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Verkehrsstrafrecht Ordnungswidrigkeiten

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<strong>Verkehrsstrafrecht</strong><br />

<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong><br />

Aktuelles <strong>Verkehrsstrafrecht</strong> 2007<br />

Rechtsanwalt Wolfgang Ferner, Heidelberg/Koblenz<br />

wferner@ferner.de<br />

Rommersheim/Koblenz/Heidelberg November 2007<br />

V 6.10<br />

Das Manuskript wird regelmäßig aktualisiert. Neuere Versionen finden<br />

Sie unter den Webseiten www.ferner.de (Beiträge)


Literaturliste<br />

Ausgewertete Zeitschrift<br />

1. Deutsches Autorecht (DAR)<br />

2. Mitteilungsblatt Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht (Mittl.Bl)<br />

3. Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ)<br />

4. Neue Zeitschrift für Strafrecht – Rechtsprechungsreport (NStZ-<br />

RR)<br />

5. Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV)<br />

6. Strafverteidiger (StV)<br />

7. Strafverteidiger Forum (StraFo)<br />

8. Straßenverkehrsrecht (SVR)<br />

9. Verkehrsdienst (VD)<br />

10. Verkehrsrechtsreport (VRR)<br />

11. Verkehrsrechtssammlung (VRS)<br />

12. Zeitschrift für die Anwaltspraxis (ZAP)<br />

13. Zeitschrift für Schadenrecht (zfs)<br />

Übersicht über einige Interessante Beiträge in Zeitschriften<br />

1. Albrecht: Fahren ohne Drogen nach der Entscheidung des<br />

Bundesverfassungsgerichts, SVR 2005, 81<br />

2. Albrecht: Begleitetes Fahren und neue Straftatbestände im<br />

Straßenverkehrsrecht, SVR 2005, 281<br />

3. Beck/Berr: OWi-Sachen im Straßenverkehr, C. F. Müller, 5 Aufl.<br />

2006<br />

4. Brenner: Rechtsfragen der europaweiten Vollstreckung bei<br />

Verkehrsverstößen SVR 2005, 5<br />

5. Burhoff: Praktische Fragen der Alkoholfahrt, ZAP 2005, 1071<br />

6. Ferner: Unbefugter Gebrauch eines Kraftfahrzeuges, SVR<br />

2005, 176<br />

7. Ferner: Sanktionen in OWiG-Verfahren, SVR 2005, 376<br />

8. Ferner: Belehrung des Betroffenen und Stellung des<br />

Verteidigers SVR 2006, 134<br />

9. Haase/Sachs: Beurteilung einer Drogenfahrt unter der Wirkung<br />

von Haschisch, DAR 2006, 61<br />

10. Hettenbach u.a.: Drogen und Straßenverkehr, AnwaltVerlag<br />

2006<br />

11. Himmelreich, § 14 FeV, SVR 2002, 295<br />

12. Himmelreich/Halm: Übersicht über neue Entscheidungen im<br />

Verkehrsstraf- und –bußgeldrecht, NStZ 2005, 319<br />

13. Iffland: Gerichtsverwertbarkeit von AAK-Messungen in der<br />

Resorptionsphase, DAR 2005, 198<br />

14. Iffland, Wartezeit bei Atemalkoholmessungen und notwendige<br />

Angaben im Messprotokoll aus sachverständiger Sicht, NZV<br />

2004, 433<br />

15. Janker: Führerscheinbeschlagnahme bei Alkohol- und<br />

Drogendelikten im Straßenverkehr SVR 2005, 100<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 2 von 121


16. Janker: Strafrecht gegen Verkehrsrowdies SVR 2005, 121<br />

17. Keerl: Mobiltelefone im Straßenverkehr NZV 2006, 181<br />

18. König, Verjährungsunterbrechung durch Anhörungsanordnung,<br />

DAR 2006, 230<br />

19. Krause: Drogen im Straßenverkehr, SVR 2005, 52<br />

20. Krause: Drogen SVR 2005, 137<br />

21. Krause: Nachgewiesene THC-Konzentration durch<br />

Passivrauchen von Cannabis, DAR 2006, 175<br />

22. Krumm: Augenblicksversagen bei Geschwindigkeits- und<br />

Rotlichtverstößen SVR 2005, 18<br />

23. Krumm: Verkehrsrowdies SVR, 2005, 1<br />

24. Krumm: Fahrverbot nach langer Verfahrensdauer, NZV 2005,<br />

449<br />

25. Laub: Polizeirechtliche Führerscheinbeschlagnahme bei<br />

Drogenkonsum SVR 2005, 450<br />

26. Mitsch: § 142 StGB und Wartezeit-Irrtum, NZV 2005, 347<br />

27. Müller: Die Ermäßigung des Verwarnungsgeldes durch<br />

Polizeibeamte und Kommunalbedienstete, SVR 2005, 286<br />

28. Müller: Drogen, SVR 2006, 81<br />

29. Prasser: Strafrecht gegen Verkehrsrowdies SVR 2005, 126<br />

30. Scheffler: Leider nichts Neues zum Regelfahrverbot, NZV 2005,<br />

510<br />

31. Schmahl: Der Unfallbegriff des § 142 Abs. 1 StGB und<br />

deliktische Planung, NZV 2005, 281<br />

32. Ternig: Zur Problematik des Fußgängerüberwegs im Sinne des<br />

§ 315c StGB<br />

33. Wegner: Die Strafrechtlichen Risiken bei der Benutzung<br />

mautpflichtiger Autobahnen, NZV 2005, 293<br />

Bücher von Wolfgang Ferner<br />

Wolfgang Ferner: Der neue Bußgeldkatalog, 10 Auflage<br />

Wolfgang Ferner: Strafzumessung<br />

Wolfgang Ferner: Praxistools Verkehrsrecht<br />

Ferner/Xanke: Drogen im Straßenverkehr<br />

Ferner: Strafzumessung in Verkehrsstrafsachen (erscheint Anfang<br />

2007)<br />

Wolfgang Ferner (Hrsg.): Praxismodul Verkehrsrecht<br />

Ferner: Kommentar zum OWiG<br />

Ferner (Hrsg.): Kommentar zur StVO<br />

Lütkes/Ferner/Kramer: Straßenverkehrsrecht (10 Bände, Loseblatt)<br />

Ferner (Hrsg.): Handbuch Verkehrsrecht, 2. Aufl. 2005, Nomos<br />

Verlag<br />

Ferner (Hrsg.): LexisNexis Onlinekommentar StGB<br />

Ferner (Hrsg.): LexisNexis Onlinekommentar OWiG<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 3 von 121


Inhaltsverzeichnis<br />

I. Strafzumessung<br />

II. Jugendstrafrecht<br />

III. StPO<br />

1. Hauptverhandlung und Wiedereinsetzung<br />

2. Durchsuchung wegen eines Verkehrsverstoßes<br />

3. Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

4. Belehrungspflichten<br />

5. Der Verteidiger<br />

6. Beschränkung von Rechtsmitteln<br />

7. Reformatio in peius<br />

8. Revisionsgründe<br />

9. Adhäsionsverfahren<br />

10. Vertretung in der Hauptverhandlung<br />

IV. Strafrecht – allgemeiner Teil<br />

1. Fahrverbot<br />

2. Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

3. Einziehung eines Fahrzeuges<br />

V. Strafrecht – besonderer Teil<br />

1. Tötungsdelikte<br />

2. Körperverletzung<br />

3. Freiheitsberaubung<br />

4. Nötigung<br />

5. Eingriff in den Straßenverkehr<br />

6. Straßenverkehrsgefährdung<br />

7. Trunkenheit<br />

8. Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer<br />

9. Fahren ohne Fahrerlaubnis<br />

10. Missbrauch von Fahrstreckenzählern<br />

VI. <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> – Verfahren<br />

1. Tateinheit – Tatmehrheit<br />

2. Höhe der Geldbuße<br />

3. Verjährung<br />

4. Hinweispflicht gem. § 265 StPO<br />

5. Zustellung<br />

6. Der Bußgeldbescheid<br />

7. Beschränkung des Einspruchs<br />

8. Anwesenheitspflicht<br />

9. Rechtliches Gehör<br />

10. Beweisantrag<br />

11. Rechtsbeschwerde<br />

VII. Einzelne <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong><br />

1. § 111 OWiG<br />

2. Fahrverbot<br />

3. VZR<br />

4. Rückwärtsfahren<br />

5. Handy<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 4 von 121


6. FahrpersonalG<br />

VIII. einige ergänzende Anmerkungen<br />

1. Fahrzeuge im Sinne der StVO<br />

2. Verwaltungsrechtliche Maßnahmen<br />

3. Versicherungsrecht<br />

4. JVEG<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 5 von 121


II. Strafzumessung<br />

Allgemeine Strafzumessungserwägungen:<br />

Je mehr die Strafe sich am oberen Teil der Strafrahmen orientiert,<br />

umso mehr Ausführungen müssen die Tatrichter im Urteil niederlegen. 1<br />

Moralisierende Bemerkungen sind stets Ausdruck einer<br />

Voreingenommenheit und passen nicht zum Regelsystem des § 46<br />

StGB (BHG Beschluss vom 29.09.2005, 3 StR 303/05).<br />

Eine Strafschärfung aus general-präventiven Gründen ist möglich, der<br />

Rahmen der schuldangemessenen Strafe muss jedoch stets beachtet<br />

werden (BGH, Beschluss vom 01.07.2005, 5 StR 192/05).<br />

Verfahrensverzögerung:<br />

BGH, Beschluss vom 24.04.2006, 2 StR 497/05= HRRS 2006, 430<br />

Die bisherige Rechtssprechung scheint zweifelhaft, soweit jedenfalls<br />

angenommen wurde, dass der Instanzenzug nicht zu einer<br />

rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung führen kann.(BVerfG<br />

NJW 2003, 2897; BGH NStZ 2001, 106; s. auch Roxin, Strafverteidiger<br />

2003, 379). Hier entwickelt sich jedoch eine mögliche Änderung. Dies<br />

gilt insbesondere wenn eine Aufhebung wegen eines schwer<br />

wiegenden Verfahrensfehlers erfolgt. 2<br />

Ersatzansprüche können mildernd berücksichtigt werden, sind aber<br />

zumeinst nicht zu berücksichtigen, da sie typische und vorhersehbare<br />

Folgen der Tat sind (BGH Wistra 2005, 485). Zu Gunsten des Täters<br />

kann jedoch berücksichtigt werden, dass der Täter aufgrund der Tat<br />

insolvent geworden ist (BGH, Urteil vom 22.03.2006, 5 StR 475/05).<br />

Auch dürfe soziale Lasten durch den gesundheitlichen Zustand des<br />

Opfers nicht berücksichtigt werden. 3<br />

Straferschwerend gilt es, wenn bei dem Opfer typischerweise<br />

eingetretene seelischen Schäden nicht ausgeblieben sind, 4 Unzulässig<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

1<br />

Beschluss vom 17.11.2005, 3 StR 379/05; Urteil vom 29.06.2005, 1 StR 149/05; Beschluss vom<br />

08.02.2005, 3 StR 500/04.<br />

2<br />

S. BVerfG, Strafverteidiger 2006, 73; BGH, Urteil vom 07.02.2006, 3 StR 460/98 und Urteil vom<br />

08.03.2006, 2 StR 565/05; State NJW 2006, 1480<br />

3<br />

BGH a.a.o.<br />

4<br />

BGH, Beschluss vom 21.03.2006, 4 StR 21/06<br />

Seite 6 von 121<br />

Kommentar [WF1]: Z 1<br />

Kriterien der Strafzumessung


ist aber die Berücksichtigung einer beschränkten Lebenserwartung des<br />

Opfers. 1<br />

Berufliche Konsequenzen müssen berücksichtigt werden. 2 Auch weit<br />

zurückliegende Vorstrafen können berücksichtigt werden, je länger sie<br />

zurückliegen, desto geringeres Gewicht muss ihnen jedoch<br />

beigemessen werden. 3<br />

Weigert sich ein Jugendlicher, im Rahmen der Diversion Sozialdienst<br />

zu leisten, darf dies nicht berücksichtigt werden. 4<br />

Auch nicht abgeurteiltes, auch nicht angeklagtes Vorverhalten kann<br />

berücksichtigt werden. 5<br />

Fraglich ist, inwieweit die Ausländereigenschaft berücksichtigt werden<br />

kann. 6<br />

Bei dem Urteil darf weder berücksichtigt werden, dass das Opfer<br />

besonders jung bzw. besonders alt war. 7 Es darf aber nicht<br />

straferschwerend gewertet werden, dass der Angeklagte ein Kind, das<br />

ihm körperlich unterlegen war, ohne jeden rechtfertigenden Grund<br />

geschlagen hat. Dies ist bereit Tatbestand. 8<br />

1. Grundsätze der Strafzumessung<br />

BGH, Urteil vom 12.05.2005, 5 StR 86/05<br />

Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist<br />

seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den in<br />

der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters<br />

gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastende<br />

Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander<br />

abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgericht in dieser Einzelakte der<br />

Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die<br />

Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das<br />

1 BGH, Beschluss vom 21.02.2006, 1 StR 456/05<br />

2 BGH, Beschluss vom 10.01.2006, 1 StR 541/05<br />

3 OLG Oldenburg, Beschluss vom 23.01.2006, Ss 446/05<br />

4 OLG Hamm, Beschluss vom 24.10.2005, 2 Ss 381/05<br />

5 BGH, Beschluss vom 10.08.2005, 2 StR 219/05<br />

6 vgl. BGH, Urteil vom 23.08.2005, 5 StR 105/05; BGHSt 43, 233<br />

7 BGH, Beschluss vom 14.06.2005, 3 StR 168/05<br />

8 OLG Hamm, Beschluss vom 08.06.2005, 2 Ss 123/05<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 7 von 121


Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn<br />

sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung<br />

löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Dagegen ist eine ins Einzelne<br />

gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen.<br />

Dies gilt auch, wenn der Tatrichter einen minderschweren Fall<br />

annimmt oder verneint. Die vom Tatrichter vorgenommene Wertung ist<br />

vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar.<br />

Doppelverwertung<br />

BGH, Beschluss vom 18.02.2005, 2 StR 551/04<br />

Es verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot, wenn der Tatrichter<br />

bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt,<br />

dass dieser die Tat begangen hat, anstatt von der Begehung Abstand<br />

zu nehmen. Dem steht es gleich, wenn dem Angeklagten nicht eine<br />

über die eigentliche Tatbestandverwirklichung hinausgehende<br />

kriminelle Energie zur Last gelegt werden kann, sondern lediglich<br />

Handlungen, die nach dem Tatplan des Angeklagten bereits<br />

erforderlich waren, um den angestrebten Erfolg überhaupt zu<br />

erreichen.<br />

Höhe der Strafe<br />

BGH, Beschluss vom 08.02.05, 3 StR 500/04<br />

Je mehr sich ein Strafmaß dem oberen oder unteren Ende des<br />

Strafrahmens nähert, umso höher sind die Anforderungen an die<br />

Abwägung und die erschöpfende Würdigung der maßgeblichen<br />

straferschwerenden und strafmildernden Umstände. Dazu gehört auch<br />

die Wirkung der Strafe für das zukünftige Lebens des Täters.<br />

Geldbuße in OWi-Verfahren<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 10.01.2006, Ss (Owi) 532/05 = DAR<br />

2006, 222<br />

Die wirtschaftliche Verhältnisse eines Betroffenen sind nur dann nicht<br />

zu berücksichtigen und zu prüfen, wenn keine Anhaltspunkte dafür<br />

gegeben sind, dass sie außergewöhnlich gut oder schlecht sind.<br />

Anhaltspunkte für besonders schlechte wirtschaftliche Verhältnisse<br />

liegen aber vor, wenn der Betroffene beschäftigungslos ist.<br />

Gesamtstrafe<br />

BGH, Beschluss vom 21.09.2005, 2 StR 266/05 = SVR 2006, 188<br />

Der Angeklagte wurde wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 100<br />

Fällen sowie vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe<br />

von drei Jahren verurteilt. Die Einzelstrafen betrugen ein Jahr und<br />

einhundert mal einen Monat. Bei der Bildung der Gesamtstrafe wurde<br />

auf die zusammenfassende Würdigung verwiesen. Die Revision hatte<br />

teilweise Erfolg. Die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei<br />

Jahren ist nicht ausreichend begründet. Bei der Bemessung der<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 8 von 121


Gesamtfreiheitsstrafe reicht es nicht aus, floskelhaft eine<br />

zusammenfassende Würdigung vorzunehmen. Angesichts der im<br />

Verhältnis zur Einsatzstrafe von einem Jahr hohen Gesamtstrafe ist<br />

eine ins Detail gehende Würdigung notwendig.<br />

2. Verfahrensverzögerung<br />

BVerfG, 2 BvR 1964/05 v. 05.12.2005<br />

Die Zeit zwischen erstinstanzlichen Urteil und einer<br />

Revisionsentscheidung ist eine zurechenbare Verfahrensverzögerung,<br />

wenn das Urteil auf Grund eines Verfahrensfehlers des<br />

erstinstanzlichen Gerichtes aufgehoben wird. Grundsätzlich ist zwar<br />

die Zeit zwischen erstem Urteil und rechtskräftiger Entscheidung keine<br />

rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, weil sie lediglich<br />

Auswirkung eines rechtstaatlichen Verfahren sind. Führt das<br />

Revisionsurteil aber wegen eines Verfahrensfehlers zur Aufhebung, ist<br />

dies der Justiz anzulasten(so auch BVerfG NJW 2003, 2897, sowie die<br />

Entscheidung 2 BvR 1471/03 vom 21.01.2004; EGMR NJW 2002,<br />

2856).<br />

Bei einem solchen Fehler kommt es auch nicht darauf an, ob der<br />

Rechtsverstoß versehentlich, absichtlich oder unter Verkennung der<br />

gesetzlichen Voraussetzungen erfolgte. Maßgebend ist allein, dass er<br />

offensichtlich der Justiz zuzurechnen ist.<br />

Unerträglich ist auch ein Zeitraum von mehr als 9 Monaten zwischen<br />

Eingang einer Anklage und dem Beginn einer Hauptverhandlung. Bei<br />

Inhaftierten hat das Gericht alle möglichen und zumutbaren<br />

Maßnahmen zu ergreifen, um zügig eine Hauptverhandlung<br />

durchzuführen.<br />

Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der<br />

Hauptverhandlung oder dem Erlass des Urteils kann nur in ganz<br />

besonderen Ausnahmefällen gerechtfertig sein. Je nach Sachlage ist<br />

bereits eine Zeitspanne von drei Monaten zu beanstanden.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 9 von 121


Beschleunigungsgebot<br />

BGH, Beschluss vom 24.08.04, 4 StR 293/04 = SVR 2005, 275<br />

Unabhängig davon, ob ein Verfahren gegen einen inhaftierten oder<br />

einen nicht inhaftierten Angeklagten geführt wird, führt lediglich ein<br />

vorübergehender Engpass in der Arbeits- oder Verhandlungskapazität<br />

der Strafverfolgungsbehörden nicht zu einem Verstoß gegen Artikel 6<br />

Abs. 1 S.1 MRK.<br />

3. Strafrahmenverschiebung bei Trunkenheitsdelikten<br />

BGH, Beschluss vom 01.09.04, 2 StR 268/04 = SVR 2005, 35<br />

Straftaten mit Alkoholisierung dürfen nicht schematisch nach Tabellen<br />

abgeurteilt werden. Die Strafzumessung bei Trunkenheitsfahrten muss<br />

daher über die festgestellte BAK auch die vorwerfbare individuelle<br />

Schuld des Angeklagten erfassen. Liegt ein Abhängigkeitssyndrom<br />

vor, liegt es nahe, dem Angeklagten in Alkoholkonsum nicht<br />

uneingeschränkt vorzuwerfen.<br />

Alkohol und § 21 StGB<br />

BGH, Urteil vom 15.12.2005, 4 StR 314/05<br />

Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf zu<br />

verantwortende Trunkenheit, spricht dies in der Regel gegen eine<br />

Strafrahmenverschiebung, wenn sich auf Grund der persönlichen oder<br />

situativen Verhältnisse des Einzelfalles das Risiko der Begehung von<br />

Straftaten vorhersehbar signifikant in Folge der Alkoholisierung erhöht.<br />

Ob dies der Fall ist, muss der Tatrichter aber im Einzelfall entscheiden.<br />

Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit zwar auf einer<br />

vom Angeklagten zu verantwortenden Trunkenheit, kann das<br />

Landgericht gleichwohl den Strafrahmen mindern, wenn der<br />

Angeklagte bisher nie unter Alkoholeinfluss aggressiv oder gewalttätig<br />

wurde und er auch bisher in diesem Zusammenhang keine<br />

homosexuellen Neigungen verspürte.<br />

BGH Urteil vom 09.08.05, 5 StR 352/04<br />

Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 StGB ist bei erheblicher<br />

Alkoholisierung nicht möglich, wenn der Täter die für ihn besonders<br />

ungünstige Wirkung des Alkohols kannte und wusste bzw. wissen<br />

musste, dass er nach Alkoholkonsum zu Gewalttätigkeiten neigt.<br />

Entscheidend ist, ob besondere Umstände in der Person des Täters im<br />

konkreten Einzelfall vorhersehbar das Risiko der Begehung<br />

rechtswidriger Taten signifikant erhöht haben. Dies ist auch bei<br />

anderen die Aggressivität steigernden Substanzen zu beachten oder<br />

bei einem Mischkonsum.<br />

§ 21 StGB und Alkohol<br />

BGH, Beschluss vom 20.04.2005, 5 StR 147/05 = BA 2006, 482<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 10 von 121


Bei der Entscheidung, ob einem Angeklagten eine<br />

Strafrahmenverschiebung gewährt wird, können im Rahmen der<br />

gebotenen Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte<br />

zwar auch einem alkoholkranken Straftäter die Schuld erhöhende<br />

Verhaltensweisen angelastet werden, die den grundsätzlich<br />

schuldmindernden Gesichtspunkt einer erheblichen Verminderung der<br />

Steuerungsfähigkeit aufwiegen. Voraussetzung ist jedoch nicht nur die<br />

Vorhersehbarkeit, sondern auch die Vermeidbarkeit entsprechenden<br />

Verhaltens. Gerade dem Alkoholkranken kann jedoch sein<br />

Alkoholkonsum in der Regel nicht vorgeworfen werden.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 11.10.2005, 4 Ss 361/05 = BA 2006, 487<br />

Eine Strafrahmenverschiebung kann bei Alkohol nicht ausgeschlossen<br />

werden, wenn es sich um einen Alkoholkranken handelt. 18 Monate<br />

stellen noch einen angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat dar, in<br />

dem das strafrechtliche Fahrverbot seine Warnungs- und<br />

Besinnungsfunktion erfüllen kann.<br />

4. Autobahnraser<br />

LG Karlsruhe, Urteil vom 29.07.2004, 11 Ns 40 Js 26274/03 = NZV<br />

2005, 274<br />

Bei der Strafzumessung ist die Kammer ausgegangen vom<br />

Strafrahmen des § 222, 52 Abs. 2 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf<br />

Jahren oder Geldstrafe. Bei der Bemessung der Strafe innerhalb<br />

dieses Strafrahmens hat die Kammer strafmildernd berücksichtigt: Der<br />

Angeklagte ist nicht vorbestraft und straßenverkehrsrechtlich bei sehr<br />

hoher Jahresfahrleistung im öffentlichen Straßenverkehr von 40 –<br />

60.000 km jährlich lediglich einmal, vor zwei Jahren in Erscheinung<br />

getreten und dass er den Straftatbestand der<br />

Straßenverkehrsgefährdung lediglich in der Form fahrlässiger<br />

Begehungsweise verwirklicht hat. Er war bis zur Beendigung des<br />

Arbeitsverhältnisses auf Grund des vorliegenden Verfahrens, beruflich<br />

integriert und lebt auch sonst in sozialer, persönlicher, familiärer und<br />

wirtschaftlicher Hinsicht in geordneten und intakten Verhältnissen.<br />

Als einschneidende Tatfolge wirkt sich strafmildernd aus, das ihm aus<br />

der Tat erhebliche berufliche Nachteile erwachsen sind. Das<br />

langjährige Arbeitsverhältnis wurde wegen der vorliegenden Straftat<br />

aufgelöst. Eine Weiterbeschäftigung in absehbarer Zeit oder die<br />

Aufnahme einer entsprechenden Tätigkeit bei einem anderen<br />

Arbeitgeber erscheint erheblich erschwert. Die ganz<br />

außergewöhnlich intensive Berichterstattung eines Teils der Presse,<br />

die in besonders aggressiver Weise vorgenommene Vorverurteilung<br />

des Angeklagten unter Darstellung seiner Person, auch mit Bild, seine<br />

Brandmarkung in der Öffentlichkeit als „Vollgaskiller“ etc. hat den<br />

Angeklagten, wie er glaubhaft und nachvollziehbar vermittelt,<br />

psychisch und physisch nachhaltig beeinträchtigt und daneben auch<br />

seine Familie und sein soziales Umfeld und dadurch ihn wiederum<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 11 von 121


selbst ebenso wie seine wirtschaftlichen Verhältnisse und seine<br />

Existenzgrundlage berührt. Auch diese Umstände sind zu<br />

berücksichtigen.<br />

Zu Lasten des Angeklagten wirkt sich aus, dass er im besonders<br />

hohem Maße pflichtwidrig gehandelt hat. Er hat gegen die gebotene<br />

Sorgfaltsmaßstäbe im Straßenverkehr massiv verstoßen.<br />

Strafschärfend wirkte sich ferner aus, dass der Angeklagte<br />

tateinheitlich zwei Strafgesetzte verletzt hat und wiederum<br />

tateinheitlich in zwei Fällen der fahrlässigen Tötung für schuldig<br />

befunden wird. Das Amtsgericht hatte ihn noch wegen fahrlässiger<br />

Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung<br />

in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs<br />

Monaten ohne Bewährung verurteilt. Auf die Berufung hin wurde das<br />

Urteil dahingehend abgeändert, dass er zu einer Freiheitsstrafe von<br />

einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt wird.<br />

Ausgeschiedene Strafsachen<br />

BGH, Beschluss vom 10.08.05, 2 StR 219/05<br />

Strafschärfend kann auch gewertet werden, was nicht angeklagt und<br />

nicht abgeurteilt wurde. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es so<br />

genau mitgeteilt wird, dass das Revisionsgericht Tatsachen und<br />

Wertung überprüfen kann.<br />

Gesamtstrafe<br />

OLG Köln, Beschluss vom 11.11.2005, 83 Ss 69/05 = StraFo 2006,<br />

119<br />

Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung darf nicht unterbleiben, wenn<br />

die erforderlichen Unterlagen wegen mangelnder Terminsvorbereitung<br />

fehlen. Es reicht nicht aus, dass Akten lediglich angefordert werden.<br />

Der Richter muss auch gegebenenfalls nachdrücklich an die<br />

Übersendung erinnern.<br />

Verschlechterungsverbot und Härteausgleich<br />

OLG München, Beschluss vom 07.02.06, 4 St RR 7/06 = NJW 2006,<br />

132<br />

Nimmt das Berufungsgericht erstmals einen Härteausgleich vor und<br />

verhängt es in seinem Urteil gleichwohl die vom Amtsgericht verhängte<br />

Einzelstrafe, so ist dies bei alleiniger Berufung des Angeklagten ein<br />

Verstoß gegen das Verbot der „reformatio in peius“.<br />

Der Angeklagte war wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis<br />

zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden, eine<br />

Sperrfrist von 18 Monaten wurde angeordnet.<br />

Täter-Opfer-Ausgleich (Vergewaltigung)<br />

BGH, Urteil vom 07.12.2005, 1 StR 287/05<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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Der Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB kann eine<br />

