenen bewirkt und den Eignungsmangel<br />
behoben haben.<br />
§ 69a Absatz 7 StGB<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 45 von 121
Die vorzeitige Aufhebung einer Sperrfrist kommt nicht in Betracht,<br />
wenn der Antragsteller in der Vergangenheit in ungewöhnlicher<br />
Häufung Gesetze missachtet hat und hiermit einen verfestigten<br />
Charaktermangel angenommen werden kann.<br />
KG, Beschluss vom 27.04.2004, 1 Ar 374/04 – 5 Ws 176/04<br />
Ein Kraftfahrer, der wegen einer Blutalkoholkonzentration von 1,6<br />
Promille oder mehr verurteilt wurde, ist nach gesicherten<br />
verkehrsmedizinischen und verkehrspsychologischen Erkenntnissen<br />
ein Gewohnheitstrinker. Dieser ist nur dann als wieder geeignet zum<br />
Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn er zu einem<br />
glaubhaften Entschluss zu dauerhafter, vollständiger Alkoholabstinenz<br />
gekommen ist und in der Lage ist, diesen Entschluss auch zu<br />
realisieren. Hierzu gehört die glaubhafte wenigstens sechsmonatige<br />
Abstinenz sowie zur Stabilisierung des Abstinenzentschlusses die<br />
Bereitschaft eine psychosoziale Beratungsstelle aufzusuchen und<br />
regelmäßig an Sitzungen einer Selbsthilfegruppe teilzunehmen.<br />
LG Flensburg, Beschluss vom 08.04.2005, II Qs 36/05 = DAR 2005,<br />
409<br />
Berechnung der Sperrfrist<br />
AG Lüdinghausen, Urteil vom 13.07.2004, 9 Ds 17 Js 528/04 –<br />
121/04 = BA 2005, 391<br />
Bei der Berechnung der Sperrfrist kann eine Fahrerlaubnis rechtlich<br />
irrelevante Sicherstellung eines ungültigen Führerscheins, dann analog<br />
§ 69 Abs. 4, Abs. 6 StGB, zu einer kürzeren Sperrfrist führen.<br />
Berechnung der Dauer der Sperrfrist<br />
AG Idstein, Beschluss vom 05.04.2004, 5 Ds – 5660 Js 23160/02 =<br />
NStZ–RR 2005, 89<br />
Die Sperre gemäß § 69a Absatz 5 Satz 1 StGB beginnt erst mit der<br />
aufgrund des verwerfenden Revisionsbeschluss eingetretenen<br />
Rechtskraft. § 69a Absatz 5 Satz 2 StGB regelt nur die Anrechnung<br />
der Dauer einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung<br />
der Fahrerlaubnis und ist auf den Fall der Anordnung einer isolierten<br />
Sperrfrist gemäß § 69a Absatz 1 Satz 3 StGB nicht entsprechend<br />
anwendbar.<br />
Zum einen spricht bereits der klare Wortlaut der eng auszulegenden<br />
Ausnahmevorschrift gegen eine solche entsprechende Anwendung.<br />
Zum anderen fehlt es am Vorliegen einer planwidrigen<br />
Regelungslücke, weil Anhaltspunkte dafür fehlen, dass der<br />
Gesetzgeber trotz Diskussion bereits über die frühere Regelung des §<br />
42n Absatz 5 Satz 2 StGB bei Einführung der jetzigen Regelung durch<br />
das zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom<br />
26.11.1964 die Anrechnungsproblematik bei der Verhängung einer<br />
isolierten Sperrfrist übersehen hat. Schließlich erfährt der Täter bei<br />
Anordnung einer isolierten Sperrfrist nicht ohne Weiteres eine der<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 46 von 121
vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis vergleichbare<br />
Beeinträchtigung.<br />
Verkürzung der Sperrfrist<br />
Die Teilnahme an einer verkehrstherapeutischen Schulung rechtfertigt<br />
eine Verkürzung der Sperrfrist. Dabei stehen solche für<br />
verkehrstherapeutischen Schulungen verwaltungsrechtlichen<br />
Aufbauseminaren im Sinne von § 69a StGB gleich. Der Tatrichter<br />
muss die Überzeugung gewinnen, dass durch eine solche Maßnahme<br />
der bestehende Eignungsmangel beseitigt wird.<br />
LG Münster, Beschluss vom 22.07.2005, 3 Qs 63/05 = zfs 2005, 623<br />
Eine Sperrfristverkürzung ist auch aufgrund einer in Österreich<br />
durchgeführten Nachschulung möglich.<br />
AG Eggenfelden, Beschluss vom 10.02.2005, 2 Cs 18 Js 19645/04 =<br />
NZV 2005, 545<br />
3. Einziehung<br />
3.1. Einziehung von Fahrzeugen<br />
BGH, Beschluss vom 13.07.2004, 3 StR 189/04 = NZV 2005, 328<br />
Anders als § 69 Abs. 1 StGB bedarf es zur Einziehung eines vom<br />
Angeklagten als Tatfahrzeug benutztes Kraftfahrzeug keines<br />
besonderen „verkehrsspezifischen Zusammenhangs“. § 74 Abs. 1<br />
StGB lässt es genügen, wenn das Kraftfahrzeug zur Tatbegehung<br />
gebraucht worden ist. Dies gilt auch in Fällen des Transports von<br />
Betäubungsmitteln.<br />
3.2. Wirkung der Einziehung<br />
BGH, Beschluss vom 02.06.2005. 3 StR 123/05<br />
Wird ein rechtskräftiges Urteil, in dem eine Einziehungsanordnung<br />
ausgesprochen wurde, in ein neues Urteil einbezogen, so bedarf es<br />
keine Aufrechterhaltung des Einbeziehungsentscheidung. Die<br />
Einziehung ist erledigt, sobald das Eigentum an dem betreffenden<br />
Gegenständen mit der Rechtskraft des einbezogenen Urteils nach<br />
§ 74e StGB auf den Staat übergeht<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 47 von 121
V. Straftatbestände<br />
Unfallflucht - Vorsatz<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 07.07.2005, 1 Ss 161/05 = VRS<br />
110, 15<br />
Nach § 142 StGB kann nur bestraft werden, wer vorsätzlich gehandelt<br />
hat, wobei bedingter Vorsatz genügt. Der Vorsatz nach § 142 StGB<br />
muss sich auf alle Merkmale des äußeren Tatbestandes erstrecken.<br />
Dazu gehört, dass der Täter weiß, dass es zu einem Unfall gekommen<br />
ist. Er muss erkannt oder wenigstens mit der Möglichkeit gerechnet<br />
haben, dass er einen Gegenstand angefahren, überfahren oder<br />
jemanden verletzt oder getötet hat und dass ein nicht völlig<br />
bedeutungsloser fremder Sachschaden entstanden ist. Es ist nicht<br />
ausreichend, dass er die Entstehung eines nicht unerheblichen<br />
Schadens hätte erkennen können und müssen.<br />
Zwar schließt das Nichterkennen eines Fremdschadens infolge<br />
nachlässiger Nachschau die Annahme bedingten Vorsatzes nicht aus.<br />
Es können nämlich Umstände (heftiger Anprall, Schaden am eigenen<br />
Fahrzeug) vorliegen, die beim Täter trotz eines solchen<br />
Nichterkennens die Vorstellung begründen, es sei möglicherweise ein<br />
nicht ganz unerheblicher Schaden entstanden. Derartige Umstände<br />
bedürfen jedoch eingehender Darlegung und Würdigung im Urteil, um<br />
dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die aus<br />
Ihnen gezogenen Schlussfolgerungen auf bedingten Vorsatz des<br />
Täters frei von Rechtsfehlern ist. Umstände, die nach der<br />
Lebenserfahrung einem durchschnittlichen Kraftfahrer die Vorstellung<br />
aufdrängen, dass es zu einem nicht unerheblichen Sachschaden<br />
gekommen sein könne, werden auch dem Tatrichter meist den Schluss<br />
erlauben, dass der betreffende Kraftfahrer sich diese Vorstellung<br />
gebildet habe. Die Überzeugung, dass der zur Verantwortung<br />
gezogene Kraftfahrer die genannte Vorstellung gebildet hat, muss aber<br />
der Tatrichter gewinnen.<br />
1. § 212 StGB, Versuchter Totschlag<br />
BGH, Beschluss vom 28.07.2005, 4 StR 109,05 = VD 2005, 247<br />
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen versuchten Totschlags<br />
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichem<br />
Eingriff in den Straßenverkehr, sowie tatmehrheitlich vorsätzlicher<br />
Straßenverkehrsgefährdung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von<br />
drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Der BGH beschränkt die<br />
Strafverfolgung auf die versuchte Tötung in Tateinheit mit gefährlicher<br />
Körperverletzung und gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und<br />
verhängt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten,<br />
entzieht die Fahrerlaubnis und ordnet eine Sperrfrist von vier Jahren<br />
an.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 48 von 121
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht eine versuchte Tötung<br />
angenommen. Eine solche kann stets angenommen werden, wenn ein<br />
PKW mit relativ hoher Geschwindigkeit ein mit ebenfalls hoher<br />
Geschwindigkeit fahrendes Krad rammt, dessen Fahrer nicht weiter<br />
geschützt ist.<br />
Fahrlässige Tötung - Ursachenzusammenhang<br />
Amtsgericht Berlin-Tiergarten, Urteil vom 24.08.2005, (295) 95 Js<br />
3374/03 Ls (32/04)<br />
Ein Lkw-Fahrer darf nicht darauf vertrauen, dass andere<br />
Verkehrsteilnehmer die Gefährlichkeit des „toten Winkels“ bei dem Lkw<br />
beim rechts abbiegen erkennen und deshalb auf ihr Vorrecht<br />
verzichten.<br />
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung<br />
verurteilt. Er war mit seinem Lkw nach rechts abgebogen, weil er<br />
davon ausging, dass Fußgänger Rotlicht haben, wenn er Grünlicht hat.<br />
Er fuhr mit ca. 20 km/h, erfasste dabei einen ebenfalls Grünlicht<br />
habenden Radfahrer, der verstarb. Das Amtsgericht war der<br />
Überzeugung, dass der Unfall bei dem Fahren mit einer<br />
Geschwindigkeit von 5 km/h zu vermeiden gewesen wäre.<br />
2. § 223 StGB, Körperverletzung<br />
2.1. Begriff der Misshandlung<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.03.2005, 1 Ss 4/05 = VRS 108, 427<br />
= DAR 2005, 350<br />
Das Gericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung<br />
zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt und ein<br />
einmonatiges Fahrverbot ausgesprochen. Der verletzte 12 Jährige<br />
Schüler erlitt bei einem Unfall eine zehn Zentimeter lange Hautrötung<br />
am Hals, als sein Sicherheitsgurt hieran entlang streifte. Auf die<br />
Revision wurde die Angeklagte freigesprochen.<br />
Eine körperliche Misshandlung im Sinne von § 232 StGB setzt eine<br />
üble und unangemessene Behandlung voraus, durch die das<br />
körperliche Wohlbefinden und die körperliche Unversehrtheit nicht<br />
unerheblich beeinträchtigt wird. Vorliegend ist eine Körperverletzung<br />
nicht eingetreten. Die körperliche Unversehrtheit des Kindes ist nicht<br />
beeinträchtigt worden, da keine Verletzungsfolgen im Sinne einer<br />
Substanzschädigung eingetreten sind. Zwar kann eine Prellung oder<br />
ein Hautabschürfung zu einer solchen führen, aber nur dann, wenn sie<br />
über eine nur geringfügige Einwirkung auf die körperliche Integrität<br />
hinausgeht. Dies ist bei einer Rötung der Haut nicht ausreichend, kann<br />
aber bei leichten Rippenschmerzen bereits vorliegen.<br />
Vorliegend ist es auch nicht zu einer Verletzung des körperlichen<br />
Wohlbefindens gekommen. Weder ist es zu einer erheblichen<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 49 von 121
körperlichen Einwirkung noch zur Zufügung eines länger andauernden<br />
oder aber eines nur kurzfristigen intensiven Schmerzes gekommen.<br />
Der Umstand, dass der Zusammenstoß zum Umfallen des Fahrzeuges<br />
geführt hat, reicht hierfür nicht aus, denn es kommt nicht auf die<br />
Erheblichkeit der Handlung, sondern auf die unmittelbare körperliche<br />
Einwirkung an.<br />
Eine Hautrötung stellt keine körperliche Misshandlung im Sinne § 223<br />
StGB dar.<br />
2.2. gefährliche Körperverletzung, § 223, 224 StGB<br />
KG, Urteil vom 28.01.2005, 1 Ss 333/04 (149/04) = VRS 109, 112 =<br />
NZV 2006, 111<br />
Sachverhalt: Der Angeklagte befuhr rückwärts mit seinem Pkw die<br />
Zufahrt zu einem Grundstück. Hierbei war er sich bewusst, dass hinter<br />
seinem Fahrzeug der Nebenkläger stand. Der Angeklagte wollte<br />
diesen wegdrängen, wobei er zumindest billigend in Kauf nahm, dass<br />
der Zeuge hierbei verletzt werden könnte. Dieser sah keine andere<br />
Möglichkeit, als auf den Pkw aufzuspringen und sich am<br />
Heckscheibenwischer festzuhalten. Der Zeuge machte mit<br />
Faustschlägen auf dem Fahrzeugdach auf sich aufmerksam. Der<br />
Angeklagte hielt jedoch nicht an und fuhr bis auf die Straße, wo er<br />
abbremste. Hierdurch fiel der Zeuge auf den Boden. Er erlitt keine<br />
äußerlichen Verletzung, hat jedoch durch den Sturz auf die Straße ca.<br />
2 – 3 Tage Kopf- und Gliederschmerzen. Der Angeklagte entfernte<br />
sich.<br />
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen<br />
gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit<br />
gefährlicher Körperverletzung und Nötigung sowie unerlaubten<br />
Entfernens vom Unfallort zu Einzelstrafen von 60 Tagessätzen und 20<br />
Tagessätzen verurteilt. Hieraus wurde eine Gesamtgeldstrafe von 70<br />
Tagessätzen gebildet. Das Amtsgericht sprach außerdem ein<br />
Fahrverbot aus. Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft, beschränkt<br />
auf den Rechtsfolgenausspruch, Berufung ein. Ein erstes Urteil (9<br />
Monate Gesamtfreiheitsstrafe) wurde vom OLG aufgehoben. Die neue<br />
Verhandlung vor dem Landgericht führte zu einer Verwerfung der<br />
Berufung der Staatsanwaltschaft. Die Revision der Staatsanwaltschaft<br />
hatte Erfolg.<br />
Die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs kann auch<br />
in der Form begangen werden, dass das Mittel eingesetzt wird, sich<br />
aber nicht die Verletzung hierdurch ergibt. Dies kann z. B. der Fall<br />
sein, wenn die Verletzung durch einen Aufprall auf das Straßenpflaster<br />
entsteht und nicht durch den Pkw.<br />
Ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 StGB ist ein<br />
Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Art<br />
seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 50 von 121
herbeizuführen. Für die erhebliche Strafschärfung ist die Verwendung<br />
eines Tatwerkzeuges mit der Gefahr erheblicher Verletzungen<br />
maßgebend. Entscheidend ist dabei nicht der eingetretene Erfolg,<br />
sondern die Gefährlichkeit des Mittels.<br />
Strafzumessung: Eine Berufung führt hinsichtlich der Strafzumessung<br />
zu einer völligen Neuverhandlung der Sache. Es ist nicht Aufgabe des<br />
Berufungsgerichts eine angefochtenes Urteil auf Rechtsfehler zu<br />
überprüfen. Das Berufungsgericht hat also losgelöst von den<br />
Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils eine eigene, umfassende<br />
Strafzumessung vorzunehmen. Heißt es in dem Urteil, die Gründe des<br />
Amtsgerichts seien nicht zu beanstanden, lässt diese auf<br />
Ermessensfehler schließen.<br />
3. § 239 StGB, Freiheitsberaubung<br />
BGH, Urteil vom 20.01.2005 , 4 StR 366/04 = VRS 108, 362 = NZV<br />
2005, 541 = DAR 2005, 691 = BA 2005, 327<br />
Freiheitsberaubung in „anderer Weise“ kann auch durch schnelles<br />
Fahren mit einem Fahrzeug erreicht werden, wenn hierdurch ein<br />
Fahrzeuginsassen am Verlassen des Wagens gehindert wird. Das<br />
Einverständnis in eine Beförderung kann jederzeit frei widerrufen<br />
werden. Der Einwilligende muss den Widerruf jedoch eindeutig und<br />
unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Ist dies der Fall, reicht ein<br />
kurzer verkehrsbedingter Stopp nicht dazu, eine Zäsur dahingehend<br />
anzunehmen, dass nach der Weiterfahrt wieder eine Einwilligung erteilt<br />
ist.<br />
§ 181 StGB – Missbrauch von Ausweisen<br />
AG Nürnberg Urteil vom 21.04.2004, 55 Cs 702 Js 62068/04 = DAR<br />
2005, 410<br />
Wer ein Ausweispapier, dass für einen anderen ausgestellt ist, zur<br />
Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht, macht sich des Missbrauchs<br />
von Ausweispapieren schuldig. Bei einem Parkausweis für Behinderte<br />
handelt es sich um ein solches Ausweispapier.<br />
Die Angeklagte benutzte den Schwerbehindertenparkausweis der<br />
Mutter. Das Amtsgericht verurteilte sie daher zu einer Geldstrafe von<br />
40 Tagessätzen. Auf die Berufung ermäßigte das Landgericht die<br />
Geldstrafe auf 30 Tagessätze. Die hiergegen eingelegte Revision<br />
wurde verworfen.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 51 von 121
Beleidigung<br />
Die Bezeichnung eines Polizeibeamten, der eine Verkehrskontrolle<br />
durchführt, als Wegelagerer ist vom Grundrecht der Meinungsfreiheit<br />
gedeckt und keine Beleidigung. 1<br />
BayObLG, Beschluss vom 20.10.2004, 1 St RR 153/04 = DAR 2005,<br />
405<br />
Beleidigung<br />
KG, Urteil vom 12.08.2005, (4) 1 Ss 93/04 (91/04)<br />
Wird ein uniformierter Beamter der Schutzpolizei, der eine<br />
Fahrausweiskontrolle begleitet als Clown bezeichnet, handelt es sich<br />
nicht um die Kundgabe eines Werturteils, sondern um eine den<br />
Achtungsanspruch des Beamten verletzende Äußerung in Form einer<br />
Schmähkritik. Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe von 15<br />
Tagessätzen verurteilt.<br />
Urkundenfälschung<br />
AG Waldbröl, Urteil vom 19.07.2005, 4 Ds 385/05<br />
Wer mit Nagellack ein Kfz-Prüfzeichen übermalt, begeht eine<br />
Urkundenfälschung. Der Untergrundfarbe von Prüfplaketten kommt ein<br />
eigener Erklärungswert zu. Das Amtsgericht hat die Angeklagte zu<br />
einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen verurteilt.<br />
Die Prüfplaketten sind auch zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet<br />
und bestimmt. Gem. § 29 Abs. 7 S. 4 StVZO kann die<br />
Zulassungsbehörde den Betrieb eines Fahrzeugs im öffentlichen<br />
Verkehr untersagen oder beschränken, wenn sich eine der<br />
Prüfplaketten nicht am Fahrzeug befindet. Zudem wird das<br />
Überschreiten der Frist zur Hauptuntersuchung und zur<br />
Abgasuntersuchung als Ordnungswidrigkeit geahndet. Die<br />
Prüfplaketten lassen auch ihren Aussteller erkennen. Dafür ist es<br />
ausreichend, dass der Aussteller mittels Umständen, auf die der Inhalt<br />
der Urkunde hinweist, für die Beteiligten und Eingeweihten erkennbar<br />
ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Angeklagte hat<br />
die Urkunde auch verfälscht. Als Verfälschung ist jede nachträgliche<br />
1<br />
So auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.3.2003, 2b 224/04-2/03 =NJW 2003,<br />
3721<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 52 von 121
Veränderung des gedanklichen Inhalts einer echten Urkunde<br />
anzusehen.<br />
Ingebrauchnahme<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2005, 3 Ss 181/05<br />
Der Angeklagte besuchte Bekannte bzw. Nachbarn. Dort nahm er den<br />
Autoschlüssel mit. Die Angeklagte plante das Fahrzeug später zu<br />
entwenden. Etwa drei Wochen später öffnete sie mit dem Schlüssel<br />
den Wagen und fuhr fort. Es blieb unklar, ob sie das Fahrzeug nur zu<br />
einer Spritztour mit dem Verlobten benutzen wollte. Die Verurteilung<br />
wegen Diebstahls wurde aufgehoben. Das Landgericht hat keine<br />
hinreichenden Feststellungen zur Zueignungsabsicht getroffen. Diese<br />
liege im Unterschied zur unbefugten Ingebrauchnahme nur dann vor,<br />
wenn der Betroffene über das Fahrzeug wie ein Eigentümer unter<br />
dauerndem Ausschluss des Berechtigten verfügen will.<br />
4. § 240 StGB, Nötigung<br />
Nötigung ist kein Regelfall gem. § 69 StGB aber ein Fahrverbot gem. §<br />
44 StGB liegt nahe. Nötigung ist das Aufzwingen eines Verhaltens,<br />
dass von dem Geschädigten nicht gewollt wird. Es kann zu einem<br />
Verhalten, Dulden oder Unterlassen führen und muss mit der Drohung<br />
mit einem empfindlichen Übel von einigem Gewicht verbunden sein.<br />
Erforderlich ist eine unmittelbare Zwangswirkung 1 . Es kann darin<br />
liegen, dass jemand die linke Spur benutzt und so eine Überholen<br />
verhindert wird 2 oder durch gefährdendes Auffahren. 3 Auch<br />
Ausbremsen ist Nötigung, 4 das leichte Antippen der Bremse jedoch<br />
nicht. 5<br />
Das Verhalten des Täters muss darüber hinaus verwerflich sein, eine<br />
sozial unerträgliche Handlungsweise soll mit diesem Begriff erfasst<br />
werden.<br />
Nötigung wurde angenommen:<br />
� Blockieren der Überholspur,<br />
� Rammen eines Fahrzeuges,<br />
1 BGHSt 41, 482<br />
2 OLG Düsseldorf, DAR 2000, 367<br />
3 OLG Karlsruhe, VRS 19, 262<br />
4 BayObLG DAR 2002, 79<br />
5 OLG Köln, NZV 1997, 318<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 53 von 121
� reduzieren der Geschwindigkeit,<br />
� Schneiden.<br />
Nötigung wurde nicht angenommen:<br />
� Kurzes Anhalten auf der Überholspur,<br />
� Verkehrswidriges Gehen auf der Fahrbahn,<br />
� Hupen,<br />
� Versperren der Fahrbahn,<br />
� Sitzblockade<br />
Kurzzeitiges dichtes Auffahren, über wenige hundert Meter, auch mit<br />
Betätigen der Lichthube ist keine Nötigung.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 18.08.2005, 3 Ss 304/05<br />
Für die Annahme willensbeugende Gewalt (vis compulsiva) im<br />
Straßenverkehrs die Intensität der Einwirkung im Einzelfall<br />
entscheidend. Notwendig für die Annahme einer Nötigung ist<br />
regelmäßig eine Zwangswirkung von gewisser Dauer. Das Urteil muss<br />
daher Feststellungen treffen hinsichtlich der Dauer und Strecke des zu<br />
dichten Auffahrens sowie der gefahrenen Geschwindigkeiten.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 11.08.2005, 4 Ss 308/05<br />
Sonderfall Parkplatzkampf: Für Fußgänger der den Parkplatz<br />
versperrt wird in der Regel eine Nötigung verneint. 1 Bei dem<br />
Autofahrer besteht keine Einigkeit. 2<br />
4.1. Hindernis bereiten<br />
OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.01.2005, 3 Ss 107/04 = VRR 2005, 72<br />
Nötigung liegt nur vor, wenn ein Hindernis nicht umfahren werden<br />
kann.<br />
4.2. Abgrenzung § 240 StGB zu § 315b StGB<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 12.04.2005, 4 Ss 106/05 = VD 2005, 192<br />
Ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr setzt eine<br />
Schädigungsabsicht voraus. Wenn diese nicht festgestellt wird, kommt<br />
bei starkem Abbremsen aber eine Nötigung gemäß § 240 StGB in<br />
betracht. Insoweit kann die verhängte Einzelstrafe von sechs Monaten<br />
1<br />
OLG Hamm, NJW 1970, 2075; OLG Köln, NJW 1997, 2056<br />
2<br />
BayObLG, NJW 1995, 2646; Allerdings verneinend OLG Naumburg, NZV 1998,<br />
163<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 54 von 121
und sowie die Entziehung der Fahrerlaubnis und Anordnung einer<br />
Sperrfrist von sechs Monaten bestehen bleiben. Der Strafrahmen des<br />
vom Landgericht angenommenen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs<br />
in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 StGB und<br />
der Nötigung gemäß § 240 StGB sind gleich. Die<br />
Strafzumessungserwägungen des Landgericht haben in beiden Fällen<br />
gleichermaßen Bedeutung und deshalb trotz der Änderung des<br />
Schuldspruchs Bestand. In beiden Fällen hat sich der Angeklagte<br />
aufgrund der Tat auch als ungeeignet zum Führen von<br />
Kraftfahrzeugen erwiesen. Alleine die andere rechtliche Bewertung hat<br />
bei unveränderten tatsächlichen Feststellungen keine Auswirkung auf<br />
die Dauer des bestehenden Eignungsmangel.<br />
§ 315c StGB<br />
BGH, Beschluss vom 14.11.2006, 4 StR 446/06 bei Tepperwien DAR<br />
2007, 243<br />
Von dem Grundsatz, dass bei gleichzeitiger Verwirklichung eines<br />
gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und einer Gefährdung des<br />
Straßenverkehrs der Eingriff der Gefährdung verdrängt, gibt es<br />
Ausnahmen. Dies kann geschehen, wenn der Täter sein Fahrzeug in<br />
Teilen der Fahrt lediglich als Fluchtmittel benutzt hat.<br />
5. § 315b StGB<br />
5.1. Schädigungsabsicht<br />
BGH, Beschluss vom 01.09.2005, 4 StR 292/05 = DAR 2006, 30 = VD<br />
2005, 306<br />
1. Versucht ein Angeklagter, sich seiner Festnahme zu entziehen und<br />
fährt mit seinem Fahrzeug auf einen Polizeibeamten zu, liegt ein<br />
gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1 StGB<br />
nur vor, wenn er dabei einen Schädigungsvorsatz hat. Rechnet er<br />
damit, dass der Polizeibeamte rechtzeitig beiseite springt und hat er<br />
somit lediglich einen Gefährdungsvorsatz, liegen die Voraussetzungen<br />
des § 315b StGB nicht vor.<br />
2. Gleichwohl rechtfertigt ein solches Verhalten die Entziehung der<br />
Fahrerlaubnis. Der Angeklagte hat versucht, sich der Festnahme<br />
wegen eines anderen Deliktes durch Polizeibeamte zu entziehen, in<br />
dem er mit einer Geschwindigkeit von teilweise mehr als 100 km/h<br />
unter Missachtung der Verkehrsregeln durch Signalanlagen fuhr und<br />
hierbei die Gefährdung eines Polizeibeamten in Kauf genommen hat.<br />
Er hat damit gezeigt, dass er bereit ist, die Sicherheit des<br />
Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen.<br />
Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr<br />
OLG München, Beschluss vom 09.11.2005, 4 St RR 215/03 = VRS<br />
109, 441 = NZV 2006, 46 = NZV 2006, 219 = zfs 2006, 51<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 55 von 121
§ 315b Abs. 3 StGB erfordert die Absicht des Täters, einen<br />
Unglücksfall herbeizuführen. Sein Willen muss darauf gerichtet sein,<br />
einen Schaden herbeizuführen. Hierbei ist unbedingt direkter Vorsatz<br />
notwenig.<br />
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs zu<br />
einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und<br />
diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es die<br />
Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von einem Jahr<br />
angeordnet.<br />
Der Angeklagte hatte einen Aufprallunfall provoziert. Das Gericht hatte<br />
es dabei offen gelassen, ob dies geschah, um einen Altschaden<br />
regulieren zu können, oder ob er dies aus Verärgerung über<br />
vorheriges Verhalten eines anderen Kraftfahrers getan hat. Die<br />
Revision war erfolgreich: Zwar lässt sich im Falle der Verdeckung<br />
eines Altschadens eine Absicht, einen Unfall herbeizuführen, ohne<br />
Weiteres herleiten. Dies ist aber bei einem Handeln aus Verärgerung<br />
nicht ohne Weiteres ersichtlich.<br />
Für die Vollendung des Delikts des gefährlichen Eingriffes reicht der<br />
bedingte Schädigungsvorsatz aus. Dieser liegt nahe, wenn ein<br />
Kraftfahrer sein Fahrzeug aus Verärgerung abrupt abbremst, mit der<br />
Folge, dass es zu einem Auffahrunfall kommt. Dies gilt jedenfalls dann,<br />
wenn der Angeklagte weiß, dass das Heck seines Fahrzeuges einen<br />
Altschaden aufweist. In einem solchen Fall tritt die Überlegung, eine<br />
Beschädigung des eigenen Fahrzeuges solle nicht in Kauf genommen<br />
werden, in den Hintergrund.<br />
OLG München, Beschluss vom 09.11.2005, 4 St RR 25/03 = VD 2005,<br />
330<br />
§ 315b<br />
KG, Beschluss vom 06.01.2006, 1 Ss 72/05 (79/05) = VRS 111, 140<br />
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Beleidigung in zwei<br />
Fällen, versuchter Nötigung und Nötigung in drei Fällen, davon in zwei<br />
Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den<br />
Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier<br />
Monaten verurteilt, die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von<br />
24 Monaten festgesetzt. Die Revision war teilweise erfolgreich.<br />
Ein Verkehrsvorgang im fließenden Straßenverkehr wird nur dann zu<br />
einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, wenn zu dem<br />
bewusst zweckwidrigen Einsatz eines Fahrzeuges hinzukommt, dass<br />
es mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz missbraucht wird.<br />
Dazu reicht ein nötigendes Einwirken in Form von Ausbremsen zum<br />
Zwecke der Disziplinierung nicht aus. Dies ist in der Regel lediglich ein<br />
Gefährdungsvorsatz.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 56 von 121
Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr<br />
BGH, Beschluss vom 13.06.2006, 4 StR 123/06 = VRS 111, 138<br />
Für § 224 Abs. 2 Nr. 5 StGB ist es erforderlich, dass die Art der<br />
Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalles<br />
generell geeignet ist, das Leben zu gefährden. Dabei darf nicht erst<br />
eine mögliche Folge der Körperverletzungshandlung, die<br />
lebensgefährliche Eignung aufweisen.<br />
§ 315 b Abs. 1 StGB setzt in allen Tatbestandsvarianten eine<br />
besondere kausale Verknüpfung zwischen Gefährdungshandlung und<br />
Gefährdungserfolg voraus. Erforderlich ist, dass die Tathandlung eine<br />
abstrakte Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bewirkt, die<br />
sich zu einer konkreten Gefahr für das Schutzobjekt verdichtet.<br />
5.2. Künstlicher Stau<br />
LG Bückeburg, Beschluss vom 05.01.2005, Qs 77/04 = DAR 2006,<br />
103 = VRS 109, 174<br />
Es ist unzulässig, einen „künstlichen Stau“ zur Ergreifung von<br />
Straftätern zu provozieren, wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte<br />
(Alkoholisierung, rücksichtslose Fahrweise) bei dem Verdächtigten<br />
eine herabgesetzte Hemmschwelle gegenüber der Verletzung weiterer<br />
Rechtsgüter angenommen werden kann.<br />
Das Landgericht lehnt eine Eröffnung des Hauptverfahrens ab, obwohl<br />
es von der Rechtswidrigkeit der Stauprovokation ausgeht, weil es<br />
einen entschuldbaren Verbotsirrtum bei den Polizeibeamten annimmt.<br />
Abruptes Bremsen zum Zwecke der Erziehung<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 12.04.2005, 4 Ss 106/05<br />
Für einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr ist der bewusst<br />
zweckwidrige Einsatz des Fahrzeuges in verkehrsfeindlicher Absicht<br />
erforderlich, sowie zusätzlich ein mindestbedingter<br />
Verdächtigungsvorsatz. Kommt es dagegen in Folge eines bewussten<br />
abrupten Abbremsens (zur „Erziehung“) mit einem anschließenden<br />
Auffahrunfall, so liegt in der Regel nur eine Nötigung vor.<br />
6. § 315c StGB<br />
Konkrete Gefahr<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 20.10.2005, 2 Ss 381/05 = zfs 2006, 49<br />
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen<br />
Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen<br />
verurteilt, die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von 8<br />
Monaten verhängt. Die Revision führte zur Zurückverweisung.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 57 von 121
Bei einer Straßenverkehrsgefährdung muss es zu einer konkreten<br />
Gefahr kommen. Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn die<br />
Tathandlung über die inner wohnende Gefährlichkeit hinaus im<br />
Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Situation<br />
geführt hat. In dieser Situation muss die Sicherheit einer bestimmten<br />
Person oder Sache so beeinträchtigt worden sein, dass es nur noch<br />
von Zufall abhängt, ob das Rechtsgut verletzt wird oder nicht. Eine<br />
konkrete Gefährdung ist an Hand objektiver Kriterien, wie etwa<br />
Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge, des Abstands zwischen<br />
ihnen und der Beschaffenheit eventueller Ausweichmöglichkeiten zu<br />
ermitteln. Nur wertende Umstände, scharfes Abbremsen oder<br />
Ausweichen, reichen nicht aus. Die Gefahrenlage soll anschaulich<br />
beschrieben werden durch Angaben zum Fahrverhalten des<br />
Fahrzeuges, zu Reaktionen des Fahrers oder wahrnehmbaren<br />
Veränderungen des verkehrstypischen Geschehensablaufs. Eine<br />
konkrete Gefährdung liegt dann nicht vor, wenn es einem<br />
entgegenkommenden Fahrer noch möglich ist, auf das verkehrswidrige<br />
Überholen eines anderen Fahrers durch ein in Bereich des<br />
verkehrsüblichen liegenden Reaktion zu reagieren und den Unfall so<br />
abzuwenden.<br />
Gezieltes Abdrängen<br />
BGH, Beschluss vom 12.07.2005, 4 StR 170/05 = BA 2005, 479 = NZV<br />
2005, 650<br />
Setzt ein Verkehrsteilnehmer sein Kfz bewusst und gezielt ein, um eine<br />
Person zum Verlassen der Fahrbahn zu veranlassen, scheidet eine<br />
vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung aus. Dann kann nicht<br />
festgestellt werden, dass dieses Verhalten auf eine alkoholische<br />
Beeinflussung zurück geführt werden kann.<br />
Soll beim Überholen eine Gefährdung angenommen werden, muss<br />
das Gericht nähere Angaben zum Straßenverlauf, zur Fahrbahnbreite<br />
und zum zeitlichen Ablauf und zu den angenommenen<br />
Geschwindigkeiten machen.<br />
OLG München, Beschluss vom 23.05.2005, 4 St RR 21/05<br />
8. § 316a StGB, räuberischer Angriff auf einen Kraftfahrer<br />
Dir Rechtsprechung hat sich mit der Entscheidung, BGHSt 49, 8 =<br />
DAR 2004, 160, ausdrücklich geändert. Eine eng am Schutzzweck der<br />
Norm orientierte Auslegung des Tatbestandes gilt seitdem. Tatobjekt<br />
ist der Führer oder Mitfahrer eines Kraftfahrzeuges. Dabei ist<br />
erforderlich, dass das Opfer in dieser Eigenschaft noch zum<br />
Tatzeitpunkt, das heißt zum Zeitpunkt des Angriffes, diese<br />
Qualifikation erfüllt. Nicht mehr Führer ist zum Beispiel der Taxifahrer,<br />
der das Fahrzeug bereits ausgeschaltet und verlassen hat, um einen<br />
Koffer aus dem Kofferraum zu holen. Führer ist, wer noch mit<br />
Verkehrsvorgängen befasst ist, das ist auch unter Umständen der<br />
Taxifahrer, der anhält, aber bei laufendem Motor mit<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 58 von 121
Verkehrsvorgängen befasst ist (Beispielsweise auch Halt an roter<br />
Ampel). § 316a liegt aber nicht mehr vor, wenn der Betroffene mit<br />
einem Fahrzeug „vereinzelt“ wird, transportiert wird an einen Ort, an<br />
dem er keine Möglichkeit sieht, sich zu verteidigen. Neues Kriterium<br />
ist, „unter Ausnutzung der Besonderheiten des Straßenverkehrs“.<br />
BGHSt 15, 169 und BGH NStZ-RR 2006, 185: Der Taxifahrer, der den<br />
Motor weiterlaufen lässt, ist noch Führer eines Kraftfahrzeuges. Hält er<br />
allerdings an, erfolgt der Angriff nicht mehr unter Ausnutzung der<br />
spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs. Anders dagegen,<br />
wenn der Angriff im fließenden Verkehr erfolgt, dann in der Regel:<br />
„unter Ausnutzung“.<br />
BGH, Beschluss vom 28.06.2005, 4 StR 299/04 = VRS 109, 182 =<br />
NZV 2005, 539 = DAR 2005, 519 = StV 2005, 497 = StraFo 2005, 388<br />
Nach dem Tatbestand des § 316a StGB ist eine zeitliche Verknüpfung<br />
dergestalt erforderlich, dass das Opfer beim Verüben des Angriffs<br />
entweder Führer oder Mitfahrer eines Kraftfahrzeuges ist, er das<br />
Fahrzeug in Bewegung zu setzen beginnt, es in Bewegung hält oder<br />
allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeuges und/oder mit der<br />
Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist. Danach ist Führer<br />
des Kraftfahrzeuges stets derjenige, der es im Straßenverkehr in<br />
Bewegung hält. Befindet sich das Fahrzeug in dem sich das<br />
potenzielle Tatopfer aufhält, nicht mehr in Bewegung, so ist darauf<br />
abzustellen, ob das Opfer noch mit der Bewältigung von Betriebs-<br />
oder Verkehrsvorgängen befasst ist. Bei einem verkehrsbedingten<br />
Halt, wird dies in der Regel zu bejahen sein, weil der Lenker eines<br />
Kraftfahrzeuges in einer solchen Situation seine Aufmerksamkeit<br />
weiter auf das Verkehrsgeschehen richten muss.<br />
Weiter muss der Angriff aber unter Ausnutzung der besonderen<br />
Verhältnissen des Straßenverkehrs erfolgen. Danach ist erforderlich,<br />
dass der tatbestandsmäßige Angriff gegen das Tatopfer als<br />
Kraftfahrzeugführer unter Ausnutzung der speziellen Bedingungen des<br />
Straßenverkehrs begangen wird. Das ist objektiv der Fall, wenn der<br />
Führer eines Kraftfahrzeuges im Zeitpunkt des Angriffs noch in einer<br />
Weise mit der Beherrschung des Fahrzeuges oder der Bewältigung<br />
von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er grade deshalb leichter<br />
zum Angriffsobjekt des Überfalls wird.<br />
Für das Ausnutzen der darin liegenden besonderen Verhältnisse ist in<br />
subjektiver Hinsicht allerdings nicht zu verlangen, dass der Täter eine<br />
solche Erleichterung seines Angriffes zur ursächlichen Bedingungen<br />
seines Handelns macht. Vielmehr genügt es, dass er sich in<br />
tatsächlicher Hinsicht der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers<br />
einschränkenden besonderen Verhältnisses des Straßenverkehrs<br />
bewusst wird. Dies alles liegt nahe, wenn während des fließenden<br />
Verkehrs ein Angriff erfolgt oder ein Halt nur Verkehrsbedingt<br />
veranlasst ist.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 59 von 121
Grundsätzlich kann auch bei einem Halt aus anderen Gründen in<br />
Folge der spezifischen Bedingung des Straßenverkehrs eine<br />
Gegenwehr erschwert sein. Eine Erschwerung der Gegenwehr folgt<br />
bei einem nicht Verkehrs bedingten Halt jedoch nicht ohne weiteres<br />
daraus, dass der Motor noch läuft und der Fahrer zum Zeitpunkt des<br />
Angriffs noch mit dem Betrieb des Fahrzeugs beschäftigt ist. So liegt<br />
bei einem nicht verkehrsbedingten Halt mit laufenden Motor außerhalb<br />
der allgemeinen Verkehrsfahrbahn ohne eingelegten Gang bei<br />
angezogener Handbremse eine Erschwerung der Gegenwehr gerade<br />
in Folge der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs nicht vor,<br />
wenn der Kraftfahrzeugführer wie etwa der Taxifahrer beim Kassieren<br />
des Fahrpreises seine Tätigkeit nicht in erster Linie auf das Führen des<br />
Fahrzeuges, sondern auf andere Tätigkeiten richtet. Bei einem nicht<br />
verkehrsbedingten Halt müssen daher neben der Tatsache, dass der<br />
Motor des Kraftfahrzeuges noch läuft, weitere verkehrsspezifischen<br />
Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass das Tatopfer als<br />
Kraftfahrzeugführer zum Zeitpunkt des Angriffes noch in einer Weise<br />
mit der Beherrschung des Fahrzeuges beschäftigt war, dass er gerade<br />
deshalb leichter Opfer des räuberischen Angriffs wird.<br />
Räuberischer Angriff auf einen Kraftfahrer<br />
BGH, Beschluss vom 17.02.2005, 4 StR 537/04<br />
Führer eines Kraftfahrzeuges ist auch, wer sein Fahrzeug kurzfristig<br />
anhält, um einen Anhalter aufzunehmen. In einer solchen Situation ist<br />
der Geschädigte noch so mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs<br />
beschäftigt und dadurch abgelehnt, wodurch der Angriff des Täters<br />
erleichtert wird. Dies hat der Angeklagte bemerkt und auch ausgenutzt.<br />
Geschwindigkeitsbeschränkung Autobahnauffahrt<br />
EU-Führerschein § 21 StVG<br />
Die Anerkennung eines in einem Mitgliedstaat der EU nach Ablauf<br />
einer Sperrfrist ausgestellten Führerscheins kann von der Vorlage<br />
eines positiven Gutachtens abhängig gemacht werden. Erfolgt dies<br />
nicht, ist die Verwaltung berechtigt, Maßnahmen zu ergreifen. Eine<br />
Verfügung von der Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik<br />
keinerlei Gebrauch zu machen, ist dann wirksam.<br />
AG Kassel, Urteil vom 19.07.2005, 9831 Js 47054/03 – 280 Ds = NZV<br />
2005, 601<br />
Fahren ohne Fahrerlaubnis (Gestatten)<br />
Gestatten kann auch darin liegen, dass man den Zündschlüssel nicht<br />
sicher und unerreichbar für den Fahrer (ohne Fahrerlaubnis)<br />
aufbewahrt. Dann kann der Angeklagten Fahrlässigkeit vorgeworfen<br />
werden.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 24.08.2005, 1 Ss 168/05<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 60 von 121
10. Der Tatbestand des Missbrauchs von Wegstreckenzählern<br />
und Geschwindigkeitsbegrenzern 1<br />
§ 22b StVG hätte auch hinter § 268 StGB angeordnet werden können,<br />
da sich nicht um eine reine verkehrsrechtliche Bestimmung handelt.<br />
Die Vorschrift passt allerdings zu § 22 StVG, das eigentlich eine<br />
Auffangbestimmung im Bereich der Urkundendelikte ist. Der BGH hat<br />
in BGHSt 29, 204 bestimmt, dass es zu den wesentlichen Kriterien<br />
technischer Aufzeichnungen gehört, dass die Information in einem<br />
selbstständigen und dauerhaft von Gerät abtrennbaren Element<br />
enthalten sein muss. Damit schieden Manipulationen am<br />
Kilometerzähler eines Kraftfahrzeuges nicht mehr unter dieser Norm.<br />
Veränderungen und Manipulationen an diesen Kilometerzählern waren<br />
dann nur noch strafbar, wenn über die Laufleistung eines Fahrzeuges<br />
getäuscht werden sollte, um so einen höheren Kaufpreis zu erzielen.<br />
Dann lag ein Betrug im Sinne von § 263 StBG vor. Beobachten werden<br />
konnte in der letzten Zeit, dass im Internet und den Anzeigen,<br />
Manipulationen, bezeichnet als Nachjustieren, angeboten wurden. Der<br />
Betrug beim Verkauf eines Fahrzeuges war dann nicht mehr<br />
nachzuweisen.<br />
Gem. § 3 StGB gilt Deutsches Strafrecht nur für Taten, die im Inland<br />
gegangen werden. Anzeigen, dass jenseits der Grenze der<br />
Bundesrepublik solche Manipulationen vorgenommen werden, werden<br />
daher von § 22b StVG nicht erfasst. Zu einer Strafbarkeit über § 7<br />
StGB würde es nur führen, wenn in den dortigen Ländern die<br />
Manipulation ebenfalls mit Strafe bedroht ist.<br />
Strafbar sind auch Vorbereitungshandlungen: Das Herstellen und der<br />
Vertrieb entsprechender Computerprogramme. In diesen Fällen<br />
besteht aber die Möglichkeit der tätigen Reue. Wer die Ausführung der<br />
vorbereitenden Handlungen freiwillig aufgibt oder die Vollendung<br />
verhindert, die Programme vernichtet oder unbrauchbar macht, ihr<br />
Vorhandensein einer Behörde anzeigt oder dort abliefert, wird nicht<br />
bestraft. Nicht erfasst wird von der Regelung auch die digitale<br />
Programmierung von Wegstreckenzählern zum Zwecke von deren<br />
Umstellung, Reparatur oder Justierung und die Herstellung hierfür<br />
notwendiger Programme. 2 Begründet wird dies damit, dass eine<br />
1 S.a. Blum, NZV 2007, 70<br />
2 BVerfG, NJW 2006, 2318<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 61 von 121
Fälschung nicht vorliegt, wenn zum Zwecke der Reparatur oder<br />
Datenwiederherstellung auf dem Wegstreckenzähler eingewirkt wird.<br />
Frage: Ist die Manipulation einer mitbestraften Vortat, wenn es<br />
anschließend zu einem Betrug kommt?<br />
Dagegen spricht aber, dass das kriminelle Unrecht des Täters allein<br />
mit der Verurteilung wegen Betruges nicht hinreichend erfasst und<br />
beleuchtet wird.<br />
Frage: Ist der Auftraggeber, der einen Dritten mit der Manipulation<br />
beauftragt, Täter oder Anstifter?<br />
Geschwindigkeitsbegrenzer wurden mit der Vorschrift den<br />
Wegstreckenzählern gleich gestellt. Geschwindigkeitsbegrenzer sind<br />
Einrichtungen, die im Kraftfahrzeug in erster Linie durch Steuerung der<br />
Kraftstoffzufuhr zum Motor die Fahrzeughöchstgeschwindigkeit<br />
beschränken (§ 57c Abs. 1 StVZO). Alle Kraftomnibusse, Lkw,<br />
Zugmaschinen und Sattelzugmaschinen mit einer zulässigen<br />
Gesamtmasse von jeweils mehr als 3,5 Tonnen müssen mit solchen<br />
Geschwindigkeitsbegrenzern ausgerüstet sein. Damit wurde eine<br />
Manipulation dieser Geschwindigkeitsbegrenzer von einer<br />
Ordnungswidrigkeit zur Straftat hochgestuft.<br />
Frage: Ist auch der Gebrauch eines funktionsuntüchtigen<br />
Geschwindigkeitsbegrenzers strafbar? Wahrscheinlich bleibt insoweit<br />
nur die Ordnungswidrigkeit nach § 57c Abs. 2 oder § 57 Abs. 5 in<br />
Verbindung mit § 69a Abs. 3 Nr. 25 PStVZO.<br />
Da der Wegstreckenzähler bzw. der Geschwindigkeitsbegrenzer<br />
notwendiges Tatmittel sind, scheidet eine Einziehung nach § 74 StGB<br />
aus. § 22b Abs. 3 gibt jedoch eine erweiterte Einziehungsmöglichkeit.<br />
Da auf § 74a StGB verwiesen wird, ist auch die Dritteinziehung<br />
möglich.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 62 von 121
VI. <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> - Verfahren<br />
Grundsatz<br />
OLG Köln, Beschluss vom 30.06.2005, 8 Ss – Owi 103/05 = VRS 109,<br />
193 = BA 2006, 236<br />
Auch im Bußgeldverfahren muss der Tatrichter seine<br />
Überzeugungsbildung im Urteil so ausführlich darlegen, dass das<br />
Beschwerdegericht in die Lage versetzt wird, das Urteil darauf zu<br />
überprüfen, ob der Tatrichter sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen<br />
gehalten hat und die tatsächliche Beurteilung auf rechtlich zutreffenden<br />
Erwägungen beruht. Dabei ist namentlich die Einlassung des<br />
Betroffenen eingehend zu würdigen. Stützt das Gericht seine<br />
Überzeugung auf das Gutachten eines Sachverständigen, so sind die<br />
wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen<br />
mitzuteilen.<br />
Fahrlässigkeit<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.01.2006, 3 Ss 160/05 = DAR 2006,<br />
340<br />
Bei fahrlässigen Erfolgsdelikten ist für die Erfolgszurechnung über die<br />
kausale Verursachung hinaus erforderlich, dass sich gerade durch die<br />
Pflichtwidrigkeit des Täters gesetzte Gefahr der eingetretene Erfolg<br />
verwirklicht und der Erfolg in den Schutzbereich der verletzten<br />
Sorgfaltsnorm fällt.<br />
Ein Erfolg der auf ein sorgfaltswidriges Verhalten zurückgeführt<br />
werden kann ist dann nicht zurechenbar, wenn die verletzte<br />
Sorgfaltspflicht nicht den Zweck hat, Erfolge der herbeigeführten<br />
Art zu verhindern. Dient eine Geschwindigkeitsbeschränkung einer<br />
erhöhten Rutschgefahr (wegen neuem Fahrbahnbelages)<br />
entgegenzuwirken, ist der Schutzzweck nicht den Verkehr auf der<br />
bevorrechtigen Landstraße wegen Einmündungsverkehrs zu<br />
beschränken.<br />
1. Tatmehrheit/Tateinheit 1<br />
1. Werden durch die selbe Handlung mehrere geringfügige<br />
<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> begangen, für die eine Verwarnung mit<br />
1 Siehe auch Lippert VD 2005, 179<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 63 von 121
Verwarnungsgeld in Betracht kommt, so wird nur ein Verwarnungsgeld<br />
festgesetzt und zwar das Höchste der in Betracht kommenden.<br />
2. Hat der Betroffene durch mehrere Handlungen geringfügige<br />
<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> begangen oder gegen dieselbe Vorschrift<br />
mehrfach verstoßen, so sind die einzelnen Verstöße getrennt zu<br />
verwarnen. Die Behörde muss jedoch prüfen, ob die Handlung oder<br />
die Handlungen insgesamt noch geringfügig sind. Nicht zulässig ist es,<br />
wegen mehrerer <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> gleichzeitig mehrere<br />
Verwarnungen zu erteilen, wenn dabei die Höchstgrenze von 35,00<br />
Euro überschritten wird.<br />
1.1.Beispiele für Tateinheit:<br />
� Fahren mit Reifen ohne ausreichendes Profil und hierbei<br />
begangene Verstöße. 1<br />
� Ineinander übergehende Geschwindigkeitsüberschreitungen<br />
außerhalb und innerhalb von Ortschaften. 2<br />
� Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit und missbräuchliche<br />
Benutzung von Nebelscheinwerfern und Nebelschlussleuchten. 3<br />
� Überladen eines LKWs und eines Anhängers. 4<br />
� Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und<br />
gleichzeitiges Überholen von PKW ohne ausreichende Sicht. 5<br />
� Nichtbeachten der Vorgeschriebenen Fahrtrichtung, die<br />
Nichtbefolgung eines Haltezeichens eines Polizeibeamten und<br />
Nichtanlegen eines Sicherheitsgurtes. 6<br />
� Geschwindigkeitsüberschreitung und kurz darauf begangene<br />
Abstandsunterschreitung 7 .<br />
Tatmehrheit<br />
� Unterlassen der Beschriftung des Schaublatt des<br />
Fahrtenschreibers und während der Fahrt begangene<br />
Übertretungen. 8<br />
� Unterlassen der Hauptuntersuchung und der<br />
Abgasuntersuchung.<br />
1 OLG Hamm, VRS 47, 467<br />
2 BayObLG, VRS 50, 392<br />
3 OLG Hamm, VRS 51, 63<br />
4 OLG Köln, VRS 53, 450<br />
5 OLG Koblenz, VRS 71, 145<br />
6 OLG Düsseldorf, VRS 73, 387<br />
7 OLG Zweibrücken, VRS 105, 144 = DAR 3003, 281<br />
8 OLG Hamm, VRS 29, 62; OLG Hamm, VRS 60, 50; OLG Hamm NZV 1999, 220<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 64 von 121
� Geschwindigkeitsüberschreitung im Abstand von 75 Minuten. 1<br />
Tateinheit<br />
Ist über eine Tat durch Urteil rechtskräftig entschieden, kann die selbe<br />
Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Das Führen<br />
eines Kraftfahrzeuges unter Einfluss von Alkohol und das zeitgleiche<br />
Verwenden des Mobiltelefons gemäß § 23 Abs. 1a StVO beruhen auf<br />