Strafrahmenverschiebung begründen. Dies setzt ein Bemühen des<br />

Täters um einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer<br />

voraus. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den<br />

Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt aber nicht. Ein<br />

Wiedergutmachungserfolg ist nicht zwingende Voraussetzung, das<br />

Opfer muss sich aber auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich<br />

bereit finden und auf ihn einlassen. Hierzu ist ein kommunikativer<br />

Prozess erforderlich. Bei diesem kommunikativen Prozess kommt es in<br />

erster Linie darauf an, dass das Opfer einbezogen wird und die<br />

Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert.<br />

Lässt sich das Tatopfer auf einen kommunikativen Prozess nicht ein,<br />

so ist das Verfahren für die Durchführung eines Täter Opferausgleichs<br />

nicht geeignet.<br />

Regelmäßig sind zu diesen Umständen tatrichterliche Feststellungen<br />

erforderlich. Hieraus muss sich ergeben, wie sich das Opfer zu den<br />

Bemühungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung etwaiger<br />

übernommener Verpflichtung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes ist<br />

und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter hat. Dabei muss<br />

sich das Gericht auch Gedanken darüber machen, ob diese<br />

Schmerzensgeldzahlung den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters<br />

entspricht.<br />

Anmerkung: Aus den Gründen der Entscheidung ist ersichtlich, dass<br />

dieser kommunikative Prozess auch durch den Verteidiger vorbereitet<br />

werden kann, der Verteidiger in geeigneten Fällen als vermittelnder<br />

Dritter tätig werden muss. Es entlastet den Täter nicht, wenn er sich<br />

dahingehend einlässt, dass er auf Anraten des Verteidigers keinen<br />

Kontakt zu dem Opfer aufgenommen hat, damit dieses die Tat nicht<br />

noch einmal durchlaufen muss. Es liegt an dem Geschick des<br />

Verteidigers, eine solche Kontaktaufnahme zu ermöglichen.<br />

Beamter<br />

BGH, Beschluss vom 10.01.2006, 1 StR 541/05<br />

Die beruflichen Konsequenzen einer strafgerichtlichen Verurteilung<br />

sind bei der Strafzumessung in Betracht zu ziehen. Zu diesem<br />

Konsequenzen kann auch der Verlust von Ruhestandsbezügen<br />

gehören. Ob dieser Strafzumessungsgrund ausdrücklich zu benennen<br />

ist, hängt aber davon ab, ob sich seine Erörterung als bestimmender<br />

Strafzumessungsgrund aufdrängt. Dies kann der Fall sein, wenn durch<br />

die Verurteilung die Grundlage für die wirtschaftliche Existenz verloren<br />

geht. Hat der Verurteilte aber neben Ruhestandsbezügen Einkünfte,<br />

die die Ruhestandsbezüge deutlich übersteigen, liegt eine solche<br />

Existenzvernichtung nicht bevor.<br />

Ausländerstatus<br />

BGH Beschluss vom 23.08.05, 5 StR 195/05<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 13 von 121


Der Ausländerstatus rechtfertigt nur bei Vorliegen besonderer<br />

Umstände eine Strafmilderung. Solche sind möglicherweise gegeben,<br />

wenn der Angeklagte bei Vollzug einer Freiheitsstrafe erhebliche<br />

sprachliche Verständigungsschwierigkeiten hat und der Kontakt zu<br />

seiner Familie erheblich erschwert ist.<br />

5. Bewährung<br />

5.1. Beschränkung des Rechtsmittels<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.11.04, 1 Ss 157/05 = VRS 108,<br />

425 = zfs 2005, 362<br />

Ist ein Angeklagter mehrfach bewährungsbrüchig, so bedarf es des<br />

Vorliegens besonderer Umstände, um erneut eine positive Prognose<br />

stellen zu können. Solche können darin liegen, dass der Angeklagte<br />

zur Überwindung einer bestehenden und die Straftaten auslösenden<br />

Alkoholsucht eine Therapie begonnen hat und bereits über einen<br />

längeren Zeitraum ein straffreies Leben ohne Alkohol führt.<br />

Das AG verurteilte den Angeklagten wegen vorsätzlicher<br />

Straßenverkehrsgefährdung und Urkundenfälschung zu einer<br />

Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten ohne Bewährung. Außerdem<br />

ordnete es eine Fahrerlaubnissperre von drei Jahren und ein<br />

Fahrverbot von drei Monaten an.<br />

Die auf den Rechtsfolgenausspruch (Bewährung) beschränkte des<br />

Berufung, verwarf das LG mit der Maßgabe, dass das Fahrverbot<br />

entfällt. Die Revision hatte Erfolg. Ausschlaggebend für das LG war<br />

ersichtlich das wiederholte und massive Bewährungsversagen des<br />

Angeklagten, der die ihm durch das Amtsgericht 1996 wegen einer<br />

einschlägigen Straftat bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung<br />

nunmehr zum vierten Mal und darüber hinaus eine weitere ihm durch<br />

ein anderes AG bewilligte Bewährung gebrochen hat. Bei Fällen<br />

mehrfachen Bewährungsversagen bedarf es regelmäßig besondere<br />

Umstände, um erneut eine positive Prognose stellen zu können.<br />

Allerdings darf eine Bewährung nicht allein auf Grund von<br />

Vorverurteilungen versagt werden. Eine umfassende Würdigung aller<br />

Umstände ist jedenfalls dann unerlässlich, wenn neue Tatsachen<br />

vorliegen, die prognostisch günstig sein können. So hat die Kammer<br />

festgestellt, dass der Angeklagte seit Begehung der<br />

verfahrensgegenständlichen Taten im Dezember 2002 ein straffreies<br />

Leben ohne Alkoholkonsum geführt hat, seiner Arbeit nachgegangen<br />

ist und sich einer Gesprächstherapie unterzogen hat, um seinen<br />

Umgang mit Alkohol auch in bisher kritischen Situationen in den Griff<br />

zu bekommen. Das Gericht hätte sich daher auch mit der Frage<br />

auseinandersetzen müssen, ob angesichts der daraus ersichtlichen<br />

Stabilisierung des Angeklagten und seiner gezeigten Bereitschaft,<br />

seinen Persönlichkeitsmängel therapeutisch anzugehen, jetzt von<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 14 von 121


einer Strafaussetzung zur Bewährung erwartet werden könne, dass er<br />

diese Chance nutzt und künftig keine Straftaten mehr begeht.<br />

5.2. Fahren ohne Fahrerlaubnis<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.03.2005, 1 Ss 203/04 = VRS<br />

108,423<br />

Das AG hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne<br />

Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt und<br />

eine Sperrfrist von 12 Monaten angeordnet. Die Berufung blieb ohne<br />

Erfolg.<br />

Auf die Revision des Angeklagten wurde der Rechtsfolgenausspruch<br />

aufgehoben. Auch bei der Frage, ob eine Freiheitsstrafe zur<br />

Bewährung auszusetzen ist, steht dem Richter ein weiter<br />

Bewertungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht<br />

jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinnehmen muss. Ein<br />

Eingreifen kommt nur bei Rechts- oder Ermessensfehler in Betracht.<br />

Fehler können daran liegen, dass die Entscheidung des Landgerichts<br />

unvollständig ist und die für die Prognoseentscheidung bedeutsamen<br />

Gesichtspunkte nicht gegeneinander abgewogen werden. Das<br />

Landgericht hat es als ausreichend angesehen, dass der Angeklagte<br />

siebenmal einschlägig vorbestraft ist und trotz einer Verurteilung zu<br />

einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung durch das Amtsgericht die hier<br />

abzuurteilende Straftat begangen hat.<br />

Dieses Vorleben des Angeklagten ist natürlich ein gewichtiger<br />

Prognosefaktor. Hat der Angeklagte aber zwischen Begehung und<br />

Aburteilung der Tat erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt, so muss<br />

die Verneinung einer ungünstigen Prognose auch darauf gerichtet<br />

sein, welche Wirkungen diese Strafverbüßung auf den Angeklagten<br />

hatte. Der von der Strafhaft ausgehende Warneffekt lässt bei einem<br />

Erstverbüßer allgemein erwarten, dass das der bloßen Verurteilung zu<br />

einer Freiheitsstrafe nicht vergleichbar erlebt wird, deren Vollstreckung<br />

seine Wirkung nicht verfehlt und den Täter befähigt, künftigen<br />

Tatanreizen zu widerstehen. Mit diesem Warneffekt hätte das LG sich<br />

auseinandersetzen müssen.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 15 von 121


5.3. Widerruf der Bewährung<br />

OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.07.2004, 4 Ws 180/04 = NZV 2005,<br />

276<br />

1. Im Hinblick auf die Entscheidung des EGMR 1 hält der Senat an<br />

seiner bisherigen Rechtssprechung nicht mehr fest, nach der auch vor<br />

einer rechtskräftigen Entscheidung die Strafaussetzung widerrufen<br />

werden kann, sofern das Gericht, das über den Widerruf zu befinden<br />

hat, auf Grund eigener Überzeugungsbildung ein strafbares Verhalten<br />

des Verurteilten annimmt.<br />

2. Der Widerruf der Strafaussetzung wegen einer neuen Straftat ist<br />

ohne rechtskräftige Aburteilung der Anlasstat jedenfalls dann zulässig,<br />

wenn der Verurteilte die neue Straftat glaubhaft vor einem Richter<br />

gestanden hat.<br />

1 NJW 2004, 43 = NStZ 2004, 159<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 16 von 121


III. Anwendung von Jugendstrafrecht in Verkehrsstrafverfahren<br />

1. Kriminalpädagogische Maßnahmen<br />

AG Saalfeld Urteil von 08.07.2003, 675 Js 1800/03 2 Ds jug. = VRS<br />

105, 303<br />

Gerade bei wiederholt wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis<br />

aufgefallenen Jugendlichen erscheint die jugendrichterliche Weisung,<br />

eine Fahrerlaubnis innerhalb einer bestimmten Zeit zu erwerben<br />

kriminalpädagogisch und kriminalprophylaktisch sinnvoll, um den<br />

Verurteilten vor erneuten einschlägigen Straftaten zu bewahren.<br />

LG Stade, Urteil vom 17.09.2004, 11 Ns 121 Js 399/04 = BA 2006, 242<br />

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen<br />

Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1, 3 StGB<br />

verurteilt. Das Amtsgericht hat die Fahrerlaubnis entzogen, den<br />

Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist festgesetzt. Zur<br />

erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten erscheint auch bei<br />

erneuter Überprüfung die Verhängung einer Arbeitsauflage<br />

erforderlich, aber ausreichend. Freiheitsentziehende Maßnahmen sind<br />

angesichts der offensichtlichen und glaubhaften Unrechtseinsicht und<br />

Reue des Angeklagten entbehrlich. Die Kammer hat jedoch auch nicht<br />

mehr feststellen können, dass der Angeklagte noch ungeeignet zum<br />

Führen von Kraftfahrzeugen ist. Da der Angeklagte schon acht Monate<br />

seinen Führerschein hat entbehren müssen, erscheint dies zur<br />

Einwirkung ausreichend.<br />

2. Unfallflucht<br />

AG Saalfeld, Urteil vom 16.02.2003, 663 Js 29960/03 2 Ds jug = DAR<br />

2004, 168<br />

AG Saalfeld Urteil vom 24.02.2004, 635 Js 25691/03 2 Ds jug. = VRS<br />

107,181<br />

Die Annahme einer Jugendverfehlung ist bei keinem Delikt von<br />

vornherein ausgeschlossen. Auch die Straßenverkehrsvergehen<br />

können unter § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG fallen. Jugendverfehlungen sind<br />

nicht nur Taten, die schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild die<br />

Merkmale jugendlicher Unreife aufweisen. Eine Tat kann vielmehr<br />

auch allein durch ihre Veranlassung und ihre Beweggründe als<br />

Jugendverfehlung gezeichnet sein.<br />

3. Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

AG Saalfeld, Urteil vom 19.06.2001, 681 Js 47934/00 Ds jug. = VRS<br />

101, 194<br />

Der Angeklagte hat sich der fahrlässigen Körperverletzung und des<br />

unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig gemacht.<br />

Der betroffene Jugendliche hatte sich bei dem Geschädigten<br />

entschuldigt, ist geständig, bekennt seine Tat und bedauert sie.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 17 von 121<br />

Kommentar [WF2]: Z2<br />

Jugendstrafrecht


Angesichts des straffreien Lebens reicht als Reaktion auf das Unrecht<br />

und zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten die<br />

Verhängung von Auflagen und Weisungen. Eine Arbeitsauflage von<br />

60 Stunden gemeinnütziger Arbeit ist ausreichend, und um die<br />

Erziehung zu fördern und zu sichern, war ihm die Weisung zu erteilen,<br />

an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen. Die Fahrerlaubnis wurde<br />

nicht entzogen. Es liegt zwar eine Indiztat nach § 69 Abs. 2 Nr. 3<br />

StGB vor, weil der Angeklagte wissen konnte, dass bei dem Unfall ein<br />

Mensch nicht unerheblich verletzt worden war. Auch in solchen Fällen<br />

kann in Ausnahmefällen von einer Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

abgesehen werden. Sie soll nur entzogen werden, wenn die Tat auf<br />

ein gefährliches Maß an Versagen und Verantwortungslosigkeit des<br />

Täter im Straßenverkehr schließen lässt. Bei Jugendlichen und<br />

Heranwachsenden ist jedoch eine besondere Zurückhaltung<br />

notwendig. Bei Jugendlichen und Heranwachsenden ist die<br />

Notwendigkeit jugendgerechter Maßnahmen und in jedem Einzelfall<br />

die Erforderlichkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis zu prüfen. Aus<br />

diesem Grunde ist vorliegend ein Fahrverbot, das durch die vorläufige<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis abgegolten ist, ausreichend.<br />

§ 24a StVG<br />

Nach dem Wortlaut des § 25 StVG ist die Verhängung eines<br />

Fahrverbots nur bei Festsetzung einer Geldbuße möglich. Das<br />

Fahrverbot ist eine Nebenfolge. Jugendrechtliche Aspekte<br />

rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Jugendrichterliche Weisungen<br />

und Anordnungen, etwa nach § 10 JGG können als Schuldausgleich<br />

für Straßenverkehrsdelikte nicht angeordnet werden.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 14.10.2003, 4 Ss (OWi) 604/03 = BA<br />

2005, 317<br />

4. Trunkenheit<br />

AG Saalfeld, Urteil vom 15.02.2005, 635 Js 31395/04 2 Ds jug = BA<br />

2006, 242.<br />

Die Annahme einer Jugendverfehlung ist bei keinem Delikt von<br />

vornherein ausgeschlossen. Hierzu zählen auch<br />

Straßenverkehrsvergehen, die unter § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG fallen<br />

können. Ob eine Straftat als Jugendverfehlung zu beurteilen ist, ist im<br />

wesentlichen Tatfrage. Bestehen Zweifel, ist Jugendstrafrecht<br />

anzuwenden. Die Tatsache, dass auch Erwachsene solche Taten<br />

begehen, spricht nicht dagegen, einen Vorfall als Jugendverfehlung<br />

einzuordnen. Ausgeschlossen ist insbesondere eine vom Gesetz nicht<br />

vorgesehene Regel- und Ausnahmeprüfung mit der Annahme, dass<br />

bei Verkehrsdelikten in der Regel vom Erwachsenen Strafrecht<br />

ausgegangen wird.<br />

Der Vorwurf einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt stellt zwar keine<br />

typische Jugendverfehlung dar. Jugendverfehlungen sind aber nicht<br />

nur Taten, die schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild die<br />

Merkmale jugendlicher Unreife aufweisen. Eine Tat kann vielmehr<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 18 von 121


alleine durch ihre Veranlassung und ihre Beweggründe als<br />

Jugendverfehlung gekennzeichnet werden.<br />

Von einer Entziehung der Fahrerlaubnis kann abgesehen werde: Zwar<br />

liegt bei einer Trunkenheitsfahrt ein Regeltatbestand im Sinne von § 69<br />

Abs. 2 Nr. 2 StGB vor. In Ausnahmefällen kann aber von der<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden. Für Taten nach § 69<br />

Abs. 2 StGB wird ein gefährliches Maß an Versagen und<br />

Verantwortungslosigkeit indiziert. Im konkreten Tatgeschehen<br />

können jedoch Umstände vorliegen, die die Indizwirkung entfallen<br />

lassen. Hiervon kann vorliegend ausgegangen werden: Der<br />

Angeklagte hat im fahruntüchtigen Zustand den Pkw seines Freundes<br />

auf dem verkehrsentleerten Kundenparkplatz eines Einkaufsmarktes<br />

nur ein kurzes Stück mit geringer Geschwindigkeit geführt. Dieses<br />

Geschehen liegt soweit außer- und unterhalb der vom Gesetzgeber als<br />

typisch und indiziell angesehenen Begehungsweise des<br />

Straftatbestandes des § 316 StGB, dass vorliegend kein Regelfall<br />

mehr gegeben ist.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 19 von 121


IV. Strafprozess<br />

Verfahren nach einem Strafbefehl<br />

Wiedereinsetzung<br />

Bei einem Wiedereinsetzungsgesuch müssen Angaben zum Zeitpunkt<br />

des Wegfalls des Hindernisses gemacht werden. Dies gilt auch, wenn<br />

der Verteidiger eigenes Verschulden geltend macht. Die Gründe für<br />

eine unverschuldete Fristversäumung müssen unter umfassender und<br />

genauer Darstellung der Tatsachen, die für die Frage bedeutsam sind,<br />

wie und gegebenenfalls durch welche Umstände es zur Versäumung<br />

der Frist gekommen ist, innerhalb der einwöchigen Antragsfrist<br />

dargestellt werden. Außerdem müssen konkrete Angaben über den<br />

genauen Zeitpunkt, in dem das Hindernis, das der Vornahme der<br />

Prozesshandlung entgegenstand, weggefallen ist. Dies gehört zur<br />

Zulässigkeit und kann nach Ablauf der Wochenfrist nicht ergänzt oder<br />

klargestellt werden.<br />

KG, Beschluss vom 20.07.2005, 3 Ws (B) 342/05 = VRS 109, 281<br />

Einem Betroffenen ist von Amts wegen Wiedereinsetzung zu<br />

gewähren, wenn der Geschäftsstellenverwalter des Tatgerichtes von<br />

einem ersichtlich rechtunkundigen Betroffenen nicht nur die Einlegung<br />

des Rechtsmittels entgegen nimmt, sondern auch schon dessen nach<br />

§ 344 Abs. 2 StPO formbedürftige Begründung entgegen nimmt ohne<br />

auf die Zuständigkeit des Rechtspflegers hinzuweisen.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 29.09.2005, 83 Ss Owi 37/05 = VRS 109,<br />

347 NZV 2006, 47<br />

Bei Terminverlegungsanträgen kurzfristig vor der Hauptverhandlung<br />

muss sich der Betroffene selbst bei Gericht über die beantragte<br />

Absetzung vergewissern. Auf Auskünfte seines Verteidigers darf er<br />

nicht vertrauen.<br />

Grundsätzlich kann ein Betroffener sich auf Mitteilung seines<br />

Verteidigers, auch wenn diese rechtsirrig sind, verlassen.<br />

Grundsätzlich ist dem Betroffenen ein Verschulden des Verteidigers<br />

nicht zuzurechnen. Dies gilt jedoch nicht, wenn ihn ein eigenes<br />

Verschulden trifft. Stellt er einen Antrag auf Terminverlegung so<br />

kurzfristig, dass mit einer rechtzeitigen Bescheidung durch das Gericht<br />

nicht mehr zu rechnen ist (zwei Monate nach Ladung, zwei Tage vor<br />

Termin) muss er sich selbst bei dem Gericht über die beantragte<br />

Absetzung des Termins vergewissern. Auf gegenteilige Auskünfte<br />

seines Verteidigers darf er sich nicht verlassen.<br />

LG Berlin, Beschluss vom 09.05.2005, 505 Qs 41/05 = NZV 2006, 48<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 20 von 121<br />

Kommentar [WF3]: Z 3<br />

Strafbefehl


1. Hauptverhandlung und Wiedereinsetzung<br />

LG München II, Beschluss vom 03.03.2005, 1 Qs 134/04 = NZV 2005,<br />

431<br />

Einem Arbeitnehmer kann es nicht als Verschulden angerechnet<br />

werden, wenn er einen Hauptverhandlungstermin nicht wahrnimmt,<br />

weil er von seinem Arbeitgeber nicht freigestellt wurde. Ihm kann das<br />

Verlassen der Arbeitsstelle mit dem Risiko des Verlustes des<br />

Arbeitsplatzes (Kündigung während der Probezeit) nicht als<br />

Verschulden angerechnet werden.<br />

Gem. § 74 OWiG kann der Betroffene in Fällen, in denen nach § 74<br />

Abs. 1 oder 2 OWiG eine Hauptverhandlung ohne ihn stattgefunden<br />

hat, gegen das Urteil „binnen einer Woche nach Zustellung die<br />

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ verlangen. Ausweislich des<br />

vorzitierten Gesetzeswortlaut wird die einwöchige Frist für die Stellung<br />

des Antrages somit erst durch die Zustellung des Verwerfungsurteils in<br />

Gang gesetzt. Nicht ausreichend ist die einfache Übersendung.<br />

LG Siegen, Beschluss vom 12.10.2005, 5 Qs 152/05<br />

2. Durchsuchung wegen eines Verkehrsverstoßes<br />

EGMR, Urteil vom 08.02.05, 41604/98 (Buck gegen Deutschland) =<br />

StraFo 2005, 371 = VA 2005, 181<br />

Im Allgemeinen kann nach deutschem Recht und deutscher<br />

Rechtsprechung der vorgesehene Schutz vor Missbrauch bei<br />

Durchsuchungen und Beschlagnahmen als angemessen und wirksam<br />

angesehen werden. Allerdings stellt eine<br />

Verkehrsordnungswidrigkeit nur ein geringfügiges Delikt dar, das<br />

aus dem Katalog der Straftatbeständen nach deutschem Strafrecht<br />

herausgenommen wurde. Dazu kommt, dass im vorliegenden Fall<br />

lediglich die Verurteilung einer Person auf dem Spiel stand, die noch<br />

nicht wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit in Erscheinung getreten<br />

war.<br />

Weiter berücksichtigte der Gerichtshof, dass das Fahrzeug ein<br />

Firmenfahrzeug war und gegen den Beschwerdeführer nicht selbst,<br />

(sondern gegen sein Sohn) ermittelt wurde. Der Richter hat parallel zu<br />

der Durchsuchung auch ein Passbild des Betroffenen angefordert und<br />

kurze Zeit später das Urteil gesprochen. Unter Berücksichtigung dieser<br />

Umstände stellte die Durchsuchung und Beschlagnahme von<br />

Unterlagen in den Geschäfts- und Wohnräumen des Betroffenen,<br />

jedenfalls nicht das einzige Mittel dar, um festzustellen, wer für die<br />

Geschwindigkeitsüberschreitung verantwortlich war. Schließlich war<br />

der Beschluss weit gefasst und im Hinblick auf die mögliche<br />

Auswirkungen auf den guten Ruf des Betroffenen erscheint die<br />

Maßnahme unverhältnismäßig, insbesondere weil nicht gegen den<br />

Beschwerdeführer ermittelt wurde.<br />

Durchsuchung wegen Ordnungswidrigkeit<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 21 von 121<br />

Kommentar [WF4]: Z 4<br />

Durchsuchung


LG Erfurt, Beschluss vom 12.12.2005, 6 Qs 341/05 = zfs 2006, 349<br />

An angemessenes Verhältnis zwischen Schwere des Tatvorwurfs<br />

(Nichteinhaltung des ausreichenden Sicherheitsabstandes) und dem<br />

einschneidenden Grundrechtseingriff der Durchsuchung mit<br />

anschließender Beschlagnahme ist gegeben.<br />

Wohnungsdurchsuchung<br />

BGH, Urteil vom 18.4.2007, 5 StR 546/06 = NJW 2007, 2269<br />

Die Rechtswidrigkeit einer Wohnungsdurchsuchung kann die<br />

Annahme eines Verwertungsverbotes rechtfertigen. Es ist davon<br />

auszugehen, dass im Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender<br />

Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften<br />

ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist. 1<br />

Diese Frage ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu<br />

entscheiden. Von besonderem Gewicht ist dabei die Art des Verbotes<br />

und das Maß des Verstoßes und Abwägung widerstreitender<br />

Interessen.<br />

Ein Verwertungsverbot ist beschränkt nach dem Grundsatz, dass das<br />

Gericht die Wahrheit zu erforschen hat und dazu die Beweisaufnahme<br />

von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken<br />

hat. Daran gemessen ist ein Verwertungsverbot eine Ausnahme, die<br />

nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus<br />

übergeordneten wichtigen Gründen anerkannt werden kann.<br />

3. Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

3.1. Beschleunigungsgebot<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.02.2005, 2 Ws 15/05 = VRS 108,<br />

383 = StV 2005, 429 = BA 2006, 152<br />

Die Aufhebung des Beschlusses nach § 111a StPO kommt auch in<br />

Betracht, wenn die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wg.<br />

vermeidbarer, auch sachwidriger Behandlung beruhender<br />

Verzögerung des Verfahrens unverhältnismäßig ist. Die vorläufige<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis muss verhältnismäßig sein. Dabei muss<br />

1 BGHSt 44, 243<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 22 von 121<br />

Kommentar [WF5]: Z 5<br />

Vorläufige Entziehung


auch das Beschleunigungsgebot beachtet werden. Verfahren, in denen<br />

eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet wurde, sind<br />

daher mit besonderer Beschleunigung zu führen.<br />

Ein Verstoß kann auch durch sachwidrige Behandlung des Verfahren<br />

festgestellt werden. Vorliegend wurde der Führerschein des<br />

Betroffenen am 19.09.2003 sichergestellt, der polizeiliche<br />

Schlussbericht wurde am 13.11.03 gefertigt, dem Verteidiger am<br />

01.12.2003 Akteneinsicht mit einer Frist zur Stellungnahme bis<br />

15.01.2004 gewährt. Nach Ablauf dieser Frist hätte das Verfahren<br />

unverzüglich gerichtlich anhängig gemacht werden müssen. Daran<br />

ändert auch die Tatsache nichts, dass der Verteidiger Ende Januar<br />

fernmündlich erklärte, eine Stellungnahme werde alsbald abgegeben.<br />

Tatsächlich ist die Stellungnahme erst am 23.03.2004 eingegangen.<br />

Erst am 28.04.2004 hat die Staatsanwaltschaft den Abschluss der<br />

Ermittlungen verfügt. Der Zeitablauf von acht Monaten seit<br />

Sicherstellung des Führerscheins ist bedeutend zu lang, insbesondere<br />

auch, weil schon nach zwei Monaten die polizeilichen Ermittlungen<br />

abgeschlossen waren. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht das<br />

Verfahren, nachdem die eingestellten Teile wieder in das Verfahren<br />

einbezogen wurden, an das Amtsgericht zurückgewiesen. § 28 Abs. 2<br />

StPO ist insoweit nicht einschlägig. Eine Zurückverweisung ist nach<br />

der Neuregelung der StPO nur noch zulässig, wenn das AG zu<br />

Unrecht keine Sachentscheidung getroffen hat.<br />

3.2. Angemessenheit<br />

BVerfG, Beschluss vom 15.03.2005, 2 BvR 364/05 = NZV 2005, 379 =<br />

BA 2006, 151<br />

Die Verhängung eines Fahrverbotes muss verhältnismäßig sein. Ist<br />

der Betroffene aber wegen zweier Alternativen des § 315 c Abs. 1<br />

Nummer 2 StGB angeklagt und seit Ende 2002 wegen vier<br />

<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>, wovon zwei mit einem Fahrverbot sanktioniert<br />

wurden, aufgefallen, ist auch nach längerer Verfahrensdauer ein<br />

Fahrverbot noch angemessen.. Es kommt im einzelnen darauf an, wie<br />

lange war die Dauer der vorläufigen Entziehung, wer hat die lange<br />

Dauer zu vertreten und wie schwer ist der Vorwurf. Von Bedeutung<br />

kann auch das bisherige Verkehrsverhalten sein.<br />

(Aus der Entscheidung ergibt sich nicht, wie lange die Fahrerlaubnis<br />

entzogen war und wie lange der Zeitraum zwischen Entziehung und<br />

Tattag war.)<br />

Übersicht über einige Entscheidungen<br />

Zeit seit dem Vorfall<br />

Entscheidung<br />

4 Monate LG Kiel StV 2003, 325<br />

4 ½ Monate LG Duisburg zfs 1998, 484<br />

5 Monate LG Hannover NZV 1989,<br />

83<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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LG Darmstadt StV 1990,<br />

104<br />

8 Monate LG Düsseldorf zfs 1980,<br />

187<br />

10 Monate OLG Hamm NZV 2002,<br />

380; LG Dresden zfs 1999,<br />

122<br />

Zeitablauf zwischen Tat und dem Antrag auf vorläufige<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

Nach Ablauf von sechs Monaten zwischen vorgeworfener Straftat und<br />

der Zustellung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis ist der als eilige Sicherungsmaßnahme dienende Entzug<br />

der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO nicht mehr gerechtfertigt.<br />

LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 28.09.2004, 5/9a Qs 123/04 = BA<br />

2006, 154<br />

Vorläufige Entziehung der Fahrererlaubnis und<br />

Beschleunigungsgebot<br />

Wirksamer Rechtsschutz bedeutet zumal auch Rechtsschutz innerhalb<br />

angemessener Zeit.<br />

Ermittlungsverfahren, in denen eine vorläufige Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis angeordnet wurde, sind mit besonderer Beschleunigung<br />

zu führen. Durch eine effektive Verfahrensgestaltung ist eine rasche<br />

Klärung der Dauerhaftigkeit des Ausschlusses vom Straßenverkehr zu<br />

gewährleisten und mit Rücksicht auf die Unschuldsvermutung der<br />

Gefahr eines übermäßigen Vorwegvollzuges der Maßregel vor der<br />

erstinstanzlichen, tatrichterlichen Entscheidung zu begegnen.<br />

BVerfG, Beschluss vom 03.06.2005, 2 BvR 401/05 = NZV 2005, 537 =<br />

zfs 2005. 622<br />

Ein erheblicher Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot kann eine<br />

Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen.<br />

OLG München, Beschluss vom 23.01.2006, 3 Ws 197/06 = MittBl<br />

2006, 76<br />

Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis dauert bereits neun<br />

Monate, eine Hauptverhandlung ist vor Ablauf von drei weiteren<br />

Monaten nicht wahrscheinlich. Unter diesen Voraussetzungen ist die<br />

weitere vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis besonders kritisch zu<br />

prüfen. Es ist fraglich, ob zum Zeitpunkt der erwarteten<br />

Hauptverhandlung einer charakterlichen Ungeeignetheit ausgegangen<br />

werden kann. Das LG Gera (23 Qs 35/04)hat bereits festgestellt, dass<br />

nach sieben Monaten nach der Tat eine vorläufige Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis unverhältnismäßig ist.<br />

AG Cottbus, Beschluss vom 29.06.2005, 70 Gs 1009/04 = StV 2006,<br />

521.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, Berufung und<br />

Beschwerde<br />

Hat sich die Strafkammer die Überzeugung von der fehlenden<br />

charakterlichen Eignung des Angeklagten zum Führen von<br />

Kraftfahrzeugen verschafft und eine Maßregel nach § 69 StGB<br />

angeordnet, ergeben sich die dringenden Gründe für das Vorliegen der<br />

Voraussetzung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis aus<br />

diesem Urteil. Diese Wertung hat das Beschwerdegericht<br />

hinzunehmen. Dies gilt ebenso für die tatsächlichen Feststellungen.<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.03.2004, 1 Ws 35/04 = BA 2006,<br />

152<br />

Die Fortdauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis wegen<br />

des Verdachts der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr bei einer von<br />

dem Betroffenen nicht verschuldeten Verfahrensdauer von mehr als<br />

fünf Monaten seit der Tat ist nicht verhältnismäßig.<br />

LG Würzburg, Beschluss vom 02.06.2005, 1 Qs 150/05 = BA 2006,<br />

154<br />

Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

LG Berlin, Beschluss vom 09.09.2004, 514 Qs 262/04 = Mitt.Bl 2005,<br />

77<br />

Das Amtsgericht Tiergarten hat einen Strafbefehl gegen Nötigung<br />

erlassen. Auf den hiergegen eingelegten Einspruch hat das<br />

Amtsgericht dem Angeklagten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen<br />

und einen Hinweis gem. § 265 StPO gegeben, dass auch ein<br />

gefährlicher Eingriff in dem Straßenverkehr möglich ist.<br />

Bei keinem der Vorwürfe liegt ein Regelfall für die Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 2 StGB vor. Hinsichtlich des gefährlichen<br />

Eingriffs liegt auch ein dringender Tatverdacht nicht vor. Der dringende<br />

Tatverdacht einer Nötigung und Beleidigung, der gegeben ist,<br />

rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres die Entziehung der Fahrerlaubnis.<br />

Das genaue Ausmaß der Nötigungshandlung und einer etwa hieraus<br />

resultierenden Gefährdung des Geschädigten ist unklar. Es muss<br />

daher der abschließenden Beurteilung in der Hauptverhandlung<br />

vorbehalten bleiben, ob die Anordnung der Maßregel notwendig ist.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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Die Fahrerlaubnis kann auch noch in einem späteren<br />

Verfahrensabschnitt (also während der Berufungsverhandlung<br />

beispielsweise) entzogen werden. Bei Entziehung – längere Zeit nach<br />

Tatbegehung – muss jedoch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz<br />

besonders geprüft werden. 1<br />

Eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens ist auch bei einer<br />

Dauer von neun Monaten noch nicht durchgreifend, so dass eine<br />

Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nicht in<br />

Betracht kommt.<br />

LG Marburg, Beschluss vom 10.02.2005, 4 Qs 22/05 = zfs 2005, 621<br />

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind daher<br />

auch Strafverfahren, bei denen eine vorläufige Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis angeordnet wurde, mit besonderer Beschleunigung<br />

durchzuführen. Es darf keine Verfahrenspausen geben, der<br />

Sachverhalt muss so schnell wie möglich geklärt werden. 2<br />

StGB § 69, 316 StPO 111a<br />

LG Leipzig, Beschluss vom 20.04.2006 7 Qs 29/06 = DAR 2006, 402<br />

Das Amtsgericht hat dem Betroffenen die Fahrerlaubnis vorläufig<br />

entzogen. Der Betroffene war mit einer Blutalkoholkonzentration von<br />

0,62 ‰ beim Rechtsabbiegen zu weit nach links abgekommen. Zum<br />

Zeitpunkt des Vorfalles waren die Straßenverhältnisse schlecht und es<br />

befand sich Schneematsch auf der Straße. 0,5 ‰ ist zwar eine<br />

kritische Grenze zur Prüfung der Fahruntüchtigkeit. Jedoch die<br />

Überschreitung dieser kritischen Grenze genügt alleine nicht. Es<br />

müssen weitere Anhaltspunkte für eine Fahruntüchtigkeit vorliegen.<br />

Mitentscheidend kann hierbei sein, was der Arzt bei der Blutentnahme<br />

feststellt, insbesondere aber Umstände, die auch einen nüchternen<br />

Fahrer passieren, können gegen eine Fahruntüchtigkeit sprechen.<br />

4. Belehrungspflichten, Verlesung und Verwertungsverbote<br />

4.1. Informatorische Befragung<br />

BayObLG, Beschluss vom 02.11.2004, 1 St RR 109/04 = NZV 2005,<br />

494= StV 2005, 430<br />

1<br />

OLG Hamm, zfs 2002, 199 = NZV 2002, 380<br />

2<br />

BVerfG, zfs 2005, 622; OLG Karlsruhe, Strafverteidiger 2005, 429, LG Würzburg,<br />

Strafverteidiger 2005, 545<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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Kommentar [WF6]: Z 6<br />

Belehrung


Fragen Polizeibeamte auf einem Parkplatz den Angeklagten nach der<br />

Fahrereigenschaft, handelt es sich nicht lediglich um eine<br />

informatorische Befragung, für die eine Belehrung nicht erforderlich ist.<br />

Für die Unterscheidung zwischen einer informatorischen Befragung<br />

und einer Beschuldigtenvernehmung ist die Stärke des Tatverdachts<br />

bedeutsam. Hierbei hat der Polizeibeamte einen<br />

Beurteilungszeitspielraum, den er allerdings nicht missbrauchen darf.<br />

Neben der Stärke des Verdachts ist auch von Bedeutung, wie sich das<br />

Verhalten des Beamten nach außen in der Wahrnehmung des<br />

Befragten darstellt. So gibt es polizeiliche Verhaltensweisen, die schon<br />

nach ihrem äußeren Befund belegen, dass der Polizeibeamte den<br />

Befragten als Beschuldigten begegnet, mag er dies auch noch nicht<br />

zum Ausdruck bringen.<br />

Verlesbarkehit von Protokollen über Atemalkoholmessung<br />

BGH, Beschluss vom 20.07.2004, 1 StR 145/04 = NZV 2005, 542<br />

Protokolle über Atemalkoholtests können Gegenstand des<br />

Urkundenbeweises sein. Die StPO sieht zur Beweiserhebung über den<br />

Inhalt von Urkunden und anderen Beweismitteln dienenden<br />

Schriftstücken grundsätzlich die Verlesung gem. § 249 Abs. 1 StPO<br />

vor.<br />

Verwertungsverbot, Verstoß § 136 StPO 1<br />

Eine Aussage darf nicht verwertet werden, wenn ein Verteidiger des zu<br />

Vernehmenden bereit steht und die Vernehmung nicht unterbrochen<br />

wird. Allerdings muss der Betroffene spätestens zum Zeitpunkt des §<br />

257 StPO einer Verwertung in der Hauptverhandlung widersprechen.<br />

Vernehmungspersonen<br />

Nichtrichterliche Vernehmungspersonen dürfen in einer<br />

Hauptverhandlung erst vernommen werden, wenn Gewissheit darüber<br />

besteht, ob der Zeuge, dem möglicherweise ein<br />

Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, von seinem Verweigerungsrecht<br />

Gebrauch macht oder darauf verzichtet. Angaben einer nur<br />

informatorischen Befragung fallen auch unter das Verwertungsverbot<br />

des § 252 StPO. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Verbot, über<br />

dem Wortlaut der Vorschrift hinaus, dahin gehend auszulegen, dass es<br />

dem Gericht auch verwehrt ist, die früheren Aussagen eines Zeugen,<br />

1 BGH NStZ 1997, 502<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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der zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist, durch Anhörung<br />

nichtrichterlicher Vernehmungspersonen in die Hauptverhandlung<br />

einzuführen und zu verwerten.<br />

Nach den Urteilsfeststellungen hat er sich den beiden Polizeibeamten<br />

aufgedrängt, dass der Halter des Tatfahrzeuges wahrscheinlicher<br />

Täter ist. (Die Revision war gleichwohl erfolglos, da das Landgericht<br />

ausdrücklich ausgeführt hat von der Täterschaft des Angeklagten ohne<br />

jeden Zweifel alleine aufgrund der Indizienlage überzeugt gewesen zu<br />

sein).<br />

BayObLG, Beschluss vom 06.10.04, 1 St RR 101/04 = DAR 2005, 457<br />

= NZV 2005, 492<br />

4.2. Verteidigerkonsultation<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 04.03.04, 1 Ss 26/04 = SVR 2005, 35<br />

Wird ein Beschuldigter nicht über sein Recht, einen Verteidiger zu<br />

konsultieren belehrt, unterliegt die Vernehmung in dem Strafverfahren<br />

einem Verwertungsverbot. Notwendig ist aber, dass der Angeklagte<br />

oder sein Verteidiger der Verwertung im Rahmen der<br />

Hauptverhandlung widerspricht.<br />

Der Betroffene ist vor einer Vernehmung zu belehren, wenn im<br />

Zusammenhang mit einer Trunkenheitsfahrt ermittelt wird und der<br />

Betroffene als Fahrzeugführer in Betracht kommt.<br />

AG Ellwangen, Beschluss vom 30.01.2004, 3 Cs 34 Js 21412/03 Hw. =<br />

BA 2005, 497<br />

4.3. schriftliche Stellungnahme des Betroffenen<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 31.01.2005, 1 Ss 309/04 = VRS 109,<br />

24<br />

Soweit sich ein Betroffener in der Hauptverhandlung im<br />

Bußgeldverfahren dazu entschließt zu schweigen, sind Schriftstücke,<br />

die frühere Erklärung zur Sache enthalten nur dann als Urkunde<br />

verlesbar, wenn sie von sie von dem Betroffenen selbst verfasst<br />

worden sind. Erklärungen des Verteidigers gehören hierzu nicht.<br />

Wiederholtes Nachfragen bei einem unverteidigten<br />

Betroffenen/Beschuldigten<br />

Hat sich der Beschuldigte/Betroffene im Ermittlungsverfahren auf sein<br />

Schweigerecht berufen, ist diese Entscheidung zu respektieren. Ein<br />

Nachfragen beim unverteidigten Beschuldigten/Betroffenen ist in der<br />

Regel unzulässig.<br />

Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist zwar zu einem<br />

Kapitaldelikt ergangen, sie hat aber auch Bedeutung für das OWi- oder<br />

Strafverfahren mit nicht so schwer wiegenden Vorwürfen. Nicht selten<br />

geben sich auch hier die Beamten nicht mit der Erklärung des<br />

Beschuldigten/Betroffenen zufrieden, keine Angaben zur Sache<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 28 von 121


machen zu wollen, sondern insistieren und fragen weiter nach. Der<br />

BGH hat deutlich darauf hingewiesen, dass stetiges Nachfragen ohne<br />

zureichenden Grund das Schweigerecht des (unverteidigten)<br />

Betroffenen/Beschuldigten entwerten könne. Nachfragen seien nach<br />

ausdrücklicher Ausübung des Schweigerechts zwar unproblematisch,<br />

wenn neue Informationen erlangt werden, zu denen sich der<br />

Betroffene/Beschuldigte noch nicht positionieren konnte, eine neue<br />

prozessuale Situation eingetreten oder eine gewisse Zeitspanne<br />

verstrichen sei, in denen sich die Auffassung des<br />

Betroffenen/Beschuldigten geändert haben könne. Jenseits solcher<br />

neuer Umstände oder eines möglichen Sinneswandels dürfe das<br />

Schweigerecht jedenfalls beim unverteidigten<br />

Betroffenen/Beschuldigten nicht dadurch missachtet werden, dass<br />

beständig versucht wird, den Beschuldigten doch noch zu Angaben in<br />

der Sache zu bringen. Erst recht bedenklich sind – so der BGH –<br />

beharrliche Nachfragen gegenüber einem Beschuldigten/Betroffenen,<br />

der sich zur Frage einer Aussage zunächst mit einem von ihm<br />

benannten Verteidiger besprechen und bis dahin schweigen wolle,<br />

wenn die Benachrichtigung dieses Verteidigers unterbleibt<br />

BGH, Urteil vom 10.1.2006, 5 StR 341/05,<br />

Verwertbarkeit von Äußerungen<br />

Der Begriff der Vernehmung erfasst nicht nur Vernehmungen unter<br />

Beachtung der Förmlichkeiten des § 163a StPO. Der Begriff ist<br />

vielmehr weit zu verstehen und umfasst alle Bekundungen über<br />

wahrgenommene Tatsachen auf Grund einer amtlichen, von einem<br />

Staatsorgan durchgeführten Befragung. Gerade bei solchen formlosen<br />

informatorischen Befragungen, mit deren Hilfe Ermittlungsorgane<br />

versuchen sich an Tatorten einen ersten Überblick zu verschaffen, ist<br />

das Schutzbedürfnis der Zeugin eher noch größer, als bei einer mit der<br />

vorgeschriebenen Belehrung verbundenen förmlichen Vernehmung.<br />

Spontanäußerungen sind dagegen uneingeschränkt verwertbar. Dabei<br />

wird regelmäßig auf die vorhergegangene Eigeninitiative des späteren<br />

Zeugen abgestellt, die sich von sich aus an die Polizei gewandt und<br />

dann spontane Angaben gemacht hat. Handelt es sich dagegen ohne<br />

Initiative von Zeugen um die Beantwortung von Fragen eines<br />

Polizeibeamten, liegt regelmäßig eine nicht verwertbare<br />

informatorische Befragung vor. Auf die Intension des Befragenden<br />

kommt es hierbei nicht an.<br />

OLG Zweibrücken, Urteil vom 30.06.2006, 1 Ss 72/06 = Mitt.Bl. 2006,<br />

173<br />

Verwertungsverbot, § 252 StPO<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 03.01.2006, 1 Ss 344/05 = VRS 111,<br />

142<br />

Der Angeklagte war wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis<br />

und unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 50<br />

Tagessätzen verurteilt. Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 29 von 121


entzogen und eine Sperre von einem Jahr angeordnet. Die Revision<br />

hatte vorläufigen Erfolg.<br />

Es liegt ein Verstoß gegen § 252 StPO vor. Der Polizeibeamte hätte<br />

nicht als Vernehmungsperson zu den Bekundungen der Ehefrau des<br />

Angeklagten vernommen werden dürfen. Nach § 252 StPO ist es<br />

ausgeschlossen, die frühere Aussage eines zur Verweigerung des<br />

Zeugnisses Berechtigten durch Anhörung nicht richterlicher<br />

Vernehmungspersonen in die Hauptverhandlung einzuführen. Dieses<br />

Verwertungsverbot besteht nicht erst nach erfolgter<br />

Zeugnisverweigerung, sondern auch und solange wie Ungewissheit<br />

darüber besteht, ob der Zeuge von seinem Zeugnisverweigerungsrecht<br />

Gebrauch macht. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Zeugin<br />

lediglich informatorisch befragt wird. § 252 StPO gilt auch für nicht<br />

förmliche Anhörungen und auch dann, wenn über diese Anhörung kein<br />

Vermerk getätigt wird.<br />

Schwere Verstöße<br />

BVerfG, Beschluss vom 12.04.2005 - 2 BvR 1027/02 = NJW 2005,<br />

1917 = AnwBl 2005, 578 L = BRAK-Mitt 2005, 186 L = StV 2005, 363 =<br />

wistra 2005, 295<br />

Zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen<br />

Verfahrensverstößen ist ein Beweisverwertungsverbot als Folge einer<br />

fehlerhaften Durchsuchung und Beschlagnahme von Datenträgern und<br />

darauf vorhandenen Daten geboten.<br />

5. Der Verteidiger<br />

5.1. Pflichtverteidiger<br />

Auch wenn die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hat, liegen die<br />

Voraussetzungen für eine Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht<br />

vor, wenn die Sach- und Rechtslage einfach ist.<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.05.05, 2 Ws 121/05 = DAR 2005,<br />

573 = SVR 2005, 393<br />

Eine Pflichtverteidigung wegen Schwierigkeit der Sach- und<br />

Rechtslage ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Angeklagte<br />

erstinstanzlich wegen eines unkomplizierten Verkehrsvorganges einer<br />

Nötigung für schuldig befunden wurde. Die Sachlage wird auch nicht<br />

kompliziert, wenn in 2. Instanz ein Sachverständiger hinzugezogen<br />

wird. Gründe für eine Beiordnung können sein: Fragen der<br />

Fahrerlaubnisentziehung und Sperrfrist; Berufung der<br />

Staatsanwaltschaft; Rechtsanwalt als Nebenklägervertreter;<br />

Notwendigkeit einer Akteneinsicht zur Verteidigung; Verfahren gegen<br />

Jugendliche und Heranwachsende.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 01.03.2005, 4 Ws 85/05 = SVR 2005, 437<br />

5.2. Ladung des Verteidigers,<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

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Seite 30 von 121<br />

Kommentar [WF7]: Z 7


OLG München Beschluss vom 31.03.2005, 4 St RR 41/05 = zfs 2005,<br />

467 = NZV 2006, 48<br />

Ein Verteidiger der rechtzeitig vor dem Termin sein Mandat angezeigt<br />

hat, ist grundsätzlich auch dann zu laden, wenn er von dem Termin<br />

bereits Kenntnis hat. Ein auf diesen Umstand gestützter<br />

Aussetzungsantrag, muss in der Hauptverhandlung Erfolg haben. Wird<br />

hiergegen verstoßen, liegt eine unzulässige Beschränkung der<br />

Verteidigung vor. Ein Verteidiger ist auch dann zu laden, wenn er von<br />

dem Termin Kenntnis hat.<br />

Vollmacht § 137StPO<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 17.01.2005, 2 Ws 7/05 = VRS 108, 266<br />