sich überlagernden Willensbetätigungen und stellen sich als<br />
zeitgleiches Handeln der Außenwelt dar.<br />
Der Begriff der Tat richtet sich nach dem prozessualen Tatbegriff des<br />
§ 264 StPO, der auch im OWiG Geltung hat. Tat in diesem Sinne ist<br />
ein bestimmter Lebensvorgang, ein bestimmtes geschichtliches<br />
Ereignis, innerhalb dessen der Betroffene einen Bußgeldtatbestand<br />
verwirklicht. Ein solch einheitlicher geschichtlicher Vorgang liegt vor,<br />
wenn einzelne Lebenssachverhalte und Verhaltensweisen inhaltlich so<br />
miteinander verknüpft sind, dass Sie nach der Lebensauffassung eine<br />
Einheit bilden der Gestalt, dass Ihre Behandlung in getrennten<br />
Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines zusammengehörenden<br />
Geschehens erscheinen würde.<br />
Macht eine Verwaltungsbehörde eine Tat im verfahrensrechtlichen<br />
Sinne zum Gegenstand einer bußgeldrechtlichen Untersuchung, so<br />
trifft sie auch eine umfassende „Kognitionspflicht“. Der geschichtliche<br />
Vorgang ist deshalb erschöpfend im Hinblick auf verwirklichte<br />
Bußgeldtatbestände zu untersuchen. Tateinheit ist auch gegeben, weil<br />
beide Handlungen an dem Fahrvorgang anknüpfen. Das Telefonieren<br />
ist nur während, nicht aber außerhalb des Fahrvorganges verboten.<br />
Nach Rechtskraft des Bußgeldbescheides wegen des Verstoßes<br />
gegen § 23 Abs. 1a StVO durfte daher eine Verurteilung nicht mehr<br />
erfolgen.<br />
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24.03.2006, S (B) 2/06 (3/06) =<br />
VRS 110, 362<br />
Tateinheit/Tatmehrheit<br />
Die Annahme einer Tatmehrheit zwischen einem Autodiebstahl und<br />
einer Trunkenheitsfahrt sowie Fahren ohne Fahrerlaubnis kommt nicht<br />
in Betracht, wenn die Wegnahme des Pkw durch das Wegfahren<br />
1 Thüringer OLG NZV 1999, 478<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 65 von 121
erfolgt. Die den Straftatbeständen zugrundeliegenden Handlungen<br />
sind identisch.<br />
BGH, Beschluss vom 08.08.2006, 4 StR 263/06 = VD 2006, 278 =<br />
DAR 2007, 371<br />
Liegt Tateinheit vor, wird nur eine einheitliche Geldbuße festgesetzt.<br />
Dieselbe Handlungen im Sinne des Gesetzes ist dabei eine einzige<br />
Willensbetätigung oder eine natürliche Handlungseinheit. Eine<br />
natürliche Handlungseinheit ist gegeben, wenn mehrere<br />
Verhaltensweisen in einem solch unmittelbaren (räumlichen und<br />
seitlichen) Zusammenhang stehen, dass das gesamte tätig werden bei<br />
natürlicher Betrachtungsweise auch für einen dritten objektiv als ein<br />
einheitlich zusammengefasstes Tun anzusehen ist. Die Gleichzeitigkeit<br />
der Verletzung bewirkt noch keine Handlungsidentität im Sinne von §<br />
19 OWiG. Vielmehr ist erforderlich, dass diejenige Handlung, die einen<br />
Tatbestand ganz oder teilweise verwirklicht, zugleich einen anderen<br />
Tatbestand ganz oder teilweise erfüllt. Zur Abgrenzung gegenüber<br />
möglicherweise „nur gleichzeitige“, „nur gelegentlich“ einer Dauertat<br />
begangenen Verstöße wird in der Rechtsprechung gefordert, dass<br />
Identität in einem für beide Tatbestandsverwirklichungen in der<br />
konkreten Form notwendigen Teil vorliegen muss, dass das<br />
Dauerdelikt selbst einen Tatbestand erheblichen Tatbeitrag zu dem<br />
jeweiligen anderen Verstoß bildet. Dies trifft auf das nicht anlegen des<br />
Sicherheitsgurtes und anderer <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>, die während der<br />
Tat begangen werden, zu.<br />
Zwischen Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes und einer auf der Fahrt<br />
begangenen Ordnungswidrigkeit besteht Tateinheit.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 31.01.2006, 2 Ss Owi 63/06 = SVR 2007,<br />
186 = DAR 2006, 338 = VRS 110, 281 = zfs 2006, 351<br />
Längere Fahrt<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 01.07.2005, 1 Ss 67/05 = VRS<br />
210,52<br />
Geschwindigkeitsüberschreitungen, die auf Autobahnkilometer 258<br />
und 339 begangen werden, sind in Tatmehrheit begangen, auch wenn<br />
die Fahrt zwischendurch nicht unterbrochen war.<br />
Eine Tat im prozessualen Sinne bezeichnet ein konkretes Geschehen,<br />
das einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang bildet und Merkmale<br />
enthält, die es von denkbaren anderen ähnlichen oder gleichartigen<br />
Vorkommnissen unterscheidet und umfasst das gesamte Verhalten<br />
des Täters, soweit dieses nach der natürlichen Auffassung des Lebens<br />
eine Einheit bildet.<br />
Die Handlungen müssen dabei nach dem Ergebnislauf zeitlich,<br />
räumlich und innerlich so miteinander verknüpft sein, dass sich ihre<br />
getrennte Würdigung und Ahndung als unnatürliche Aufspaltung<br />
eines einheitlichen Lebensvorganges darstellen würde. Der zeitliche<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 66 von 121
Ablauf der einzelnen Handlungen und der zeitliche Abstand zwischen<br />
ihnen sind wesentliche Kriterien für die Beurteilung, ob ein<br />
einheitliches Tatgeschehen vorliegt. Im Rahmen von<br />
Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr ist davon auszugehen, dass<br />
mit dem Ende eines bestimmen Verkehrsgeschehens, das durch<br />
ein anderes abgelöst wird, in der Regel das tatbildende geschichtliche<br />
Ereignis abgeschlossen ist. Maßstab ist daher nicht Beginn und Ende<br />
einer Fahrt, denn während einer einzelnen Fahrt von einiger Dauer<br />
stellen sich dem Kraftfahrer ständig neue Verkehr- und damit<br />
einhergehend wechselnde Pflichtenlagen, gegenüber denen er<br />
regelmäßig erneut die Entscheidung über sein Fahrverhalten treffen<br />
muss. Bei einer solchen einheitlichen Fahrt ist daher immer zusätzlich<br />
darauf abzustellen, ob die mehreren Verstöße nach den dargestellten<br />
Grundsätzen zum prozessualen Tatbegriff zu einem einheitlichen<br />
historischen Vorgang zusammengefasst werden können. Ein nicht nur<br />
verkehrsbedingtes Anhalten stellt dabei zwar eine hinreichende,<br />
jedoch keine notwendige Bedingung dar, um von mehreren Taten im<br />
verkehrsrechtlichen Sinne auszugehen.<br />
Geschwindigkeit und Tatmehrheit<br />
OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.05.2005, 1 Ss (OWi) 87 B/05 =<br />
DAR 2005, 521 = NZV 2006, 109<br />
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen zweier<br />
Geschwindigkeitsüberschreitungen zu zwei Geldbußen von 90 € und<br />
180 € verurteilt. Weiter hat es ein Fahrverbot von einem Monat<br />
angeordnet.<br />
Der Betroffene hatte – nach Passieren einer Schilderbrücke - die<br />
zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h überschritten. 1,5 km<br />
darauf passierte das Fahrzeug eine weitere Schilderbrücke, wobei die<br />
Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkt wurde. In diesem<br />
Bereich befuhr der Betroffene die Autobahn mit einer Geschwindigkeit<br />
von 160 km/h.<br />
Dass es sich bei mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen auch im<br />
Verlauf einer Fahrt regelmäßig um mehrere Taten handelt, ist<br />
Auffassung der meisten Gerichte. Die Tatsache, dass mehrere<br />
Verstöße auf der gleichen Fahrt begangen wurden, ändert nichts<br />
daran, dass Fahrten als solche keine rechtliche Klammer zu den<br />
einzelnen Fehlverhaltensweisen im Verkehr bildet. Eine einzige Tat im<br />
Sinne einer natürlichen Handlungseinheit liegt nur dann vor, wenn<br />
strafrechtlich oder ordnungswidrigkeiteinrechtlich erhebliche<br />
Verhaltensweisen durch einen derart unmittelbar zeitlich–räumlichen<br />
und inneren Zusammenhang gekennzeichnet sind, dass sich der<br />
gesamte Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen<br />
unbeteiligten Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun<br />
darstellt.<br />
Verkehrsverstoß Tatmehrheit<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 67 von 121
OLG München, Beschluss vom 23.05.2005, 4 St RR 21/05 = VRS 109,<br />
188= NZV 2005, 544<br />
Verschiedene Überholvorgänge auf derselben Fahrt können trotz<br />
engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs mehrere Taten im<br />
Sinne von § 264 Abs. 1 StPO sein. Mit dem Ende eines bestimmten<br />
Verkehrsgeschehens, das durch ein anderes abgelöst wird, ist in der<br />
Regel das tatbildende geschichtliche Ereignis abgeschlossen.<br />
Während der Dauer einer Fahrt stellen sich dem Kraftfahrer ständig<br />
neue Verkehrslagen, gegenüber denen er regelmäßig erneut<br />
Entscheidung über sein Fahrverhalten treffen muss. Begeht er dabei<br />
mehrfach Verkehrsverstöße auch gleicher Natur, können doch Gründe<br />
für diese Zuwiderhandlung unterschiedlich sein, sowohl was die Motive<br />
als auch die Schuldform oder die Ursache fahrlässigen Versagens<br />
betrifft. Es muss daher immer zusätzlich darauf abgestellt werden, ob<br />
mehrere Verstöße nach den dargestellten Grundsätzen zu<br />
prozessualem Tatbegriff, zu einem einheitlichen historischen Vorgang<br />
zusammengefasst werden können, oder ob sie nach den Umständen<br />
des Einzelfalles verschiedenen Verkehrsvorgängen während der<br />
gleichen Fahrt zugeordnet werden müssen.<br />
Wer überholt, obwohl er nicht übersehen kann, dass während des<br />
ganzen Vorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs<br />
ausgeschlossen ist, verstößt nur gegen § 5 Abs. 2 Satz 1 StVO.<br />
Zigarettenschmuggel<br />
BVerfG, Beschluss vom 01.11.2005, 2 BvR 2125/04<br />
Werden vor oder nach anderen Straftaten auch Verkehrsdelikte<br />
begangen, handelt es sich nicht um die selbe Tat, wenn auf Grund<br />
einer zeitlichen und räumlichen Entfernung vom Beladeort eine Zäsur<br />
vorlag und die Verkehrsdelikte auf Grund eines neuen, spontanen<br />
gefassten Tatentschlusses begangen wurden.<br />
Der Angeklagte brachte Zigaretten nach Deutschland und<br />
transportierte sie in seinem in Grenznähe geparktem PKW. 10<br />
Kilometer vom Abfahrtsort entfernt, sollte der Angeklagte kontrolliert<br />
werden. Hierbei leistete er den Haltesignalen keine Folge. Er<br />
durchbrach Polizeisperren. Nachdem er wegen gewerbsmäßigen<br />
Schmuggelns verurteilt worden war, wurde er auch noch wegen<br />
gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Widerstand gegen<br />
Vollstreckungsbeamte angeklagt. Eine gegen diese Verurteilung<br />
gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 68 von 121
1.2. BtM<br />
BGH, Beschluss vom 27.04.04, 1 StR 466/03 = SVR 2005, 194 = NZV<br />
2005, 52 = DAR 2005, 223<br />
Zwischen dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmittel und der<br />
zeitgleich begangenen Ordnungswidrigkeit des Führen eines<br />
Fahrzeuges unter der Wirkung berauschender Mittel, besteht<br />
verfahrensrechtlich keine Identität sondern Tatmehrheit. Die objektiven<br />
tatbestandlichten Ausführungshandlungen beider Delikte decken sich<br />
nicht einmal teilweise. Die natürliche Betrachtungsweise kommt es zu<br />
dem Ergebnis, dass zwei selbstständige, von gesondert erfassten<br />
Tatentschlüssen beruhende Willensbetätigungen notwendig sind.<br />
Parkverstöße<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 03.11.2005, 1 Ss 226/05 = DAR<br />
2006, 162<br />
Gegen den Betroffenen war ein Bußgeldbescheid ergangen, weil er an<br />
den identischen Stelle von 10:13 Uhr bis 10:18 Uhr und 10:50 Uhr und<br />
10:56 Uhr parkte. Das OLG hat das zweite Verfahren eingestellt<br />
wegen Verstoßes gegen den Grundsatz „ne bis in idem“.<br />
Verbotswidriges Parken ist ein Dauerdelikt.<br />
Dauerordnungswidrigkeiten sind Handlungen, bei denen der Täter den<br />
von ihm durch die Verwirklichung des Bußgeldtatbestandes<br />
geschaffenen rechtswidrigen Zustand aufrecht erhält oder die mit<br />
Bußgeld bewährte Tätigkeit ununterbrochen fortsetzt, sodass sich der<br />
Vorwurf sowohl auf die Herbeiführung als auch auf die<br />
Aufrechterhaltung des Zustandes bezieht. Das der Betroffene die<br />
Möglichkeit hatte, den ordnungswidrigen Zustand zwischenzeitlich zu<br />
beenden, führt nicht zum Wegfall des Dauerdeliktes. Selbst wenn der<br />
Betroffene die angebrachte Verwarnung wahrgenommen hat und in<br />
Kenntnis dessen den Pkw nicht weggefahren hat, ändert dies nichts.<br />
1.4. Wahlfeststellung<br />
OLG Rostock, Beschluss vom 01.04.2005, 2 Ss (Owi) 389/04 I 246/04<br />
= VD 2005, 189 = VRS 109, 27<br />
Im Bußgeldbescheid bzw. im Urteil muss die Tat ausreichend<br />
konkretisiert sein. Eine Tat ist dann hinreichend konkretisiert, wenn der<br />
Verkehrsvorgang, der mögliche Verkehrsverstoß hinreichend<br />
erkennbar ist und eine Verwechslung mit einem anderen Zeitpunkt<br />
oder einen an einem anderen Ort begangenen Verkehrsverstoß<br />
ausgeschlossen ist. Dies hat zur Folge, dass auch ein<br />
Bußgeldbescheid, der einen Rotlichtverstoß zum Gegenstand hat,<br />
einen Verkehrsvorgang ausreichend konkretisiert, bei dem zugleich<br />
eine Geschwindigkeitsüberschreitung stattgefunden haben soll.<br />
Ein alternativ zu einem Rotlichtverstoß abgeurteilter<br />
Geschwindigkeitsverstoß umfasst auch dieselbe Tat im Sinne von<br />
Artikel 103 Abs. 3 GG. Bezeichnet wird hier ein konkretes Geschehen,<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 69 von 121
dass einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang bildet und Merkmale<br />
enthält, die es von denkbaren anderen ähnlichen oder gleichartigen<br />
Vorkommnissen unterscheidet; ein solcher Verstoß umfasst das<br />
gesamte Verhalten eines Täters, soweit dies nach der natürlichen<br />
Lebensauffassung eine Einheit bildet. Die Handlungen müssen dabei<br />
nach dem Ereignisablauf zeitlich, räumlich und innerlich so miteinander<br />
verknüpft sein, dass sich ihre getrennte Würdigung und Ahndung als<br />
unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges<br />
darstellt.<br />
Im konkreten Fall hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen<br />
wahlweiser Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit oder<br />
qualifiziertem Rotlichtverstoß verurteilt. Die Rechtsbeschwerde<br />
hiergegen war begründet. Zwar ist auch eine Wahlfeststellung im<br />
<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>recht denkbar. Vorraussetzung ist aber eine<br />
vollständige Aufklärung des Sachverhaltes.<br />
Ein qualifizierter Rotlichtverstoß kann nur angenommen werden,<br />
wenn ausreichend sichere Feststellungen dazu getroffen werden, in<br />
welcher Entfernung sich das Fahrzeug vor der Ampel befand als diese<br />
auf Rotlicht umschaltete und mit welcher Geschwindigkeit der<br />
Betroffene fuhr. Die gefühlsmäßige Schätzung der Dauer des Rotlichts<br />
durch einen Beobachter reicht zur Feststellung eines qualifizierten<br />
Rotlichtverstoßes nicht aus.<br />
Verwarnung<br />
Sachverhalt: Die Verwaltungsbehörde hat gegen den Betroffenen<br />
einen Bußgeldbescheid über 35,- € erlassen und dem Betroffenen die<br />
Kosten des Verfahrens auferlegt. Als Kosten wurden hierbei eine<br />
Gebühr von 12,50 € und Auslagen von 5,60 € festgesetzt. Gegen<br />
diesen Kostenansatz wendet sich der Betroffene mit einem Antrag auf<br />
gerichtliche Entscheidung. Er trägt vor, er habe das<br />
Verwarnungsgeld überwiesen.<br />
Der Antrag hatte kein Erfolg. Zu Unrecht geht der Betroffene davon<br />
aus, dass der Durchführung des Bußgeldverfahrens das<br />
Verfahrenshindernis des § 56 Abs. 4 OWiG entgegensteht. Bei einer<br />
Verwarnung handelt es sich um einen mitwirkungsbedürftigen<br />
Verwaltungsakt, der nur zustande kommt, wenn das Verwarnungsgeld<br />
zur richtigen Zeit am richtigen Ort gezahlt wird. Ein<br />
Verfahrenshindernis besteht nicht, wenn die Zahlung des<br />
Verwarnungsgeldes verspätet eingeht und die Verwaltungsbehörde die<br />
Frist nachträglich weder ausdrücklich noch stillschweigend verlängert<br />
hat. Im Fall einer Überweisung trägt der Überweisender das Risiko des<br />
rechtzeitigen Eingangs einer Überweisung. Nach Erlass des<br />
Bußgeldbescheids ist eine Verwarnung nicht mehr möglich, also auch<br />
keine Fristverlängerung. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand<br />
wegen der Versäumnis der Zahlungsfrist gibt es nicht.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 70 von 121
Anders könnte alleine bei einer Einzahlung bei der Post zur<br />
Überweisung an die empfangende Stelle gesehen werden, dabei<br />
würde der Poststempel ausreichen.<br />
AG Saalfeld, Beschluss vom 15.07.2005, Owi 23/04 = VRS 109, 192<br />
Der Betroffene hatte wegen eines Parkverstoßes ein Verwarnungsgeld<br />
an Ort und Stelle bezahlt. Später hat er die Aufsichtsbeschwerde<br />
erhoben. Diese Beschwerde beseitigt nicht die Wirksamkeit der<br />
Verwarnung. Diese entfällt auch nicht dadurch, dass die<br />
Verwaltungsbehörde das Verwarnungsgeld an den Betroffenen<br />
zurückgezahlt hat. Wegen einer wirksamen Verwarnung kann der<br />
Verkehrsverstoß dann aber nicht mehr als Bußgeldverfahren verfolgt<br />
werden.<br />
AG Mainz, Beschluss vom 19.09.2005, 3726 Js 6108/05. 403 OWi =<br />
DAR 2006, 166<br />
Verwarnung,<br />
Ein Betroffener hat keinen Anspruch auf eine gebührenfreie Ahndung<br />
durch eine Verwarnung.<br />
AG Saalfeld, Beschluss vom 27.03.2006, 640 Js 10252/06 OWI = VRs<br />
110, 366<br />
2. Höhe des Bußgeldes<br />
2.1. Geringe Geldbuße<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 14.03.2005, 3 Ss OWi 100/05<br />
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger<br />
Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb<br />
geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 550,00 Euro<br />
verurteilt. Auf die Rechtsbeschwerde hin wurde das Urteil aufgehoben.<br />
Der Rechtsfolgenausspruch konnte nicht bestehen bleiben, wenn der<br />
Höchstrahmen gem. § 17 Abs. 2 OWiG für fahrlässig begangene<br />
<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> von 500,00 Euro, überschritten wird. Diese<br />
Grenze gilt auch, wenn ein an sich verwirktes Fahrverbot nicht<br />
verhängt wird. 1 Außerdem müssen bei Bußgeldern in dieser<br />
Größenordnung stets Feststellungen zu den persönlichen und<br />
wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen erfolgen. Die Grenze<br />
1 so auch OLG Hamm NZV 1994.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 71 von 121
der Geringfügigkeit, bei der solche Ausführungen entbehrlich sind, ist<br />
jedenfalls bei 250,00 Euro überschritten 1 .<br />
2.2. maximale Geldbuße<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 10.11.2004, 1 Ss 64/04 = ZFS 2005,<br />
415<br />
Gegen den Betroffenen erging wegen Überschreitung der<br />
Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 63<br />
km/h ein Bußgeldbescheid über 275,00 € und zwei Monaten<br />
Fahrverbot. Das Amtsgericht verkürzte das Fahrverbot auf einen<br />
Monat und setzte eine Geldbuße von 800 € fest.<br />
1. Das verhängte Bußgeld von 800 € übersteigt das mögliche Bußgeld<br />
das § 17 Abs. 2 OWiG für fahrlässige Taten vorsieht. Das Höchstmaß<br />
der Geldbuße beträgt 500 €. Dieses Höchstmaß kann auch nicht<br />
überschritten werden, wenn zum Ausgleich dafür ein Fahrverbot<br />
wegfällt.<br />
2. Darüber hinaus bedarf es der Ausführungen zu dem wirtschaftlichen<br />
Verhältnissen. Bei Bußgeldern von mehr als 250 € liegen keine<br />
geringfügigen <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> mehr im Sinne von § 17 Abs. 3<br />
OWiG vor. 2<br />
2.3. Erhöhung der Regelgeldbuße<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 30.03.2005, 4 Ss Owi 173/05 = VRS 108,<br />
449 = DAR 2005, 407<br />
Überschreitet ein Betroffener die zulässige Höchstgeschwindigkeit, die<br />
auf 70 km/h reduziert war, um 100 km/h außerorts, so liegt zumindest<br />
hinsichtlich der Überschreitung der allgemein geltenden<br />
Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h Vorsatz vor. Dabei ist ein<br />
Bußgeld von 375,00 € und ein Fahrverbot von drei Monaten<br />
angemessen. Die Höhe der Geldbuße ist nicht zu beanstanden, wenn<br />
das Amtsgericht festgestellt hat, dass der Betroffene als<br />
selbstständiger Kaufmann ohne Unterhaltsansprüche über ein<br />
monatliches Nettoeinkommen von 2.000 € - 2.500 € verfügt.<br />
2.4. Geringe Geldbuße<br />
1<br />
OLG Hamm Beschluss vom 09.01.2001 3 Ss OW 899/00; OLG Hamm Beschluss<br />
vom 04.10.2004, 4 Ss OW 607/04<br />
2<br />
Nach OLG Celle, zfs 2005, 314 ist bereits bei einer Geldbuße von mehr als 100 €<br />
nicht mehr von einer geringfügigen Geldbuße ausgegangen.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 72 von 121
Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen sind nur bei<br />
geringfügigen <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> entbehrlich.<br />
Geldbußen von mehr als100€ sind nicht mehr geringfügig.<br />
OLG Köln, Beschluss vom 31.10.2005, 83 Ss – Owi 44/05 = zfs 2006,<br />
116<br />
Geringfügige <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> sind <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> von<br />
nicht mehr als 250 Euro 1<br />
OLG Jena, Beschluss vom 22.12.2004, 1 Ss 282/04 = VRR 2005, 114<br />
Eine Verurteilung zu einer Geldbuße von 500,00 € ist keine geringe<br />
Geldbuße mehr.<br />
OLG Dresden, Beschluss vom 03.01.05, Ss (Owi) 629/04 = SVR 2005,<br />
152= DAR 2005, 224<br />
2.5. Gesamtgeldbuße<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.11.2004, 1 Ss 93/04 = NZV 2005,<br />
329<br />
Es ist anerkannt, dass Bußgeldkataloge, die außerhalb der<br />
Ermächtigung von § 26a StVG ergangen sind, keine gerichtliche<br />
Bindungswirkung erzielen. Die Heranziehung derartiger<br />
Verwaltungsanweisungen darf nicht dazu führen, dass die<br />
wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen vollkommen außer<br />
Betracht bleiben und gegen diesen eine unverhältnismäßige und von<br />
ihm nicht mehr leistbare Sanktion verhängt wird.<br />
Gegend den Betroffenen hat das Gewerbeaufsichtsamt wegen<br />
vorsätzlichen Verstoßes gegen das FahrpersonalG einen<br />
Bußgeldbescheid in Höhe von insgesamt 314.520,00 € erlassen.<br />
Hiermit sollten 274 Einzelgeldbußen zwischen 60,00 € und 6.300,00 €<br />
festgesetzt werden, weil die bei dem Betroffenen angestellten Fahrer<br />
von diesem unrichtige Urlaubsbescheinigungen ausgestellt bekommen<br />
und auf Grund seiner Vorgaben die Tageslenkzeit überschritten hatten.<br />
Das Amtsgericht verhängte dann wegen vorsätzlichen Verstoßes<br />
gegen das Fahrpersonalgesetz in 77 Fällen eine Gesamtgeldbuße von<br />
7.700,00 €. Hiergegen richtet sich sowohl die Rechtsbeschwerde des<br />
Betroffenen wie die der Staatsanwaltschaft.<br />
1 So auch OLG Frankfurt ZFS 2004, 282 ;OLG Köln VRS 97,381. 100 Euro; OLG<br />
Düsseldorf VRS 97,214 oder 35 Euro OLG Oldenburg VRS 79,375; OLG Karlsruhe<br />
NSTZ 1988, 137.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 73 von 121
Beide Rechtsbeschwerden bedürfen der Zulassung. Auch wenn das<br />
Amtsgericht von einer Gesamtgeldbuße spricht, ergibt sich aus den<br />
Gründen, dass es 77 Einzelgeldbuße zu je 100,00 € verhängt hat. In<br />
einem solchen Fall ist bei selbstständigen Taten im<br />
verfahrensrechtlichen Sinn auf den Wert der einzelnen Geldbuße und<br />
nicht auf den Gesamtwert abzustellen.<br />
Einstellung durch OLG<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.10.2004, 1 Ss 121/04 = DAR 2005,<br />
167= VRS 108, 33= NStZ – RR 2005, 213<br />
Die gerichtliche Einstellung eines OWi-Verfahren kommt immer dann<br />
in Betracht, wenn eine Ahndung der Tat der ansonsten üblichen Praxis<br />
der Verwaltung widerspricht.<br />
3. Verjährung<br />
Form der ersten Vernehmung<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 11.08.2005, 2 Ss OWi 312/05<br />
Die Anordnung der ersten Vernehmung bedarf keiner besonderen<br />
Form. Allerdings muss die Anordnung dann unterzeichnet sein, wenn<br />
sie die Verjährung unterbrechen soll. Das Handzeichen genügt hierfür.<br />
Dieses Handzeichen muss nicht lesbar sein, denn der „geäußerte<br />
behördliche Wille“, die Verjährung zu unterbrechen, muss erkennbar<br />
sein.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 11.08.2005, 2 Ss Owi 322/05 = SVR<br />
2006, 154 = VRS 109, 365<br />
Die Anordnung der ersten Vernehmung eines Betroffenen bedarf<br />
keiner besonderen Form. Erfolgt die Anordnung schriftlich, ist<br />
grundsätzlich die Unterzeichnung erforderlich, wofür ein vom<br />
Sachbearbeiter angebrachtes Handzeichen genügt. Es ist für die<br />
Frage der Unterbrechung der Verjährung unschädlich, wenn dieses<br />
Handzeichen nicht lesbar ist.<br />
Aktenübersendung<br />
OLG Hamm, Urteil vom 27.09.2005, 3 Ss OWi 355/05<br />
Die Verjährung wird auch gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen,<br />
wenn die Akten zur Einsicht an den Verteidiger übersandt werden.<br />
Hierin liegt eine Bekanntgabe an den Betroffenen, dass gegen ihn ein<br />
<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>verfahren eingeleitet wurde. Der Verteidiger des<br />
Betroffenen ist auch bevollmächtigt, Mitteilung dieser Art entgegen zu<br />
nehmen. Allerdings reicht es zur Überzeugungsbildung nicht aus,<br />
wenn das Amtsgericht von einer geständigen Einlassung des<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 74 von 121
Betroffenen ausgeht, weil dieser die „durchgeführte<br />
Geschwindigkeitsmessung und die Richtigkeit des Messergebnisses<br />
ausdrücklich nicht in Zweifel sieht.“<br />
3.1. Anhörungsbogen<br />
3.1.1. Übersendung der Akten an Polizei<br />
OLG Rostock, Beschluss vom 27.01.2005, 2 Ss OW 418/04 = VRR<br />
2005, 76<br />
Die Verjährung wird nur unterbrochen, wenn sich die Ermittlungen<br />
gegen einen konkreten Betroffenen richten. Zur Entscheidung der<br />
Frage einer Unterbrechung der Verjährung kommt es auf die<br />
dokumentierten Ermittlungshandlungen an. Wesentlich ist hierbei die<br />
tatsächliche Dokumentation des Akteninhalts.<br />
Eine Übersendung der Akten an die Polizeibehörde zur Ermittlung des<br />
Fahrzeugführers unterbricht nicht die Verjährung. Dies gilt auch, wenn<br />
bereits mit der Übersendung der Akten neben der Ermittlung des<br />
Fahrzeugführers dessen Vernehmung angeordnet wird. Auch wenn<br />
gegen den späteren Betroffenen die Vernehmung angeordnet wird<br />
oder auch dem späteren Betroffenen die Anordnung einer<br />
Vernehmung übermittelt wird, unterbricht dies nicht die Verjährung,<br />
wenn nicht bereits gegen diesen Zeugen ermittelt wird.<br />
3.1.2. Dokumentation bei Eingriffen in den EDV-Ablauf<br />
OLG Dresden, Beschluss vom 10.05.2005, Ss (OW) 886/04 = DAR<br />
2005, 570 = VRS 109, 57= zfs 2005, 572<br />
Die Übersendung eines Anhörungsbogens unterbricht nur dann die<br />
Verjährung, wenn aktenkundig gemacht ist, wer die Anordnung<br />
vorgenommen hat. Dabei muss der zuständige Sachbearbeiter durch<br />
Unterschrift oder Handzeichen die Verantwortung für die Richtigkeit<br />
der Beurkundung des Datums übernehmen. Die Verjährung wird auch<br />
unterbrochen, wenn der Anhörungsbogen mittels einer EDV-Anlage<br />
gefertigt wird, ohne dass der Sachbearbeiter zuvor in den<br />
vorprogrammierten Ablauf des Computers eingreift.<br />
Führt die Bußgeldbehörde das Ermittlungsverfahren zunächst gegen<br />
Unbekannt, stellt die Entscheidung nunmehr gegen einen bestimmten<br />
Betroffenen zu ermitteln, eine Individualentscheidung des<br />
Sachbearbeiters dar, über die die Bußgeldbehörde in der Akte Zeugnis<br />
ablegen muss. Allerdings wird die Verjährung auch dadurch<br />
unterbrochen, dass ein Polizeibeamter den Betroffenen mündlich die<br />
Einleitung des Ermittlungsverfahrens mitteilt.<br />
Elektronische Akte<br />
KG, Beschluss vom 02.08.2005, 3 Ws (B) 72/05 = VRS 109, 367 =<br />
DAR 2006, 218<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 75 von 121
Die Bußgeldakten werden in Berlin seit geraumer Zeit in Form<br />
elektronischer Akten bearbeitet. Dabei werden sämtliche schriftlichen<br />
Eingänge mittels eines Scanners in elektronische Form umgewandelt<br />
und in der EDV-Anlage gespeichert. Alle Verfügungen der<br />
Sachbearbeiter werden unmittelbar durch Eingabe in die elektronische<br />
Datenverarbeitungsanlage getroffen. Eine Akte im herkömmlichen<br />
Sinne existiert nicht, solange das Verfahren bei der Bußgeldstelle<br />
bearbeitet wird. Eine solche wird nur erstellt, wenn das Verfahren nach<br />
Einspruch gegen einen erlassenen Bußgeldbescheid an das<br />
Amtsgericht abgegeben wird. Die Verfügung der Anhörung des<br />
Betroffenen ist nach dessen Ermittlungen am 18.03.2003 durch Eingriff<br />
des zuständigen Sachbearbeiters in den Ablauf des Programms<br />
veranlasst worden. Dies ergibt sich aus einem bei den Akten<br />
befindlichen Ausdruck der Speicherung dieses Eingriffs. Auf<br />
Unterzeichnung kommt es nicht an. § 33 Abs. 2 Satz 1 umwickelt<br />
nur den Fall der schriftlichen Anordnung oder Entscheidung und<br />
bestimmt nur für diesen, dass die Verjährung zum Zeitpunkt der<br />
Unterschrift unterbrochen wird. Vorliegend erfolgt die Anordnung der<br />
Anhörung des Betroffenen jedoch nicht durch eine schriftliche<br />
Anordnung oder Entscheidung, sondern ausschließlich durch Eingabe<br />
des zuständigen Sachbearbeiters in die Datenverarbeitungsanlage.<br />
Dabei ist eine Unterschrift nicht möglich und nicht vorgeschrieben.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Verjährung, Anhörung<br />
OLG Hamburg, Beschluss vom 10.1.2006 - I 88/05 = DAR 2006, 223 =<br />
VRS 110, 289 = NZV 2006, 445<br />
Die Verjährung wird unterbrochen, wenn die schriftliche Anordnung<br />
einer Anhörung ergeht. Hierbei ist der Zeitpunkt der Unterzeichnung der<br />
Anordnung maßgeblich. Eine solche handschriftliche Abzeichnung liegt<br />
im konkreten Fall nicht vor.<br />
OLG Hamburg, Beschluss vom 10.01.2006, 3 Ss 64/05 Owi = VRR<br />
2006, 233<br />
Das Auswechseln des Betroffenen während des Verfahrens ist eine<br />
Individualentscheidung. Nach einem individuellen Eingriff in das EDV-<br />
Programm setzt die Unterbrechung der Verjährung voraus, dass eine<br />
schriftliche Anordnung unterschrieben ist oder mit einem Handzeichen<br />
versehen und datiert ist.<br />
Dies gilt auch, wenn die Anordnung im Computersystem der Behörde<br />
elektronisch hinterlegt ist und ein Missbrauch durch eine jedem<br />
Sachbearbeiter individuell zugeordnete Kennung ausgeschlossen<br />
erscheint.<br />
Vorlagebeschluss<br />
OLG Brandenburg, Vorlagebeschluss vom 16.11.2005, 1 Ss (Owi)<br />
165Z/05 = VRS 109, 443<br />
Die Frage lautet:<br />
Seite 76 von 121
Bedarf die erneute Absendung eines Anhörungsbogens im EDV<br />
unterstützten Bußgeldverfahren an einen von der Person des bisher<br />
als Betroffenen geführten Kfz-Halter abweichenden Fahrers als neuen<br />
Betroffenen einer schriftlichen Anordnung mit handschriftliche<br />
Unterschrift oder Namenskürzel durch den Sachbearbeiter, um die<br />
Verjährungsunterbrechung gem. § 33 Abs. 1 Nr. herbeizuführen.<br />
Der Senat möchte dies anderes sehen als das OLG Dresden in seiner<br />
Entscheidung vom 27.04.2004, Ss (Owi) 128/04 = DAR 2004, 534<br />
sowie OLG Dresden vom 10.05.2005, Ss (Owi) 886/04 = DAR 2005,<br />
570 = zfs 2005, 572<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Verjährung Owi<br />
BGH, Beschluss vom 22.05.2006, 5 StR 578/05 = SVR 2007, 29 = DAR<br />
2006, 462 = BGHSt 51, 72 = NZV 2006, 484 = zfs 2006, 528 mit<br />
Anmerkungen im Gübner = NJW 2006, 2338<br />
Für eine die Verjährung unterbrechende Anordnung der Bekanntgabe<br />
des Ermittlungsverfahrens reicht es aus, dass der Sachbearbeiter der<br />
Verwaltungsbehörde die Erstellung und Versendung eines<br />
Anhörungsbogens durch individuellen elektronischen Befehl veranlasst,<br />
wenn sich Zeitpunkt und Bearbeiter dieses Vorgangs sicher feststellen<br />
lassen.<br />
3.1.3. Weitergabe der Anhörung an den Fahrer<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 03.05.2005, 1 Ss OWi 132/05 = SVR<br />
2005, 438<br />
Die Verjährung beträgt bis zum Erlass des Bußgeldbescheides drei<br />
Monate, danach sechs Monate. Zwischen Tatbegehung und Erlass<br />
eines Bußgeldbescheides können mehr als drei Monate verstreichen.<br />
Es kommt darauf an, dass die Verjährung wirksam unterbrochen wird.<br />
Der Ausdruck eines mittels EDV gefertigten Anhörungsbogen ist eine<br />
Anordnung zur Übersendung eines solchen Anhörungsbogens<br />
gleichgestellt. In einem solchen Fall hat die Behörde eine vorgesehene<br />
Tätigkeit so in den Computer programmiert und damit in ihren eigenen<br />
Willen aufgenommen. Bezieht sich dieser Ausdruck eines<br />
Anhörungsbogens auf den konkreten Betroffenen, wird die Verjährung<br />
unterbrochen. Die Übersendung eines Anhörungsbogens an den<br />
Seite 77 von 121
Fahrzeughalter unterbricht jedoch nicht die Verjährung. 1 Dies gilt auch,<br />
wenn der Anhörungsbogen von dem Halter an den Fahrer<br />
weitergegeben wird und dieser ihn zurücksendet.<br />
3.1.4. Übertragung der Halterdaten in Betroffenendaten<br />
AG Neuss, Beschluss vom 15.06.2005, 18 OWi 51 Js 198/05 = zfs<br />
2005, 574 = StraFo 2005, 430<br />
Die Übertragung von Halterdaten in Betroffenendaten unterbricht die<br />
Verjährung nur, wenn dieser Eingriff in die Datenverarbeitung<br />
dokumentiert ist. Das Oberlandesgericht Köln hat in einer<br />
Entscheidung 2 bestimmt, dass bei einem Eingriff in den EDV-Ablauf<br />
aktenkundig gemacht werden muss, wer die Anordnung vorgenommen<br />
hat, zudem müsse der Anordnende durch Unterschrift oder zumindest<br />
Handzeichen die Verantwortung für die Richtigkeit der Bearbeitung<br />
übernehmen. Das OLG Düsseldorf 3 hat klargestellt, dass sich die eine<br />
Verjährung unterbrechende Wirkung eindeutig aus den Akten ergeben<br />
muss. Befinden sich lediglich Zeichen auf der Rückseite eines vom<br />
KBA stammenden Computerausdrucks, reicht dies nicht.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Falsche Anschrift<br />
AG Wittenberg, Beschluss vom 12.8.2005 - 3 OWi 561 Js 22815/05 (<br />
43/05) = SVR 2006, 75<br />
Die Einstellung des Verfahrens gemäß § 205 StPO unterbricht die<br />
Verjährung nicht, wenn die Verwaltungsbehörde in Kenntnis der<br />
richtigen Anschrift an eine falsche Anschrift zustellt.<br />
SV-Gutachten<br />
OLG Braunschweig, Beschluss vom 28.6.2005 - 1 Ss OWi 40/05 = SVR<br />
2006, 112<br />
Voraussetzung für die Verjährungsunterbrechung durch Einholen eines<br />
Sachverständigengutachten ist stets, dass die Anordnung der<br />
Begutachtung den Verfahrensbeteiligten nach ihrem Inhalt und dem<br />
Zeitpunkt ihres Ergehens erkennbar ist und von diesen in ihrer Wirkung<br />
auf das Verfahren abgeschätzt werden kann.<br />
1<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 17.05.2005, 1 Ss OWi 244/05<br />
2<br />
OLG Köln, VRS 98, 207<br />
3<br />
OLG Düsseldorf, VRS 92, 342<br />
Seite 78 von 121
3.1.5. Verjährung und Fehler bei dem Bußgeldbescheid<br />
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12.07.2004, 1 Ss 102/04<br />
Die Verjährung wird auch unterbrochen, wenn in einer Anhörung oder<br />
einem Bußgeldbescheid der männliche Betroffene als „Frau“<br />
angeredet wird.<br />
3.1.6. Zustellung des Bußgeldbescheides<br />
OLG Koblenz, Beschluss vom 14.02.04, 1 Ss 341/04 = zfs 2005, 363<br />
Gegen den Betroffenen ist ein Bußgeldbescheid ergangen. Zur Sache<br />
hat er keine Angaben gemacht, der kontrollierende Polizeibeamte<br />
notierte als damalige Meldeadresse die S-strasse 12. Dies war der Sitz<br />
eines dem Vater des Betroffenen gehörenden Unternehmens.<br />
Tatsächlich wohnte der Betroffenen an einer anderen Stelle. Unter der<br />
angegebenen Anschrift wurde der Bußgeldbescheid dem Vater des<br />
Betroffenen ausgehändigt.<br />
Auf die Rechtsbeschwerde hin wurde das Verfahren wegen<br />
Verfolgungsverjährung eingestellt. Eine Ersatzzustellung an eine<br />
Stelle, an der der Betroffenen nicht wohnt, ist keine wirksame<br />
Zustellung. Fehlt es an einer wirksamen Zustellung unterbricht der<br />
Busgeldbescheid nicht eine laufende Verjährung.<br />
3.1.7. Vorläufige Einstellung des Verfahrens<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 16.12.04, 2 Ss Owi 479/04 = zfs 2005,<br />
364= NZV 2005, 491<br />
Zu Unterbrechung der Verjährung reicht es aus (§ 33 Abs. 1 Nr. 5<br />
OWiG), wenn das Verfahren vorläufig wegen angenommener<br />
Abwesenheit des Betroffenen eingestellt wird. Der Irrtum über die<br />
tatsächliche Abwesenheit ist unschädlich, der Irrtum muss jedoch<br />
unverschuldet sein. Ist aber nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund<br />
der bekannte Wohnsitz geändert wird oder die richtige Anschrift nicht<br />
berücksichtigt wird, kann von unverschuldet im Sinne dieser Vorschrift<br />
nicht die Rede sein.<br />
Verfahrenseinstellung<br />
Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 29.03.2005, 2 Ss (Owi)<br />
51Z/05<br />
Die Verfahrenseinstellung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG unterbricht die<br />
Verjährung nur, wenn ein vorhandener Irrturm von der<br />
Verwaltungsbehörde nicht selbst verschuldet ist. Erfolgt die Einstellung<br />
aufgrund einer nicht zutreffenden Anschrift, die aufgrund eines<br />
Übertragungsfehlers in die Akte gekommen ist. Grundsätzlich sind die<br />
Bestimmungen über die Verjährungsunterbrechung als<br />
Ausnahmevorschriften auszulegen. Die Auslegung müsse auch „loyal“<br />
erfolgen, es dürfe nicht den Willen des Gesetzes unterlaufen (BGHSt<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 79 von 121
16, 193). Dies heißt: Nicht jede verjährungsunterbrechende<br />
Verfahrenseinstellung setzt zwingend voraus, dass der Betroffene<br />
auch tatsächlich abwesend ist. Sie muss zunächst nur durch die<br />
Annahme einer Abwesenheit motiviert sein. Ist dagegen der Irrturm<br />
über die Abwesenheit in der Sphäre der Verwaltungsbehörde<br />
entstanden, so wird dieser Irrturm ihr schuldhaft zugerechnet. In<br />
diesen Fällen widerspricht es der Fairness eines Verfahrens, daraus<br />
für den Betroffenen einen Nachteil zu konstruieren.<br />
AG Wittenberg, Beschluss vom 12.08.2005, 3 OWi 561 Js 22815/05<br />
(43/05) = SVR 2006, 75<br />
Die Einstellung des Verfahrens gem. § 205 StPO unterbricht die<br />
Verjährung nicht, wenn die Verwaltungsbehörde in Kenntnis der<br />
richtigen Anschrift an eine falsche Anschrift zustellt.<br />
Beauftragung eines Sachverständigen<br />
OLG Braunschweig, Beschluss vom 28.06.2005, 1 Ss OWi 40/05 =<br />
SVR 2006, 112<br />
Die Beauftragung eines Sachverständigengutachtens unterbricht die<br />
Verjährung nur, wenn klar ist, gegen wen sich das Verfahren richtet.<br />
Dies gilt auch, wenn bei einem einheitlichen Verteidiger das Gutachten<br />
in einem Parallelverfahren beauftragt wird.<br />
Übersendung an AG<br />
Unterbrechung der Verjährung § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 OWiG)<br />
OLG Hamburg, Beschluss vom 08.08.2005, III-66/05 OWi = DAR<br />
2005, 642 = VRS 109, 279<br />
Im Falle der Unterbrechung der Verjährung durch Übersendung der<br />
Akten an das Amtsgericht hat das Rechtsbeschwerdegericht die<br />
Möglichkeit zu ergänzender Beweisaufnahme. Vorliegend wurde im<br />
Freibeweisverfahren festgestellt, dass die Akten noch innerhalb der<br />
Verjährungsfrist beim Gericht eingegangen waren. Dies steht im<br />
Einklang mit der Entscheidung des BGH. 1<br />
Rechtsbeschwerde<br />
1 BGHSt 30, 215, 219<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 80 von 121
OLG Hamm, Beschluss vom 04.01.2006, 2 Ss Owi 873/05 = DAR<br />
2006, 224<br />
Die Frage der Verfolgungsverjährung wird im Zulassungsverfahren nur<br />
dann geprüft, wenn es geboten ist, die Rechtsbeschwerde zuzulassen,<br />
um hierzu ein klärendes Wort zu sagen.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Verjährung, Zulassung der Rechtsbeschwerde<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 12.5.2005 - 2 Ss OWi 322/05 = SVR 2006,<br />
154<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 04.01.2006, 2 Ss OWi 873/05 = VRS 110,<br />
227 = NZV 2006, 315<br />
Die Übersendung des Anhörungsbogens ist ausreichend, wenn daraus<br />
für den Adressaten unmissverständlich hervorgeht, dass die Ermittlung<br />
gegen ihn als Betroffenen geführt werden.<br />
Die Frage der Verjährung kann im Zulassungsverfahren nur geprüft<br />
werden, wenn es geboten ist, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.<br />
3.1.8. Unterbrechung der Verjährung durch eine Anklage<br />
OLG München, Beschluss vom 30.05.2005, 4 St RR 73/05 = VD 05,<br />
185= DAR 2005, 525 = NZV 2006, 107<br />
Der Angeklagte wurde wegen vorsätzlichen Fahrens ohne<br />
Fahrerlaubnis angeklagt. In dem Verfahren erging der rechtliche<br />
Hinweis, dass zusätzlich zur Straftat auch eine Verurteilung wegen<br />
einer Ordnungswidrigkeit erfolgen könne. Die Revision des<br />
Angeklagten war nicht erfolgreich. Die Ordnungswidrigkeit ist auch<br />
nicht verjährt, da durch die Eröffnung des Strafverfahrens die<br />
Verjährung auch hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit unterbrochen<br />
wurde.<br />
4. Hinweispflicht gem. § 265 StPO<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 12.04.2005, 3 Ss Owi 191/05 = StraFo<br />
2005, 298 = zfs 2005, 519<br />
Auch im <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>recht ist die Vorschrift des § 265 StPO<br />
anzuwenden.<br />
Das Fahrverbot nach § 25 StVG ist eine Nebenfolge; es handelt sich<br />
weder um eine Maßregel der Besserung und Sicherung noch um einen<br />
besonders vorgesehenen Umstand, der die Strafbarkeit erhöht. In der<br />
Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass in entsprechenden<br />
Anwendung des § 265 Abs. 2 StPO ein Hinweis erforderlich ist, wenn<br />
der Tatrichter in einem Bußgeldbescheid nicht angeordnetes<br />
Fahrverbot verhängen will. Unterbleibt der Hinweis, ist nicht<br />
auszuschließen, dass der Betroffene im Falle eines entsprechenden<br />
rechtlichen Hinweises seine Verteidigung anders angerichtet hätte und<br />
Seite 81 von 121
möglicherweise den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid<br />
zurückgenommen hätte oder auf den Rechtsfolgenausspruch<br />
beschränkt. Die Anordnung der Maßregel beruht daher auf dem<br />
Verfahrensverstoß.<br />
5. Zustellung, § 51 OWiG, Vollmacht des Verteidigers<br />
5.1.<br />
Die Vollmacht eines Verteidigers ist nicht beschränkbar, siehe auch §§<br />
147, 148 StPO.<br />
AG Mayen, Urteil vom 10.03.2005, 2040 Js 10563/04 3. OWi = VA<br />
2005, 161<br />
Gemäß § 51 Abs. 3 OWiG gilt der gewählte Verteidiger, dessen<br />
Vollmacht sich bei den Akten befindet, als ermächtigt, Zustellungen in<br />
Empfang zu nehmen. Bei der zur Akte gereichten Vollmacht muss es<br />
sich jedoch um eine Verteidigervollmacht handeln. Eine solche liegt<br />
nicht vor, wenn die Vollmacht weder zur Entgegennahme von<br />
Zustellungen noch zur Vertretung in <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>verfahren<br />
ermächtigt.<br />
Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 23.01.2005, 2 Ss (Owi) 58<br />
B/05 = Zfs 2005, 517)<br />
Gem. § 51 OWiG gilt der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich<br />
bei den Akten befindet, als ermächtigt, Zustellungen in Empfang zu<br />
nehmen. Diese Regelung begründet eine gesetzliche<br />
Zustellungsvollmacht, die vom Willen des Betroffenen unabhängig ist<br />
und nicht von vornherein durch eine Verteidigervollmacht<br />
eingeschränkt oder vollständig entzogen werden kann. Dies gilt<br />
jedenfalls für den Wahlverteidiger.<br />
OLG Dresden, Beschluss vom 10.05.2005, Ss (OWi) 309/05 = VRS<br />
108, 439 = DAR 2005, 572<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 82 von 121
Zustellung an Kanzlei<br />
AG Bayreuth-Zweigstelle Pegnitz, Beschluss vom 26,10.2005, 8 OWi<br />
149 Js 11149/05 = Zfs 2006, 174<br />
Die Zustellung des Bußgeldbescheides an eine Rechtsanwaltskanzlei<br />
unterbricht nicht die Verjährung, wenn sich lediglich ein Mitglied der<br />
Sozietät zum Verteidiger bestellt hat. 1<br />
6. Der Bußgeldbescheid<br />
6.1.Mängel des Bußgeldbescheid<br />
Die Schuldform braucht in einem Bußgeldbescheid nicht mitgeteilt zu<br />
werden. Fehlt die Schuldform im Bußgeldbescheid, kann das<br />
Amtsgericht von einem Vorlässigkeitsvorwurf ausgehen. Auch bei<br />
Beschränkung des Einspruchs ist es dem Tatrichter aber erlaubt,<br />
ergänzende Feststellungen zu treffen, soweit diese nicht im<br />
Widerspruch zum angefochtenen Bescheid stehen.<br />
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12.01.2006, 1 Ss 159/05 = VD<br />
2006,78 = DAR 2006, 342 = VRS 110, 292<br />
Fehler des Bußgeldbescheides berühren zumeist nicht die<br />
Wirksamkeit. Nur bei Vorliegen schwerwiegenden Mängel ist ein<br />
Bußgeldbescheid unwirksam, insbesondere dann, wenn in dem<br />
Bußgeldbescheid entweder die Tat oder der Betroffene nicht<br />
ausreichend konkretisiert ist, so dass eine Identifizierung nicht mehr<br />
möglich ist. Wird z.B. der Name anstatt nur mit „k“ mit „ck“ geschrieben<br />
und das Geburtsdatum falsch angegeben statt 16.05.1968 der<br />
16.05.1998, so berührt dies noch nicht die Identifizierbarkeit.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 03.03.2005, 23 Ss Owi 407/04 = VRS<br />
108, 05 = DAR 2005, 524<br />
Zustellung eines Bußgeldbescheides<br />
1. Die bloße Terminsaufhebung ist kein Unterbrechungstatbestand<br />
im Sinne von § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 OWiG.<br />
2. Die Verlängerung der Verjährungsfrist nach Erlass des<br />
Bußgeldbescheides auf sechs Monate gem. § 26 Abs. 3 StVG<br />
setzt voraus, dass der Bußgeldbescheid binnen einer Frist von<br />
1<br />
Ebenso AG Homburg, Beschluss vom 22.12.2005, 5 OWi 114/05 =<br />
Zfs 2006, 175<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 83 von 121
zwei Wochen wirksam und ordnungsgemäß zugestellt wird.<br />
Eine Zustellung kann nicht am Sitz einer GmbH für den GmbH-<br />
Geschäftsführer erfolgen.<br />
OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2005, 3 Ss OWi 1354/05 = SVR<br />
2006, 272 = VRR 2006, 189 = NZV 2006, 314<br />
Die Zustellung eines Bußgeldbescheides ist auch dann wirksam, wenn<br />
das Aktenzeichen der Bußgeldbehörde nicht auf dem Umschlag<br />
angebracht ist, aber durch das Sichtfenster des Umschlages lesbar ist.<br />
OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.11.2005, 1 Ss (OWi) 239B/05 =<br />
VRR 2006, 191 = NZV 2006, 315<br />
Die Zustellung eines Bußgeldbescheides gegen einen in Frankreich<br />
wohnenden Betroffenen an eine deutsche Firma erfüllt nicht die<br />
Anforderungen an eine wirksame Zustellung im Sinne des § 10<br />
VwZVG.<br />
AG Suhl, Beschluss vom 12.12.2005, 330 Js 20089/05 1 OWi = zfs<br />
2006, 353<br />
Zustellung in den Geschäftsräumen<br />
OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2005, 3 Ss Owi 1354/05 = SVR<br />
2006, 272<br />
Ein Geschäftführer einer GmbH ist regelmäßig nur Angestellter der<br />
Gesellschaft. Für ihn persönlich kann in den Geschäftsräumen keine<br />
Ersatzzustellung getätigt werden.<br />
Bußgeldbescheid<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 4.7.2005, 1 Ss 269/03 = VRS 110, 41<br />
Wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 84<br />