Die Wirksamkeit der Einlegung eines Rechtsmittels durch einen<br />

Verteidiger setzt nicht voraus, dass dieser seine Befugnis hierzu<br />

gleichzeitig durch eine Vollmacht nachweist. Dies gilt auch, wenn der<br />

Angeklagte in erster Instanz nicht von einem Anwalt verteidigt war. 1<br />

Zum Nachweis der Berechtigung genügt dabei in der Regel, dass der<br />

Verteidiger seine rechtzeitige Bevollmächtigung gegenüber dem<br />

Gericht versichert, ohne das es bei einer rechtzeitigen Ermächtigung<br />

des Verteidiger darauf ankommt, wann eine zum Nachweis seiner<br />

Bevollmächtigung dienende Vollmachtsurkunde ausgestellt wurde.<br />

6. Beschränkung von Rechtsmitteln<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 25.05.2005, 2 Ss 207/05 = VRS 309,122<br />

Die Beschränkung der Berufung allein auf das Fahrverbot ist<br />

unzulässig. Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen<br />

unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 50<br />

Tagessätzen verurteilt und ein Fahrverbot von 3 Monaten verhängt.<br />

Das Landgericht verwarf die auf das Fahrverbot beschränkte Berufung.<br />

Auf die Revision hob das Oberlandesgericht das Urteil auf. Die<br />

Berufung allein auf das Fahrverbot ist in diesem Falle unzulässig, da<br />

zwischen der Höhe der Hauptstrafe und der Nebenstrafe eine<br />

Wechselwirkung besteht. Beide Sanktionen verfolgen überwiegend<br />

den identischen Strafzweck.<br />

Die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung beurteilt sich nach<br />

der sogenannten Trennbarkeitstheorie. Danach ist eine Beschränkung<br />

1 So auch BGH St 36, 259<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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nur möglich, wenn sie sich auf solche Urteilsteile erstreckt, die<br />

losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt nach dem inneren Zusammenhang<br />

rechtlicht und tatsächlich selbständig geprüft und beurteilt werden<br />

können, ohne das eine Entscheidung eine Prüfung der Entscheidung<br />

im übrigen erforderlich ist. Seiner Rechtsnatur ist das Fahrverbot eine<br />

Nebenstrafe, wobei Haupt- und Nebenstrafe in einem inneren<br />

Abhängigkeitsverhältnis stehen. Die Verhängung des Fahrverbots<br />

setzt die Feststellung voraus, das die Hauptstrafe alleine zur<br />

Erreichung des Strafzwecks nicht ausreicht. Wegen diesen inneren<br />

Zusammenhanges ist eine Beschränkung eines Rechtsmittel auf den<br />

Ausspruch eines Fahrverbots nicht wirksam. Eine Abhängigkeit vom<br />

Schuldspruch ist indes nicht gegeben.<br />

Thüringisches OLG, Beschluss vom 25.05.2005, 1 Ss 244/04 = NZV<br />

2006, 167<br />

Beschränkung der Berufung<br />

Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist<br />

unwirksam, wenn das Amtsgericht in den Feststellungen zum<br />

Schuldspruch ein nicht allgemein verständliches Tatbestandsmerkmal<br />

verwendet, ohne dieses durch entsprechende Tatsachenfeststellungen<br />

auszufüllen.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 22.07.2005, 82 Ss 6/05 = VRS 109, 277<br />

Beschränkung der Berufung auf die Dauer der Sperre<br />

Die Beschränkung der Berufung auf die isolierte Sperre ist in der Regel<br />

unwirksam, denn die der Strafzumessung zugrunde liegenden<br />

Tatsachen bieten zugleich auch eine wesentliche<br />

Entscheidungsgrundlage für die Anordnung und Dauer der Sperre. In<br />

einem solchen Fall kann das Landgericht davon ausgehen, dass die<br />

Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch insgesamt beschränkt wird.<br />

In solchen Fällen liegt allerdings ein voller Erfolg des Rechtsmittels<br />

vor, wenn der Beschwerdeführer das von ihm erklärte angestrebte<br />

beschränkte Ziel im Ergebnis auch erreicht.<br />

KG, Beschluss vom 13.06.2005, 3 Ws 372/05 = VRS 109, 278<br />

7. Reformatio in peius<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.07.2005, 1 Ss 60/05 = DAR 2005,<br />

645 = VRS 109, 171<br />

Der Tatrichter ist durch das Verbot der reformatio in peius<br />

grundsätzlich nicht daran gehindert, die Geldstrafe angemessen<br />

aufzustocken, wenn ein gleichzeitig verhängtes Fahrverbot entfällt.<br />

Eine Erhöhung der Anzahl der Tagessätze ist jedoch unzulässig, da<br />

sich bei der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe auch die Dauer der<br />

Ersatzfreiheitsstrafe erhöhen würde. Eine Freiheitsstrafe ist<br />

unabhängig von ihrer Dauer gegenüber der Geldstrafe und einem<br />

Fahrverbot immer die schwerere Sanktion. Dagegen kann der<br />

Tagessatz erhöht werden. Dies gilt insbesondere, wenn das<br />

Fahrverbot für den Angeklagten eine ökonomische Bedeutung hat.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 32 von 121


Dabei darf nach wirtschaftlicher Betrachtung die neue Sanktion die<br />

ursprüngliche Sanktion jedoch nicht übersteigen.<br />

Formalitäten der Revision<br />

Wird ein Rechtsmittel zum Protokoll der Geschäftstelle begründet,<br />

muss sich der Urkundsbeamte an der Anfertigung der<br />

Rechtsmittelbegründung gestaltend beteiligen und Verantwortung für<br />

den Inhalt übernehmen. Die Begründung ist unzulässig, wenn sich der<br />

Urkundsbeamte den Inhalt des Protokolls vom Betroffenen bzw.<br />

Angeklagten diktieren lässt.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 29.08.2005, 2 Ss Owi 606/05 = VRS 109,<br />

361<br />

Revisionsschrift<br />

Unterzeichnet ein Rechtsanwalt für einen anderen Verteidiger die von<br />

diesem verfasste Rechtsmittelrechtfertigung mit dem Zusatz „für<br />

Rechtsanwalt XY“ so ist gleichwohl davon auszugehen, dass er sich<br />

deren Inhalt zu eigen gemacht und dafür aufgrund eigener Prüfung die<br />

Verantwortung übernommen hat. Die Revision ist dann nicht im Zweifel<br />

zu verwerfen.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 24.01.2006, 83 Ss – Owi 68/05 = DAR<br />

2006, 228<br />

Die Wahl des Rechtsmittels kann nur bis zum Ende der<br />

Rechtsmittelbegründungsfrist erfolgen. Eine nach Ablauf der<br />

Revisionsbegründungsfrist eingegangene Erklärung, dass das<br />

Rechtsmittel als Revision durchgeführt werden soll ist unwirksam. In<br />

einem solchen Fall ist das Rechtsmittel der Berufung durchzuführen.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 11.08.2005, 4 Ss 308/05<br />

8. Revisionsgründe<br />

8.1. Beschränkung der Verteidigung, Akteneinsicht<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 25.05.2005, 2 Ss OWi 261/05 = VRS 109,<br />

114<br />

Die Verweigerung der Akteneinsicht kann zu einer Beschränkung der<br />

Verteidigung führen. Voraussetzung ist jedoch, dass in der<br />

notwendigen Verfahrensrüge die konkret – kausale Beziehung<br />

zwischen dem Verfahrensfehler und einem für die Entscheidung<br />

wesentliche Punkt dargelegt wird.<br />

Hierzu gehört, dass nach Einsichtnahme in die Aktenbestandteile, die<br />

in der Verhandlung vorenthalten wurden, ein konkretes Ergebnis für<br />

den Fall vorheriger vollständiger Akteneinsicht vorgetragen wird. Dies<br />

kann auch ein Antrag auf Unterbrechung oder Aussetzung der<br />

Verhandlung sein, der dann durch einen Gerichtsbeschluss abgelehnt<br />

wird. Nur in einem solchen Fall kann der Revisionsgrund des § 338 Nr.<br />

1 in Verbindung mit § 79 OWiG geltend gemacht werden.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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8.2. Faires Verfahren<br />

EGMR, Beschluss vom 31.3.2005, 62116/00<br />

Einem Angeklagten und seinem Verteidiger muss ausreichend Zeit für<br />

die Vorbereitung einer Hauptverhandlung verbleiben. Diese Zeit ist<br />

nicht abstrakt bestimmbar. Dabei darf nicht erwartet werden, dass ein<br />

Rechtsanwalt sein gesamtes Arbeitsprogramm so umstellt, dass er<br />

seine gesamte Zeit nur für einen einzigen Fall zur Verfügung stellen<br />

kann. Es ist jedoch unter Umständen zu erwarten, dass ein<br />

verteidigender Rechtsanwalt eine besondere Dringlichkeit bei seiner<br />

Arbeitsorganisation beachtet.<br />

9. Anerkenntnis am Adhäsionsverfahren<br />

Gem. § 406 StPO ist im Adhäsionsverfahren ein Anerkenntnisurteil<br />

zulässig.<br />

BGH, Beschluss vom 30.06.2005, 1 StR 176/05 = DAR 2006, 285 =<br />

StraFo 2005, 381<br />

10. Persönliches Erscheinen in der Hauptverhandlung<br />

(Strafbefehl)<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 24.02.2005, 2 Ss 113/05<br />

Nach Erlass eines Strafbefehls kann der Angeklagte sich auch dann<br />

von einem mit einer Vollmachtsurkunde versehenen Vertreter vertreten<br />

lassen, wenn das persönliche Erscheinen angeordnet ist. Wird der<br />

Einspruch gleichwohl verworfen, liegt ein Verfahrensmangel vor, der<br />

zur Aufhebung des Urteils führen muss.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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V. StGB – allgemeiner Teil<br />

Führen eines Fahrzeuges<br />

Das Gericht hat lediglich festgestellt, dass der Betroffene im<br />

alkoholisierten Zustand versucht hat, einen Pkw, der sich im<br />

Waldboden festgefahren hatte, frei zu fahren. Dabei hat der Betroffene<br />

die Bedienungselemente des Fahrzeuges genutzt, das Fahrzeug habe<br />

sich bewegt, die Räder sind durchgedreht. Ein solches Freikommen ist<br />

kein Führen eines Kraftfahrzeuges. Dies gilt auch bei minimaler<br />

Fortbewegung, sofern das Fahrzeug nicht von seinem Standort<br />

fortbewegt werden kann. 1<br />

OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.12.2005, 2 Ss (Owi) 266 B/05 =<br />

DAR 2006, 219<br />

Führen eines Fahrzeuges setzt voraus, dass das Fahrzeug willentlich<br />

in Bewegung gesetzt wird. Führen liegt nicht vor, wenn jemand sein<br />

Fahrzeug abstellt, dabei vergisst die Handbremse einzulegen,<br />

woraufhin sich das Fahrzeug von alleine in Bewegung setzt.<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.09.2005, 1 Ss 92/05 = VRS 110,<br />

271 = NZV 2006, 441 = VRR 2006, 148<br />

1. Fahrverbot<br />

Auch bei einer Verurteilung wegen § 315c StGB kann von einem<br />

Fahrverbot abgesehen werden. Der Angeklagte wurde zu einer<br />

Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt. Für die Anordnung eines<br />

Fahrverbotes gelten im Hinblick auf seinen Strafcharakter die<br />

allgemeinen Strafzumessungsregeln. Das Fahrverbot ist vorwiegend<br />

als spezialpräventive Besinnungsstrafe für nachlässige oder<br />

leichtsinnige Kraftfahrer gedacht und soll den Täter vor einem Rückfall<br />

warnen. Ein Fahrverbot ist somit auszusprechen, wenn der Strafzweck<br />

allein durch die Strafe nicht erreicht werden kann.<br />

Die Tatzeit liegt gut ein Jahr zurück, der Angeklagte ist<br />

zwischenzeitlich nicht auffällig geworden. Er ist durch das anhängige<br />

Verfahren hinreichend beeindruckt.<br />

LG München I, Urteil vom 11.02.2004, 26 Ns 497 Js 109227/03 = NZV<br />

2005, 56<br />

1 So auch OLG Karlsruhe VRS 83, 425<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen unerlaubten Entfernens<br />

vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 18,- €<br />

verurteilt und ein Fahrverbot von zwei Monaten angeordnet. Die<br />

Revision hatte insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des Fahrverbots<br />

führt.<br />

Im vorliegenden Fall ist die Beschränkung der Berufung auf das<br />

Fahrverbot nicht möglich, weil dieser Ausspruch mit dem<br />

Strafausspruch insgesamt untrennbar verknüpft ist. Selbst wenn dem<br />

Betroffenen mit dem unerlaubten Entfernen eine Verletzung der Pflicht<br />

eines Kraftfahrzeugsführers vorgeworfen wird, darf das Fahrverbot als<br />

Nebenstrafe nur verhängt werden, wenn feststeht, dass der mit ihm<br />

angestrebte spezialpräventive Zweck mit der Auflage allein nicht zu<br />

erreicht ist. Das Gericht muss daher prüfen, ob nicht Geldstrafe allein<br />

oder eine angemessen Erhöhung der Geldstrafe ausreichend ist, um<br />

der Warnfunktion für den Kraftfahrer Genüge zu tun.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 18.11.2005, 82 Ss 57/05 = VRS 109, 338<br />

Keine Erhöhung der Geldstrafe bei Wegfall des Fahrverbot<br />

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen Nötigung zu einer<br />

Geldstrafe von 30 Tagessätzen und verbot ihm für die Dauer von<br />

einem Monat im öffentlichen Straßenverkehr Fahrzeuge zu führen.<br />

Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht das Urteil<br />

abgeändert und den Angeklagten wegen Nötigung zu einer Geldstrafe<br />

von 30 Tagessätzen zu je 50, - € verurteilt und das Fahrverbot<br />

entfallen lassen. Das Rechtsmittel hatte vorläufigen Erfolg.<br />

Fahrverbot nach § 44 StGB soll bei schuldhaft begangenen<br />

Verkehrsverstößen, die noch nicht die mangelnde Eignung des Täters<br />

ergeben (somit keine Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB)<br />

wobei allerdings die spezialpräventive Einwirkung auf den Täter im<br />

Vordergrund steht. Das Fahrverbot ist die einzige Nebenstrafe, die das<br />

Gesetz kennt. So dass in einem unmittelbaren Zusammenhang mit<br />

dem gesamten Strafausspruch zu werten ist. Voraussetzung für die<br />

Anordnung des Fahrverbots ist, dass der angestrebte<br />

spezialpräventive Zweck mit der Hauptstrafe alleine nicht zu erreichen<br />

ist.<br />

Das Landgericht hat angenommen, dass durch eine Erhöhung des<br />

Tagessatzes von 35,- € auf 50,- € der spezialpräventive Zweck erreicht<br />

werden könne.<br />

Anders als im <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>recht besteht im Strafrecht<br />

eine prozessuale Grenze für die Erhöhung der Geldstrafe zur<br />

Kompensation eines an sich angemessenen Fahrverbots. Das Gericht<br />

hat hierbei zum einen die reformatio in peius zu beachten, zum<br />

anderen die Bestimmung des § 40 Abs. 2 StGB. Eine Erhöhung der<br />

Tagessatzanzahl scheidet aus. Eine Anhebung des einzelnen<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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Tagessatzes ist zwar mit § 331 Abs. 1 StPO vereinbar, sofern ein<br />

Gesamtvergleich des früheren und des neuen<br />

Rechtsfolgenausspruchs ergibt, dass der Angeklagte wirtschaftlich<br />

nicht schlechter gestellt wird. In sachlich-rechtlicher Hinsicht bleibt die<br />

Festsetzung der Tagessatzhöhe jedoch an der Bemessungsvorschrift<br />

des § 40 Abs. 2 StGB gebunden. Die Erhöhung des einzelnen<br />

Tagessatzes kommt nur in Betracht, wenn die Nichtanordnung des<br />

Fahrverbots zu einer nachhaltigen Verbesserung der wirtschaftlichen<br />

Situation des Angeklagten führt. Allein die Entlastung von<br />

Einkommenseinbußen reicht nicht aus. Der Rahmen des § 40 Abs. 2<br />

StGB darf nach oben nicht überschritten werden.<br />

OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.09.05, 3 Ss 135/05 = VRS 109, 340<br />

Der Betroffene wurde wegen Beleidigung und Sachbeschädigung zu<br />

einer Geldstrafe verurteilt. Außerdem wurde ein Fahrverbot von drei<br />

Monaten angeordnet. Die Berufung führte zu einer Ermäßigung des<br />

Tagesssatzes und des Fahrverbotes. Die Revision blieb im<br />

wesentlichen erfolglos, dass Fahrverbot entfiel aber.<br />

Dem Betroffenen war vorgeworfen worden, aus spontaner<br />

Verärgerung heraus einen Kratzer in den Pkw Ford Mondeo gemacht<br />

zu haben. Da der Betroffene nicht vorbestraft ist, die Tat zum Zeitpunkt<br />

der Entscheidung des OLG auch schon längere Zeit zurücklag, war<br />

nicht erkennbar, dass es zur besonderen spezialpräventiven<br />

Einwirkung auf den Betroffenen noch des Fahrverbots bedürfte. Ein<br />

Fahrverbot darf nur verhängt werden, wenn feststeht, dass der mit ihm<br />

angestrebte spezialpräventive Zweck mit der Hauptstrafe nicht erreicht<br />

werden kann. Gegebenenfalls muss das Gericht prüfen, ob<br />

gegebenenfalls eine Erhöhung der Geldstrafe die Warnfunktion auch<br />

insoweit erledigt.<br />

Über den Wegfall des Fahrverbotes kann das Gericht nach § 354 Abs.<br />

1 selbst entscheiden.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 19.08.2005, 83 Ss 26/05 = DAR 2005, 697<br />

= VRS 109, 343<br />

Berufung und Fahrverbot<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 25.05.2005, 2 Ss 207/05 = VRS 309,122<br />

Eine Berufung kann nicht alleine auf das Fahrverbot beschränkt<br />

werden. Das Amtsgericht hatte dem Angeklagten wg. unerlaubten<br />

Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen<br />

verurteilt und ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Der<br />

Angeklagte hat hiergegen Berufung eingelegt und diese auf das<br />

Fahrverbot beschränkt.<br />

Eine Beschränkung der Berufung allein auf das Fahrverbot ist<br />

unzulässig. Zwischen der Höhe der Hauptstrafe und der Nebenstrafe<br />

des Fahrverbots besteht eine Wechselwirkung. Beide Sanktionen<br />

verfolgen einen überwiegend identischen Strafzweck, der mit<br />

unterschiedlichen Mitteln erreicht werden soll. Als Nebenstrafe soll das<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

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Fahrverbot zusammen mit der Hauptstrafe diesem Zweck dienen und<br />

kommt in der Regel in Betracht, wenn der mit ihm angestrebte<br />

spezialpräventive Zweck mit der Hauptstrafe allein nicht erreicht<br />

werden kann und die Verhängung eines Fahrverbots deshalb<br />

erforderlich wird. Ein Berufungsurteil muss aufgehoben werden, wenn<br />

auf Grund einer unwirksamen Beschränkung der Berufungskammer<br />

sich dieser Wechselwirkung nicht bewusst war.<br />

1.1. Zeitablauf<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 15.03.2005, 4 Ss 54/04 = VRS 109, 19<br />

Das Fahrverbot nach § 44 StGB ist als Denkzettel für nachlässige und<br />

leichtsinnige Kraftfahrer vorgesehen, um den Täter vor einem Rückfall<br />

zu warnen und ihm ein Gefühl für den zeitweisen Verlust des<br />

Führerscheins und den Verzicht auf die aktive Teilnahme am<br />

Straßenverkehr zu vermitteln. Diese Warnungs- und Besinnungsgebot<br />

kann das Fahrverbot – auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter –<br />

nur dann erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen Zeitabstand<br />

zwischen Tat und Urteil für den Täter auswirkt. Die Verhängung, die<br />

sich nach allgemeinen Zumessungserwägungen richtet, kommt<br />

jedenfalls für sehr lange zurückliegenden Taten nicht mehr in Betracht.<br />

So ist es im vorliegenden Fall, nach dem zwischen Tat und<br />

Berufungsurteil mehr als zwei Jahre liegen.<br />

1.2. Fahrverbot bei allgemeiner Straftat<br />

LG Karlsruhe, Beschluss vom 04.07.2005, 1 Ss 60/05 = VRS 109, 171<br />

Tätliche Übergriffe im Straßenverkehr bedürfen in der Regel einer<br />

nachdrückliche Sanktion auch in Form eines Fahrverbots. Solche<br />

Tätlichkeiten im Zusammenhang mit dem Führen eines<br />

Kraftfahrzeuges weisen nämlich auf eine äußerst bedenkliche<br />

Fehlentwicklung des Angeklagten hin.<br />

1.3. Fahrzeugarten<br />

AG Lüdinghausen, Urteil vom 14.06.05, 16 Cs 81 Js 583/05 – 67/05 =<br />

NZV 2005, 593 = BA 2006, 160<br />

Geldtransportfahrzeuge sind eine Fahrzeugart im Sinne von § 44<br />

StGB.<br />

2.Entziehung der Fahrerlaubnis, § 69 StGB<br />

2.1 Entscheidung des Großen Strafsenats<br />

BGH Beschluss vom 27.04.2005, GSSt 2/04,= SVR 2005, 272 = zfs<br />

2005, 464 = StV 2005, 311 = StV 2005, 551 = DAR 2005, 452 = NZV<br />

2005, 486 = Mitt.Bl. 2005, 60 = BA 2005, 311<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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Die Entziehung der Fahrerlaubnis kommt bei „Zusammenhangtaten“<br />

nur in Betracht, wenn durch die Tat die Verkehrssicherheit gefährdet<br />

wird. Dies kann sich aus der Vorbereitung der Tat, der Ausführung<br />

oder auch aus früherem Verhalten des Täters ergeben.<br />

2.2. Sexualstraftat<br />

BGH, Beschluss vom 19.09.2005, 1 StR 296/05<br />

Die Fahrerlaubnis kann entzogen werden, wenn die Anlasstat mit einer<br />

Ablenkung der Aufmerksamkeit des Fahrers verbunden war. Im<br />

vorliegenden Fall hat der Betroffene ein später sexuell belästigtes<br />

Mädchen und einen – ungesichert mitfahrenden Hund – gezwungen in<br />

das Fahrzeug einzusteigen. Während der Fahrt nahm er sexuelle<br />

Handlungen an dem Mädchen vor.<br />

Dagegen kein Fall der Entziehung der Fahrerlaubnis:<br />

Der Täter fährt zum Tatort, um einen Betrug zu begehen oder einen<br />

Raub 1 .<br />

Auch nicht, wenn der Täter mit List den Opfer an einen abgelegenen<br />

Ort bringt, um dort eine Sexualstraftat zu begehen. 2 Nicht bei<br />

Begehung einer Hehlereitat. 3 Und auch nicht in so genannten<br />

Kurierfällen. 4 Auch nicht wenn besonders präparierte Verstecke im<br />

Auto benutzt werden. 5<br />

Hinweis zum Verfahren:<br />

Der Richter hat von sich aus eigene Sachkunde, um die charakterliche<br />

Eignung zu beurteilen. Beweisanträge, die auf die Hinzuziehung eines<br />

Sachverständigen zu dieser Frage zielen, gehen in der Regel ins<br />

Leere.<br />

Sexualstraftat und § 69<br />

BGH, Beschluss vom 21.06.05,4 StR 28/05 = DAR 2005, 520 = NZV<br />

2005, 589 = BA 2006, 483<br />

1 BGH, Beschluss vom 13.07.2005, 1 StR 153/05<br />

2 BGH NJW 2005, 2933<br />

3 Beschluss vom 09.12.2005, 2 StR 235/05<br />

4 BGHHRRS 2005, 905<br />

5 BGH Strafverteidiger 2006, 186<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

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Verbringt der Täter das Tatopfer unter Anwendung einer List in seinem<br />

Fahrzeug zu einem abgelegenen Ort und dort eine Sexualstraftat zu<br />

begehen, so erweist er sich allein dadurch noch nicht als ungeeignet<br />

zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne von § 69 Abs. 1 S. 1 StGB.<br />

BtM<br />

BGH, Beschluss vom 19.09.2005, 1 StR 274/05<br />

Eine Entziehung der Fahrerlaubnis kommt wegen eines Verstoßes<br />

gegen das BtMG nicht in Betracht.<br />

Sachbeschädigung<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.09.2005, 1 Ws 169/05 = NZV 2005,<br />

590 = VRS 109, 272 = DAR 2005, 695 = BA 2006, 484<br />

Der Angeklagte ist vom Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von 2<br />

Jahren und 8 Monaten verurteilt wurden. Ihm wurde eine<br />

Sachbeschädigung in 96 Fällen vorgeworfen. Er soll in der Zeit von<br />

1999 bis Februar 2002 in 11 Fällen Reifen abgestellter Kraftfahrzeuge<br />

durchstochen haben, wobei er sich in 9 Fällen zu den einzelnen<br />

Tatorten mit dem PKW begeben hat. Er hat den Antrag gestellt, die mit<br />

Beschluss vom 22.09.2003 angeordnete vorläufige Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis aufzuheben. Dies hat die Strafkammer, bei der das<br />