km/h wurde gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 1.130,00 €<br />
sowie ein Fahrverbot von drei Monaten festgesetzt. Die falsche<br />
Ortsangabe in einem Bußgeldbescheid hat dann keine Bedeutung,<br />
wenn der Betroffene unmittelbar nach dem Verkehrsverstoß von der<br />
Polizei angehalten wurde und damit keine Verwechslungsgefahr<br />
gegeben ist. Zur Klärung solcher Fragen ist der gesamte Akteninhalt<br />
hinzuzuziehen.<br />
Wenn nicht ein glaubhaftes Geständnis bezüglich der<br />
Geschwindigkeitsüberschreitung vorliegt, muss das Urteil mindestens<br />
das Messverfahren angeben, mit dem die vorgeworfene<br />
Geschwindigkeit gemessen wurde.<br />
6.2. Zustellurkunde<br />
OLG Köln, Beschluss vom 29.04.2005, 8 Ss – OWi 90/05 = VRS 109,<br />
22 = DAR 2005, 466<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 84 von 121
Maßgeblich ist § 182 Abs. 1 S. 1 ZPO. Danach dient die Beurkundung<br />
nur noch dem Nachweis der Zustellung – sie ist kein notwendiger<br />
und konstitutiver Bestandteil der Zustellung mehr. Ein Verstoß gegen<br />
die Bestimmungen des § 182 ZPO dürfte daher die Wirksamkeit der<br />
Zustellung nicht mehr berühren. Nach dem neuen Vordruck bedarf es<br />
aber im Falle der Ersatzzustellung nicht mehr einer konkreten<br />
Kennzeichnung der im Einzelfall benutzten Vorrichtung, die zur<br />
Hinterlegung genutzt wurde (Briefkasten oder Einwurfschlitz.<br />
7. Beschränkung des Einspruchs<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 04.03.2005, 1 Ss 27/05 = VRS 109, 50<br />
Die Beschränkung des Rechtsmittels auf das Fahrverbot ist in der<br />
Regel unwirksam. Eine Beschränkung auf den<br />
Rechtsfolgenausspruch kann jedoch dann wirksam sein, wenn trotz<br />
Fehlens von Angaben zur Schuldform im Bußgeldbescheid die<br />
Regelbuße nach der Bußgeldkatalogverordnung angeordnet wurde.<br />
Hieraus kann der Tatrichter auf eine fahrlässige Begehungsweise und<br />
gewöhnliche Tatumstände schließen.<br />
Urteil - Beschränkung des Rechtsmittels<br />
OLG Naumburg, Beschluss vom 08.03.2005, 1 Ss (B) 39/05<br />
Die Beschränkung des Einspruchs hat die Folge, dass der Tatrichter –<br />
ist der Bußgeldbescheid von fahrlässigem Handeln ausgegangen –<br />
nicht wegen vorsätzlicher Handlung verurteilen kann.<br />
Einstellung und notwendige Auslagen<br />
AG Bielefeld, Beschluss vom 25.01.2005, 8 OWi 220/05 = NZV 2006,<br />
168<br />
Ist die Verjährung in einer Bußgeldsache (nach Erlass des<br />
Bußgeldbescheides) auf Grund eines Umstandes eingetreten, der<br />
außerhalb der Sphäre des Betroffenen liegt, so ist es bei Einstellung<br />
des Verfahrens nicht gerechtfertigt, die notwendigen Auslagen nicht<br />
der Staatskasse aufzuerlegen.<br />
Entscheidung im Beschlusswege<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 20.01.2006, 1 Ss 296/05 = VRS 111,<br />
143<br />
Macht ein Betroffener geltend, die Voraussetzungen einer<br />
Beschlussentscheidung gem. § 72 Abs. 1 Satz 2 OWiG haben nicht<br />
vorgelegen, so muss er dies mit der Verfahrensrüge geltend machen.<br />
Dabei muss sich der Vortrag darauf erstrecken, dass der angefochtene<br />
Beschluss trotz rechtzeitig erklärtem Widerspruch ergangen ist. Die<br />
Rechtzeitigkeit muss durch Darlegung des erheblichen<br />
Verfahrensablaufes belegt werden. Auch ein bereits im<br />
Einspruchschreiben erklärte Widerspruch sperrt eine<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 85 von 121
Beschlussentscheidung. Dann kommt es an die Einhaltung der Zwei-<br />
Wochen-Frist nicht an. Voraussetzung ist aber, dass dieser<br />
Widerspruch im Verwaltungsverfahren auch zu den Akten gelangt ist.<br />
Dies ist ebenfalls in der Rechtsbeschwerdeschrift vorzutragen.<br />
Widerspruch gegen Beschlussverfahren<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 18.05.2005, 1 Ss 105/05 = VRS 109,<br />
123 = StraFo 2005, 343<br />
Der Betroffene hatte gegen den Bußgeldbescheid Beschwerde<br />
eingelegt und begründet. Ein weiterer Schriftsatz an die<br />
Polizeiinspektion setzte sich auch mit Verfahren auseinander. Auf die<br />
Frage des Gerichtes, ob einer Entscheidung im Beschlussverfahren<br />
widersprochen werde, führte zu keiner Reaktion des Betroffenen. Das<br />
Amtsgericht entschied im Beschlussverfahren. Die Rechtsbeschwerde<br />
war erfolgreich.<br />
Nach § 72 Abs. 1 OWiG kann das Gericht durch Beschluss<br />
entscheiden, wenn der Betroffene und die Staatsanwaltschaft diesem<br />
Verfahren nicht widersprechen. Vorliegend hat der Betroffene schon im<br />
Verfahren vor der Verwaltungsbehörde zum Ausdruck gebracht, dass<br />
er mit einer Entscheidung im Beschlussverfahren nicht einverstanden<br />
ist. Er hat bereits mit seinem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid in<br />
Verbindung mit dem im Einspruchsschreiben gegebenen Hinweis auf<br />
die bereits zuvor abgegebenen Stellungnahme dem später<br />
durchgeführtem Beschlussverfahren widersprochen. Dies geschah<br />
zwar nicht ausdrücklich, aber durch schlüssiges Verhalten. Ein<br />
Widerspruch gegen das Beschussverfahren ist nämlich in jeder<br />
Äußerung des Betroffenen zu erblicken aus der hervorgeht, dass er mit<br />
einer richterlichen Entscheidung allein auf Grund des Akteninhaltes<br />
nicht einverstanden ist, sondern eine Klärung des Tathergangs<br />
wünscht.<br />
Ein bereits vor dem Hinweis nach § 72 OWiG ausdrücklich oder<br />
schlüssig erklärter Widerspruch gegen ein Beschlussverfahren wird<br />
nicht dadurch gegenstandslos, dass der Betroffene auf dem späteren<br />
Hinweis schweigt.<br />
8. Anwesenheitspflicht<br />
8.1. Die Pflicht des Betroffenen in der Hauptverhandlung<br />
persönlich zu erscheinen<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 05.10.2004, 4 Ss Owi 524/04 = NZV<br />
2005, 386<br />
1. Auf die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung kann<br />
nicht verzichtet werden, wenn er die Fahrereigenschaft beschreitet und<br />
eine Identifizierung anhand eines Fotos möglich erscheint.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 86 von 121
2. Die Zustellungsvollmacht nach § 51 Abs. 3 OWiG beruht auf einer<br />
gesetzlichen Fiktion und kann nicht großzügig zum Nachteil des<br />
Betroffenen ausgelegt werden. Besteht allerdings zum Zeitpunkt der<br />
Zustellung eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht des<br />
Verteidigers, die formlos noch nach erfolgter Zustellung nachgewiesen<br />
werden kann, so ist die Zustellung wirksam. Gilt auch für die<br />
Unterbrechung der Verjährung durch Zustellung eines<br />
Bußgeldbescheides.<br />
Entbindung<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 16.08.2006, 2 Ss Owi 348/06 = zfs 2006,<br />
710 = VRR 2006, 394 = VRS 111, 370<br />
1. Der Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Verpflichtung<br />
zum Erscheinen in der Hauptverhandlung kann noch zu Beginn der<br />
Hauptverhandlung gestellt werden.<br />
2. Der Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs<br />
ist verletzt, wenn das Gericht über den Antrag auf Entbindung vom<br />
persönlichen Erscheinen nicht oder ohne eine auf § 73 Abs. 2 OWiG<br />
zurückführbare Begründung ablehnend entscheidet und sich im Urteil<br />
mit den Gründen, die hierfür geltend gemacht werden nicht befasst.<br />
Die Unzulässigkeit wird mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, die<br />
den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechen muss.<br />
Dabei muss der Betroffene darlegen, aus welchen Gründen das<br />
Amtsgericht dem Entbindungsantrag hätte stattgeben müssen. Bleibt<br />
der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung<br />
fern und wird der Einspruch gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, so<br />
kann dieser Beschluss das Recht des Betroffenen auf rechtliches<br />
Gehör verletzen, wenn rechtzeitig vorgebracht und hinreichende<br />
Entschuldigungsgründe von dem erkennenden Gericht nicht<br />
berücksichtigt werden oder einem Antrag auf Entbindung von der<br />
Verpflichtung zu Unrecht nicht entsprochen worden ist.<br />
Dabei muss der Beschwerdeführer den im Bußgeldbescheid<br />
erhobenen Tatvorwurf und die konkrete Beweislage vortragen.<br />
Zum ordnungsgemäßen Vortrag gehört auch, dass dargestellt wird,<br />
wann und mit welcher Begründung der Antrag auf Entbindung von der<br />
Verpflichtung zum persönlichen Erschienen gestellt wurde und wie das<br />
Gericht diesen Antrag beschieden hat. Außerdem muss der<br />
Beschwerdeführer auf die Beruhensfrage eingehen. Außerdem muss<br />
er darlegen, dass der Verteidiger eine Vertretungsmacht hatte, wenn<br />
er namens des Betroffenen den Antrag gestellt hat.<br />
Entbindungsantrag<br />
KG, Beschluss vom 26.10.2006, 2 Ss 243/06 – 3 Ws (B) 510/06<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 87 von 121
Ein Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen in der<br />
Hauptverhandlung kann auch noch zu Beginn der Hauptverhandlung<br />
gestellt werden, solange nicht zur Sache verhandelt ist.<br />
Entbindung von der Pflicht zu Erscheinen<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 06.06.2005, 1 Ss 95/04 = zfs 2006,<br />
348<br />
Das Entbinden von der Pflicht zu Erscheinen setzt einen<br />
entsprechenden Antrag voraus. Ist der Betroffene nicht entbunden und<br />
nicht anwesend, ist die Durchführung einer Hauptverhandlung mit<br />
Beweisaufnahme unzulässig. Das Amtsgericht muss dann entweder<br />
vertagen oder den Einspruch verwerfen.<br />
Entbindung<br />
KG, Beschluss vom 17.03.2006, 3 Ws (B) 136/06 = VRS 111, 146 =<br />
NZV 2007, 253<br />
Das Gericht kann einen Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum<br />
persönlichen Erscheinen zunächst ohne Begründung ablehnen. Aber<br />
spätestens im Urteil muss das Gericht darstellen, warum es dem<br />
Antrag des Betroffenen nicht stattgegeben hat.<br />
Vortrag beim Entbindungsantrag<br />
OLG Rostock, Beschluss vom 18.05.2006, 2 Ss (Owi) 314/05 = VRR<br />
2006, 397<br />
Zum ordnungsgemäßen Vortrag gehört, dass der Verteidiger erklärt,<br />
dass er eine Vertretungsvollmacht hatte.<br />
Entbindungsantrag<br />
OLG Bamberg, Beschluss vom 10.08.2006, 3 Ss Owi 1064/06 = zfs<br />
2006, 708<br />
Einem Entbindungsantrag ist stattzugeben, wenn die Voraussetzungen<br />
des § 73 OWiG vorliegen. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung<br />
kein Ermessen. Entbindet der Richter gleichwohl nicht, liegt eine<br />
Verletzung des Anspruchs des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen<br />
Gehörs vor.<br />
Das persönliche Erscheinen war auch nicht erforderlich, weil im<br />
Gegenwart des Betroffenen zuverlässigere Angaben des Zeugen zu<br />
erwarten waren. Es ist bereits nicht ersichtlich, weshalb von einem in<br />
der Hauptverhandlung anwesenden, jedoch schweigenden Betroffenen<br />
überhaupt Auswirkungen auf das Aussageverhalten eines zur<br />
wahrheitsgemäßen Aussage verpflichteten Tatzeugen zu erwarten<br />
wären; unklar bleibt auch, warum von Zeugen in dieser Situation grade<br />
zuverlässigere Angaben zu erwarten wären und nicht im Gegenteil von<br />
einem dem Betroffenen tendenziellen entlastenden Aussageverhalten<br />
auszugehen wäre.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 88 von 121
Entbindung<br />
KG, Beschluss vom 03.09.2006, 2 Ss 213/06-3Ws (B) 447/06 = zfs<br />
2006, 709 = VRS 111, 429<br />
Alleine die theoretische Möglichkeit, der Betroffene werde seinen<br />
Entschluss zum Schweigen in der Hauptverhandlung überdenken,<br />
reicht nicht aus, ihm die Befreiung von der Erscheinungspflicht zu<br />
verweigern.<br />
Entbindung<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 30.03.2006, 3 Ss Owi 171/06 = VRR<br />
2006, 395<br />
Erwartet das Gericht eine weitere Aufklärung, kann es einen<br />
Entbindungsantrag ablehnen. Dies gelingt besonders, wenn sich der<br />
Betroffene auf Augenblicksversagen beruft.<br />
Diese Entscheidung ist falsch und steht anderen Entscheidungen<br />
entgegen. So etwa OLG Stuttgart, NStZ-RR 2003, 273; OLG<br />
Karlsruhe, zfs 2005, 154; BayObLG, DAR 2002, 133; OLG<br />
Zweibrücken, zfs 2004, 481; OLG Rostock, DAR 2003, 531; OLG<br />
Zweibrücken NZV 2000, 304; OLG Hamm, zfs 2004, 584; BayObLG,<br />
zfs 2002, 597; OLG Frankfurt, zfs 2000, 266; OLG Dresden, zfs 2003,<br />
374; BayObLG, zfs 2001, 185.<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 4.1.2006, 1 Ss 224/05 = VRS 111, 56<br />
Soweit der Betroffene beanstandet, das Amtsgericht habe dem Antrag,<br />
auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu<br />
Unrecht nicht entsprochen, reicht die Begründung nicht aus. Eine<br />
solche Rüge erfordert einen Tatsachenvortrag, der so vollständig ist,<br />
dass das Beschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift<br />
prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt.<br />
Es obliegt daher dem Beschuldigten darzulegen, aus welchem Grund<br />
das Gericht seinem Entbindungsantrag hätte stattgeben müssen. Der<br />
Betroffene muss also genau darlegen, dass sämtliche<br />
Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sind, und dass der Tatrichter<br />
unter keinen Umständen von der Anwesenheit des Betroffenen in der<br />
Hauptverhandlung einen Beitrag zur Sachaufklärung hätte erwarten<br />
dürfte. Hierzu ist es erforderlich, den im Bußgeldbescheid erhobenen<br />
Tatvorwurf und die konkrete Beweislage im Einzelnen vorzutragen. In<br />
diesem Zusammenhang ist auch darzulegen, wann und mit welcher<br />
Begründung der Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum<br />
persönlichen Erscheinen gestellt worden ist und wie das Gericht<br />
diesen Antrag beschieden hat.<br />
Da der Anspruch auf rechtliches Gehör zudem nur dann verletzt ist,<br />
wenn die ergangene Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht,<br />
der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 89 von 121
Nichtberücksichtigung des Sachvortrages der Partei hat, müssen in<br />
der Beschwerdeschrift konkret die Tatsachen dargelegt werden,<br />
anhand derer die Beruhensfrage geprüft werden kann. Wenn der<br />
Verteidiger für den Betroffenen, einen Antrag auf Entbindung gestellt<br />
hat, muss dargelegt werden, dass eine allgemeine<br />
Verteidigervollmacht sowie zusätzlich eine besondere<br />
Vertretungsvollmacht erteilt ist, die der Schriftform bedarf. Es gehört<br />
weiter zum ordnungsgemäßen Vortrag, dass der Verteidiger, der einen<br />
Entbindungsantrag gestellt hat, die besondere schriftliche<br />
Vertretungsmacht für den Betroffenen hatte und diese dem Tatgericht<br />
auch nachgewiesen hat.<br />
Fortsetzungstermin<br />
Ist der Betroffene von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen in<br />
der Hauptverhandlung entbunden worden, kann sein Einspruch nicht<br />
verworfen werden, wenn er in einem Fortsetzungstermin nicht<br />
erscheint<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 12.1.2006, 2 Ss Owi 612/05 = SVR 2006,<br />
232,<br />
Hauptverhandlung: Entbindung vom Erscheinen<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 29.4.2004, 4 Ss Owi 195/04,<br />
Hiervon unterschieden werden muss eine andere Fallgestaltung: Hat<br />
der Betroffene einen Antrag auf Entbindung vom persönlichen<br />
Erscheinen in der Hauptverhandlung gestellt, muss der Antrag bei<br />
einer Verlegung des Hauptverhandlungstermins spätestens zu Beginn<br />
des neu terminierten Hauptverhandlungstermins wiederholt werden.<br />
8.2. Entbindung von der Pflicht persönlich zur Hauptverhandlung<br />
zu erscheinen<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2005, 1 Ss Owi 131/05<br />
Das Gericht ist verpflichtet, einem Entbindungsantrag zu entsprechen,<br />
wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen 1 . Wird<br />
trotz des entsprechenden Antrages eine Entbindung nicht<br />
ausgesprochen und der Einspruch verworfen, muss der Betroffene<br />
dies mit der Verfahrensrüge geltend machen. Dabei muss der<br />
Betroffene darstellen, aus welchen Gründen der Tatrichter von seiner<br />
Anwesenheit in der Hauptverhandlung eine weitere Aufklärung nicht<br />
erwarten durfte. Hierzu muss zum Bußgeldbescheid, zu dem dort<br />
1 BayObLG DAR 2001, 371; OLG Hamm VRS 107, 124<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 90 von 121
erhobenen Vorwurf und die Beweislage vorgetragen werden.<br />
Dargelegt werden muss auch, wann und mit welche Begründung der<br />
Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung gestellt wurde und wie<br />
das Amtsgericht diesen beschieden hat.<br />
Hauptverhandlung, Entbinden vom Erscheinen.<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 06.06.2005, 1 Ss 95/05 = VRS 110,<br />
13<br />
Eine Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen ist nur<br />
möglich, wenn Seitens des Betroffenen ein Antrag gestellt wird.<br />
Entbindet das Gericht ohne Antrag, kann eine Hauptverhandlung nicht<br />
stattfinden. Eine Hauptverhandlung würde gegen das Recht des<br />
Betroffenen auf Teilnahme an der Hauptverhandlung verstoßen und<br />
seinen Anspruch auf Bewährung rechtlichen Gehörs verletzten.<br />
Entbindung von der Pflicht zur Hauptverhandlung zu erscheinen<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.07.2005, 1 Ss 194/04 = NZV 2006,<br />
50 = VRS 109, 282<br />
Das Gericht muss über einen rechtzeitig gestellten Antrag auf<br />
Entbindung von der Pflicht zur Hauptverhandlung zu erscheinen,<br />
entscheiden. Ist eine solche Entscheidung nicht erfolgt und verwirft das<br />
Amtsgericht einen Einspruch, kann der Betroffene dies mit der<br />
Verfahrensrüge geltend machen. Hierbei geltend jedoch die strengen<br />
Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO: Der Betroffene muss<br />
substantiiert darstellen, dass die Voraussetzungen zur Entbindung<br />
vorlagen. Dies erfordert eine Darstellung der Sach- und Beweislage,<br />
sowie eine Darstellung des bisherigen Vortrages des Betroffenen.<br />
Antrag und Wiedereinsetzung<br />
LG Meiningen, Beschluss vom 22.08.2005, 2 Qs 108/05<br />
Der Betroffne ist stets dann als entschuldigt anzusehen, ihm ist<br />
Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn die Ablehnung des<br />
Entbindungsantrages nach § 73 Abs. 2 OWiG rechtsfehlerhaft war.<br />
Erklärt das Amtsgericht, dass keine Entbindung erfolgt, weil keinen<br />
eigene Erklärung des Betroffenen, sondern nur eine solche des<br />
Verteidigers vorliegt, so ist dies rechtsfehlerhaft. Die Erklärung des<br />
Verteidigers ist ausreichend.<br />
OWiG – Entbindung vom persönlichen Erscheinen<br />
BayObLG, Beschluss vom 10.12.2003, 2 ObOWi 624/03 = NStZ-RR<br />
2005, 81 = NJW 2004, 532 = NZV 2004, 155<br />
1. Kann die Ladung zu einer Hauptverhandlung dem Betroffenen nicht<br />
selbst zugestellt werden, ist die Zustellung der Ladung an den<br />
Verteidiger wirkungslos, wenn sich aus dem Text der<br />
Verteidigervollmacht eine Ermächtigung zum Empfang von Ladungen<br />
nicht ergibt.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 91 von 121
2. Wird ein Antrag auf Entbindung des Betroffenen vom persönlichen<br />
Erscheinen nicht gestellt und erklärt der zur Hauptverhandlung<br />
erschienene Verteidiger ausdrücklich, dass auf einer persönlichen<br />
Einvernahme bestanden wird, verletzt ein ergehender<br />
Entbindungsentschluss das Recht des Betroffenen auf rechtliches<br />
Gehör.<br />
Entbindungsantrag/ Verwerfungsurteil<br />
OLG Dresden, Beschluss vom 08.03.05, Ss (OWi) 141/05 = DAR<br />
2005, 460<br />
Die Entscheidung über einen Entbindungsantrag ist nicht in das<br />
Ermessen des Gerichts gestellt. Es muss dem Antrag stattgeben,<br />
wenn die Voraussetzung vorliegen.<br />
Wird ein Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen<br />
Erscheinen erstellt, muss sich das Gericht im Urteil mit der Frage<br />
auseinandersetzen, warum es dem Antrag nicht entsprochnen hat,<br />
wenn der Beschluss mit dem das persönliche Erscheinen mit dem die<br />
Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen abgelehnt<br />
wurde, nicht begründen worden war.<br />
Fortsetzungstermin<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 12.01.2006, 2 Ss OWi 612/05<br />
Ist ein Betroffener vom Erscheinen in der Hauptverhandlung<br />
entbunden, gilt dies auch für den Fortsetzungstermin.<br />
Anwesenheitsrecht in der Fortsetzungsverhandlung<br />
OLG Bamberg, Beschluss vom 14.02.2006, 2 Ss Owi 29/06 = DAR<br />
2006, 218<br />
Das Amtsgericht hat um 09:00 Uhr die Hauptverhandlung<br />
unterbrochen. Ein neuer Termin zur Fortsetzung wurde nicht bestimmt.<br />
Der Richter rief um 09.30 Uhr in der Kanzlei des Verteidiger an und<br />
teilte mit, dass die Hauptverhandlung um 12:45 Uhr fortgesetzt werde.<br />
Der Betroffene wurde weder geladen noch ist er erschienen. Dies ist<br />
fehlerhaft. Nach §73 OWiG ist der Betroffene zum Erscheinen in der<br />
Hauptverhandlung verpflichtet. In seiner Abwesenheit darf nur<br />
verhandelt werden, wenn er entbunden wurde. Eine Entbindung ist nur<br />
aufgrund eines entsprechenden Antrages möglich. Erscheint ein<br />
Betroffener zu einem Fortsetzungstermin nicht, zu der er<br />
ordnungsgemäß geladen wurde, ist sein Einspruch zwingend zu<br />
verwerfen. Die Regel des § 230 ff StPO gilt im<br />
<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>verfahren nicht.<br />
8.3. Notwendiger Vortrag in der Rechtsbeschwerde<br />
OLG Köln, Beschluss vom 19.11.2004, 8 Ss Owi 81/04 = NZV 2005,<br />
333<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 92 von 121
Rügt der Betroffene bei einem Verwerfungsurteil allein die Verletzung<br />
des § 73 Abs. 2 OWiG, kommt es nicht darauf an, ob zugleich auch<br />
eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt. Es ist aber<br />
zweifelhaft, ob bei einer Rechtsbeschwerde gegen ein<br />
Verwerfungsurteil der Betroffene auch dann das Vorliegen einer<br />
schriftlichen Vertretungsmacht vortragen muss, wenn das Amtsgericht<br />
einen Entpflichtungsantrag vor dem Termin abgelehnt hat, ohne dabei<br />
auf die nicht nachgewiesene Vertretungsmacht abzustellen.<br />
§ 73 OWiG – Entbindung und Verlegung<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 02.02.2005, Ss OWi 803/04 = VRS 108,<br />
274<br />
Die Umdeutung eines Verlegungsantrages in einen Antrag auf<br />
Entbindung vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung ist<br />
nicht zulässig. Kommt es gleichwohl zu einer entsprechenden<br />
Hauptverhandlung, kann der Betroffene in seinem Recht auf<br />
rechtliches Gehör verletzt sein.<br />
Nach allgemeiner Meinung handelt es sich bei der Rüge der<br />
Verletzung des rechtlichen Gehörs um eine Verfahrensrüge, die<br />
demgemäß den strengen Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3<br />
OWiG, 344 Abs. 2 StPO genügen muss. Danach muss bei einer<br />
Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das<br />
Rechtsbeschwerdegericht allein auf Grund der Begründungsschrift<br />
prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn der tatsächliche<br />
Vortrag des Betroffenen richtig ist. Wird die Versagung des rechtlichen<br />
Gehörs gerügt, muss in der Begründungsschrift durch entsprechenden<br />
Tatsachenvortrag schlüssig vorgetragen werden, dass ein Verstoß<br />
gegen Artikel 103 GG vorliegt. Aus dem Antrag muss eindeutig hervor<br />
gehen, dass der Betroffene sein Anwesenheitsrecht in der<br />
Hauptverhandlung auf jeden Fall wahrnehmen wollte. Der Betroffene<br />
muss auch darlegen, dass er nur wenige Tage nach dem anberaumten<br />
Verhandlungstermin wegen der Beendigung seines studienbedingten<br />
Aufenthaltes in Griechenland sein Anwesenheitsrecht ab dem<br />
31.07.2004 hätte wahrnehmen können.<br />
Nach § 73 OWiG in Verbindung mit § 226 StPO besteht nicht nur eine<br />
Anwesenheitspflicht des Betroffenen in der Hauptverhandlung sondern<br />
auch ein Anwesenheitsrecht. Die Hauptverhandlung kann ohne den<br />
Betroffenen grundsätzlich nur dann durchgeführt werden, wenn dieser<br />
von seine Pflicht, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, wirksam<br />
entbunden worden ist. Dies setzt einen Entbindungsantrag voraus.<br />
Dieser kann zwar formlos gestellt werden, es muss jedoch erkennbar<br />
sein und zum Ausdruck kommen, dass der Betroffene von der Pflicht<br />
an der Hauptverhandlung teilnehmen zu müssen, befreit sein möchte.<br />
Ein solcher Entbindungsantrag ist vorliegend nicht gestellt. Der<br />
Betroffene hat vielmehr durch die Schriftsätze seines Verteidigers<br />
mehr als deutlich zu erkennen gegeben, dass er von seinem<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 93 von 121
Anwesenheitsrecht Gebrauch machen und an der Hauptverhandlung<br />
teilnehmen will. Anders lassen sich die Hinweise auf die Zeitpunkte,<br />
wann der Betroffene für eine Hauptverhandlung zur Verfügung steht,<br />
nicht auslegen. Soweit das Amtsgericht den Verlegungsantrag in einen<br />
Entbindungsantrag andeutet, ist dies nicht zulässig.<br />
8.4. Urlaub Hauptverhandlung<br />
OLG Hamm Beschluss vom 25.05.2005, 2 Ss 210/05 = zfs 2005, 515<br />
= VA 2005, 144<br />
Das Ausbleiben eines Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung<br />
ist in der Regel genügend entschuldigt, wenn er aufgrund eines vor<br />
Erhalt der Ladung zur Hauptverhandlung wegen eines gebuchten<br />
Urlaubs ausbleibt.<br />
Verlegungsantrag wegen Urlaub<br />
OLG Köln, Beschluss vom 22.10.2004, 8 Ss – OWi 48/04 = DAR 2005,<br />
576<br />
Das Amtsgericht hatte einen Termin zur Hauptverhandlung wegen<br />
Urlaubs des Betroffenen verlegt. Einen weiteren Verlegungsantrag<br />
wegen Urlaub des Verteidigers hat es abgelehnt, unter anderem mit<br />
dem Hinweis darauf, dass der Betroffene sich durch einen anderen<br />
Verteidiger verteidigen lassen könne. Zur Hauptverhandlung war<br />
weder der Betroffen noch sein Verteidiger erschienen. Gegen das<br />
ergangene Verwerfungsurteil legte der Betroffene Rechtsbeschwerde<br />
ein und begründete diese mit der Verletzung des rechtlichen Gehörs<br />
sowie der Verletzung des Gebots eines fairen Verfahrens.<br />
Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Nach § 137 Absatz 1 Satz 1<br />
StPO, der über § 46 Absatz 1 OWiG auch im<br />
<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>verfahren besteht, kann sich ein Betroffener in<br />
jeder Lage des Verfahrens des Beistandes seines Verteidigers<br />
bedienen. Ein solcher Anspruch ist keinesfalls auf Fälle notwendiger<br />
Verteidigung beschränkt. Die Fürsorgepflicht gebietet es, eine<br />
Hauptverhandlung in Gegenwart des gewählten Verteidigers zu<br />
ermöglichen, wenn es nach der Bedeutung der Bußgeldsache und<br />
ihrer tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten dem Betroffenen<br />
nicht zuzumuten ist, sich alleine zu verteidigen. Dies ergibt sich auch<br />
aus Artikel 6 Absatz 3c MRK. Dieses Recht ist sowohl bei der<br />
Terminbestimmung als auch bei der Entscheidung über Anträge auf<br />
Terminverlegung oder Aussetzung der Hauptverhandlung zu beachten.<br />
Antrag auf Terminverlegung<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 05.09.2005, 2 Ss OWi 526/05 = NZV<br />
2006, 165<br />
Das Ausbleiben von der Hauptverhandlung ist dann ausreichend<br />
entschuldigt, wenn der Betroffene zwar zur Hauptverhandlung<br />
erscheinen könnte, ihm aber aus besonderen Gründen die Befolgung<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 94 von 121
der Ladung billigerweise nicht zuzumuten ist und ihm deshalb die<br />
Zuwiderhandlung gegen die öffentlich-rechtliche Pflicht der Ladung<br />
Folge zu leisten, nicht zum Vorwurf gereicht.<br />
Grundsätzlich müssen berufliche Angelegenheiten gegenüber der<br />
Pflicht beim Gericht zu erscheinen, zurücktreten. Bei unaufschiebbaren<br />
und besonders bedeutsamen beruflichen oder geschäftlichen<br />
Angelegenheiten kann dem Betroffenen aber ausnahmsweise das<br />
Erscheinen vor Gericht unzumutbar sein. Insoweit muss eine<br />
Güterabwägung stattfinden. Die persönlichen Gründe die das<br />
Fernbleiben in der Hauptverhandlung entschuldigen soll, kennt nur der<br />
Betroffene – er muss sie daher dem Gericht mitteilen. Die<br />
Bescheinigung des Arbeitgebers, in der es nur pauschal heißt, das der<br />
Betroffene an zwei dringenden Gesprächen teilnehmen muss ist<br />
hierfür nicht ausreichend.<br />
Hauptverhandlung/Urlaub<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 14.12.2005, 2 Ss Owi 769/05 = VRS 110,<br />
28<br />
Um eine dringende persönliche oder berufliche Angelegenheit handelt<br />
es sich nicht bei einer Urlaubsreise, die der Betroffene bucht in<br />
Kenntnis der Ladung zur Hauptverhandlung. Eine solche Urlaubsreise<br />
rechtfertigt nicht das Ausbleiben in der Hauptverhandlung.<br />
Das Ausbleiben zur Hauptverhandlung ist dann genügend<br />
entschuldigt, wenn der Betroffene zwar zur Hauptverhandlung<br />
erscheinen könnte, ihm aber aus besonderen Gründen die Befolgung<br />
der Ladung billigerweise nicht zuzumuten ist und ihm deshalb die<br />
Zuwiderhandlung gegen die öffentlich-rechtliche Pflicht, der Ladung<br />
Folge zu leisten, nicht zum Vorwurf gereicht. In diesem<br />
Zusammenhang ist anerkannt, dass grundsätzlich berufliche<br />
Angelegenheiten gegenüber der Pflicht, zu einem bestimmten<br />
Zeitpunkt vor Gericht zu erscheinen, zurückzutreten haben. Bei<br />
unaufschiebbaren und besonders bedeutsamen beruflichen oder<br />
geschäftlichen Angelegenheiten kann dem Betroffene aber<br />
ausnahmsweise das Erscheinen vor Gericht unzumutbar sein.<br />
Verlegung des Hauptverhandlungstermins<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.01.2006, 1 Ss 165/05 = NZV 2006,<br />
217 = VRS 110, 294<br />
Auch wenn in einem <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>verfahren hat der Betroffene<br />
das Recht, sich durch einen Rechtsanwalt seines Vertrauens (seiner<br />
Wahl) verteidigen zu lassen. Die Terminierung einer Hauptverhandlung<br />
ist grundsätzlich Sache des Vorsitzenden. Er ist aber dabei gehalten,<br />
über Anträge auf Terminverlegung nach pflichtgemäßen Ermessen<br />
unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der<br />
Gesamtbelastung des Spruchkörpers und des Gebots der<br />
Verfahrensbeschleunigung sowie der Interessen der Beteiligten zu<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 95 von 121
entscheiden. Einem erstmaligen Antrag des Verteidigers ist in der<br />
Regel zu entsprechen.<br />
Ablehnung wegen Weigerung einer Terminsverlegung<br />
Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 30.05.2005, 1 Ss (OWi) 93<br />
B/05<br />
Der Amtsrichter teilte dem Betroffenen mit, dass auch bei einer<br />
Verhinderung des Verteidigers eine Verlegung nicht in Betracht<br />
komme. Daraufhin lehnte der Betroffene den Richter wegen der<br />
Besorgnis der Befangenheit ab. Gleichwohl wurde der Betroffene<br />
verurteilt. Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Zwar sei die<br />
Verwerfung des Ablehnungsgesuches wegen Verschleppungsansicht<br />
zu Unrecht erfolgt. Allerdings sei das Ablehnungsgesuch unbegründet<br />
gewesen.<br />
Legt der Betroffene zur Entschuldigung für ein Nichterscheinen ein<br />
ärztliches Attest vor, ist der Richter an der Beurteilung es Arztes nicht<br />
gebunden. Zweifel an der Aussagekraft des Attestes dürfen aber nicht<br />
dazu führen, dass der Einspruch ohne weitere Überprüfung verworfen<br />
wird.<br />
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 07.04.2005, 1 Ss 40/05 = zfs 2006,<br />
233<br />
Hält das Gericht ein vorgelegtes Attest nicht für ausreichend<br />
aussagekräftig, muss es sich Kenntnis über die näheren<br />
Krankheitsumstände in Freibeweis verschaffen, bevor es einen<br />
Einspruch verwirft. Erfolgt dies nicht, liegt die Verletzung des<br />
rechtlichen Gehörs vor.<br />
Schleswig – Holsteinisches OLG, Beschluss vom 01.09.2005, 2 Ss<br />
OWi 149/05 (103/05) = zfs 2006, 53<br />
Terminnachricht an Staatsanwaltschaft<br />
Mit Vorlage der Akten an das Amtsgericht stellte die<br />
Staatsanwaltschaft die Tat, die dem Betroffenen vorgeworfen wird, zur<br />
gerichtlichen Aburteilung und übernimmt damit die eigenständige<br />
Vertretung und Verantwortung für die Beschuldigung im gerichtlichen<br />
Bußgeldverfahren. Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft bzw.<br />
Amtsanwaltschaft das öffentliche Interesse zu vertreten, wenn ihr ein<br />
prozessuales Recht zur Mitwirkung in der Hauptverhandlung zusteht. §<br />
75 Abs. 1 S. 1 OWiG steht dem nicht entgegen. Diese Vorschrift befreit<br />
die Staatsanwaltschaft lediglich von einer Teilnahmepflicht und stellt<br />
die Teilnahme in ihr pflichtgemäßes Ermessen.<br />
KG, Beschluss vom 16.03.2005, 3 Ws (B) 11/05 = VRS 109, 125<br />
9.Verletzung des rechtlichen Gehörs<br />
Einspruchsverwerfung trotz Rücknahme<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 96 von 121
OLG Hamm, Beschluss vom 31.10.2006, 2Ss Owi 653/06 = VRR<br />
2007, 76<br />
Das Amtsgericht hat einen Einspruch verworfen, obwohl dieser zuvor<br />
wirksam zurückgenommen war. Der Antrag auf Zulassung der<br />
Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Das Gericht argumentiert,<br />
dass der Betroffene hierdurch nur einen Kostennachteil hatte, aber<br />
nicht in der Hauptsache beschwert war.<br />
9.1. Rücknahme des Einspruchs<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 17.05.2005, 3 Ss OWi 332/05<br />
Allein der Umstand, dass das Gericht die Rücknahme des Einspruches<br />
gegen ein Bußgeldbescheid nicht rechtzeitig zur Kenntnis genommen<br />
hat, ist noch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Der Antrag auf<br />
Zulassung der Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.<br />
9.2. Entschuldigungsvorbringen<br />
OLG Rostock, Beschluss vom 08.02.2005, 2 Ss OWi 9/05 = VRS 108,<br />
374<br />
Eine Rechtsbeschwerde bedarf nicht der Zulassung, wenn bei der<br />
Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG die Versagung des<br />
rechtlichen Gehörs gerügt wird. Wurde ein<br />
Entschuldigungsvorbringen nicht berücksichtigt, liegt die Verletzung<br />
des rechtlichen Gehörs darin, dass die Entschuldigungsgründe nicht<br />
berücksichtigt wurden, nicht darin, dass der Betroffene sich nicht zum<br />
Bußgeldbescheid äußern konnte. Voraussetzung für eine<br />
ordnungsgemäße Rechtsbeschwerde ist, dass die<br />
Entschuldigungsgründe in der Rechtsbeschwerde vorgetragen werden.<br />
Die Verletzung des rechtlichen Gehörs muss mit der Verfahrensrüge<br />
geltend gemacht werden. Dabei sind die Verfahrenstatsachen<br />
vollständig und aus sich heraus verständlich anzugeben, dass das<br />
Beschwerdegericht allein anhand der Rechtsbeschwerdegründung in<br />
der Lage ist, über die Rechtsbeschwerde zu entscheiden.<br />
Wird die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, muss dargelegt<br />
werden, was der Betroffene im Fall seiner Anhörung geltend gemacht<br />
hätte. Daneben bedarf es der Darlegung der Entschuldigungsgründe<br />
bei unerlaubten Entfernen und der Mitteilung der Überlegung des<br />
Amtsgerichts hierzu, warum es das Entschuldigungsvorbringen als<br />
nicht ausreichend angesehen hat. Schließlich muss der<br />
Beschwerdeführer darlegen, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler<br />
beruht.<br />
Verwerfung, Wartefrist<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2006, 4Ss Owi 321/06<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 97 von 121
Auch wenn der Betroffene sich nicht ausreichend entschuldigt hat und<br />
nicht pünktlich zur Hauptverhandlung erscheint, darf eine Verwerfung<br />
des Einspruchs erst erfolgen, wenn das Gericht eine ausreichende Zeit<br />
gewartet hat. Im vorliegenden Fall hatte der Betroffene angekündigt, er<br />
werde unverzüglich losfahren und binnen 30 Minuten vor Gericht<br />
erscheinen. Dem Antrag des Verteidigers, so lange zu warten, hat das<br />
Amtsgericht nicht stattgegeben und den Einspruch verworfen. Die<br />
hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Das<br />
Oberlandesgericht stellte fest, dass das Amtsgericht die Grundsätze<br />
des fairen Verfahrens verletzt hat.<br />
Verwerfung des Einspruchs Entschuldigung<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 16.03.2006, 1 Ss 257/05 = VRS 111,<br />
148<br />
Das Gericht darf den Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid gem. §<br />
74 OWiG nur verwerfen, wenn der Betroffene ohne genügende<br />
Entschuldigung der Hauptverhandlung fernbleibt. Voraussetzung ist<br />
natürlich, dass er nicht von der Verpflichtung zum Erscheinen<br />
entbunden war.<br />
Für die Entscheidung der Frage, ob eine ausreichende Entschuldigung<br />
vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob er sich entschuldigt hat, sondern<br />
ob er entschuldigt ist. Maßgeblich ist dabei nicht, was er selbst zur<br />
Entschuldigung vorgetragen hat, sondern ob sich aus den Umständen,<br />
die dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung bekannt sind, oder<br />
im Wege des Freibeweises feststellbar sind, eine ausreichende<br />
Entschuldigung ergibt. Dies gilt insbesondere, wenn der Betroffene<br />
dem Gericht noch vor Beginn der Hauptverhandlung mitteilt, dass er<br />
nicht erscheinen kann und einen aus seiner Sicht nachvollziehbaren<br />
Entschuldigungsgrund vorlegt. Dies kann darin bestehen, dass er eine<br />
Krankschreibung dem Gericht übersendet.<br />
Hält das Gericht eine vorgetragene Erkrankung nur für vorgeschoben<br />
oder nicht ausreichend glaubhaft, muss er sich durch Einholung<br />
ärztlicher Auskünfte die volle Überzeugung verschaffen. Dabei kann<br />
von dem Betroffenen nicht verlangt werden, dass er sein<br />
Entschuldigungsvorbringen glaubhaft macht, wenn der Richter den<br />
Wahrheitsgehalt anzweifelt.<br />
Eine Überprüfung, ob das Gericht den Rechtsbegriff der genügenden<br />
Entschuldigung richtig angewandt hat, kann grundsätzlich nur erfolgen,<br />
wenn das Urteil die vorgetragenen Umstände, die das Ausbleiben<br />
entschuldigen, im einzelnen darlegt. Erfolgt dies nicht, muss bereits<br />
aus diesem Grunde das Urteil aufgehoben werden.<br />
Ausbleiben in der Hauptverhandlung<br />
OLG Hamm, Beschluss von 06.03.2006, 4 Ss Owi 44/06 = VRR 2006,<br />
274<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 98 von 121
Das Ausbleiben zu einem Gerichtstermin ist in der Regel auch dann<br />
entschuldigt, wenn die Handlung auf einen falschen Rat des<br />
Verteidigers beruht.<br />
9.3 Niederschrift des Urteils während des letzten Wortes<br />
OLG Köln, Beschluss vom 06.05.2005, 8 Ss – OWi 128/05 = VRS 109,<br />
55 = DAR 2005, 524<br />
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn der<br />
Richter bereits während des letzten Worts des Angeklagten die<br />
Urteilsformel niederschreibt. Ein deutscher Richter kann ohne weiteres<br />
seine Aufmerksam teilen oder noch vor Verkündung des Urteils, die<br />
Entscheidung ändern.<br />
9.4. Beweisantrag und rechtliches Gehör<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 17.02.2005, 1 Ss 227/04 = VRS 108,<br />
360<br />
Unterlässt es der Tatrichter, sich mit einem in der Hauptverhandlung<br />
gestellten und nicht offensichtlich unzulässigen Beweisantrag zu<br />
befassen, verletzt er damit das Grundrecht des Betroffenen auf<br />
rechtliches Gehör.<br />
Wird die Verfahrensrüge erhoben, muss sich aus dem<br />
Beschwerdevorbringen ergeben, welches das erwartete Ergebnis des<br />
beantragten Sachverständigenbeweises ist. Als Beweisbehauptung ist<br />
es möglich, dass die Messschranke nicht exakt justiert war, was zu<br />
einer Fehlmessung führt, weil die Anlage nicht korrekt zur<br />
Straßenfahrbahn parallel ausgestellt wurde und weil eine 2-% Steigung<br />
missachtet wurde.<br />
9.5. Beweisantrag und Rechtsbeschwerde<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 24.05.2005, 1 Ss OWi 170/05 = SVR<br />
2006, 35<br />
Der Betroffene war wegen Überschreitung der zulässigen<br />
Höchstgeschwindigkeit zu einem Bußgeld verurteilt worden. In der<br />
Hauptverhandlung hatte er ein Beweisantrag hinsichtlich des in<br />
Augenschein genommenen Schaublattes gestellt. Die<br />
Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg. Die Rüge der Verletzung des<br />
Verfahrensrechts war unzulässig.<br />
Verfahrensrügen müssen so begründet werden, dass das<br />
Beschwerdegericht allein auf Grund der Begründungsschrift prüfen<br />
kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt. In dem Beschwerdeschriftsatz<br />
muss der Beweisantrag vollständig wiedergegeben werden, das heißt<br />
die Beweistatsache und das Beweismittel.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 99 von 121
9.6. Neue Beweismittel<br />
Saarländisches OLG, Beschluss vom 30.05.2005, Ss (Z) 222/04<br />
(10/05) = VRS 109, 05<br />
1. Das Recht auf Gehör vor Gericht (103 Abs. 1 GG) ist verletzt, wenn<br />
dem Betroffenen keine Möglichkeit gegeben wird, sich zu allen<br />
entscheidungserheblichen und ihm nachteiligen Tatsachen und<br />
Beweisergebnissen zu äußern.<br />
2. Dieser Anspruch ist verletzt, wenn im Bußgeldverfahren vor dem<br />
AG, bei erlaubter Abwesenheit, neue Beweismittel eingeführt werden<br />
sollen. Dies sind etwa Zeugen oder Sachverständige, deren Ladung<br />
dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird oder Urkunden, von denen der<br />
Betroffene und sein Verteidiger keine Kenntnis hatten und auf die sich<br />
die Verteidigung daher nicht einrichten konnte.<br />
Bei einer Geldbuße von 75,00 € gilt der grundsätzlich der<br />
Zulassungsgrund des § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG: Die Rechtsbeschwerde<br />
wird wegen einer Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren nur<br />
zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung zugelassen.<br />
Nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ist die Rechtsbeschwerde aber zulässig,<br />
wenn die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt wird.<br />
Verwerfung und Verjährung<br />
OLG Köln, Beschluss vom 26.03.2004, Ss 125/04 Z = DAR 2005, 229<br />
Eine Versagung des rechtlichen Gehörs, liegt vor, wenn durch ein<br />
Verwerfungsurteil der Einspruch ohne Rechtsgrundlage verworfen<br />
wird. Für die Verwerfung des Einspruchs, weil der Verteidiger in der<br />
Hauptverhandlung nicht erschienen ist, gibt es keine Rechtsgrundlage.<br />
Die Ordnungswidrigkeit ist allerdings auch noch nicht verjährt. Zwar ist<br />
in dem Bußgeldbescheid das falsche Datum als Tatzeit angegeben,<br />
dies berührt die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides und damit die<br />
Unterbrechung der Verjährung nicht. Ist in einem Bußgeldbescheid der<br />
Tattag fehlerhaft angegeben, so ist er gleichwohl wirksam, wenn der<br />
Betroffene aus dessen übrigen Inhalt zweifelsfrei erkennen kann,<br />
welche Tat geahndet werden soll. Entscheidend ist, ob aus der Sicht<br />
des Betroffenen der Irrtum bezüglich der Tatzeit erkennbar ist und eine<br />
Verwechslungsgefahr nicht besteht.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 100 von 121
Abwesenheitsverfahren<br />
Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 26.09.05, 2 Ss (Owi) 155 Z-<br />
05<br />
Ist es unstreitig, dass der Betroffene Kraftfahrer war. Er stellte<br />
rechtzeitig ein Antrag auf Entbindung und erklärt dabei, dass er weitere<br />
Angaben zur Sache in der Hauptverhandlung nicht machen wird. Dann<br />
muss er entbunden werden. Erscheint er nicht in der<br />
Hauptverhandlung und verwirft das Amtsgericht den Einspruch, liegt<br />
eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, die mit der formellen Rüge<br />
beanstandet werden muss. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs<br />
liegt vor, denn der Betroffene hat ein Recht darauf, dass das Gericht<br />
seine Erklärung zur Kenntnis nimmt und in seiner Abwesenheit die<br />
Sache selbst entscheidet.<br />
Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist mit der Verfahrensrüge<br />
geltend zu machen. Dabei müssen die den Mangel enthaltenden<br />
Tatsachen so genau und so vollständig angegeben werden, dass das<br />
Rechtsbeschwerdegericht schon anhand der Rechtsmittelschrift ohne<br />
Rückgriff auf die Akten prüfen und – die Zulassung der<br />
Rechtsbeschwerde vorausgesetzt – im Freibeweisverfahren<br />
abschließend feststellen kann, dass der behauptete Fehler tatsächlich<br />
vorliegt. Daher ist insbesondere auch darzulegen, was der Betroffene<br />
vorgetragen hätte, wenn ihm rechtliches Gehör gewährt worden wäre,<br />
damit das Beschwerdegericht prüfen kann, ob das Urteil auf den<br />
Verstoß beruht. Werden dabei Beweismittel erstmals vorgelegt, reicht<br />
der Hinweis aus, dass ihm durch diese neuen Beweismittel weitere<br />
Beweisanträge abgeschnitten wurden.<br />
Fristberechnung der Rechtsbeschwerde: § 43 Abs. 1 StPO gilt für<br />
die Berechnung der Begründungsfrist von einem Monat auch dann,<br />
wenn diese unmittelbar an die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels<br />
anschließt. Der Tag des Beginns der Monatsfrist ist daher nicht mit zu<br />
zählen. 1 Endet daher die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde,<br />
beginnt die Frist für die Begründung erst am Folgetag. 2<br />
9.7. Beschränkung der Verteidigung<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 25.05.05, 2 Ss Owi 261/05<br />
1 siehe auch BGHst 36, 241<br />
2 Beispiel: Ende der Einlegungsfrist 4. Oktober, Beginn der Begründungsfrist 5.<br />
Oktober, Ende mit Ablauf des 5. November<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 101 von 121
Wird die Beschränkung der Verteidigung wegen nur unvollständiger<br />
Akteneinsicht geltend gemacht, muss neben der Darstellung der<br />
mangelhaften Akteneinsicht auch darzulegen, welche Bedeutung dies<br />
für die Entscheidung hatte.<br />
10. Beweisantrag<br />
Weist das Gericht einen Beweisantrag wegen eigener Sachkunde<br />
zurück, braucht das Gericht dies weder in der Hauptverhandlung noch<br />
im Ablehnungsbeschluss zu erörtern. Im Urteil sind Ausführungen<br />
hierzu jedoch notwendig, wenn es sich um Fachwissen handelt, das in<br />
der Regel nicht Allgemeingut aller Richter ist. Ein solches<br />
Allgemeinwissen aller Richter liegt nicht vor, wenn der Zusammenhang<br />
zwischen der Anzeige eines gültigen Messergebnisses und dessen<br />
tatsächliche Richtigkeit bei dem hier in Rede stehenden<br />
Lichtschrankenmessgerät beurteilt werden soll (ESO μP). Dieses<br />
sachkundige Wissen ist dann detailliert im Urteil darzustellen.<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 03.11.2004, 1 Ss 204/04 = VRS 108,<br />
371= DAR 2005, 464<br />
Soweit es um die Frage der Zulassung einer Rechtsbeschwerde geht,<br />
kann die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages nicht gerügt<br />
werden. In der Ablehnung eines Beweisantrages liegt in der Regel<br />
keine Verkürzung des Anspruches auf rechtliches Gehör. Eine<br />
Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nur gegeben, wenn die<br />
erlassene Entscheidung des Tatrichters auf einem Verfahrensfehler<br />
beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und nicht<br />