Berufungsverfahren anhängig ist, mit Beschluss vom 27.07.2005<br />

abgelehnt. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.<br />

Der Begriff des Zusammenhangs im § 69 StGB ist weit gefasst. Es<br />

kommt nicht darauf an, ob die Fahrt vor, während oder nach der Tat<br />

unternommen wurde. Wesentlich ist, dass das Führen des<br />

Kraftfahrzeuges dem Täter für die Vorbereitung oder Durchführung der<br />

Straftat oder anschließend für ihre Ausnutzung oder Verdeckung<br />

dienlich sein sollte. Dies gilt auch bei Einwirkung von außen auf den<br />

Verkehr.<br />

Aus einer solchen Anlasstat kann die charakterliche Ungeeignetheit<br />

aber nur hergeleitet werden, wenn dabei konkrete Anhaltspunkte auf<br />

eine mögliche Gefährdung des Straßenverkehrs ersichtlich sind. Der<br />

Schutzzweck der Norm besteht darin, die Allgemeinheit vor<br />

Kraftfahrzeugführern zu schützen, die für andere Verkehrsteilnehmer<br />

eine Gefahr darstellen. Lassen sich dagegen nur Hinweise aus der<br />

Straftat entnehmen, dass der Täter zu Aggression, Rücksichtslosigkeit<br />

oder allgemein zu Missachtung gesetzlicher Vorschriften neigt, ohne<br />

das dies Auswirkungen auf die Fahrsicherheit hat, ist es allein Aufgabe<br />

der Verwaltungsbehörde zu prüfen, ob Anlass besteht, Maßnahmen<br />

nach der FeV zu ergreifen. Da der Angeklagte vorwiegend<br />

Stechwerkzeuge mit kleinem Durchmesser benutzt hat, führte dies zu<br />

einem langsamen Entweichen der Luft und damit zu unkontrollierten<br />

Ausbrüchen der Fahrzeuge während einer späteren Fahrt. Dies hätte<br />

zu schwersten Unfällen führen können.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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2.3. Bedeutender Schaden<br />

2.3.1. Verfahrensdauer und bedeutender Schaden<br />

AG Lüdinghausen, Urteil vom 10.02.2005, 16 Cs 824 Js 441/04 –<br />

130/04 = VRR 2005, 116<br />

Ab einer Zeit von 18 Monaten seit Tat erscheint die Verhängung eines<br />

Fahrverbotes nicht mehr angemessen. Die Grenze für einen nicht<br />

bedeutenden Schaden im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist bei<br />

1.300 Euro noch nicht erreicht.<br />

2.3.2.Bedeutender Schaden<br />

OLG Thüringen, Beschluss vom 14.02.2005, 1 Ss 19/05 = StV 2005,<br />

336 = NZV 2005, 434 = NStZ-RR 183. 1<br />

Bedeutender Schaden an fremden Sachen ist bei einer Schadenhöhe<br />

von 1.300,- € anzunehmen.<br />

Bedeutender Schaden<br />

Der bedeutende Schaden beginnt bei einer Wertgrenze vom 1.300,00<br />

€.<br />

LG Berlin, Beschluss vom 29.04.05, 516 Qs 85/05 = DAR 2005, 467<br />

Die Wertgrenze für einen bedeutenden Schaden liegt bei 1.300,00 €.<br />

Der Schaden an mehreren Sachen ist zusammenzuzählen.<br />

LG Berlin, Beschluss vom 17.03.2005, 501 Qs 50/05 = VRS 109, 274<br />

Die Grenze des bedeutenden Schadens liegt bei 1.300,00 €. Ein nicht<br />

bedeutender Schaden liegt auch dann vor (Grenze 1.300,- €), wenn<br />

ein Gutachten vorliegt, das ein Reparaturaufwand von 2.391,- €<br />

bescheinigt, sich die Parteien aber auf eine Entschädigung in der Höhe<br />

von 1.200,- € geeinigt haben.<br />

LG Paderborn, Beschluss vom 05.09.2005, 1 Qs 118/05 = DAR 2006,<br />

290 = zfs 2006, 112 = VRS 109, 344<br />

§ 142 StGB, Vorsatz, vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

1 Ebenso LG Berlin, Beschluss vom 17.03.2005, 516 Qs 59/05 = NZV 2005, 434=<br />

VRS 108, 426: „In solchen Fällen liegt es eher fern, dass die Fahrerlaubnis entzogen<br />

wird, ein Anlass für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis besteht daher<br />

nicht.“<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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LG Hildesheim, Beschluss vom 13.04.2005, 1 Qs 8/05 = Mitt.Bl. 2005,<br />

78<br />

Zwar besteht der dringende Tatverdacht hinsichtlich des Entfernens<br />

vom Unfallort. Auch ein bedeutender Reparaturschaden ist in Höhe<br />

von 1.913,19 € entstanden bei einer Wertminderung von 200,- €.<br />

Weitere Voraussetzungen für die vorläufige Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis ist aber, dass der Beschuldigte Kenntnis von dem<br />

Schaden und dessen Bedeutsamkeit hatte oder zumindest haben<br />

konnte. Insoweit ist eine betragsmäßige Wertung durch den Täter<br />

erforderlich. Zwar gab es nach den Angaben von Zeugen einen<br />

erheblichen Knall, sodass der Beschuldigte vom Eintritt eines<br />

Schadens ausgehen müsste. Zweifelhaft ist aber, ob der Beschuldigte<br />

auch erkennen konnte, dass einen erheblichen Schaden entstanden<br />

ist. Der Polizeibeamte, der den Unfall aufgenommen hat, hat den<br />

Schaden auf 300,- € geschätzt. Dass der Beschuldigte weiterreichende<br />

Erkenntnismöglichkeiten hatte, ist nicht dargelegt.<br />

2.3.3. Bedeutender Schaden und Entschädigung für die<br />

Entziehung<br />

Der bedeutende Schaden liegt erst an 1300,00 € vor.<br />

Zur Berechnung des bedeutenden Schaden für Fälle des § 142 StGB<br />

ist die Vermögensverminderung des Geschädigten als direkte Folge<br />

des Unfalls heranzuziehen: Reparaturkosten, Abschlepp- und<br />

Bergungskosten, Umsatzsteuer sowie ein merkantiler Minderwert.<br />

Aber auch in diesen Fällen – selbst wenn ein Fahrverbot von einem<br />

Monat angeordnet wird – liegen dringende Gründe im Sinne von §<br />

111a StPO für die Annahme einer endgültigen Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis nicht vor. Aus diesen Gründen ist auch, wenn ein<br />

Fahrverbot verhängt wird, ein Angeklagter gem. § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr.<br />

5 StrEG zu entschädigen, soweit die Zeit der Sicherstellung des<br />

Führerscheins das angeordnete Fahrverbot von einem Monat<br />

übersteigt.<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 12.05.2005, 2 Ss 278/05 = SVR 2005,<br />

439 = NZV 2006, 104 = VRS 109, 20 = StV 2005, 443 = DAR 2005,<br />

459<br />

Die Grenze für einen bedeutenden Schaden ist bei 1.300,- €<br />

anzunehmen. Ist die Reparatur nicht durchgeführt, bemesst sich der<br />

Schaden alleine nach dem Nettobetrag laut Kostenvoranschlag.<br />

Ereignet sich ein Verkehrsunfall im fliesenden Verkehr und ermöglicht<br />

ein Beschuldigter die erforderlichen Feststellungen innerhalb von 24<br />

Stunden nachträglich, so begründet dies in analoger Wertung des §<br />

142 Abs. 4 StGB eine Ausnahme von der Regel der Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis.<br />

LG Gera, Beschluss vom 22.09.2005, 1 Qs 359/05 = NZV 2006, 105 =<br />

DAR 2006, 107<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

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Seite 42 von 121


Trunkenheit, Entzug der Fahrerlaubnis<br />

AG Bensheim, Urteil vom 04.04.2006, 8220 Js 22570/05 5 Ds VIII =<br />

zfs 2006, 527<br />

Der Angeklagte wurde wegen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316<br />

StGB (eine Stunde nach dem Vorfall, 0,85 ‰ BAK zu einer Geldstrafe<br />

von 40 Tagessätzen verurteilt. Von einer Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

wurde abgesehen.<br />

Der Angeklagte hatte seit 15 Monaten ohne weitere Beanstandung am<br />

Straßenverkehr teilgenommen. Von daher kann nicht mehr gesagt<br />

werden, dass der Angeklagte noch ungeeignet zum Führen eines<br />

Kraftfahrzeuges ist.<br />

2.3.4. Zweifel bezüglich der Eignung<br />

AG Waldbröl, Urteil vom 17.05.05, 4 Ds 864/04-666 Js 321/04 = SVR<br />

2005, 315<br />

Kann die Frage, ob der Angeklagte lange Zeit nach der Tat noch<br />

ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, nicht abschließend<br />

geklärt werden, so ist im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten hiervon<br />

auszugehen. Einer vollständigen Klärung der Frage bedarf es nicht.<br />

2.3.5. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Beschränkung des<br />

Rechtsmittels auf die Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

OLG Dresden, Urteil vom 08.07.2005, 2 Ss 130/05 = VRS 109, 172 =<br />

NZV 2006, 168<br />

Das Amtsgericht hat den Angeklagten freigesprochen. Dieser hat sich<br />

nach einer Kollision mit seinem Fahrzeug und einer Straßenlaterne<br />

vom Unfallort entfernt. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass er<br />

in Folge Alkoholkonsums nicht in der Lage gewesen sei, ein Fahrzeug<br />

sicher zu führen, aber auf Grund einer Depression unter<br />

Medikamenteneinfluss stand und somit ohne Schuld handelte. Auf<br />

einen Entzug der Fahrerlaubnis hat es verzichtet.<br />

Die Berufung der Staatsanwaltschaft, beschränkt auf die Maßregeln<br />

nach § 69 StGB, war zulässig ebenso die Beschränkung die Revision,<br />

blieb jedoch ohne Erfolg. Das Rechtsmittel kann innerhalb des<br />

Rechtsfolgenausspruches auch allein auf die die Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB beschränkt werden. Eine solche<br />

Beschränkung ist immer dann möglich, wenn sich die Entscheidung<br />

über die Maßregel unabhängig von den übrigen<br />

Strafzumessungserwägungen beurteilen lässt. Dies wird von der<br />

überwiegenden Auffassung in der Rechtssprechung allerdings nur<br />

angenommen, wenn die Ungeeignetheit eines Angeklagten zum<br />

Führen von Kraftfahrzeugen auf körperlichen oder geistigen Mängeln<br />

beruht. Ist seine Ungeeignetheit dagegen ein Charaktermangel, so<br />

stehen Straf- und Maßregelausspruch nach dieser Auffassung in solch<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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einer engen gegenseitigen Abhängigkeit, dass sich ein Angriff gegen<br />

die Anordnung der Maßregel auch auf die Strafzumessung erstreckt.<br />

Trunkenheit<br />

BayObLG, Urteil vom 16.08.2004, 1 St RR 113/04 = NZV 2005, 592<br />

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger<br />

Trunkenheit zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen. Die<br />

Fahrerlaubnis wurde entzogen, der Führerschein eingezogen. Eine<br />

Sperrfrist von 9 Monaten wurde angeordnet, von der Sperre wurde der<br />

LKW mit dem amtlichen Kennzeichen XX werktags in der Zeit von<br />

07.00-17.00 Uhr ausgenommen. Hiergegen eingelegte Berufung der<br />

Staatsanwaltschaft wurde verworfen. Die Revision der<br />

Staatsanwaltschaft war erfolgreich: die Berufung konnte nicht wirksam<br />

auf die Zubilligung der Ausnahme von der Sperre beschränkt werden,<br />

weil zwischen der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Bemessung<br />

der Sperrfrist einerseits und den Überlegungen zur Bewilligung einer<br />

Ausnahme eine Wechselwirkung besteht, die eine losgelöste<br />

Beurteilung allein der letzt genannten Frage nicht ermöglicht.<br />

Auch der übrige Rechtsfolgenausspruch kann von der Anfechtung<br />

nicht ausgenommen werden, denn ein zu Ungunsten des Angeklagten<br />

eingelegte Rechtsmittel kann von vorneherein nicht wirksam auf die<br />

unterbliebene Entziehung der Fahrerlaubnis beschränkt werden.<br />

Gleiches gilt, wenn die Staatsanwaltschaft eine Verschärfung des<br />

Maßregelausspruches erstrebt. Deshalb ist es erforderlich, dass das<br />

Landgericht im Berufungsverfahren sowohl die Strafaussetzung als<br />

auch die Verhängung der Maßregel insgesamt überprüft. Allerdings ist<br />

es unzulässig, ein konkretes Fahrzeug für eine bestimmte Tageszeit<br />

aus der Sperre auszunehmen. Daran ändert dich nichts, selbst wenn<br />

die Maßnahme sinnvoll erscheint. Nach § 69a Abs. 2 StGB kann ein<br />

Gericht von der Sperre bestimmter Art dann von Kraftfahrzeugen<br />

ausnehmen.<br />

Richterliche Frist zu Prüfung, ob ein Ausnahmefall von § 69 Abs.<br />

2 StGB vorliegt<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.08.2004, 1 Ss 79/04 = BA 2005,<br />

381<br />

Liegt auch beim Vorliegen eines Regelfalles nach § 69 Abs. 2 StGB<br />

vor, hat der Tatrichter stets zu prüfen, ob ausnahmsweise von der<br />

Maßregel der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden kann,<br />

weil der Angeklagte zum Zeitpunkt der Urteilsfällung nicht mehr<br />

ungeeignet zum Führen eines Fahrzeuges ist. Dies kann der Fall sein,<br />

wenn es sich um einen Ersttäter handelt, seit der Tat ein erheblicher<br />

Zeitraum verstrichen ist, keine große Überschreitung des Grenzwertes<br />

von 1,1 Promille vorlag und die Fahrerlaubnis für längere Zeit vorläufig<br />

entzogen war und der Täter an einem anerkannten<br />

Nachschulungskurs teilgenommen hat.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 44 von 121


2.3.6. Verkehrspsychologische Beratung<br />

AG Görlitz, Urteil vom 14.12.2004, 4 Cs 150 Js 16976/04<br />

Hat ein Angeklagter nach einer Trunkenheitsfahrt freiwillig an einer<br />

verkehrspsychologischen Intensivberatung teilgenommen, die bei ihm<br />

glaubhaft und nachvollziehbar zu einem Umdenken bezüglich seiner<br />

Beziehung zum Konsum von Alkohol und Straßenverkehr geführt hat,<br />

kann dies dazu führen, dass von einer Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

abgesehen wird.<br />

2.3.7. Verkehrstherapie<br />

AG Wesel, Urteil vom 07.12.04, 7 Cs 341 Js 1048/04 = SVR 2005, 351<br />

Eine vor der Hauptverhandlung durchgeführte Verkehrstherapie kann<br />

die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen<br />

beseitigen, auch wenn der Angeklagte mit einer<br />

Blutalkoholkonzentration von 1,87 Promille am Verkehr teilgenommen<br />

hat.<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis - Beschwer<br />

BGH, Beschluss vom 11.10.2005, 4 StR 362/05<br />

Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung, die fehlerhaft die in einem<br />

anderen Urteil verhängte Entziehung der Fahrerlaubnis durch ein<br />

durch Anrechnung abgegoltenes Fahrverbot ersetzt, beschwert den<br />

Angeklagten nicht.<br />

Von der Entziehung der Fahrerlaubnis kann Abstand genommen<br />

werden, wenn der Angeklagte bereits durch die vorläufige Entziehung<br />

der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO als Taxifahrer einen erheblichen<br />

wirtschaftlichen Einbruch erlitten hat, seit der Tat mehr als sechs<br />

Monate vergangen sind, bislang noch nie strafrechtliche oder<br />

verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten war und seit fast zwanzig<br />

Jahren Inhaber einer Personenbeförderungsberechtigung ist.<br />

AG Halle, Beschluss vom 06.07.2005, 320 Cs 816 Js 2076/05<br />

2.3.7. Vorzeitige Aufhebung einer Sperre für die Erteilung einer<br />

Fahrerlaubnis<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 12.01.2005, 1 Ws 3/05 = VRS 108,361<br />

Die durch das Gericht angeordnete Sperre kann nur aufgehoben<br />

werden, wenn erhebliche neue Tatsachen vorliegen. Reiner Zeitablauf<br />

ist nicht ausreichend, ebenso dürfen wirtschaftliche Gesichtspunkte<br />

keine Rolle spielen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur<br />

möglich, wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen als Warnung einen<br />

Wandel bei dem Betroffenen bewirkt und den Eignungsmangel<br />

behoben haben.<br />

§ 69a Absatz 7 StGB<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 45 von 121


Die vorzeitige Aufhebung einer Sperrfrist kommt nicht in Betracht,<br />

wenn der Antragsteller in der Vergangenheit in ungewöhnlicher<br />

Häufung Gesetze missachtet hat und hiermit einen verfestigten<br />

Charaktermangel angenommen werden kann.<br />

KG, Beschluss vom 27.04.2004, 1 Ar 374/04 – 5 Ws 176/04<br />

Ein Kraftfahrer, der wegen einer Blutalkoholkonzentration von 1,6<br />

Promille oder mehr verurteilt wurde, ist nach gesicherten<br />

verkehrsmedizinischen und verkehrspsychologischen Erkenntnissen<br />

ein Gewohnheitstrinker. Dieser ist nur dann als wieder geeignet zum<br />

Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn er zu einem<br />

glaubhaften Entschluss zu dauerhafter, vollständiger Alkoholabstinenz<br />

gekommen ist und in der Lage ist, diesen Entschluss auch zu<br />

realisieren. Hierzu gehört die glaubhafte wenigstens sechsmonatige<br />

Abstinenz sowie zur Stabilisierung des Abstinenzentschlusses die<br />

Bereitschaft eine psychosoziale Beratungsstelle aufzusuchen und<br />

regelmäßig an Sitzungen einer Selbsthilfegruppe teilzunehmen.<br />

LG Flensburg, Beschluss vom 08.04.2005, II Qs 36/05 = DAR 2005,<br />

409<br />

Berechnung der Sperrfrist<br />

AG Lüdinghausen, Urteil vom 13.07.2004, 9 Ds 17 Js 528/04 –<br />

121/04 = BA 2005, 391<br />

Bei der Berechnung der Sperrfrist kann eine Fahrerlaubnis rechtlich<br />

irrelevante Sicherstellung eines ungültigen Führerscheins, dann analog<br />

§ 69 Abs. 4, Abs. 6 StGB, zu einer kürzeren Sperrfrist führen.<br />

Berechnung der Dauer der Sperrfrist<br />

AG Idstein, Beschluss vom 05.04.2004, 5 Ds – 5660 Js 23160/02 =<br />

NStZ–RR 2005, 89<br />

Die Sperre gemäß § 69a Absatz 5 Satz 1 StGB beginnt erst mit der<br />

aufgrund des verwerfenden Revisionsbeschluss eingetretenen<br />

Rechtskraft. § 69a Absatz 5 Satz 2 StGB regelt nur die Anrechnung<br />

der Dauer einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung<br />

der Fahrerlaubnis und ist auf den Fall der Anordnung einer isolierten<br />

Sperrfrist gemäß § 69a Absatz 1 Satz 3 StGB nicht entsprechend<br />

anwendbar.<br />

Zum einen spricht bereits der klare Wortlaut der eng auszulegenden<br />

Ausnahmevorschrift gegen eine solche entsprechende Anwendung.<br />

Zum anderen fehlt es am Vorliegen einer planwidrigen<br />

Regelungslücke, weil Anhaltspunkte dafür fehlen, dass der<br />

Gesetzgeber trotz Diskussion bereits über die frühere Regelung des §<br />

42n Absatz 5 Satz 2 StGB bei Einführung der jetzigen Regelung durch<br />

das zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom<br />

26.11.1964 die Anrechnungsproblematik bei der Verhängung einer<br />

isolierten Sperrfrist übersehen hat. Schließlich erfährt der Täter bei<br />

Anordnung einer isolierten Sperrfrist nicht ohne Weiteres eine der<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 46 von 121


vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis vergleichbare<br />

Beeinträchtigung.<br />

Verkürzung der Sperrfrist<br />

Die Teilnahme an einer verkehrstherapeutischen Schulung rechtfertigt<br />

eine Verkürzung der Sperrfrist. Dabei stehen solche für<br />

verkehrstherapeutischen Schulungen verwaltungsrechtlichen<br />

Aufbauseminaren im Sinne von § 69a StGB gleich. Der Tatrichter<br />

muss die Überzeugung gewinnen, dass durch eine solche Maßnahme<br />

der bestehende Eignungsmangel beseitigt wird.<br />

LG Münster, Beschluss vom 22.07.2005, 3 Qs 63/05 = zfs 2005, 623<br />

Eine Sperrfristverkürzung ist auch aufgrund einer in Österreich<br />

durchgeführten Nachschulung möglich.<br />

AG Eggenfelden, Beschluss vom 10.02.2005, 2 Cs 18 Js 19645/04 =<br />

NZV 2005, 545<br />

3. Einziehung<br />

3.1. Einziehung von Fahrzeugen<br />

BGH, Beschluss vom 13.07.2004, 3 StR 189/04 = NZV 2005, 328<br />

Anders als § 69 Abs. 1 StGB bedarf es zur Einziehung eines vom<br />

Angeklagten als Tatfahrzeug benutztes Kraftfahrzeug keines<br />

besonderen „verkehrsspezifischen Zusammenhangs“. § 74 Abs. 1<br />

StGB lässt es genügen, wenn das Kraftfahrzeug zur Tatbegehung<br />

gebraucht worden ist. Dies gilt auch in Fällen des Transports von<br />

Betäubungsmitteln.<br />

3.2. Wirkung der Einziehung<br />

BGH, Beschluss vom 02.06.2005. 3 StR 123/05<br />

Wird ein rechtskräftiges Urteil, in dem eine Einziehungsanordnung<br />

ausgesprochen wurde, in ein neues Urteil einbezogen, so bedarf es<br />

keine Aufrechterhaltung des Einbeziehungsentscheidung. Die<br />

Einziehung ist erledigt, sobald das Eigentum an dem betreffenden<br />

Gegenständen mit der Rechtskraft des einbezogenen Urteils nach<br />

§ 74e StGB auf den Staat übergeht<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 47 von 121


V. Straftatbestände<br />

Unfallflucht - Vorsatz<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 07.07.2005, 1 Ss 161/05 = VRS<br />

110, 15<br />

Nach § 142 StGB kann nur bestraft werden, wer vorsätzlich gehandelt<br />

hat, wobei bedingter Vorsatz genügt. Der Vorsatz nach § 142 StGB<br />

muss sich auf alle Merkmale des äußeren Tatbestandes erstrecken.<br />

Dazu gehört, dass der Täter weiß, dass es zu einem Unfall gekommen<br />

ist. Er muss erkannt oder wenigstens mit der Möglichkeit gerechnet<br />

haben, dass er einen Gegenstand angefahren, überfahren oder<br />

jemanden verletzt oder getötet hat und dass ein nicht völlig<br />

bedeutungsloser fremder Sachschaden entstanden ist. Es ist nicht<br />

ausreichend, dass er die Entstehung eines nicht unerheblichen<br />

Schadens hätte erkennen können und müssen.<br />

Zwar schließt das Nichterkennen eines Fremdschadens infolge<br />

nachlässiger Nachschau die Annahme bedingten Vorsatzes nicht aus.<br />

Es können nämlich Umstände (heftiger Anprall, Schaden am eigenen<br />

Fahrzeug) vorliegen, die beim Täter trotz eines solchen<br />

Nichterkennens die Vorstellung begründen, es sei möglicherweise ein<br />

nicht ganz unerheblicher Schaden entstanden. Derartige Umstände<br />

bedürfen jedoch eingehender Darlegung und Würdigung im Urteil, um<br />

dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die aus<br />

Ihnen gezogenen Schlussfolgerungen auf bedingten Vorsatz des<br />

Täters frei von Rechtsfehlern ist. Umstände, die nach der<br />

Lebenserfahrung einem durchschnittlichen Kraftfahrer die Vorstellung<br />

aufdrängen, dass es zu einem nicht unerheblichen Sachschaden<br />

gekommen sein könne, werden auch dem Tatrichter meist den Schluss<br />

erlauben, dass der betreffende Kraftfahrer sich diese Vorstellung<br />

gebildet habe. Die Überzeugung, dass der zur Verantwortung<br />

gezogene Kraftfahrer die genannte Vorstellung gebildet hat, muss aber<br />

der Tatrichter gewinnen.<br />

1. § 212 StGB, Versuchter Totschlag<br />

BGH, Beschluss vom 28.07.2005, 4 StR 109,05 = VD 2005, 247<br />

Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen versuchten Totschlags<br />

in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichem<br />

Eingriff in den Straßenverkehr, sowie tatmehrheitlich vorsätzlicher<br />

Straßenverkehrsgefährdung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von<br />

drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Der BGH beschränkt die<br />

Strafverfolgung auf die versuchte Tötung in Tateinheit mit gefährlicher<br />

Körperverletzung und gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und<br />

verhängt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten,<br />

entzieht die Fahrerlaubnis und ordnet eine Sperrfrist von vier Jahren<br />

an.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 48 von 121


Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht eine versuchte Tötung<br />

angenommen. Eine solche kann stets angenommen werden, wenn ein<br />

PKW mit relativ hoher Geschwindigkeit ein mit ebenfalls hoher<br />

Geschwindigkeit fahrendes Krad rammt, dessen Fahrer nicht weiter<br />

geschützt ist.<br />

Fahrlässige Tötung - Ursachenzusammenhang<br />

Amtsgericht Berlin-Tiergarten, Urteil vom 24.08.2005, (295) 95 Js<br />

3374/03 Ls (32/04)<br />

Ein Lkw-Fahrer darf nicht darauf vertrauen, dass andere<br />

Verkehrsteilnehmer die Gefährlichkeit des „toten Winkels“ bei dem Lkw<br />

beim rechts abbiegen erkennen und deshalb auf ihr Vorrecht<br />

verzichten.<br />

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung<br />

verurteilt. Er war mit seinem Lkw nach rechts abgebogen, weil er<br />

davon ausging, dass Fußgänger Rotlicht haben, wenn er Grünlicht hat.<br />

Er fuhr mit ca. 20 km/h, erfasste dabei einen ebenfalls Grünlicht<br />

habenden Radfahrer, der verstarb. Das Amtsgericht war der<br />

Überzeugung, dass der Unfall bei dem Fahren mit einer<br />

Geschwindigkeit von 5 km/h zu vermeiden gewesen wäre.<br />

2. § 223 StGB, Körperverletzung<br />

2.1. Begriff der Misshandlung<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.03.2005, 1 Ss 4/05 = VRS 108, 427<br />