Berücksichtigung des Sachvertrages der Partei hat.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 25.05.2005, 2 Ss OWi 335/05 = NZV<br />
2006, 217<br />
Urteil in Owi-Sachen<br />
Auch im Bußgeldverfahren muss der Tatrichter seine<br />
Überzeugungsbildung im Urteil so ausführlich darlegen, dass das<br />
Beschwerdegericht in die Lage versetzt wird, das Urteil darauf zu<br />
überprüfen, ob der Tatrichter sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen<br />
gehalten hat und die tatsächliche Beurteilung auf rechtlich zutreffenden<br />
Erwägungen beruht. Dabei ist namentlich die Einlassung des<br />
Betroffenen eingehend zu würdigen. Stützt das Gericht seine<br />
Überzeugung auf das Gutachten eines Sachverständigen, so sind die<br />
wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen<br />
mitzuteilen.<br />
OLG Köln, Beschluss vom 30.06.2005, 8 Ss – Owi 103/05 = VRS 109,<br />
193 = DAR 2005, 646<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 102 von 121
Ergänzung des Urteils<br />
Die Ergänzung eines Urteils ist im Strafverfahren und<br />
Bußgeldverfahren grundsätzlich nicht zulässig, wenn das Urteil bereits<br />
aus dem inneren Dienstbereich des Gerichtes herausgegeben worden<br />
ist. Dies gilt auch, wenn die Urteilsabsetzungsfrist noch nicht<br />
abgelaufen ist.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 23.06.2005, 1 Ss OWi 427/05 = DAR<br />
2005, 640<br />
11. Rechtsbeschwerde<br />
Beschränkung des Rechtsmittels<br />
Der Wirksamkeit der Beschränkung steht nicht entgegen, dass in dem<br />
angefochtenen Urteil im Widerspruch zu höchstrichterlichen<br />
Rechtsprechung neben dem angewandten Messverfahren nicht auch<br />
der im Abzug gebrachte Toleranzwert mitgeteilt wird. Eine beharrliche<br />
Pflichtenverletzung setzt nicht voraus, dass der Betroffene innerhalb<br />
eines Jahres eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von<br />
mindestens 26 km/h begeht. Diese kann auch vorliegen, wenn der<br />
Betroffene seit 1999 bereits neun Mal verkehrsrechtlich in Erscheinung<br />
getreten ist, davon sieben Mal mit Geschwindigkeitsüberschreitung<br />
(eine davon mit einem Fahrverbot, weil der Betroffene abzüglich<br />
Messtoleranz die Höchstgeschwindigkeit innerorts um 35 km/h<br />
überschritten hatte).<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 28.06.05, 1 Ss 141/05 = VRS 110, 35<br />
11.1. Fortbildung des Rechts<br />
OLG Hamm, VRS 109, 52 (allerdings ist das angegebenen<br />
Aktenzeichen nicht richtig)<br />
Der Betroffene war zu einer Geldbuße von 65,00 € verurteilt worden.<br />
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.<br />
Da die verhängte Geldbuße nicht mehr als 100,00 € beträgt, richten<br />
sich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde<br />
nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG. Danach ist die Rechtsbeschwerde in<br />
dem Verfahren mit den so genannten weniger bedeutsamen Fällen nur<br />
zulässig zur Fortbildung des materiellen Rechts oder wenn das Urteil<br />
wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist.<br />
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts<br />
kommt nur in Betracht, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt,<br />
Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des<br />
materiellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken<br />
rechtschöpferisch auszufüllen. Der Einwand der Verjährung ist nach §<br />
80 Abs. 5 OWiG bereits vor Erlass des angefochtenen Urteils im<br />
Zulassungsverfahren nur dann zu prüfen, wenn es geboten ist, die<br />
Rechtsbeschwerde zuzulassen und zur Frage der Verjährung ein<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 103 von 121
klärendes Wort zu sprechen. Sind die Fragen jedoch geklärt, ist eine<br />
Zulassung nicht angezeigt.<br />
11.2. Art des Rechtsmittel<br />
BayObLG, Beschluss vom 30.05.2005, 4 St RR 73/05 = VRS 109, 32<br />
1. Rechtsmittel<br />
Ist kein Jugendstrafrecht angewandt, gilt nicht das Rechtsmittel nach §<br />
55 JGG. Nach einer Anklage (oder Strafbefehl) sind die Rechtsmittel<br />
der StPO anwendbar, auch wenn nur nach OWiG eine Geldbuße<br />
angeordnet wurde (§§ 79, 80, 83 OWiG). Gegenstand des Verfahrens<br />
ist nur eine einzige Tat im prozessualen Sinn, die eben die Straftat und<br />
die Ordnungswidrigkeit umfassen.<br />
2. Tatidentität<br />
Wird einem Betroffene Fahren ohne Fahrerlaubnis vorgeworfen und<br />
hat sich auf der konkreten Fahrt ein Unfall ereignet, so ist auch diese<br />
Ordnungswidrigkeit erfasst, selbst wenn der Unfall in der Anklage<br />
(oder der Strafbefehlsantrag) nicht erwähnt wird und gewürdigt wird.<br />
3. Verjährungsvorschriften<br />
Die Verjährungsvorschriften richten sich in diesem Fall nach § 26 Abs.<br />
3 StVG. Es muss geprüft werden, ob insbesondere die Verjährung<br />
nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG durch die erste<br />
Beschuldigtenvernehmung unterbrochen wurde. Nach Zustellung der<br />
Anklageschrift bzw. des Strafbefehls gilt die sechsmonatige<br />
Verjährung.<br />
Einstellung des Verfahrens – Rechtsmittel<br />
OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.08.2004, 1 Ss (OWi) 122 B /04<br />
= NStZ – RR 2005, 213<br />
Stellt das Amtsgericht ein Verfahren wegen eines<br />
Verfahrenshindernisses nach § 72 OWiG außerhalb der<br />
Hauptverhandlung ein, ist die sofortige Beschwerde unzulässig. Wird<br />
gleichwohl eine solche eingelegt, ist diese als Rechtsbeschwerde<br />
umzudeuten.<br />
Soll mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht werden, dass die<br />
Voraussetzungen der Einstellung nicht vorliegen, ist dies mit der<br />
formellen Rüge zu beanstanden und entsprechend auszuführen.<br />
Rechtsbeschwerdefrist<br />
BGH, Beschluss vom 06.08.2004, 2 StR 523/03 = NStZ 2005, 171<br />
Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt für den bei der<br />
Urteilsverkündungen abwesenden Betroffenen auch dann mit der<br />
Zustellung des Urteils, wenn dieses nicht mit Gründen versehen ist<br />
und die Voraussetzungen des § 77b Absatz 1 Satz 3 OWiG nicht<br />
vorliegen.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 104 von 121
Die wirksame Zustellung setzt voraus, dass die Entscheidung<br />
vollständig, d. h. auch mit Gründen versehen übermittelt wird. Dies gilt<br />
nicht, wenn von einer Urteilsbegründung abgesehen werden darf. Das<br />
unzulässige Absehen von Urteilsgründen führt nicht zur Unwirksamkeit<br />
der Zustellung: denn das zuzustellende Schriftstück wird vollständig<br />
bekannt gemacht. Die Zustellung eines nicht mit Gründen versehenen<br />
Urteils verkürzt zwar die Entscheidungsgrundlage für die Frage, ob<br />
Rechtsmittel eingelegt werden soll. Dies ist indessen unschädlich, weil<br />
der Betroffene den Sachverhalt aus dem Bußgeldbescheid kennt.<br />
Rechtsbeschwerde und Verwerfungsurteil<br />
Zur ordnungsgemäßen Rüge, das Gericht habe die Voraussetzung für<br />
den Erlass eines Abwesenheitsurteils verkannt, gehört auch die<br />
Mitteilung, ob und wie gegebenenfalls das Amtsgericht auf einen<br />
Antrag des Betroffenen, ihm vom Erscheinen in der Hauptverhandlung<br />
zu befreien, reagiert hat.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 13.06.2005, 2 Ss Owi 328/05 = VRS 109,<br />
05<br />
Darstellung des Verteidigungsvorbringens im Urteil<br />
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht,<br />
Ausführungen von Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und<br />
in Erwägung zu ziehen. In den Urteilsgründen müssen die<br />
wesentlichen der Rechtsverfolgung und der Rechtsverteidigung<br />
dienenden Tatsachen verarbeitet und gewürdigt werden. Eine<br />
Verletzung des Anspruches liegt vor, wenn sich aus den Umständen<br />
des Einzelfalles ergibt, dass das Gericht das tatsächliche Vorbringen<br />
eines Betroffenen entweder nicht zur Kenntnis genommen oder dort<br />
bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat. Zur<br />
Zulässigkeit einer Verfahrensrüge gehört, dass Umfassen der gesamte<br />
Sachverhalt vorgetragen wird. Hierzu gehört auch der Umstand, dass<br />
sich das Gericht mit Verlegungsanträgen außerhalb der<br />
Hauptverhandlung auseinandergesetzt hat.<br />
OLG Dresden, Beschluss vom 06.10.2005, Ss (OWi) 715/05, 3 Ws<br />
55/05 = DAR 2006, 98<br />
Erzwingungshaft<br />
AG Lüdinghausen, Beschluss vom 12.07.2005, 10 OWi 22/05 = NZV<br />
2005, 600 = DAR 2005, 649<br />
Wegen eines Bußgeldes von 5,00 Euro ist in der Regel<br />
Erzwingungshaft unverhältnismäßig.<br />
Erzwingungshaft trotz Strafhaft<br />
Der Betroffene befindet sich Haft. Er hat in sieben Verfahren wegen<br />
Parkverstößen Geldbußen nicht gezahlt. Vollstreckungsversuche<br />
blieben erfolglos. Das Amtsgericht hat in jedem der Verfahren zwei<br />
Tage Erzwingungshaft angeordnet, die eingelegte sofortige<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 105 von 121
Beschwerde hatte keinen Erfolg. Es liegt keineswegs auf der Hand,<br />
dass ein Strafgefangener zahlungsunfähig ist.<br />
LG Arnsberg, Beschluss vom 02.02.2006, 2 Qs 19, 23, 25, 27, 29, 31,<br />
31/06 = VRR 2006, 151<br />
Mit der Aktenversendungspauschale sind nicht auch die bei dem<br />
Rechtsanwalt nach Akteneinsichtnahme für die Rücksendung der<br />
Akten entstehenden Kosten abgegolten.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 19.12.2005, 2 Ws 300/05 = VRS 110, 57<br />
Seit dem Inkrafttreten des Anhörungsrügegesetzes ist ein Beschluss,<br />
durch den ein Antrag auf Nachholen des rechtlichen Gehörs<br />
zurückgewiesen wird, mit einer Kostenentscheidung zu Lasten des<br />
Antragstellers zu versehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 464<br />
Abs. 1 StPO analog. Anders als Verfahren nach § 33a StPO ist dies<br />
seit Inkrafttreten des Anhörungsrügegesetzes nicht mehr der Fall.<br />
OLG Köln, Beschluss vom 10.10.2005, 81 Ss Owi 41/05 – 268 = VRS<br />
109, 346 = DAR 2006, 32<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 106 von 121
VII. Einzelne <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong><br />
1. § 111 OWiG<br />
OLG Dresden, Beschluss vom 23.05.2005, Ss (Owi) 18/05 = StraFo<br />
2005, 391<br />
§ 111 OWiG begründet nicht schlicht hin eine Verpflichtung gegenüber<br />
der zuständigen Behörde, auf Befragen die Personalien anzugeben.<br />
Die Vorschrift begründet keine selbstständige Auskunftspflicht. Das<br />
Verhalten des Betroffenen ist danach nur bußgeldbewährt, wenn die<br />
Zusendung des Anhörungsbogens zumindest auch der<br />
Identitätsfeststellung gedient hat, weil notwendige Personalien fehlen.<br />
2.Die Sanktionen bei einem Verstoß gegen § 24a StVG<br />
Die Geldbuße<br />
Die Bemessung der Geldbuße erfolgt nach §§ 24a StVG i.V.m. § 17<br />
OWiG. Das an sich geltend Höchstmaß von 1.000 € für den<br />
vorsätzlichen Verstoß wird damit überschritten: für den ersten<br />
fahrlässigen Verstoß eine Geldbuße von 250 €, für den zweiten<br />
Verstoß eine Geldbuße von 500 € und für den dritten Verstoß eine<br />
Geldbuße von 750 €. Ein Wiederholungsfall liegt auch vor, wenn die<br />
Vorverurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB<br />
erfolgte. 1<br />
Fahrverbot<br />
Folge einer Ordnungswidrigkeit ist in der Regel ein Fahrverbot. Dieses<br />
Fahrverbot wird bei einem Ersttäter für einen Monat angeordnet. Der<br />
Betroffene der bereits eine oder mehrere einschlägige – noch nicht<br />
tilgungsreife – Eintragungen im Verkehrszentralregister hat, muss mit<br />
einem zwei oder drei Monate dauerndes Fahrverbot rechnen. 2 ist<br />
beim Ersttäter ein Fahrverbot von einem Monat vorgesehen,<br />
während ein je nachdem verhängt werden soll, ob eine oder mehrere<br />
verwertbare einschlägige Voreintragungen nach dieser Norm oder den<br />
eingangs genannten Strafvorschriften im Verkehrszentralregister<br />
vorhanden sind. Dies ist ein gesetzliches Regelfahrverbot. Das<br />
Vorliegen einer Trunkenheitsfahrt nach § 24a Abs. 1 StVG begründet<br />
die gesetzliche Indizwirkung, weiterer Tatumstände bedarf es nicht<br />
mehr. Diese Indizwirkung ist aber auf der Tatbestandsebene<br />
1 OLG Düsseldorf, NZV 1993, 405<br />
2 241 – 241.2 BKatV<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 107 von 121
widerlegbar, es muss bei dem Betroffenen zu einer<br />
außergewöhnlichen Härte führen, damit ein Richter von dem<br />
Regelfahrverbot absehen kann. Vorraussetzung ist in der Regel, dass<br />
der Betroffene unabdingbar einschneidende über den Normalfall weit<br />
hinausgehende wirtschaftliche oder soziale Nachteile erleidet, die ein<br />
Fahrverbot nicht mehr verhältnismäßig erscheinen lassen.<br />
Eine Voreintragung im Verkehrszentralregister mit Fahrverbot darf bei<br />
der Prüfung der Voraussetzungen des § 25 II a StVG nicht<br />
berücksichtigt werden, wenn sie tilgungsreif ist.<br />
OLG Dresden, Beschluss vom 01.11.2005, Ss (OWi) 562/05 = DAR<br />
2006, 161<br />
§ 24a StVG<br />
Das Amtsgericht hat den Betroffenen zu einer Geldbuße von 500,00 €<br />
verurteilt, weil er mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,28 mg/l ein<br />
Kraftfahrzeug geführt hatte.<br />
Angesichts der geringen Überschreitung des Grenzwertes und auf<br />
Grund der Gesamtschau der besonders gelagerten Umstände war ein<br />
Absehen vom Fahrverbot gerechtfertigt. Entscheidend war hierbei<br />
auch der persönliche Eindruck von dem Betroffenen in der<br />
Hauptverhandlung.<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.09.2005, 1 Ss 84/05 = VRR 2006,<br />
149 = NZV 2006, 326 = VRS 110, 299 = zfs 2006, 411 = SVR 2006,<br />
192<br />
Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG ist bei einer Verurteilung wegen einer<br />
Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG regelmäßig neben einer<br />
Geldbuße auch ein Fahrverbot zu verhängen. Davon darf das Gericht<br />
nur absehen, wenn ganz besondere Ausnahmenumstände äußerer<br />
und innerer Art vorliegen. Dies ist der Fall, wenn diese Tatumstände so<br />
aus dem Rahmen üblicher Begehungsweisen fallen, dass die<br />
Vorschriften über das Regelfahrverbot offensichtlich darauf nicht<br />
zugeschnitten sind, oder die Anordnung des Fahrverbotes eine Härte<br />
ganz außergewöhnlicher Art wäre. Eine außergewöhnliche Härte im<br />
Sinne der Vorschrift ist nicht nur dann gegeben, wenn das Fahrverbot<br />
zu beruflichen Nachteilen führt. Vielmehr kann erst dann, wenn ein<br />
Existenzverlust als unausweichliche Folge des Fahrverbots droht,<br />
ausnahmsweise von einem Fahrverbot abgesehen werden. Eine<br />
besondere Härte liegt nicht vor, wenn der Betroffene die einzige<br />
Arbeitskraft im Kfz-Betrieb der Ehefrau ist.<br />
OLG Hamm, 01.04.03, 3 Ss Owi 183/03 = BA 2004, 177<br />
Fahrerlaubnis Methadon<br />
Eine Methadonsubstitution führt auch nach längerer Zeit nicht dazu,<br />
dass der See auf eine Fahreignung für die Wiedererlangung einer<br />
Fahrerlaubnis geschlossen werden kann.<br />
OVG Saarland, Beschluss vom 27.03.2006, 1 W 12/06 = zfs 2006, 355<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 108 von 121
3. Rückwärtsfahren § 9 Abs. 5 StVO<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 01.02.05, 1 Ss 80/04 = Zfs 2005, 366<br />
= NZV 2005, 432 = NStZ–RR 2005, 183 = DAR 2005, 466<br />
Es liegt kein Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO vor, wenn beim<br />
Rückwärtsfahren auf der Fahrbahn ein am Fahrbahnrand geparktes<br />
Fahrzeug beschädigt wird. Der Normzweck des § 9 Abs. 5 StVO<br />
besteht darin, denn fliesenden Verkehr zu schützen. Aus diesem<br />
Grunde wurde das Busgeld von 60,00 € auf 35,00 € ermäßigt.<br />
Rückwärtsfahren<br />
OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.05.2004, 1 Ss 182/04 = NStZ – RR<br />
2005, 24 = NJW 2004, 2255 = NJW 2005, 425 = NZV 2004, 420<br />
Aus einer Parkbucht rückwärts fahren erfordert nicht die erhöhte<br />
Rücksichtspflicht des § 9 Absatz 5 StVO.<br />
Der Betroffene fuhr auf dem Gelände einer Tankstelle rückwärts,<br />
hierbei stieß ihm in Folge einer Unaufmerksamkeit gegen ein anderes<br />
Fahrzeug. Das AG setzte eine Geldbuße wegen fahrlässiger<br />
Verkehrsordnungswidrigkeiten nach § 1 Abs. 2 StVO in Höhe von<br />
35,00 € fest.<br />
AG Frankfurt, Beschluss vom 09.06.2005, 901 OWi-218 Js 19469/05 =<br />
Zfs 2005, 570<br />
Parkschein<br />
Der Betroffene war vom Amtsgericht zu einem Bußgeld verurteilt<br />
worden wegen Verstoß gegen §§ 13 Abs. 1, 2 StVO. Er hatte erklärt,<br />
dass er nur ein 50 Cent Stück in der Tasche gehabt habe, dieses seit<br />
wiederholt durchgefallen. Weitere Münzen habe er nicht gehabt. Das<br />
OLG verwarf die Rechtsbeschwerde. Ein Kraftfahrer muss mehrere<br />
Münzen mit sich führen. Ansonsten liegt dies in seiner Risikosphäre.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 29.08.2005, 3 Ss OWi 576/05<br />
4. Handy § 23 Abs. 1a StVO<br />
Ablesen einer Telefonnummer<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 12.7.2006, 2 Ss OWi 402/06 = SVR 2007,<br />
312 = VRS 111, 213= NZV 2007, 51 = = NZV 2006, 555 = DAR 2007,<br />
402<br />
Eine verbotene Benutzung eines Mobiltelefons durch einen<br />
Fahrzeugführer liegt auch vor, wenn der Fahrer das Handy während<br />
der Fahrt in die Hand nimmt, um vom Display des Telefons eine dort<br />
gespeicherte Telefonnummer abzulesen.<br />
Mit dieser Entscheidung bestätigte das Oberlandesgericht (OLG)<br />
Hamm ein Urteil des Amtsgerichts Schwerte, das den Fahrer zur<br />
Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 100 Euro verurteilt hatte. Der<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 109 von 121
Führer einer Sattelzugmaschine mit Anhänger hatte während der Fahrt<br />
sein privates Mobiltelefon in die Hand genommen, um auf diesem eine<br />
dort gespeicherte Telefonnummer abzulesen. Dies wollte er sodann in<br />
das ebenfalls im Fahrzeug vorhandene dienstliche Mobiltelefon mit<br />
Freisprecheinrichtung eingeben. Nach Ansicht des OLG stelle dies<br />
einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a der Straßenverkehrsordnung dar.<br />
Danach sei einem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons<br />
untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon aufnehme oder halte. Nach<br />
ständiger Rechtsprechung des OLG umfasse ein „Benutzen“ im Sinne<br />
der genannten Vorschrift sämtliche Bedienfunktionen des<br />
Mobiltelefons, somit also auch das Ablesen einer gespeicherten Notiz .<br />
Diktiergerät<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 31.05.2006, 1 Ss 82/06 = NZV 2006,<br />
664 = DAR 2006, 636 = VRS 111, 215 = NJW 2006, 3734<br />
Die „Benutzung eines Mobiltelefons“ i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO liegt<br />
nicht nur vor, wenn das Gerät zum Telefonieren verwendet wird,<br />
sondern auch bei jeder anderen bestimmungsgemäßen Verwendung,<br />
insbesondere auch beim Gebrauch als Diktiergerät.<br />
Mit dieser Entscheidung verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Jena<br />
einen Autofahrer zu einem Bußgeld, der während der Fahrt ein<br />
Mobiltelefon in der rechten Hand gehalten und Informationen auf das<br />
Gerät gesprochen hatte. Es verfügte über eine Diktierfunktion. Die<br />
SIM-Karte war dem Telefon zu diesem Zeitpunkt entnommen worden,<br />
so dass es nicht zum Telefonieren benutzt werden konnte.<br />
Das OLG hat darin die „Benutzung eines Mobiltelefons“ i.S.d. § 23<br />
Abs. 1a StVO gesehen. Der Begriff der „Benutzung“ schließe nach<br />
allgemeinem Sprachgebrauch die Inanspruchnahme sämtlicher<br />
Bedienfunktionen der nach üblichem Verständnis als Mobiltelefon<br />
bezeichneten Geräte ein. Dafür, dass das Mobiltelefon als Telefon<br />
genutzt werden müsse, sei dem Gesetzeswortlaut nichts zu<br />
entnehmen. Dies entspreche auch dem Willen des<br />
Verordnungsgebers, was in den Ausführungen zur Begründung zur<br />
Einführung des neuen § 23 Abs. 1a StVO deutlich zum Ausdruck<br />
komme. Auch der Gesetzeszweck fordere eine Erstreckung des<br />
Verbots auf jegliche Art der bestimmungsgemäßen Verwendung eines<br />
Mobiltelefons.<br />
Hinweis: Es erscheint allerdings fraglich, ob diese Auslegung des § 23<br />
Abs. 1a StVO nicht zu weit geht. Sie führt nämlich zu einer<br />
Ungleichbehandlung mit demjenigen Betroffenen, der während des<br />
Fahrvorgangs ein „normales“ Diktiergerät benutzt. Dieser kann<br />
allenfalls – bei Vorliegen der Voraussetzungen – nach § 1 StVO in<br />
Anspruch genommen werden. Davon hätte man hier, da das Handy<br />
wegen der nicht eingelegten SIM-Karte nicht als Telefon benutzt<br />
werden konnte, auch ausgehen können.<br />
Beiseite legen<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 110 von 121
OLG Köln, NJW 2005, 336 = NZV 2005, 547 = DAR 2005, 695 =VRS<br />
109, 287 = zfs 2005, 569<br />
Das Telefon lediglich weglegen, ist keine Benutzung im Sinne von § 23<br />
Abs. 1a StVO.<br />
Mobiltelefon aufheben<br />
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.10.2006, IV-2 Ss (Owi) 134/06-<br />
(Owi)70/06 III = NZV 2007, 95 = VRS 112, 60 = StraFo 2006, 509<br />
Der Betroffene hat sein auf das Boden gefallenes Handy aufgehoben<br />
um es auf den Beifahrersitz zu legen. Das Amtsgericht hat dies als<br />
einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1 StVO gewertet. Nach dem Wortlaut<br />
der Vorschrift ist es dem Fahrzeugführer untersagt, ein Mobiltelefon zu<br />
benutzen, wenn er es hierfür aufnimmt oder hält. Dies erfordert eine<br />
Handhabung in Bezug auf seine Funktion. Nicht das Aufnehmen und<br />
halten des Mobiltelefons als solches ist untersagt, sondern allein<br />
dessen bestimmungsgemäße Verwendung.<br />
Ausgeschalteter Motor<br />
OLG Bamberg, Beschluss vom 27.09.2006, 3 Ss Owi 1050/06 = SVR<br />
2007, 153 = DAR 2007, 95= NZV 2007, 49<br />
Hat ein PKW-Fahrer bei roter Ampel den Motor ausgeschaltet, liegt<br />
kein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a Satz 2 StVO vor.<br />
Handy Beweiswürdigung<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 22.08.2006, 2 Ss OWi 528/06 = SVR<br />
2007, 313 = DAR 2007, 216 = NZV 2007, 96 = VRS 111, 378<br />
Der Betroffene wehrt sich gegen die Verurteilung wegen eines<br />
Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO. Der Antrag auf Zulassung der<br />
Rechtsbeschwerde war unzulässig, weil sich die Beschwerde allein<br />
gegen die Beweiswürdigung des Gerichts richtete.<br />
Das Amtsgericht hat die Einlassung des Betroffenen, er habe nicht<br />
telefoniert, sondern sich mit einem Akkurasierer, der wie ein Handy<br />
aussehe, rasiert, als Schutzbehauptung zurückgewiesen. Für die<br />
Richtigkeit der Einschätzung des Gerichts spricht auch, dass der<br />
Betroffene sich nach Anhalten durch Polizeibeamten nicht<br />
entsprechend eingelassen hat und die Erklärung, sich bewegende<br />
Lippen seien nicht von Gespräch geprägt gewesen, sondern weil er<br />
zur Musik im Auto mitgesungen habe unglaubhaft ist.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 06.07.2005, 2 Ss OWi 177/05= VRS 109,<br />
129 = NZV 2005, 548<br />
Die Frage der Benutzung eines Mobiltelefons im Sinne von § 23 Abs.<br />
1a StVO wird alleine danach beurteilt, ob der Fahrer hierbei das<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 111 von 121
Mobiltelefon in der Hand hält oder nicht. Unter der Benutzung im Sinne<br />
von § 23 Abs. 1 a StVO ist jegliche Nutzung eines Mobiltelefons zu<br />
verstehen. Auch das Blicken auf das Display zum Zwecke der<br />
Feststellung der Urzeit reicht aus, um eine Nutzung anzunehmen.<br />
Handy<br />
OLG Köln, Beschluss vom 23.08.2005, 83 Ss Owi 19/05 = Zfs 2005,<br />