= DAR 2005, 350<br />

Das Gericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung<br />

zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt und ein<br />

einmonatiges Fahrverbot ausgesprochen. Der verletzte 12 Jährige<br />

Schüler erlitt bei einem Unfall eine zehn Zentimeter lange Hautrötung<br />

am Hals, als sein Sicherheitsgurt hieran entlang streifte. Auf die<br />

Revision wurde die Angeklagte freigesprochen.<br />

Eine körperliche Misshandlung im Sinne von § 232 StGB setzt eine<br />

üble und unangemessene Behandlung voraus, durch die das<br />

körperliche Wohlbefinden und die körperliche Unversehrtheit nicht<br />

unerheblich beeinträchtigt wird. Vorliegend ist eine Körperverletzung<br />

nicht eingetreten. Die körperliche Unversehrtheit des Kindes ist nicht<br />

beeinträchtigt worden, da keine Verletzungsfolgen im Sinne einer<br />

Substanzschädigung eingetreten sind. Zwar kann eine Prellung oder<br />

ein Hautabschürfung zu einer solchen führen, aber nur dann, wenn sie<br />

über eine nur geringfügige Einwirkung auf die körperliche Integrität<br />

hinausgeht. Dies ist bei einer Rötung der Haut nicht ausreichend, kann<br />

aber bei leichten Rippenschmerzen bereits vorliegen.<br />

Vorliegend ist es auch nicht zu einer Verletzung des körperlichen<br />

Wohlbefindens gekommen. Weder ist es zu einer erheblichen<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 49 von 121


körperlichen Einwirkung noch zur Zufügung eines länger andauernden<br />

oder aber eines nur kurzfristigen intensiven Schmerzes gekommen.<br />

Der Umstand, dass der Zusammenstoß zum Umfallen des Fahrzeuges<br />

geführt hat, reicht hierfür nicht aus, denn es kommt nicht auf die<br />

Erheblichkeit der Handlung, sondern auf die unmittelbare körperliche<br />

Einwirkung an.<br />

Eine Hautrötung stellt keine körperliche Misshandlung im Sinne § 223<br />

StGB dar.<br />

2.2. gefährliche Körperverletzung, § 223, 224 StGB<br />

KG, Urteil vom 28.01.2005, 1 Ss 333/04 (149/04) = VRS 109, 112 =<br />

NZV 2006, 111<br />

Sachverhalt: Der Angeklagte befuhr rückwärts mit seinem Pkw die<br />

Zufahrt zu einem Grundstück. Hierbei war er sich bewusst, dass hinter<br />

seinem Fahrzeug der Nebenkläger stand. Der Angeklagte wollte<br />

diesen wegdrängen, wobei er zumindest billigend in Kauf nahm, dass<br />

der Zeuge hierbei verletzt werden könnte. Dieser sah keine andere<br />

Möglichkeit, als auf den Pkw aufzuspringen und sich am<br />

Heckscheibenwischer festzuhalten. Der Zeuge machte mit<br />

Faustschlägen auf dem Fahrzeugdach auf sich aufmerksam. Der<br />

Angeklagte hielt jedoch nicht an und fuhr bis auf die Straße, wo er<br />

abbremste. Hierdurch fiel der Zeuge auf den Boden. Er erlitt keine<br />

äußerlichen Verletzung, hat jedoch durch den Sturz auf die Straße ca.<br />

2 – 3 Tage Kopf- und Gliederschmerzen. Der Angeklagte entfernte<br />

sich.<br />

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen<br />

gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit<br />

gefährlicher Körperverletzung und Nötigung sowie unerlaubten<br />

Entfernens vom Unfallort zu Einzelstrafen von 60 Tagessätzen und 20<br />

Tagessätzen verurteilt. Hieraus wurde eine Gesamtgeldstrafe von 70<br />

Tagessätzen gebildet. Das Amtsgericht sprach außerdem ein<br />

Fahrverbot aus. Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft, beschränkt<br />

auf den Rechtsfolgenausspruch, Berufung ein. Ein erstes Urteil (9<br />

Monate Gesamtfreiheitsstrafe) wurde vom OLG aufgehoben. Die neue<br />

Verhandlung vor dem Landgericht führte zu einer Verwerfung der<br />

Berufung der Staatsanwaltschaft. Die Revision der Staatsanwaltschaft<br />

hatte Erfolg.<br />

Die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs kann auch<br />

in der Form begangen werden, dass das Mittel eingesetzt wird, sich<br />

aber nicht die Verletzung hierdurch ergibt. Dies kann z. B. der Fall<br />

sein, wenn die Verletzung durch einen Aufprall auf das Straßenpflaster<br />

entsteht und nicht durch den Pkw.<br />

Ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 StGB ist ein<br />

Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Art<br />

seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 50 von 121


herbeizuführen. Für die erhebliche Strafschärfung ist die Verwendung<br />

eines Tatwerkzeuges mit der Gefahr erheblicher Verletzungen<br />

maßgebend. Entscheidend ist dabei nicht der eingetretene Erfolg,<br />

sondern die Gefährlichkeit des Mittels.<br />

Strafzumessung: Eine Berufung führt hinsichtlich der Strafzumessung<br />

zu einer völligen Neuverhandlung der Sache. Es ist nicht Aufgabe des<br />

Berufungsgerichts eine angefochtenes Urteil auf Rechtsfehler zu<br />

überprüfen. Das Berufungsgericht hat also losgelöst von den<br />

Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils eine eigene, umfassende<br />

Strafzumessung vorzunehmen. Heißt es in dem Urteil, die Gründe des<br />

Amtsgerichts seien nicht zu beanstanden, lässt diese auf<br />

Ermessensfehler schließen.<br />

3. § 239 StGB, Freiheitsberaubung<br />

BGH, Urteil vom 20.01.2005 , 4 StR 366/04 = VRS 108, 362 = NZV<br />

2005, 541 = DAR 2005, 691 = BA 2005, 327<br />

Freiheitsberaubung in „anderer Weise“ kann auch durch schnelles<br />

Fahren mit einem Fahrzeug erreicht werden, wenn hierdurch ein<br />

Fahrzeuginsassen am Verlassen des Wagens gehindert wird. Das<br />

Einverständnis in eine Beförderung kann jederzeit frei widerrufen<br />

werden. Der Einwilligende muss den Widerruf jedoch eindeutig und<br />

unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Ist dies der Fall, reicht ein<br />

kurzer verkehrsbedingter Stopp nicht dazu, eine Zäsur dahingehend<br />

anzunehmen, dass nach der Weiterfahrt wieder eine Einwilligung erteilt<br />

ist.<br />

§ 181 StGB – Missbrauch von Ausweisen<br />

AG Nürnberg Urteil vom 21.04.2004, 55 Cs 702 Js 62068/04 = DAR<br />

2005, 410<br />

Wer ein Ausweispapier, dass für einen anderen ausgestellt ist, zur<br />

Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht, macht sich des Missbrauchs<br />

von Ausweispapieren schuldig. Bei einem Parkausweis für Behinderte<br />

handelt es sich um ein solches Ausweispapier.<br />

Die Angeklagte benutzte den Schwerbehindertenparkausweis der<br />

Mutter. Das Amtsgericht verurteilte sie daher zu einer Geldstrafe von<br />

40 Tagessätzen. Auf die Berufung ermäßigte das Landgericht die<br />

Geldstrafe auf 30 Tagessätze. Die hiergegen eingelegte Revision<br />

wurde verworfen.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 51 von 121


Beleidigung<br />

Die Bezeichnung eines Polizeibeamten, der eine Verkehrskontrolle<br />

durchführt, als Wegelagerer ist vom Grundrecht der Meinungsfreiheit<br />

gedeckt und keine Beleidigung. 1<br />

BayObLG, Beschluss vom 20.10.2004, 1 St RR 153/04 = DAR 2005,<br />

405<br />

Beleidigung<br />

KG, Urteil vom 12.08.2005, (4) 1 Ss 93/04 (91/04)<br />

Wird ein uniformierter Beamter der Schutzpolizei, der eine<br />

Fahrausweiskontrolle begleitet als Clown bezeichnet, handelt es sich<br />

nicht um die Kundgabe eines Werturteils, sondern um eine den<br />

Achtungsanspruch des Beamten verletzende Äußerung in Form einer<br />

Schmähkritik. Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe von 15<br />

Tagessätzen verurteilt.<br />

Urkundenfälschung<br />

AG Waldbröl, Urteil vom 19.07.2005, 4 Ds 385/05<br />

Wer mit Nagellack ein Kfz-Prüfzeichen übermalt, begeht eine<br />

Urkundenfälschung. Der Untergrundfarbe von Prüfplaketten kommt ein<br />

eigener Erklärungswert zu. Das Amtsgericht hat die Angeklagte zu<br />

einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen verurteilt.<br />

Die Prüfplaketten sind auch zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet<br />

und bestimmt. Gem. § 29 Abs. 7 S. 4 StVZO kann die<br />

Zulassungsbehörde den Betrieb eines Fahrzeugs im öffentlichen<br />

Verkehr untersagen oder beschränken, wenn sich eine der<br />

Prüfplaketten nicht am Fahrzeug befindet. Zudem wird das<br />

Überschreiten der Frist zur Hauptuntersuchung und zur<br />

Abgasuntersuchung als Ordnungswidrigkeit geahndet. Die<br />

Prüfplaketten lassen auch ihren Aussteller erkennen. Dafür ist es<br />

ausreichend, dass der Aussteller mittels Umständen, auf die der Inhalt<br />

der Urkunde hinweist, für die Beteiligten und Eingeweihten erkennbar<br />

ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Angeklagte hat<br />

die Urkunde auch verfälscht. Als Verfälschung ist jede nachträgliche<br />

1<br />

So auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.3.2003, 2b 224/04-2/03 =NJW 2003,<br />

3721<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 52 von 121


Veränderung des gedanklichen Inhalts einer echten Urkunde<br />

anzusehen.<br />

Ingebrauchnahme<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2005, 3 Ss 181/05<br />

Der Angeklagte besuchte Bekannte bzw. Nachbarn. Dort nahm er den<br />

Autoschlüssel mit. Die Angeklagte plante das Fahrzeug später zu<br />

entwenden. Etwa drei Wochen später öffnete sie mit dem Schlüssel<br />

den Wagen und fuhr fort. Es blieb unklar, ob sie das Fahrzeug nur zu<br />

einer Spritztour mit dem Verlobten benutzen wollte. Die Verurteilung<br />

wegen Diebstahls wurde aufgehoben. Das Landgericht hat keine<br />

hinreichenden Feststellungen zur Zueignungsabsicht getroffen. Diese<br />

liege im Unterschied zur unbefugten Ingebrauchnahme nur dann vor,<br />

wenn der Betroffene über das Fahrzeug wie ein Eigentümer unter<br />

dauerndem Ausschluss des Berechtigten verfügen will.<br />

4. § 240 StGB, Nötigung<br />

Nötigung ist kein Regelfall gem. § 69 StGB aber ein Fahrverbot gem. §<br />

44 StGB liegt nahe. Nötigung ist das Aufzwingen eines Verhaltens,<br />

dass von dem Geschädigten nicht gewollt wird. Es kann zu einem<br />

Verhalten, Dulden oder Unterlassen führen und muss mit der Drohung<br />

mit einem empfindlichen Übel von einigem Gewicht verbunden sein.<br />

Erforderlich ist eine unmittelbare Zwangswirkung 1 . Es kann darin<br />

liegen, dass jemand die linke Spur benutzt und so eine Überholen<br />

verhindert wird 2 oder durch gefährdendes Auffahren. 3 Auch<br />

Ausbremsen ist Nötigung, 4 das leichte Antippen der Bremse jedoch<br />

nicht. 5<br />

Das Verhalten des Täters muss darüber hinaus verwerflich sein, eine<br />

sozial unerträgliche Handlungsweise soll mit diesem Begriff erfasst<br />

werden.<br />

Nötigung wurde angenommen:<br />

� Blockieren der Überholspur,<br />

� Rammen eines Fahrzeuges,<br />

1 BGHSt 41, 482<br />

2 OLG Düsseldorf, DAR 2000, 367<br />

3 OLG Karlsruhe, VRS 19, 262<br />

4 BayObLG DAR 2002, 79<br />

5 OLG Köln, NZV 1997, 318<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 53 von 121


� reduzieren der Geschwindigkeit,<br />

� Schneiden.<br />

Nötigung wurde nicht angenommen:<br />

� Kurzes Anhalten auf der Überholspur,<br />

� Verkehrswidriges Gehen auf der Fahrbahn,<br />

� Hupen,<br />

� Versperren der Fahrbahn,<br />

� Sitzblockade<br />

Kurzzeitiges dichtes Auffahren, über wenige hundert Meter, auch mit<br />

Betätigen der Lichthube ist keine Nötigung.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 18.08.2005, 3 Ss 304/05<br />

Für die Annahme willensbeugende Gewalt (vis compulsiva) im<br />

Straßenverkehrs die Intensität der Einwirkung im Einzelfall<br />

entscheidend. Notwendig für die Annahme einer Nötigung ist<br />

regelmäßig eine Zwangswirkung von gewisser Dauer. Das Urteil muss<br />

daher Feststellungen treffen hinsichtlich der Dauer und Strecke des zu<br />

dichten Auffahrens sowie der gefahrenen Geschwindigkeiten.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 11.08.2005, 4 Ss 308/05<br />

Sonderfall Parkplatzkampf: Für Fußgänger der den Parkplatz<br />

versperrt wird in der Regel eine Nötigung verneint. 1 Bei dem<br />

Autofahrer besteht keine Einigkeit. 2<br />

4.1. Hindernis bereiten<br />

OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.01.2005, 3 Ss 107/04 = VRR 2005, 72<br />

Nötigung liegt nur vor, wenn ein Hindernis nicht umfahren werden<br />

kann.<br />

4.2. Abgrenzung § 240 StGB zu § 315b StGB<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 12.04.2005, 4 Ss 106/05 = VD 2005, 192<br />

Ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr setzt eine<br />

Schädigungsabsicht voraus. Wenn diese nicht festgestellt wird, kommt<br />

bei starkem Abbremsen aber eine Nötigung gemäß § 240 StGB in<br />

betracht. Insoweit kann die verhängte Einzelstrafe von sechs Monaten<br />

1<br />

OLG Hamm, NJW 1970, 2075; OLG Köln, NJW 1997, 2056<br />

2<br />

BayObLG, NJW 1995, 2646; Allerdings verneinend OLG Naumburg, NZV 1998,<br />

163<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 54 von 121


und sowie die Entziehung der Fahrerlaubnis und Anordnung einer<br />

Sperrfrist von sechs Monaten bestehen bleiben. Der Strafrahmen des<br />

vom Landgericht angenommenen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs<br />

in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 StGB und<br />

der Nötigung gemäß § 240 StGB sind gleich. Die<br />

Strafzumessungserwägungen des Landgericht haben in beiden Fällen<br />

gleichermaßen Bedeutung und deshalb trotz der Änderung des<br />

Schuldspruchs Bestand. In beiden Fällen hat sich der Angeklagte<br />

aufgrund der Tat auch als ungeeignet zum Führen von<br />

Kraftfahrzeugen erwiesen. Alleine die andere rechtliche Bewertung hat<br />

bei unveränderten tatsächlichen Feststellungen keine Auswirkung auf<br />

die Dauer des bestehenden Eignungsmangel.<br />

§ 315c StGB<br />

BGH, Beschluss vom 14.11.2006, 4 StR 446/06 bei Tepperwien DAR<br />

2007, 243<br />

Von dem Grundsatz, dass bei gleichzeitiger Verwirklichung eines<br />

gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und einer Gefährdung des<br />

Straßenverkehrs der Eingriff der Gefährdung verdrängt, gibt es<br />

Ausnahmen. Dies kann geschehen, wenn der Täter sein Fahrzeug in<br />

Teilen der Fahrt lediglich als Fluchtmittel benutzt hat.<br />

5. § 315b StGB<br />

5.1. Schädigungsabsicht<br />

BGH, Beschluss vom 01.09.2005, 4 StR 292/05 = DAR 2006, 30 = VD<br />

2005, 306<br />

1. Versucht ein Angeklagter, sich seiner Festnahme zu entziehen und<br />

fährt mit seinem Fahrzeug auf einen Polizeibeamten zu, liegt ein<br />

gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1 StGB<br />

nur vor, wenn er dabei einen Schädigungsvorsatz hat. Rechnet er<br />

damit, dass der Polizeibeamte rechtzeitig beiseite springt und hat er<br />

somit lediglich einen Gefährdungsvorsatz, liegen die Voraussetzungen<br />

des § 315b StGB nicht vor.<br />

2. Gleichwohl rechtfertigt ein solches Verhalten die Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis. Der Angeklagte hat versucht, sich der Festnahme<br />

wegen eines anderen Deliktes durch Polizeibeamte zu entziehen, in<br />

dem er mit einer Geschwindigkeit von teilweise mehr als 100 km/h<br />

unter Missachtung der Verkehrsregeln durch Signalanlagen fuhr und<br />

hierbei die Gefährdung eines Polizeibeamten in Kauf genommen hat.<br />

Er hat damit gezeigt, dass er bereit ist, die Sicherheit des<br />

Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen.<br />

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr<br />

OLG München, Beschluss vom 09.11.2005, 4 St RR 215/03 = VRS<br />

109, 441 = NZV 2006, 46 = NZV 2006, 219 = zfs 2006, 51<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 55 von 121


§ 315b Abs. 3 StGB erfordert die Absicht des Täters, einen<br />

Unglücksfall herbeizuführen. Sein Willen muss darauf gerichtet sein,<br />

einen Schaden herbeizuführen. Hierbei ist unbedingt direkter Vorsatz<br />

notwenig.<br />

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs zu<br />

einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und<br />

diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es die<br />

Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von einem Jahr<br />

angeordnet.<br />

Der Angeklagte hatte einen Aufprallunfall provoziert. Das Gericht hatte<br />

es dabei offen gelassen, ob dies geschah, um einen Altschaden<br />

regulieren zu können, oder ob er dies aus Verärgerung über<br />

vorheriges Verhalten eines anderen Kraftfahrers getan hat. Die<br />

Revision war erfolgreich: Zwar lässt sich im Falle der Verdeckung<br />

eines Altschadens eine Absicht, einen Unfall herbeizuführen, ohne<br />

Weiteres herleiten. Dies ist aber bei einem Handeln aus Verärgerung<br />

nicht ohne Weiteres ersichtlich.<br />

Für die Vollendung des Delikts des gefährlichen Eingriffes reicht der<br />

bedingte Schädigungsvorsatz aus. Dieser liegt nahe, wenn ein<br />

Kraftfahrer sein Fahrzeug aus Verärgerung abrupt abbremst, mit der<br />

Folge, dass es zu einem Auffahrunfall kommt. Dies gilt jedenfalls dann,<br />

wenn der Angeklagte weiß, dass das Heck seines Fahrzeuges einen<br />

Altschaden aufweist. In einem solchen Fall tritt die Überlegung, eine<br />

Beschädigung des eigenen Fahrzeuges solle nicht in Kauf genommen<br />

werden, in den Hintergrund.<br />

OLG München, Beschluss vom 09.11.2005, 4 St RR 25/03 = VD 2005,<br />

330<br />

§ 315b<br />

KG, Beschluss vom 06.01.2006, 1 Ss 72/05 (79/05) = VRS 111, 140<br />

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Beleidigung in zwei<br />

Fällen, versuchter Nötigung und Nötigung in drei Fällen, davon in zwei<br />

Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den<br />

Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier<br />

Monaten verurteilt, die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von<br />

24 Monaten festgesetzt. Die Revision war teilweise erfolgreich.<br />

Ein Verkehrsvorgang im fließenden Straßenverkehr wird nur dann zu<br />

einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, wenn zu dem<br />

bewusst zweckwidrigen Einsatz eines Fahrzeuges hinzukommt, dass<br />

es mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz missbraucht wird.<br />

Dazu reicht ein nötigendes Einwirken in Form von Ausbremsen zum<br />

Zwecke der Disziplinierung nicht aus. Dies ist in der Regel lediglich ein<br />

Gefährdungsvorsatz.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 56 von 121


Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr<br />

BGH, Beschluss vom 13.06.2006, 4 StR 123/06 = VRS 111, 138<br />

Für § 224 Abs. 2 Nr. 5 StGB ist es erforderlich, dass die Art der<br />

Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalles<br />

generell geeignet ist, das Leben zu gefährden. Dabei darf nicht erst<br />

eine mögliche Folge der Körperverletzungshandlung, die<br />

lebensgefährliche Eignung aufweisen.<br />

§ 315 b Abs. 1 StGB setzt in allen Tatbestandsvarianten eine<br />

besondere kausale Verknüpfung zwischen Gefährdungshandlung und<br />

Gefährdungserfolg voraus. Erforderlich ist, dass die Tathandlung eine<br />

abstrakte Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bewirkt, die<br />

sich zu einer konkreten Gefahr für das Schutzobjekt verdichtet.<br />

5.2. Künstlicher Stau<br />

LG Bückeburg, Beschluss vom 05.01.2005, Qs 77/04 = DAR 2006,<br />

103 = VRS 109, 174<br />

Es ist unzulässig, einen „künstlichen Stau“ zur Ergreifung von<br />

Straftätern zu provozieren, wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte<br />

(Alkoholisierung, rücksichtslose Fahrweise) bei dem Verdächtigten<br />

eine herabgesetzte Hemmschwelle gegenüber der Verletzung weiterer<br />

Rechtsgüter angenommen werden kann.<br />

Das Landgericht lehnt eine Eröffnung des Hauptverfahrens ab, obwohl<br />

es von der Rechtswidrigkeit der Stauprovokation ausgeht, weil es<br />

einen entschuldbaren Verbotsirrtum bei den Polizeibeamten annimmt.<br />

Abruptes Bremsen zum Zwecke der Erziehung<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 12.04.2005, 4 Ss 106/05<br />

Für einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr ist der bewusst<br />

zweckwidrige Einsatz des Fahrzeuges in verkehrsfeindlicher Absicht<br />

erforderlich, sowie zusätzlich ein mindestbedingter<br />

Verdächtigungsvorsatz. Kommt es dagegen in Folge eines bewussten<br />

abrupten Abbremsens (zur „Erziehung“) mit einem anschließenden<br />

Auffahrunfall, so liegt in der Regel nur eine Nötigung vor.<br />

6. § 315c StGB<br />

Konkrete Gefahr<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 20.10.2005, 2 Ss 381/05 = zfs 2006, 49<br />

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen<br />

Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen<br />

verurteilt, die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von 8<br />

Monaten verhängt. Die Revision führte zur Zurückverweisung.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 57 von 121


Bei einer Straßenverkehrsgefährdung muss es zu einer konkreten<br />

Gefahr kommen. Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn die<br />

Tathandlung über die inner wohnende Gefährlichkeit hinaus im<br />

Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Situation<br />

geführt hat. In dieser Situation muss die Sicherheit einer bestimmten<br />

Person oder Sache so beeinträchtigt worden sein, dass es nur noch<br />

von Zufall abhängt, ob das Rechtsgut verletzt wird oder nicht. Eine<br />

konkrete Gefährdung ist an Hand objektiver Kriterien, wie etwa<br />

Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge, des Abstands zwischen<br />

ihnen und der Beschaffenheit eventueller Ausweichmöglichkeiten zu<br />

ermitteln. Nur wertende Umstände, scharfes Abbremsen oder<br />

Ausweichen, reichen nicht aus. Die Gefahrenlage soll anschaulich<br />

beschrieben werden durch Angaben zum Fahrverhalten des<br />

Fahrzeuges, zu Reaktionen des Fahrers oder wahrnehmbaren<br />

Veränderungen des verkehrstypischen Geschehensablaufs. Eine<br />

konkrete Gefährdung liegt dann nicht vor, wenn es einem<br />

entgegenkommenden Fahrer noch möglich ist, auf das verkehrswidrige<br />

Überholen eines anderen Fahrers durch ein in Bereich des<br />

verkehrsüblichen liegenden Reaktion zu reagieren und den Unfall so<br />

abzuwenden.<br />

Gezieltes Abdrängen<br />

BGH, Beschluss vom 12.07.2005, 4 StR 170/05 = BA 2005, 479 = NZV<br />

2005, 650<br />

Setzt ein Verkehrsteilnehmer sein Kfz bewusst und gezielt ein, um eine<br />

Person zum Verlassen der Fahrbahn zu veranlassen, scheidet eine<br />

vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung aus. Dann kann nicht<br />

festgestellt werden, dass dieses Verhalten auf eine alkoholische<br />

Beeinflussung zurück geführt werden kann.<br />

Soll beim Überholen eine Gefährdung angenommen werden, muss<br />

das Gericht nähere Angaben zum Straßenverlauf, zur Fahrbahnbreite<br />

und zum zeitlichen Ablauf und zu den angenommenen<br />

Geschwindigkeiten machen.<br />

OLG München, Beschluss vom 23.05.2005, 4 St RR 21/05<br />

8. § 316a StGB, räuberischer Angriff auf einen Kraftfahrer<br />

Dir Rechtsprechung hat sich mit der Entscheidung, BGHSt 49, 8 =<br />

DAR 2004, 160, ausdrücklich geändert. Eine eng am Schutzzweck der<br />

Norm orientierte Auslegung des Tatbestandes gilt seitdem. Tatobjekt<br />

ist der Führer oder Mitfahrer eines Kraftfahrzeuges. Dabei ist<br />

erforderlich, dass das Opfer in dieser Eigenschaft noch zum<br />

Tatzeitpunkt, das heißt zum Zeitpunkt des Angriffes, diese<br />

Qualifikation erfüllt. Nicht mehr Führer ist zum Beispiel der Taxifahrer,<br />

der das Fahrzeug bereits ausgeschaltet und verlassen hat, um einen<br />

Koffer aus dem Kofferraum zu holen. Führer ist, wer noch mit<br />

Verkehrsvorgängen befasst ist, das ist auch unter Umständen der<br />

Taxifahrer, der anhält, aber bei laufendem Motor mit<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 58 von 121


Verkehrsvorgängen befasst ist (Beispielsweise auch Halt an roter<br />

Ampel). § 316a liegt aber nicht mehr vor, wenn der Betroffene mit<br />

einem Fahrzeug „vereinzelt“ wird, transportiert wird an einen Ort, an<br />

dem er keine Möglichkeit sieht, sich zu verteidigen. Neues Kriterium<br />

ist, „unter Ausnutzung der Besonderheiten des Straßenverkehrs“.<br />

BGHSt 15, 169 und BGH NStZ-RR 2006, 185: Der Taxifahrer, der den<br />

Motor weiterlaufen lässt, ist noch Führer eines Kraftfahrzeuges. Hält er<br />

allerdings an, erfolgt der Angriff nicht mehr unter Ausnutzung der<br />

spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs. Anders dagegen,<br />

wenn der Angriff im fließenden Verkehr erfolgt, dann in der Regel:<br />

„unter Ausnutzung“.<br />

BGH, Beschluss vom 28.06.2005, 4 StR 299/04 = VRS 109, 182 =<br />

NZV 2005, 539 = DAR 2005, 519 = StV 2005, 497 = StraFo 2005, 388<br />

Nach dem Tatbestand des § 316a StGB ist eine zeitliche Verknüpfung<br />

dergestalt erforderlich, dass das Opfer beim Verüben des Angriffs<br />

entweder Führer oder Mitfahrer eines Kraftfahrzeuges ist, er das<br />

Fahrzeug in Bewegung zu setzen beginnt, es in Bewegung hält oder<br />

allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeuges und/oder mit der<br />

Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist. Danach ist Führer<br />

des Kraftfahrzeuges stets derjenige, der es im Straßenverkehr in<br />

Bewegung hält. Befindet sich das Fahrzeug in dem sich das<br />

potenzielle Tatopfer aufhält, nicht mehr in Bewegung, so ist darauf<br />

abzustellen, ob das Opfer noch mit der Bewältigung von Betriebs-<br />

oder Verkehrsvorgängen befasst ist. Bei einem verkehrsbedingten<br />

Halt, wird dies in der Regel zu bejahen sein, weil der Lenker eines<br />

Kraftfahrzeuges in einer solchen Situation seine Aufmerksamkeit<br />

weiter auf das Verkehrsgeschehen richten muss.<br />

Weiter muss der Angriff aber unter Ausnutzung der besonderen<br />

Verhältnissen des Straßenverkehrs erfolgen. Danach ist erforderlich,<br />

dass der tatbestandsmäßige Angriff gegen das Tatopfer als<br />

Kraftfahrzeugführer unter Ausnutzung der speziellen Bedingungen des<br />

Straßenverkehrs begangen wird. Das ist objektiv der Fall, wenn der<br />

Führer eines Kraftfahrzeuges im Zeitpunkt des Angriffs noch in einer<br />

Weise mit der Beherrschung des Fahrzeuges oder der Bewältigung<br />

von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er grade deshalb leichter<br />

zum Angriffsobjekt des Überfalls wird.<br />

Für das Ausnutzen der darin liegenden besonderen Verhältnisse ist in<br />

subjektiver Hinsicht allerdings nicht zu verlangen, dass der Täter eine<br />

solche Erleichterung seines Angriffes zur ursächlichen Bedingungen<br />

seines Handelns macht. Vielmehr genügt es, dass er sich in<br />

tatsächlicher Hinsicht der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers<br />

einschränkenden besonderen Verhältnisses des Straßenverkehrs<br />

bewusst wird. Dies alles liegt nahe, wenn während des fließenden<br />

Verkehrs ein Angriff erfolgt oder ein Halt nur Verkehrsbedingt<br />

veranlasst ist.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 59 von 121


Grundsätzlich kann auch bei einem Halt aus anderen Gründen in<br />

Folge der spezifischen Bedingung des Straßenverkehrs eine<br />

Gegenwehr erschwert sein. Eine Erschwerung der Gegenwehr folgt<br />

bei einem nicht Verkehrs bedingten Halt jedoch nicht ohne weiteres<br />

daraus, dass der Motor noch läuft und der Fahrer zum Zeitpunkt des<br />

Angriffs noch mit dem Betrieb des Fahrzeugs beschäftigt ist. So liegt<br />

bei einem nicht verkehrsbedingten Halt mit laufenden Motor außerhalb<br />

der allgemeinen Verkehrsfahrbahn ohne eingelegten Gang bei<br />

angezogener Handbremse eine Erschwerung der Gegenwehr gerade<br />

in Folge der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs nicht vor,<br />

wenn der Kraftfahrzeugführer wie etwa der Taxifahrer beim Kassieren<br />

des Fahrpreises seine Tätigkeit nicht in erster Linie auf das Führen des<br />

Fahrzeuges, sondern auf andere Tätigkeiten richtet. Bei einem nicht<br />

verkehrsbedingten Halt müssen daher neben der Tatsache, dass der<br />

Motor des Kraftfahrzeuges noch läuft, weitere verkehrsspezifischen<br />

Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass das Tatopfer als<br />

Kraftfahrzeugführer zum Zeitpunkt des Angriffes noch in einer Weise<br />

mit der Beherrschung des Fahrzeuges beschäftigt war, dass er gerade<br />

deshalb leichter Opfer des räuberischen Angriffs wird.<br />

Räuberischer Angriff auf einen Kraftfahrer<br />

BGH, Beschluss vom 17.02.2005, 4 StR 537/04<br />

Führer eines Kraftfahrzeuges ist auch, wer sein Fahrzeug kurzfristig<br />

anhält, um einen Anhalter aufzunehmen. In einer solchen Situation ist<br />

der Geschädigte noch so mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs<br />

beschäftigt und dadurch abgelehnt, wodurch der Angriff des Täters<br />

erleichtert wird. Dies hat der Angeklagte bemerkt und auch ausgenutzt.<br />

Geschwindigkeitsbeschränkung Autobahnauffahrt<br />

EU-Führerschein § 21 StVG<br />

Die Anerkennung eines in einem Mitgliedstaat der EU nach Ablauf<br />

einer Sperrfrist ausgestellten Führerscheins kann von der Vorlage<br />

eines positiven Gutachtens abhängig gemacht werden. Erfolgt dies<br />

nicht, ist die Verwaltung berechtigt, Maßnahmen zu ergreifen. Eine<br />

Verfügung von der Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik<br />

keinerlei Gebrauch zu machen, ist dann wirksam.<br />

AG Kassel, Urteil vom 19.07.2005, 9831 Js 47054/03 – 280 Ds = NZV<br />

2005, 601<br />

Fahren ohne Fahrerlaubnis (Gestatten)<br />

Gestatten kann auch darin liegen, dass man den Zündschlüssel nicht<br />

sicher und unerreichbar für den Fahrer (ohne Fahrerlaubnis)<br />

aufbewahrt. Dann kann der Angeklagten Fahrlässigkeit vorgeworfen<br />

werden.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 24.08.2005, 1 Ss 168/05<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 60 von 121


10. Der Tatbestand des Missbrauchs von Wegstreckenzählern<br />

und Geschwindigkeitsbegrenzern 1<br />

§ 22b StVG hätte auch hinter § 268 StGB angeordnet werden können,<br />

da sich nicht um eine reine verkehrsrechtliche Bestimmung handelt.<br />

Die Vorschrift passt allerdings zu § 22 StVG, das eigentlich eine<br />

Auffangbestimmung im Bereich der Urkundendelikte ist. Der BGH hat<br />

in BGHSt 29, 204 bestimmt, dass es zu den wesentlichen Kriterien<br />

technischer Aufzeichnungen gehört, dass die Information in einem<br />

selbstständigen und dauerhaft von Gerät abtrennbaren Element<br />

enthalten sein muss. Damit schieden Manipulationen am<br />

Kilometerzähler eines Kraftfahrzeuges nicht mehr unter dieser Norm.<br />

Veränderungen und Manipulationen an diesen Kilometerzählern waren<br />

dann nur noch strafbar, wenn über die Laufleistung eines Fahrzeuges<br />

getäuscht werden sollte, um so einen höheren Kaufpreis zu erzielen.<br />

Dann lag ein Betrug im Sinne von § 263 StBG vor. Beobachten werden<br />

konnte in der letzten Zeit, dass im Internet und den Anzeigen,<br />

Manipulationen, bezeichnet als Nachjustieren, angeboten wurden. Der<br />

Betrug beim Verkauf eines Fahrzeuges war dann nicht mehr<br />

nachzuweisen.<br />

Gem. § 3 StGB gilt Deutsches Strafrecht nur für Taten, die im Inland<br />

gegangen werden. Anzeigen, dass jenseits der Grenze der<br />

Bundesrepublik solche Manipulationen vorgenommen werden, werden<br />

daher von § 22b StVG nicht erfasst. Zu einer Strafbarkeit über § 7<br />

StGB würde es nur führen, wenn in den dortigen Ländern die<br />

Manipulation ebenfalls mit Strafe bedroht ist.<br />

Strafbar sind auch Vorbereitungshandlungen: Das Herstellen und der<br />

Vertrieb entsprechender Computerprogramme. In diesen Fällen<br />

besteht aber die Möglichkeit der tätigen Reue. Wer die Ausführung der<br />

vorbereitenden Handlungen freiwillig aufgibt oder die Vollendung<br />

verhindert, die Programme vernichtet oder unbrauchbar macht, ihr<br />

Vorhandensein einer Behörde anzeigt oder dort abliefert, wird nicht<br />

bestraft. Nicht erfasst wird von der Regelung auch die digitale<br />

Programmierung von Wegstreckenzählern zum Zwecke von deren<br />

Umstellung, Reparatur oder Justierung und die Herstellung hierfür<br />

notwendiger Programme. 2 Begründet wird dies damit, dass eine<br />

1 S.a. Blum, NZV 2007, 70<br />

2 BVerfG, NJW 2006, 2318<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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Fälschung nicht vorliegt, wenn zum Zwecke der Reparatur oder<br />

Datenwiederherstellung auf dem Wegstreckenzähler eingewirkt wird.<br />

Frage: Ist die Manipulation einer mitbestraften Vortat, wenn es<br />

anschließend zu einem Betrug kommt?<br />

Dagegen spricht aber, dass das kriminelle Unrecht des Täters allein<br />

mit der Verurteilung wegen Betruges nicht hinreichend erfasst und<br />

beleuchtet wird.<br />

Frage: Ist der Auftraggeber, der einen Dritten mit der Manipulation<br />

beauftragt, Täter oder Anstifter?<br />

Geschwindigkeitsbegrenzer wurden mit der Vorschrift den<br />

Wegstreckenzählern gleich gestellt. Geschwindigkeitsbegrenzer sind<br />

Einrichtungen, die im Kraftfahrzeug in erster Linie durch Steuerung der<br />

Kraftstoffzufuhr zum Motor die Fahrzeughöchstgeschwindigkeit<br />

beschränken (§ 57c Abs. 1 StVZO). Alle Kraftomnibusse, Lkw,<br />

Zugmaschinen und Sattelzugmaschinen mit einer zulässigen<br />

Gesamtmasse von jeweils mehr als 3,5 Tonnen müssen mit solchen<br />

Geschwindigkeitsbegrenzern ausgerüstet sein. Damit wurde eine<br />

Manipulation dieser Geschwindigkeitsbegrenzer von einer<br />

Ordnungswidrigkeit zur Straftat hochgestuft.<br />

Frage: Ist auch der Gebrauch eines funktionsuntüchtigen<br />

Geschwindigkeitsbegrenzers strafbar? Wahrscheinlich bleibt insoweit<br />

nur die Ordnungswidrigkeit nach § 57c Abs. 2 oder § 57 Abs. 5 in<br />

Verbindung mit § 69a Abs. 3 Nr. 25 PStVZO.<br />

Da der Wegstreckenzähler bzw. der Geschwindigkeitsbegrenzer<br />

notwendiges Tatmittel sind, scheidet eine Einziehung nach § 74 StGB<br />

aus. § 22b Abs. 3 gibt jedoch eine erweiterte Einziehungsmöglichkeit.<br />

Da auf § 74a StGB verwiesen wird, ist auch die Dritteinziehung<br />

möglich.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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VI. <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> - Verfahren<br />

Grundsatz<br />

OLG Köln, Beschluss vom 30.06.2005, 8 Ss – Owi 103/05 = VRS 109,<br />

193 = BA 2006, 236<br />

Auch im Bußgeldverfahren muss der Tatrichter seine<br />

Überzeugungsbildung im Urteil so ausführlich darlegen, dass das<br />

Beschwerdegericht in die Lage versetzt wird, das Urteil darauf zu<br />

überprüfen, ob der Tatrichter sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen<br />

gehalten hat und die tatsächliche Beurteilung auf rechtlich zutreffenden<br />

Erwägungen beruht. Dabei ist namentlich die Einlassung des<br />

Betroffenen eingehend zu würdigen. Stützt das Gericht seine<br />

Überzeugung auf das Gutachten eines Sachverständigen, so sind die<br />

wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen<br />

mitzuteilen.<br />

Fahrlässigkeit<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.01.2006, 3 Ss 160/05 = DAR 2006,<br />

340<br />

Bei fahrlässigen Erfolgsdelikten ist für die Erfolgszurechnung über die<br />

kausale Verursachung hinaus erforderlich, dass sich gerade durch die<br />

Pflichtwidrigkeit des Täters gesetzte Gefahr der eingetretene Erfolg<br />

verwirklicht und der Erfolg in den Schutzbereich der verletzten<br />

Sorgfaltsnorm fällt.<br />

Ein Erfolg der auf ein sorgfaltswidriges Verhalten zurückgeführt<br />

werden kann ist dann nicht zurechenbar, wenn die verletzte<br />

Sorgfaltspflicht nicht den Zweck hat, Erfolge der herbeigeführten<br />

Art zu verhindern. Dient eine Geschwindigkeitsbeschränkung einer<br />

erhöhten Rutschgefahr (wegen neuem Fahrbahnbelages)<br />

entgegenzuwirken, ist der Schutzzweck nicht den Verkehr auf der<br />

bevorrechtigen Landstraße wegen Einmündungsverkehrs zu<br />

beschränken.<br />

1. Tatmehrheit/Tateinheit 1<br />

1. Werden durch die selbe Handlung mehrere geringfügige<br />

<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> begangen, für die eine Verwarnung mit<br />

1 Siehe auch Lippert VD 2005, 179<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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Verwarnungsgeld in Betracht kommt, so wird nur ein Verwarnungsgeld<br />

festgesetzt und zwar das Höchste der in Betracht kommenden.<br />

2. Hat der Betroffene durch mehrere Handlungen geringfügige<br />

<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> begangen oder gegen dieselbe Vorschrift<br />

mehrfach verstoßen, so sind die einzelnen Verstöße getrennt zu<br />

verwarnen. Die Behörde muss jedoch prüfen, ob die Handlung oder<br />

die Handlungen insgesamt noch geringfügig sind. Nicht zulässig ist es,<br />

wegen mehrerer <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> gleichzeitig mehrere<br />

Verwarnungen zu erteilen, wenn dabei die Höchstgrenze von 35,00<br />

Euro überschritten wird.<br />

1.1.Beispiele für Tateinheit:<br />

� Fahren mit Reifen ohne ausreichendes Profil und hierbei<br />

begangene Verstöße. 1<br />

� Ineinander übergehende Geschwindigkeitsüberschreitungen<br />

außerhalb und innerhalb von Ortschaften. 2<br />

� Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit und missbräuchliche<br />

Benutzung von Nebelscheinwerfern und Nebelschlussleuchten. 3<br />

� Überladen eines LKWs und eines Anhängers. 4<br />

� Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und<br />

gleichzeitiges Überholen von PKW ohne ausreichende Sicht. 5<br />

� Nichtbeachten der Vorgeschriebenen Fahrtrichtung, die<br />

Nichtbefolgung eines Haltezeichens eines Polizeibeamten und<br />

Nichtanlegen eines Sicherheitsgurtes. 6<br />

� Geschwindigkeitsüberschreitung und kurz darauf begangene<br />

Abstandsunterschreitung 7 .<br />

Tatmehrheit<br />

� Unterlassen der Beschriftung des Schaublatt des<br />

Fahrtenschreibers und während der Fahrt begangene<br />

Übertretungen. 8<br />

� Unterlassen der Hauptuntersuchung und der<br />

Abgasuntersuchung.<br />

1 OLG Hamm, VRS 47, 467<br />

2 BayObLG, VRS 50, 392<br />

3 OLG Hamm, VRS 51, 63<br />

4 OLG Köln, VRS 53, 450<br />

5 OLG Koblenz, VRS 71, 145<br />

6 OLG Düsseldorf, VRS 73, 387<br />

7 OLG Zweibrücken, VRS 105, 144 = DAR 3003, 281<br />

8 OLG Hamm, VRS 29, 62; OLG Hamm, VRS 60, 50; OLG Hamm NZV 1999, 220<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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� Geschwindigkeitsüberschreitung im Abstand von 75 Minuten. 1<br />

Tateinheit<br />

Ist über eine Tat durch Urteil rechtskräftig entschieden, kann die selbe<br />

Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Das Führen<br />

eines Kraftfahrzeuges unter Einfluss von Alkohol und das zeitgleiche<br />

Verwenden des Mobiltelefons gemäß § 23 Abs. 1a StVO beruhen auf<br />

sich überlagernden Willensbetätigungen und stellen sich als<br />

zeitgleiches Handeln der Außenwelt dar.<br />

Der Begriff der Tat richtet sich nach dem prozessualen Tatbegriff des<br />

§ 264 StPO, der auch im OWiG Geltung hat. Tat in diesem Sinne ist<br />

ein bestimmter Lebensvorgang, ein bestimmtes geschichtliches<br />

Ereignis, innerhalb dessen der Betroffene einen Bußgeldtatbestand<br />

verwirklicht. Ein solch einheitlicher geschichtlicher Vorgang liegt vor,<br />

wenn einzelne Lebenssachverhalte und Verhaltensweisen inhaltlich so<br />

miteinander verknüpft sind, dass Sie nach der Lebensauffassung eine<br />

Einheit bilden der Gestalt, dass Ihre Behandlung in getrennten<br />

Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines zusammengehörenden<br />

Geschehens erscheinen würde.<br />

Macht eine Verwaltungsbehörde eine Tat im verfahrensrechtlichen<br />

Sinne zum Gegenstand einer bußgeldrechtlichen Untersuchung, so<br />

trifft sie auch eine umfassende „Kognitionspflicht“. Der geschichtliche<br />

Vorgang ist deshalb erschöpfend im Hinblick auf verwirklichte<br />

Bußgeldtatbestände zu untersuchen. Tateinheit ist auch gegeben, weil<br />

beide Handlungen an dem Fahrvorgang anknüpfen. Das Telefonieren<br />

ist nur während, nicht aber außerhalb des Fahrvorganges verboten.<br />

Nach Rechtskraft des Bußgeldbescheides wegen des Verstoßes<br />

gegen § 23 Abs. 1a StVO durfte daher eine Verurteilung nicht mehr<br />

erfolgen.<br />

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24.03.2006, S (B) 2/06 (3/06) =<br />

VRS 110, 362<br />

Tateinheit/Tatmehrheit<br />

Die Annahme einer Tatmehrheit zwischen einem Autodiebstahl und<br />

einer Trunkenheitsfahrt sowie Fahren ohne Fahrerlaubnis kommt nicht<br />

in Betracht, wenn die Wegnahme des Pkw durch das Wegfahren<br />

1 Thüringer OLG NZV 1999, 478<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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erfolgt. Die den Straftatbeständen zugrundeliegenden Handlungen<br />

sind identisch.<br />

BGH, Beschluss vom 08.08.2006, 4 StR 263/06 = VD 2006, 278 =<br />

DAR 2007, 371<br />

Liegt Tateinheit vor, wird nur eine einheitliche Geldbuße festgesetzt.<br />

Dieselbe Handlungen im Sinne des Gesetzes ist dabei eine einzige<br />

Willensbetätigung oder eine natürliche Handlungseinheit. Eine<br />

natürliche Handlungseinheit ist gegeben, wenn mehrere<br />

Verhaltensweisen in einem solch unmittelbaren (räumlichen und<br />

seitlichen) Zusammenhang stehen, dass das gesamte tätig werden bei<br />

natürlicher Betrachtungsweise auch für einen dritten objektiv als ein<br />

einheitlich zusammengefasstes Tun anzusehen ist. Die Gleichzeitigkeit<br />

der Verletzung bewirkt noch keine Handlungsidentität im Sinne von §<br />

19 OWiG. Vielmehr ist erforderlich, dass diejenige Handlung, die einen<br />

Tatbestand ganz oder teilweise verwirklicht, zugleich einen anderen<br />

Tatbestand ganz oder teilweise erfüllt. Zur Abgrenzung gegenüber<br />

möglicherweise „nur gleichzeitige“, „nur gelegentlich“ einer Dauertat<br />

begangenen Verstöße wird in der Rechtsprechung gefordert, dass<br />

Identität in einem für beide Tatbestandsverwirklichungen in der<br />

konkreten Form notwendigen Teil vorliegen muss, dass das<br />

Dauerdelikt selbst einen Tatbestand erheblichen Tatbeitrag zu dem<br />

jeweiligen anderen Verstoß bildet. Dies trifft auf das nicht anlegen des<br />

Sicherheitsgurtes und anderer <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>, die während der<br />

Tat begangen werden, zu.<br />

Zwischen Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes und einer auf der Fahrt<br />

begangenen Ordnungswidrigkeit besteht Tateinheit.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 31.01.2006, 2 Ss Owi 63/06 = SVR 2007,<br />

186 = DAR 2006, 338 = VRS 110, 281 = zfs 2006, 351<br />

Längere Fahrt<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 01.07.2005, 1 Ss 67/05 = VRS<br />

210,52<br />

Geschwindigkeitsüberschreitungen, die auf Autobahnkilometer 258<br />

und 339 begangen werden, sind in Tatmehrheit begangen, auch wenn<br />

die Fahrt zwischendurch nicht unterbrochen war.<br />

Eine Tat im prozessualen Sinne bezeichnet ein konkretes Geschehen,<br />

das einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang bildet und Merkmale<br />

enthält, die es von denkbaren anderen ähnlichen oder gleichartigen<br />

Vorkommnissen unterscheidet und umfasst das gesamte Verhalten<br />

des Täters, soweit dieses nach der natürlichen Auffassung des Lebens<br />

eine Einheit bildet.<br />

Die Handlungen müssen dabei nach dem Ergebnislauf zeitlich,<br />

räumlich und innerlich so miteinander verknüpft sein, dass sich ihre<br />

getrennte Würdigung und Ahndung als unnatürliche Aufspaltung<br />

eines einheitlichen Lebensvorganges darstellen würde. Der zeitliche<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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Ablauf der einzelnen Handlungen und der zeitliche Abstand zwischen<br />

ihnen sind wesentliche Kriterien für die Beurteilung, ob ein<br />

einheitliches Tatgeschehen vorliegt. Im Rahmen von<br />

Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr ist davon auszugehen, dass<br />

mit dem Ende eines bestimmen Verkehrsgeschehens, das durch<br />

ein anderes abgelöst wird, in der Regel das tatbildende geschichtliche<br />

Ereignis abgeschlossen ist. Maßstab ist daher nicht Beginn und Ende<br />

einer Fahrt, denn während einer einzelnen Fahrt von einiger Dauer<br />

stellen sich dem Kraftfahrer ständig neue Verkehr- und damit<br />

einhergehend wechselnde Pflichtenlagen, gegenüber denen er<br />

regelmäßig erneut die Entscheidung über sein Fahrverhalten treffen<br />

muss. Bei einer solchen einheitlichen Fahrt ist daher immer zusätzlich<br />

darauf abzustellen, ob die mehreren Verstöße nach den dargestellten<br />

Grundsätzen zum prozessualen Tatbegriff zu einem einheitlichen<br />

historischen Vorgang zusammengefasst werden können. Ein nicht nur<br />

verkehrsbedingtes Anhalten stellt dabei zwar eine hinreichende,<br />

jedoch keine notwendige Bedingung dar, um von mehreren Taten im<br />

verkehrsrechtlichen Sinne auszugehen.<br />

Geschwindigkeit und Tatmehrheit<br />

OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.05.2005, 1 Ss (OWi) 87 B/05 =<br />