569 = VRS 109, 287 = DAR 2005, 695 = NZV 2005, 547<br />
De Betroffene wurde zu einer Geldbuße von 40,- € verurteilt. Er hatte<br />
mit der Rechtsbeschwerde, die zugelassen wurde, Erfolg. Er hatte sich<br />
dahingehend eingelassen, dass er das ausgeschaltete Handy vom<br />
einem Ablagefach, wo es „rappelte“ in die Mittelkonsole gelegt hat, um<br />
die Störung zu unterbinden. Dies ist nicht bußgeldbewährt. Nach dem<br />
Wortlaut der Vorschrift ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines<br />
Mobiltelefons untersagt, sofern er zu diesem Zweck das Gerät<br />
aufnimmt oder hält. Dabei schließt der Begriff der Benutzung nach<br />
dem allgemeinen Sprachverständnis einerseits die Inanspruchnahme<br />
sämtlicher Bedienungsfunktionen ein. Er umfasst also nicht nur das<br />
Telefonieren, sondern auch andere Formen der bestimmungsgemäßen<br />
Verwendung. Dementsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung,<br />
dass neben dem Gespräch auch das Versenden von Kurznachrichten<br />
oder das Abrufen von Daten im Internet verboten ist. Dies kann aber<br />
nicht auf jedes „in der Hand halten“ ausgedient werden.<br />
Ordnungswidrig handelt auch, wer in seinem Pkw mit laufenden Motor<br />
vor einer roten Ampelanlage anhält. Sein Mobiltelefon zur<br />
Entgegennahme eines Anrufes in die Hand nimmt. Ohne Bedeutung<br />
ist, ob hierdurch eine Telefonverbindung tatsächlich hergestellt wird.<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 01.012.2005, 2 Ss OWi 811/05 = VRS<br />
110, 43= StraFo 2006, 123<br />
Auch bei einem kurzfristigen Halt an einer Ampel muss der<br />
Sicherheitsgurt angelegt sein. Zur gleichen Zeit gilt ein Verbot der<br />
Nutzung eines Handy. Das Handyverbot gilt lediglich nicht, wenn ein<br />
Kraftfahrzeugführer anhält und den Motor ausschaltet<br />
OLG Celle, Beschluss vom 24.11.2005, 211 Ss 111/05 = VRS 109,<br />
449 = NZV 2006, 164 = DAR 2006, 159<br />
Zumessung<br />
KG, Beschluss vom 30.11.2005, 3 Ws (B) 600/05 = DAR 2006, 336 =<br />
NZV 2006, 609 = NJW 2006, 380<br />
Ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1 StVO nur vorsätzlich verwirklicht<br />
werden kann ist es rechtsfehlerhaft, die Regelgeldbuße wegen<br />
vorsätzlich Begehungsweise zu erhöhen.<br />
Mobiltelefon und Vorsatz<br />
Thüringerisches OLG, Beschluss vom 06.09.2004, 1 Ss 138/04 = DAR<br />
2005, 228 = NStZ-RR 2005, 23<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 112 von 121
Die verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt<br />
wird regelmäßig nur vorsätzlich begangen. Eine Erhöhung der<br />
Regelgeldbuße wegen vorsätzlicher Begehensweise kommt deshalb<br />
nicht in Betracht. Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen<br />
vorsätzlichen Verstoßes zu einer Geldbuße von 60 € verurteilt. Auf die<br />
Rechtsbeschwerde wurde die Geldbuße auf 30 € herabgesetzt.<br />
5. FahrpersonalG<br />
OLG Oldenburg, Beschluss vom 04.07.2005, Ss 102/05 = DAR 2005,<br />
648<br />
Der Einbau eines EG-Kontrollgerätes ist nicht erforderlich, wenn das<br />
Führen des Fahrzeuges für den Fahrer nicht die Haupttätigkeit<br />
sondern lediglich eine Hilfstätigkeit darstellt. Die Begriffe „Material und<br />
Ausrüstung“ im Sinne des Ausnahmetatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 7<br />
Fahrpersonalverordnung sind weit auszulegen.<br />
Aufbewahrung der Schaublätter<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 25.10.05, 1 Ss 172/04 = VRS 110, 141<br />
Aufbewahren im Sinne von Artikel 14 Abs. 2 Satz 1 VO 3821/85 ist<br />
nicht das bloße Aufheben. Aufbewahren meint das sorgsame Hüten.<br />
Das Unternehmen darf dabei die Pflicht zur Aufbewahrung nicht dem<br />
Fahrer überlassen. Dies beinhaltet auch die Verpflichtung des<br />
Unternehmers, dafür Sorge zu tragen, dass die Fahrer die<br />
Schaublätter dem Unternehmen abliefern. Das Unternehmen hat daher<br />
auch bei großer räumlichen Entfernung alles zu unternehmen, um in<br />
den Besitz der Schaublätter zu gelangen.<br />
6. Parkverstoß<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 27.01.2005, 3 Ss (OWi) 49/05 = DAR<br />
2005, 523= NZV 2006, 324<br />
Gebots- und Verbotszeichen im Straßenverkehr müssen aus sich<br />
heraus deutlich erkennbar und ohne weiteres verständlich sein. Es<br />
kann von einem Kraftfahrzeugführer nicht verlang werden, dass er<br />
aufgrund äußerer Umstände (Ausformung der gekennzeichneten<br />
Fläche) zusätzliche Überlegungen zu dem möglichen Regelungsinhalt<br />
eines Verkehrsschildes anstellt. Wie auch sonst bei Verbotszeichen<br />
muss der Geltungsbereicht des Verbots klar erkennbar sein.<br />
Demgemäß ist für die Zuordnung von Zusatzschildern zu<br />
Verkehrszeichen anerkannt, dass diese nur Verbindlichkeit entfalten,<br />
wenn sie klar, eindeutig und widerspruchsfrei sind. Entsprechendes<br />
muss auch für Parkmarkierungen, insbesondere für eine zwischen<br />
zwei gekennzeichneten Parkflächen liegende Zwischenfläche<br />
(Restfläche) in Verbindung mit einem das Parken gestattendem<br />
Zusatzschild gelten. Dies gilt insbesondere für das<br />
Halteverbotszeichen „außerhalb gekennzeichneter Flächen“. Auf so<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 113 von 121
genannten Restflächen neben Parkmarkierung ist das Parken erlaubt,<br />
soweit es weder belästigend, behindern oder gefährdend ist.<br />
7. Schrittgeschwindigkeit<br />
OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.05.2005, 1 Ss OWi 86 B/05 =<br />
DAR 2005, 570<br />
Schrittgeschwindigkeit wird nach überwiegender Auffassung der<br />
Gerichte als eine Nettogeschwindigkeit von 7 km/h aufgefasst.<br />
8. StVZO<br />
Rote Kennzeichen 94. StVZO Ausnahmeverordnung - Oldtimer<br />
OLG Dresden, Beschluss vom 01.06.2005, Ss (OWi) 213/05 = VRS<br />
109, 136 = DAR 2005, 522<br />
Eine Fahrt mit einem Oldtimer, das mit einem roten Kennzeichen<br />
aufgrund der 49. Ausnahmeverordnung zur StVZO versehen ist, dient<br />
nicht der Wartung, wenn die Fahrt zu dem ausschließlichen Zweck<br />
durchgeführt wird, das Fahrzeug zu betanken. Der Betroffene befuhr<br />
mit einem roten Kennzeichen S mit einem Oldtimer. Er war<br />
ausschließlich auf dem Weg zum Tanken.<br />
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen Inbetriebnahme eines<br />
nicht zugelassenen Fahrzeuges zu einer Geldbuße von 50,00 Euro<br />
verurteilt. Die Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg. Eine gesetzliche<br />
Definition dessen was Wartung ist, liegt noch nicht vor. Das Betanken<br />
eines Fahrzeuges gehört hierzu jedoch nicht.<br />
9. Fahrtenschreiber - Schausteller<br />
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.10.2004, 2 Ss 148/03 = NStZ-RR<br />
2005, 90<br />
Ein Warenverkäufer ist grundsätzlich auch dann kein von der Pflicht<br />
sein Fahrzeug mit einem Fahrtenschreiber auszurüsten, befreiter<br />
Schausteller im Sinne von Artikel 4 Nummer 9 VO (EWG) 3821/85,<br />
wenn er auf Volksfesten, Jahrmärkten etc. tätig wird. Er ist allenfalls<br />
dann ein Schausteller, wenn bei seiner Tätigkeit der Unterhaltungswert<br />
durch die Art des Anbietens der Waren und durch die Aufmachung des<br />
Verkaufstandes im Vordergrund steht.<br />
Das Amtsgericht verurteilte ihn zu einer Geldbuße von 100 € die<br />
Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.<br />
10. Fahrradrikscha<br />
OLG Dresden, Beschluss vom 11.10.2004, Ss OWi 460/04 = NStZ-RR<br />
2005, 24<br />
Ein mehrspuriges, dreirädriges Fahrradtaxi ist kein Fahrrad im Sinne<br />
von § 21 Absatz 3 StVO.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 114 von 121
Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen Verstoßes gegen die<br />
Vorschriften der Personenbeförderung zu einer Geldbuße von 5 €<br />
verurteilt. Die Rechtsbeschwerde führte zum Freispruch.<br />
11. Reifen § 30, 36 Abs. 2 S. 3 und 4 StVZO<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 18.05.2005, 1 Ss 121/04 = DAR 2005,<br />
643<br />
Bei einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 36 StVZO muss sich<br />
aus dem Urteil klar ergeben wo der Betroffene die Zugmaschine<br />
gesteuert hat, insbesondere welchen Weg er benutzt hat. Es muss<br />
auch klar sein, ob und wiefern keine ausreichende Profil- oder<br />
Einschnitttiefe oder keine ausreichenden Profilrillen oder beides nicht<br />
mehr vorhanden waren. Wird die Fahrt mit beschädigten Reifen<br />
unternommen, kommt es alleine darauf an, ob der Betroffene diese<br />
konkreten Schäden erkannt hat oder erkennen können und müssen.<br />
12. GüGK und Pflichten des Auftraggebers<br />
OLG Köln, Beschluss vom 21.06.2005, 8 Ss – OWi 137/05 = VRS 109,<br />
289<br />
Fahrlässigkeit im Sinne von § 7c S. 1 Nr. 1 GüKG liegt nicht erst dann<br />
vor, wenn der Auftraggeber Anhaltspunkte dafür hat, dass der<br />
ausführende Unternehmer unerlaubten Güterkraftverkehr durchführt.<br />
Der Auftraggeber muss auch gegenüber einem ihm bis dahin<br />
unbekannten Vertragspartner von sich aus darauf hinwirken, dass<br />
dieser Inhaber einer Erlaubnis nach § 3 GüKG ist.<br />
Mautdaten<br />
LG Magdeburg, Beschluss vom 03.02.2006, 25 Qs 7/06 = VRR 2006,<br />
197 = DAR 2006, 403<br />
im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist die Verwertung von<br />
Mautgebührendaten unzulässig.<br />
Autobahnmaut<br />
OLG Köln, Beschluss vom 18.4.2006, 82 Ss – Owi 18/06 = SVR 2007,<br />
66 = zfs 2006, 588 = NZV 2006, 608 = VRS 111, 157<br />
Autobahnmautgesetz § 10 Abs. 1 Nr. 1 ist nicht verfassungswidrig.<br />
ABMG<br />
OLG Köln, Beschluss vom 29.3.2006, 83 Ss – OWi 22/06 = DAR 2006,<br />
401 = NZV 2006, 437<br />
Für die Berechnung der Maut zählt auch bei der Tandemachse mit<br />
einem Abstand der beiden Achsen von weniger als einem Meter jede<br />
vorhandene Achse. Bei einem entsprechendem Auflieger muss daher<br />
ein Fahrzeug mit vier Achsen angegeben werden. Das Amtsgericht<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 115 von 121
verurteilte den Betroffenen zu einer Geldstrafe in Höhe von 75,00 €.<br />
Die Rechtsbeschwerde blieb erfolglos. Die Abweichung von den<br />
Zulassungspapieren führt auch nicht zu einem unvermeidbaren<br />
Verbotsirrtum.<br />
ABMG § 4, 10<br />
OLG Köln, Beschluss vom 29.06.2006, 82 Ss – Owi 30/06 = SVR<br />
2007, 104 = zfs 2006, 589 = NZV 2006, 667 = VRS 111, 156<br />
Die fehlerhafte Eingabe von Fahrzeugdaten bei Einbuchung über die<br />
On-Board-Unit begründet nicht nur einen Verstoß gegen § 4, sondern<br />
auch gegen § 10 ABMG.<br />
Überladung<br />
An die Sorgfaltsanforderungen eines Kraftfahrers sind hohe<br />
Anforderungen zu stellen. Er muss daher unter Ausnutzung aller ihm<br />
zur Verfügung stehenden Möglichkeiten prüfen, ob die Ladung zu einer<br />
Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts führt. Notfalls muss er<br />
das Fahrzeug auf der nächstgelegenen Waage wiegen lassen. Dies<br />
gilt jedoch nur für den Fahrzeugführer, der diese Eigenschaft bereits<br />
im Zeitpunkt der Beladung hat. Der Fahrzeugführer, der ein Fahrzeug<br />
übernimmt, muss dessen Gewicht nicht selbständig ermitteln, er kann<br />
sich auf die Gewichtsangaben des Verladers verlassen. Eine<br />
selbständige Prüfungspflicht trifft ihn nur, wenn er erkennbare<br />
Anhaltspunkte für eine Überladung hat.<br />
Thüringer OLG, Beschluss vom 28.09.05, 1 Ss 136/05 = VRS 110, 136<br />
Es ist ausreichend, wenn der Tatrichter bei einer Wägung die in einem<br />
Vorgang vorgenommen wird und nicht achsweise, als<br />
Verkehrsfehlergrenze das doppelte der Eichfehlergrenze, mithin<br />
insgesamt 60 Kg abzieht. Ein weiterer Abzug von 5% ist nicht<br />
vorzunehmen.<br />
Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 23.02.2005, 1 Ss 21/05 =<br />
DAR 2006, 341<br />
EG-Verordnung 3820/85<br />
Amtsgericht Itzehoe, Beschluss vom 11.4.2007, 66 OWi 304 Js<br />
27481/06 (363/06) = DAR 2007, 278<br />
Mangels Umsetzung der EG-Richtlinie kann ein Verstoß derzeit als<br />
Ordnungswidrigkeit nicht geahndet werden.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 116 von 121
VIII. ergänzende Anmerkungen<br />
1. Begriff des Fahrzeuges im Sinne der StVO: Fahrzeuge sind unter<br />
anderem auch Pferdefuhrwerke, die mit Zügel und Bremsen bedient<br />
werden, dagegen nicht Reiter, Viehtreiber, Schubkarren,<br />
Kinderfahrräder, Rollstühle die geschoben werden.<br />
2. Verwaltungsrecht<br />
Alkohol und Fahrrad<br />
Eine erreichte Blutalkoholkonzentration von 2,54 ‰ und einer Fahrt auf<br />
einem Fahrrad unter dieser Alkoholbeeinflussung rechtfertigen es auch<br />
3 ½ Jahre nach der Trunkenheitsfahrt, der Frage der Fahreignung<br />
nachzugehen. Das hierzu geeignete Mittel ist die medizinisch –<br />
psychologische Begutachtung.<br />
Dies ist auch möglich, wenn die Blutalkoholkonzentration 2,02 ‰<br />
betragen hat. Wird auf Grund dieses Gutachtens die Nichteignung<br />
festgestellt, kann die Verwaltungsbehörde neben der Entziehung der<br />
Fahrerlaubnis auch die Benutzung eines Fahrrades untersagen (VG<br />
Neustadt zfs 2005, 367).<br />
In Fällen des Fahrrades ist die Verwaltungsbehörde auch nicht<br />
gehindert eine selbstständige Prüfung der Fahreignung durchzuführen.<br />
Ein solches Hindernis gäbe es nur, wenn der Strafrichter im Rahmen<br />
des § 69 StGB die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu<br />
beurteilen hatte und nachprüfbar tatsächlich auch beurteilt hat. Dann<br />
ist die Verwaltungsbehörde an dieser Entscheidung nach § 3 Abs. 4<br />
StVG gebunden. In anderen Fällen ist die Fahrerlaubnisbehörde<br />
vielmehr verpflichtet, von sich aus die Eignung zu überprüfen.<br />
VG Neustadt, Beschluss vom 16.03.2006, 3 L 357/06.NW = zfs 2006,<br />
358<br />
2.2. FeV - Mofa<br />
Hamburgerisches OVG, Beschluss vom 20.06.2005, 3 Bs 72/05 = SVR<br />
2006, 77 = VRS 109, 210<br />
Gelegentlicher Cannabis-Konsum kann grundsätzlich, wenn einer der<br />
in Nr. 9.2.2. der Anlage 4 der FeV genannten weiteren Umstände<br />
vorliegt, wie etwa die fehlende Trennung von Konsum und Fahren, die<br />
Nichteignung begründen, ein erlaubnisfreies Kraftfahrzeug,<br />
insbesondere ein Mofa, zu führen.<br />
Europäischer Führerschein<br />
Der EuGH hat zwei Entscheidungen veröffentlicht, die die<br />
Rechsprechung zum europäischen Führerschein wesentlich<br />
beeinflussen:<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 117 von 121
• Kapper-Entscheidung EuGH, Beschluss vom 29.4.2004 =<br />
NJW 2004, 1725<br />
• Halbritter-Entscheidung, EuGH, Beschluss vom 06.04.2006,<br />
C 227/05 (Daniel Halbritter) = BA 2006, 307 = NJW 2006,<br />
2173)<br />
Danach kann ein Mitgliedstaat, dem in einem anderem Mitgliedstaat<br />
ausgestellten Führerschein die Anerkennung nicht versagen. Der<br />
Mitgliedstaat hat auch nicht das Recht, die formellen Voraussetzungen<br />
für die Erteilung einer Fahrerlaubnis (Wohnsitzerfordernis) zu<br />
überprüfen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Führerschein nach<br />
Ablauf einer Sperrfrist ereilt wurde. Diese Entscheidung steht gegen<br />
Grundlagen des deutschen Fahrerlaubnisrechts. 1 Nach § 28 Abs. 4 Nr.<br />
3 FeV kann derjenige kein Kraftfahrzeug mit einer EU-Erlaubnis<br />
führen, dem die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig<br />
entzogen wurde.<br />
Nach § 7 Abs. 1 FeV darf eine Fahrerlaubnis nur demjenigen erteilt<br />
werden, der seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland für mindesten 185<br />
Tage im Jahr hat.<br />
Strafrechtlich kommt eine Verurteilung wegen Verstoß gegen § 21<br />
StVG nicht in Betracht, wenn die Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperre<br />
erteilt wurde. 2 Unterschiedlich entscheiden die Gerichte hinsichtlich der<br />
Frage, ob diese ausländische Fahrerlaubnis ohne Einschränkungen<br />
zum Führen eines Kraftfahrzeuges berechtigt. 3 Nach der Auffassung<br />
des OVG Koblenz (NJW 2005, 3228) können EU-Fahrerlaubnisse<br />
auch nicht nachträglich mit Auflagen versehen werden bzw. von<br />
Bedingungen abhängig gemacht werden, wenn es nach Erteilung der<br />
neuen Fahrerlaubnis keine neuen Erkenntnisse gibt.<br />
Entziehung der Fahrerlaubnis<br />
Auch eine Vielzahl von Punkte bewerteten Parkverstößen kann im<br />
Einzelfall die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen.<br />
OVG NRW, Beschluss vom 18.01.2006, 16 B 2137/05 = VRS 110, 232<br />
Fahrerlaubnis<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
1 Siehe .auch BGHSt 47, 335<br />
2 Siehe OLG Zweibrücken, NStZ-RR 2005, 50; AG Lüdinghausen, VRR 2005, 77<br />
3 VGH Mannheim, DAR 2004, 604; VG Neustadt, VRR 2005, 119; zur<br />
verwaltungsrechtichen Problematik siehe auch Ludowisy, DAR 2005, 7; Ludwisy 2006,<br />
16; Geiger DAR 2004, 340<br />
Seite 118 von 121
Mit Entziehung der Fahrerlaubnis wird zugleich das Recht entzogen<br />
mit einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland ein Fahrzeug führen<br />
zu dürfen. Wir dem Betroffenen nach Entziehung der inländischen<br />
Fahrerlaubnis das Recht zum Gebrauch einer ausländischen<br />
Fahrerlaubnis im Inland zuerkannt, so bedarf es für das<br />
Gebrauchmachen von ausländischen Fahrerlaubnissen anderer<br />
Klassen keiner weiteren Zuerkennungsentscheidung.<br />
BVerwG Urteil vom 17.11.2005, 3 Cs 54/04 = DAR 2006, 404<br />
Alkohol und MPU<br />
Auch bei einer Alkoholfahrt von 1,62 ‰ ist die Anforderung einer MPU<br />
– Begutachtung rechtmäßig. Auch die Motive der Trunkenheit spielen<br />
keine Rolle (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom<br />
01.02.2006 1 M 124/05). Weigert sich ein Betroffener eine MPU<br />
durchzuführen, kann die Fahrerlaubnis sofort entzogen werden. Ein<br />
Widerspruch muss dann nicht aufschiebende Wirkung haben. Das<br />
öffentliche Interesse an dem sofortigen Vollzug der Fahrerlaubnis<br />
überwiegt das private Interesse des Antragstellers in der Regel.<br />
Fahrerlaubnis<br />
Teilnahme an einem Aufbauseminar nach Ablauf der gesetzten Frist<br />
rechtfertigt kein Absehen von der Entziehung.<br />
OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28.04.2006, 10 B<br />
10275/06.OVG = zfs 2006, 477<br />
Entziehung der Fahrerlaubnis vor Abschluss des Strafverfahrens<br />
Entscheidet die Fahrerlaubnisbehörde über die Entziehung der<br />
Fahrerlaubnis wegen eines Sachverhalts, der Gegenstand eines<br />
Strafverfahren ist, in dem die Fahrerlaubnisentziehung in Betracht<br />
kommt, vor dem rechtskräftigen Abschluss dieses Strafverfahrens,<br />
verletzt ihre Entscheidung stets die Fahrerlaubnisinhaber in ihren<br />
Rechten.<br />
OVG Koblenz, Beschluss vom 10.05.2006, 10 B 10371/06 = NJW<br />
2006, 2714<br />
2.3. Einmalige Einnahme von Cannabis<br />
Hamburgisches OVG, Beschluss vom 23.06.2005, 3 Bs 87/05 = VRS<br />
109, 214<br />
Schon die einmalige Einnahme von Cannabis genügt für eine<br />
„gelegentliche Einnahme“ im Sinne vom § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV.<br />
Gelegentlich ist jede Einnahme, die hinter regelmäßiger Einnahme<br />
zurückbleibt. Die Fahrerlaubnisbehörde darf nach § 14 FeV die<br />
Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens<br />
einschließlich eines Drogenscreenings anordnen, wenn der Betroffene<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 119 von 121
unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt<br />
hat, selbst wenn dies der einzige Drogenkonsum war.<br />
Cannabis und Fahrerlaubnis<br />
Bayrischer VGH, Beschluss vom 25.01.2006, 11 CS 05.1453 = VRS<br />
110, 469<br />
Professor Aderjan kommt in seinem Gutachten vom 29.08.2005 zu<br />
dem Ergebnis, der Beweis dafür, dass eine Person Cannabis öfters als<br />
nur einmal konsumiert habe, werde, wenn die Blutentnahme innerhalb<br />
weniger Stunden nach dem Ende der motorisierten Teilnahme am<br />
Straßenverkehr erfolgt sei, nicht dadurch erbracht, dass darin eine<br />
Konzentration an THC-Carbonsäure von mehr als 10 ng/ml festgestellt<br />
wird.<br />
Trennungsvermögen<br />
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.3.2006, 10 S 2519/05 =<br />
BA 2006, 412<br />
Das fehlende Trennungsvermögen im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage<br />
4 zur FeV ist gegeben, wenn eine THC Konzentration von mindestens<br />
1,0 ng/ml festgestellt wird.<br />
Fahrtenbuch<br />
Adressat der Fahrtenbuchauflage ist stets der Halter des Kfz. Halter ist<br />
derjenige, der das Kfz für eigene Rechnung gebraucht. Entscheidend<br />
ist wer die Kosten trägt und die Nutzung bestimmt.<br />
Dies gilt auch bei gewerblich genutzten Fahrzeugen. Insbesondere<br />
wenn der Halter sich weigert, den Fahrer zu benennen. Die<br />
Fahrtenbuchauflage kann auch auf Ersatzfahrzeuge erstreckt werden.<br />
Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen muss verhältnismäßig sein.<br />
Ersetzt eine Verletzung von Verkehrvorschriften in nennenswerten<br />
Umfang ein. Ein einmaliger und unwesentlicher Verstoß ist nicht<br />
ausreichend. Unwesentlich sind Verstöße, wenn sie nur mit einem<br />
Verwarnungsgeld betroffen werden. Es ist aber auch möglich, bei<br />
wiederholten Übertretungen der Vorschriften, so 33 Parkverstöße in<br />
zwei Jahren.<br />
Möglich ist die Anordnung auch bei bedeutenden Verstößen.<br />
Bedeutende Verstöße werden im allgemeinen angenommen, wenn sie<br />
mit einem Punkt bewertet werden. Gleiches gilt bei Verkehrsstraftaten.<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 120 von 121
3. Versicherungsrecht<br />
Fahruntüchtigkeit Drogen<br />
Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft gibt es keinen allgemeinen<br />
gesicherten Grenzwert, bei dem nach Drogenkonsum eine absolute<br />
Fahruntüchtigkeit festgestellt werden kann. Ein Leistungsausschluss<br />
nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AUB 94 kommt daher nur in Betracht, wenn<br />
Ausfallerscheinungen eine relative Fahruntüchtigkeit festgestellt<br />
werden kann.<br />
4. RVG und JVEG<br />
Vergütungsvereinbarung<br />
OLG Hamm, Urteil vom 29.09.2005, 28 U 39/05<br />
Das Gericht hat entschieden, dass eine Honorarvereinbarung gem. § 3<br />
Abs. 1 BRAGO, die per Telefax übermittelt wird, nicht den<br />
Formerfordernissen entspricht.<br />
Zeugengebühren<br />
AG Karlsruhe, Beschluss vom 18.04.05, 7 Owi 554/04 = SVR 2005,<br />
195= NZV 2005, 655<br />
Zeugen, die von der Verwaltungsbehörde schriftlich in Anspruch<br />
genommen werden, haben Anspruch auf Zeugenentschädigung.<br />
Hierbei ist ein Betrag bei minimalen Aufwand von 10,00 € ausreichend.<br />
Anwaltshaftung<br />
OLG München, Beschluss vom 30.12.2005, 15 W 2574/05, 15 W<br />
4753/05 = BRAK-Mitt. 2006, 74<br />
Der Beweis dafür, dass die in einem Strafprozess verhängte Strafe bei<br />
einem Hinweis des Verteidigers auf nachteilige beamtenrechtlichen<br />
Folgen, zu deren Vermeidung niedriger ausgefallen wäre, liegt bei<br />
Mandanten. Die Richter des vorausgegangenen Strafprozesses sind<br />
im Hinblick auf das Beratungsgeheimnis gem. § 43 DriG keine<br />
geeigneten Beweismittel, ein Beweisantrag ist daher unzulässig.<br />
Verfahrenskosten<br />
Die Kosten für das Abschleppen und die Aufbewahrung eines<br />
beschlagnahmten Fahrzeuges hat der wegen Fahrens ohne<br />
Fahrerlaubnis Verurteilte auch dann zu tragen, wenn die Einziehung<br />
des Fahrzeuges mangels Verhältnismäßigkeit unterbleibt. Die Kosten<br />
für die Dauer des Berufungsverfahrens hat er nicht zu tragen, wenn die<br />
Kosten des Berufungsverfahrens der Staatskasse zur Last fallen.<br />
LG Berlin, Beschluss vom 19.08.2005, 505 Qs 140/05 = VRS 109, 363<br />
Aktuelles Verkehrsrecht<br />
Wolfgang Ferner<br />
Seite 121 von 121