DAR 2005, 521 = NZV 2006, 109<br />

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen zweier<br />

Geschwindigkeitsüberschreitungen zu zwei Geldbußen von 90 € und<br />

180 € verurteilt. Weiter hat es ein Fahrverbot von einem Monat<br />

angeordnet.<br />

Der Betroffene hatte – nach Passieren einer Schilderbrücke - die<br />

zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h überschritten. 1,5 km<br />

darauf passierte das Fahrzeug eine weitere Schilderbrücke, wobei die<br />

Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkt wurde. In diesem<br />

Bereich befuhr der Betroffene die Autobahn mit einer Geschwindigkeit<br />

von 160 km/h.<br />

Dass es sich bei mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen auch im<br />

Verlauf einer Fahrt regelmäßig um mehrere Taten handelt, ist<br />

Auffassung der meisten Gerichte. Die Tatsache, dass mehrere<br />

Verstöße auf der gleichen Fahrt begangen wurden, ändert nichts<br />

daran, dass Fahrten als solche keine rechtliche Klammer zu den<br />

einzelnen Fehlverhaltensweisen im Verkehr bildet. Eine einzige Tat im<br />

Sinne einer natürlichen Handlungseinheit liegt nur dann vor, wenn<br />

strafrechtlich oder ordnungswidrigkeiteinrechtlich erhebliche<br />

Verhaltensweisen durch einen derart unmittelbar zeitlich–räumlichen<br />

und inneren Zusammenhang gekennzeichnet sind, dass sich der<br />

gesamte Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen<br />

unbeteiligten Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun<br />

darstellt.<br />

Verkehrsverstoß Tatmehrheit<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

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OLG München, Beschluss vom 23.05.2005, 4 St RR 21/05 = VRS 109,<br />

188= NZV 2005, 544<br />

Verschiedene Überholvorgänge auf derselben Fahrt können trotz<br />

engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs mehrere Taten im<br />

Sinne von § 264 Abs. 1 StPO sein. Mit dem Ende eines bestimmten<br />

Verkehrsgeschehens, das durch ein anderes abgelöst wird, ist in der<br />

Regel das tatbildende geschichtliche Ereignis abgeschlossen.<br />

Während der Dauer einer Fahrt stellen sich dem Kraftfahrer ständig<br />

neue Verkehrslagen, gegenüber denen er regelmäßig erneut<br />

Entscheidung über sein Fahrverhalten treffen muss. Begeht er dabei<br />

mehrfach Verkehrsverstöße auch gleicher Natur, können doch Gründe<br />

für diese Zuwiderhandlung unterschiedlich sein, sowohl was die Motive<br />

als auch die Schuldform oder die Ursache fahrlässigen Versagens<br />

betrifft. Es muss daher immer zusätzlich darauf abgestellt werden, ob<br />

mehrere Verstöße nach den dargestellten Grundsätzen zu<br />

prozessualem Tatbegriff, zu einem einheitlichen historischen Vorgang<br />

zusammengefasst werden können, oder ob sie nach den Umständen<br />

des Einzelfalles verschiedenen Verkehrsvorgängen während der<br />

gleichen Fahrt zugeordnet werden müssen.<br />

Wer überholt, obwohl er nicht übersehen kann, dass während des<br />

ganzen Vorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs<br />

ausgeschlossen ist, verstößt nur gegen § 5 Abs. 2 Satz 1 StVO.<br />

Zigarettenschmuggel<br />

BVerfG, Beschluss vom 01.11.2005, 2 BvR 2125/04<br />

Werden vor oder nach anderen Straftaten auch Verkehrsdelikte<br />

begangen, handelt es sich nicht um die selbe Tat, wenn auf Grund<br />

einer zeitlichen und räumlichen Entfernung vom Beladeort eine Zäsur<br />

vorlag und die Verkehrsdelikte auf Grund eines neuen, spontanen<br />

gefassten Tatentschlusses begangen wurden.<br />

Der Angeklagte brachte Zigaretten nach Deutschland und<br />

transportierte sie in seinem in Grenznähe geparktem PKW. 10<br />

Kilometer vom Abfahrtsort entfernt, sollte der Angeklagte kontrolliert<br />

werden. Hierbei leistete er den Haltesignalen keine Folge. Er<br />

durchbrach Polizeisperren. Nachdem er wegen gewerbsmäßigen<br />

Schmuggelns verurteilt worden war, wurde er auch noch wegen<br />

gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Widerstand gegen<br />

Vollstreckungsbeamte angeklagt. Eine gegen diese Verurteilung<br />

gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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1.2. BtM<br />

BGH, Beschluss vom 27.04.04, 1 StR 466/03 = SVR 2005, 194 = NZV<br />

2005, 52 = DAR 2005, 223<br />

Zwischen dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmittel und der<br />

zeitgleich begangenen Ordnungswidrigkeit des Führen eines<br />

Fahrzeuges unter der Wirkung berauschender Mittel, besteht<br />

verfahrensrechtlich keine Identität sondern Tatmehrheit. Die objektiven<br />

tatbestandlichten Ausführungshandlungen beider Delikte decken sich<br />

nicht einmal teilweise. Die natürliche Betrachtungsweise kommt es zu<br />

dem Ergebnis, dass zwei selbstständige, von gesondert erfassten<br />

Tatentschlüssen beruhende Willensbetätigungen notwendig sind.<br />

Parkverstöße<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 03.11.2005, 1 Ss 226/05 = DAR<br />

2006, 162<br />

Gegen den Betroffenen war ein Bußgeldbescheid ergangen, weil er an<br />

den identischen Stelle von 10:13 Uhr bis 10:18 Uhr und 10:50 Uhr und<br />

10:56 Uhr parkte. Das OLG hat das zweite Verfahren eingestellt<br />

wegen Verstoßes gegen den Grundsatz „ne bis in idem“.<br />

Verbotswidriges Parken ist ein Dauerdelikt.<br />

Dauerordnungswidrigkeiten sind Handlungen, bei denen der Täter den<br />

von ihm durch die Verwirklichung des Bußgeldtatbestandes<br />

geschaffenen rechtswidrigen Zustand aufrecht erhält oder die mit<br />

Bußgeld bewährte Tätigkeit ununterbrochen fortsetzt, sodass sich der<br />

Vorwurf sowohl auf die Herbeiführung als auch auf die<br />

Aufrechterhaltung des Zustandes bezieht. Das der Betroffene die<br />

Möglichkeit hatte, den ordnungswidrigen Zustand zwischenzeitlich zu<br />

beenden, führt nicht zum Wegfall des Dauerdeliktes. Selbst wenn der<br />

Betroffene die angebrachte Verwarnung wahrgenommen hat und in<br />

Kenntnis dessen den Pkw nicht weggefahren hat, ändert dies nichts.<br />

1.4. Wahlfeststellung<br />

OLG Rostock, Beschluss vom 01.04.2005, 2 Ss (Owi) 389/04 I 246/04<br />

= VD 2005, 189 = VRS 109, 27<br />

Im Bußgeldbescheid bzw. im Urteil muss die Tat ausreichend<br />

konkretisiert sein. Eine Tat ist dann hinreichend konkretisiert, wenn der<br />

Verkehrsvorgang, der mögliche Verkehrsverstoß hinreichend<br />

erkennbar ist und eine Verwechslung mit einem anderen Zeitpunkt<br />

oder einen an einem anderen Ort begangenen Verkehrsverstoß<br />

ausgeschlossen ist. Dies hat zur Folge, dass auch ein<br />

Bußgeldbescheid, der einen Rotlichtverstoß zum Gegenstand hat,<br />

einen Verkehrsvorgang ausreichend konkretisiert, bei dem zugleich<br />

eine Geschwindigkeitsüberschreitung stattgefunden haben soll.<br />

Ein alternativ zu einem Rotlichtverstoß abgeurteilter<br />

Geschwindigkeitsverstoß umfasst auch dieselbe Tat im Sinne von<br />

Artikel 103 Abs. 3 GG. Bezeichnet wird hier ein konkretes Geschehen,<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

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dass einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang bildet und Merkmale<br />

enthält, die es von denkbaren anderen ähnlichen oder gleichartigen<br />

Vorkommnissen unterscheidet; ein solcher Verstoß umfasst das<br />

gesamte Verhalten eines Täters, soweit dies nach der natürlichen<br />

Lebensauffassung eine Einheit bildet. Die Handlungen müssen dabei<br />

nach dem Ereignisablauf zeitlich, räumlich und innerlich so miteinander<br />

verknüpft sein, dass sich ihre getrennte Würdigung und Ahndung als<br />

unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges<br />

darstellt.<br />

Im konkreten Fall hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen<br />

wahlweiser Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit oder<br />

qualifiziertem Rotlichtverstoß verurteilt. Die Rechtsbeschwerde<br />

hiergegen war begründet. Zwar ist auch eine Wahlfeststellung im<br />

<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>recht denkbar. Vorraussetzung ist aber eine<br />

vollständige Aufklärung des Sachverhaltes.<br />

Ein qualifizierter Rotlichtverstoß kann nur angenommen werden,<br />

wenn ausreichend sichere Feststellungen dazu getroffen werden, in<br />

welcher Entfernung sich das Fahrzeug vor der Ampel befand als diese<br />

auf Rotlicht umschaltete und mit welcher Geschwindigkeit der<br />

Betroffene fuhr. Die gefühlsmäßige Schätzung der Dauer des Rotlichts<br />

durch einen Beobachter reicht zur Feststellung eines qualifizierten<br />

Rotlichtverstoßes nicht aus.<br />

Verwarnung<br />

Sachverhalt: Die Verwaltungsbehörde hat gegen den Betroffenen<br />

einen Bußgeldbescheid über 35,- € erlassen und dem Betroffenen die<br />

Kosten des Verfahrens auferlegt. Als Kosten wurden hierbei eine<br />

Gebühr von 12,50 € und Auslagen von 5,60 € festgesetzt. Gegen<br />

diesen Kostenansatz wendet sich der Betroffene mit einem Antrag auf<br />

gerichtliche Entscheidung. Er trägt vor, er habe das<br />

Verwarnungsgeld überwiesen.<br />

Der Antrag hatte kein Erfolg. Zu Unrecht geht der Betroffene davon<br />

aus, dass der Durchführung des Bußgeldverfahrens das<br />

Verfahrenshindernis des § 56 Abs. 4 OWiG entgegensteht. Bei einer<br />

Verwarnung handelt es sich um einen mitwirkungsbedürftigen<br />

Verwaltungsakt, der nur zustande kommt, wenn das Verwarnungsgeld<br />

zur richtigen Zeit am richtigen Ort gezahlt wird. Ein<br />

Verfahrenshindernis besteht nicht, wenn die Zahlung des<br />

Verwarnungsgeldes verspätet eingeht und die Verwaltungsbehörde die<br />

Frist nachträglich weder ausdrücklich noch stillschweigend verlängert<br />

hat. Im Fall einer Überweisung trägt der Überweisender das Risiko des<br />

rechtzeitigen Eingangs einer Überweisung. Nach Erlass des<br />

Bußgeldbescheids ist eine Verwarnung nicht mehr möglich, also auch<br />

keine Fristverlängerung. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand<br />

wegen der Versäumnis der Zahlungsfrist gibt es nicht.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

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Anders könnte alleine bei einer Einzahlung bei der Post zur<br />

Überweisung an die empfangende Stelle gesehen werden, dabei<br />

würde der Poststempel ausreichen.<br />

AG Saalfeld, Beschluss vom 15.07.2005, Owi 23/04 = VRS 109, 192<br />

Der Betroffene hatte wegen eines Parkverstoßes ein Verwarnungsgeld<br />

an Ort und Stelle bezahlt. Später hat er die Aufsichtsbeschwerde<br />

erhoben. Diese Beschwerde beseitigt nicht die Wirksamkeit der<br />

Verwarnung. Diese entfällt auch nicht dadurch, dass die<br />

Verwaltungsbehörde das Verwarnungsgeld an den Betroffenen<br />

zurückgezahlt hat. Wegen einer wirksamen Verwarnung kann der<br />

Verkehrsverstoß dann aber nicht mehr als Bußgeldverfahren verfolgt<br />

werden.<br />

AG Mainz, Beschluss vom 19.09.2005, 3726 Js 6108/05. 403 OWi =<br />

DAR 2006, 166<br />

Verwarnung,<br />

Ein Betroffener hat keinen Anspruch auf eine gebührenfreie Ahndung<br />

durch eine Verwarnung.<br />

AG Saalfeld, Beschluss vom 27.03.2006, 640 Js 10252/06 OWI = VRs<br />

110, 366<br />

2. Höhe des Bußgeldes<br />

2.1. Geringe Geldbuße<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 14.03.2005, 3 Ss OWi 100/05<br />

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger<br />

Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb<br />

geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 550,00 Euro<br />

verurteilt. Auf die Rechtsbeschwerde hin wurde das Urteil aufgehoben.<br />

Der Rechtsfolgenausspruch konnte nicht bestehen bleiben, wenn der<br />

Höchstrahmen gem. § 17 Abs. 2 OWiG für fahrlässig begangene<br />

<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> von 500,00 Euro, überschritten wird. Diese<br />

Grenze gilt auch, wenn ein an sich verwirktes Fahrverbot nicht<br />

verhängt wird. 1 Außerdem müssen bei Bußgeldern in dieser<br />

Größenordnung stets Feststellungen zu den persönlichen und<br />

wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen erfolgen. Die Grenze<br />

1 so auch OLG Hamm NZV 1994.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

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der Geringfügigkeit, bei der solche Ausführungen entbehrlich sind, ist<br />

jedenfalls bei 250,00 Euro überschritten 1 .<br />

2.2. maximale Geldbuße<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 10.11.2004, 1 Ss 64/04 = ZFS 2005,<br />

415<br />

Gegen den Betroffenen erging wegen Überschreitung der<br />

Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 63<br />

km/h ein Bußgeldbescheid über 275,00 € und zwei Monaten<br />

Fahrverbot. Das Amtsgericht verkürzte das Fahrverbot auf einen<br />

Monat und setzte eine Geldbuße von 800 € fest.<br />

1. Das verhängte Bußgeld von 800 € übersteigt das mögliche Bußgeld<br />

das § 17 Abs. 2 OWiG für fahrlässige Taten vorsieht. Das Höchstmaß<br />

der Geldbuße beträgt 500 €. Dieses Höchstmaß kann auch nicht<br />

überschritten werden, wenn zum Ausgleich dafür ein Fahrverbot<br />

wegfällt.<br />

2. Darüber hinaus bedarf es der Ausführungen zu dem wirtschaftlichen<br />

Verhältnissen. Bei Bußgeldern von mehr als 250 € liegen keine<br />

geringfügigen <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> mehr im Sinne von § 17 Abs. 3<br />

OWiG vor. 2<br />

2.3. Erhöhung der Regelgeldbuße<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 30.03.2005, 4 Ss Owi 173/05 = VRS 108,<br />

449 = DAR 2005, 407<br />

Überschreitet ein Betroffener die zulässige Höchstgeschwindigkeit, die<br />

auf 70 km/h reduziert war, um 100 km/h außerorts, so liegt zumindest<br />

hinsichtlich der Überschreitung der allgemein geltenden<br />

Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h Vorsatz vor. Dabei ist ein<br />

Bußgeld von 375,00 € und ein Fahrverbot von drei Monaten<br />

angemessen. Die Höhe der Geldbuße ist nicht zu beanstanden, wenn<br />

das Amtsgericht festgestellt hat, dass der Betroffene als<br />

selbstständiger Kaufmann ohne Unterhaltsansprüche über ein<br />

monatliches Nettoeinkommen von 2.000 € - 2.500 € verfügt.<br />

2.4. Geringe Geldbuße<br />

1<br />

OLG Hamm Beschluss vom 09.01.2001 3 Ss OW 899/00; OLG Hamm Beschluss<br />

vom 04.10.2004, 4 Ss OW 607/04<br />

2<br />

Nach OLG Celle, zfs 2005, 314 ist bereits bei einer Geldbuße von mehr als 100 €<br />

nicht mehr von einer geringfügigen Geldbuße ausgegangen.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

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Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen sind nur bei<br />

geringfügigen <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> entbehrlich.<br />

Geldbußen von mehr als100€ sind nicht mehr geringfügig.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 31.10.2005, 83 Ss – Owi 44/05 = zfs 2006,<br />

116<br />

Geringfügige <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> sind <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> von<br />

nicht mehr als 250 Euro 1<br />

OLG Jena, Beschluss vom 22.12.2004, 1 Ss 282/04 = VRR 2005, 114<br />

Eine Verurteilung zu einer Geldbuße von 500,00 € ist keine geringe<br />

Geldbuße mehr.<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 03.01.05, Ss (Owi) 629/04 = SVR 2005,<br />

152= DAR 2005, 224<br />

2.5. Gesamtgeldbuße<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.11.2004, 1 Ss 93/04 = NZV 2005,<br />

329<br />

Es ist anerkannt, dass Bußgeldkataloge, die außerhalb der<br />

Ermächtigung von § 26a StVG ergangen sind, keine gerichtliche<br />

Bindungswirkung erzielen. Die Heranziehung derartiger<br />

Verwaltungsanweisungen darf nicht dazu führen, dass die<br />

wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen vollkommen außer<br />

Betracht bleiben und gegen diesen eine unverhältnismäßige und von<br />

ihm nicht mehr leistbare Sanktion verhängt wird.<br />

Gegend den Betroffenen hat das Gewerbeaufsichtsamt wegen<br />

vorsätzlichen Verstoßes gegen das FahrpersonalG einen<br />

Bußgeldbescheid in Höhe von insgesamt 314.520,00 € erlassen.<br />

Hiermit sollten 274 Einzelgeldbußen zwischen 60,00 € und 6.300,00 €<br />

festgesetzt werden, weil die bei dem Betroffenen angestellten Fahrer<br />

von diesem unrichtige Urlaubsbescheinigungen ausgestellt bekommen<br />

und auf Grund seiner Vorgaben die Tageslenkzeit überschritten hatten.<br />

Das Amtsgericht verhängte dann wegen vorsätzlichen Verstoßes<br />

gegen das Fahrpersonalgesetz in 77 Fällen eine Gesamtgeldbuße von<br />

7.700,00 €. Hiergegen richtet sich sowohl die Rechtsbeschwerde des<br />

Betroffenen wie die der Staatsanwaltschaft.<br />

1 So auch OLG Frankfurt ZFS 2004, 282 ;OLG Köln VRS 97,381. 100 Euro; OLG<br />

Düsseldorf VRS 97,214 oder 35 Euro OLG Oldenburg VRS 79,375; OLG Karlsruhe<br />

NSTZ 1988, 137.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

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Beide Rechtsbeschwerden bedürfen der Zulassung. Auch wenn das<br />

Amtsgericht von einer Gesamtgeldbuße spricht, ergibt sich aus den<br />

Gründen, dass es 77 Einzelgeldbuße zu je 100,00 € verhängt hat. In<br />

einem solchen Fall ist bei selbstständigen Taten im<br />

verfahrensrechtlichen Sinn auf den Wert der einzelnen Geldbuße und<br />

nicht auf den Gesamtwert abzustellen.<br />

Einstellung durch OLG<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.10.2004, 1 Ss 121/04 = DAR 2005,<br />

167= VRS 108, 33= NStZ – RR 2005, 213<br />

Die gerichtliche Einstellung eines OWi-Verfahren kommt immer dann<br />

in Betracht, wenn eine Ahndung der Tat der ansonsten üblichen Praxis<br />

der Verwaltung widerspricht.<br />

3. Verjährung<br />

Form der ersten Vernehmung<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 11.08.2005, 2 Ss OWi 312/05<br />

Die Anordnung der ersten Vernehmung bedarf keiner besonderen<br />

Form. Allerdings muss die Anordnung dann unterzeichnet sein, wenn<br />

sie die Verjährung unterbrechen soll. Das Handzeichen genügt hierfür.<br />

Dieses Handzeichen muss nicht lesbar sein, denn der „geäußerte<br />

behördliche Wille“, die Verjährung zu unterbrechen, muss erkennbar<br />

sein.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 11.08.2005, 2 Ss Owi 322/05 = SVR<br />

2006, 154 = VRS 109, 365<br />

Die Anordnung der ersten Vernehmung eines Betroffenen bedarf<br />

keiner besonderen Form. Erfolgt die Anordnung schriftlich, ist<br />

grundsätzlich die Unterzeichnung erforderlich, wofür ein vom<br />

Sachbearbeiter angebrachtes Handzeichen genügt. Es ist für die<br />

Frage der Unterbrechung der Verjährung unschädlich, wenn dieses<br />

Handzeichen nicht lesbar ist.<br />

Aktenübersendung<br />

OLG Hamm, Urteil vom 27.09.2005, 3 Ss OWi 355/05<br />

Die Verjährung wird auch gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen,<br />

wenn die Akten zur Einsicht an den Verteidiger übersandt werden.<br />

Hierin liegt eine Bekanntgabe an den Betroffenen, dass gegen ihn ein<br />

<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>verfahren eingeleitet wurde. Der Verteidiger des<br />

Betroffenen ist auch bevollmächtigt, Mitteilung dieser Art entgegen zu<br />

nehmen. Allerdings reicht es zur Überzeugungsbildung nicht aus,<br />

wenn das Amtsgericht von einer geständigen Einlassung des<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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Betroffenen ausgeht, weil dieser die „durchgeführte<br />

Geschwindigkeitsmessung und die Richtigkeit des Messergebnisses<br />

ausdrücklich nicht in Zweifel sieht.“<br />

3.1. Anhörungsbogen<br />

3.1.1. Übersendung der Akten an Polizei<br />

OLG Rostock, Beschluss vom 27.01.2005, 2 Ss OW 418/04 = VRR<br />

2005, 76<br />

Die Verjährung wird nur unterbrochen, wenn sich die Ermittlungen<br />

gegen einen konkreten Betroffenen richten. Zur Entscheidung der<br />

Frage einer Unterbrechung der Verjährung kommt es auf die<br />

dokumentierten Ermittlungshandlungen an. Wesentlich ist hierbei die<br />

tatsächliche Dokumentation des Akteninhalts.<br />

Eine Übersendung der Akten an die Polizeibehörde zur Ermittlung des<br />

Fahrzeugführers unterbricht nicht die Verjährung. Dies gilt auch, wenn<br />

bereits mit der Übersendung der Akten neben der Ermittlung des<br />

Fahrzeugführers dessen Vernehmung angeordnet wird. Auch wenn<br />

gegen den späteren Betroffenen die Vernehmung angeordnet wird<br />

oder auch dem späteren Betroffenen die Anordnung einer<br />

Vernehmung übermittelt wird, unterbricht dies nicht die Verjährung,<br />

wenn nicht bereits gegen diesen Zeugen ermittelt wird.<br />

3.1.2. Dokumentation bei Eingriffen in den EDV-Ablauf<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 10.05.2005, Ss (OW) 886/04 = DAR<br />

2005, 570 = VRS 109, 57= zfs 2005, 572<br />

Die Übersendung eines Anhörungsbogens unterbricht nur dann die<br />

Verjährung, wenn aktenkundig gemacht ist, wer die Anordnung<br />

vorgenommen hat. Dabei muss der zuständige Sachbearbeiter durch<br />

Unterschrift oder Handzeichen die Verantwortung für die Richtigkeit<br />

der Beurkundung des Datums übernehmen. Die Verjährung wird auch<br />

unterbrochen, wenn der Anhörungsbogen mittels einer EDV-Anlage<br />

gefertigt wird, ohne dass der Sachbearbeiter zuvor in den<br />

vorprogrammierten Ablauf des Computers eingreift.<br />

Führt die Bußgeldbehörde das Ermittlungsverfahren zunächst gegen<br />

Unbekannt, stellt die Entscheidung nunmehr gegen einen bestimmten<br />

Betroffenen zu ermitteln, eine Individualentscheidung des<br />

Sachbearbeiters dar, über die die Bußgeldbehörde in der Akte Zeugnis<br />

ablegen muss. Allerdings wird die Verjährung auch dadurch<br />

unterbrochen, dass ein Polizeibeamter den Betroffenen mündlich die<br />

Einleitung des Ermittlungsverfahrens mitteilt.<br />

Elektronische Akte<br />

KG, Beschluss vom 02.08.2005, 3 Ws (B) 72/05 = VRS 109, 367 =<br />

DAR 2006, 218<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 75 von 121


Die Bußgeldakten werden in Berlin seit geraumer Zeit in Form<br />

elektronischer Akten bearbeitet. Dabei werden sämtliche schriftlichen<br />

Eingänge mittels eines Scanners in elektronische Form umgewandelt<br />

und in der EDV-Anlage gespeichert. Alle Verfügungen der<br />

Sachbearbeiter werden unmittelbar durch Eingabe in die elektronische<br />

Datenverarbeitungsanlage getroffen. Eine Akte im herkömmlichen<br />

Sinne existiert nicht, solange das Verfahren bei der Bußgeldstelle<br />

bearbeitet wird. Eine solche wird nur erstellt, wenn das Verfahren nach<br />

Einspruch gegen einen erlassenen Bußgeldbescheid an das<br />

Amtsgericht abgegeben wird. Die Verfügung der Anhörung des<br />

Betroffenen ist nach dessen Ermittlungen am 18.03.2003 durch Eingriff<br />

des zuständigen Sachbearbeiters in den Ablauf des Programms<br />

veranlasst worden. Dies ergibt sich aus einem bei den Akten<br />

befindlichen Ausdruck der Speicherung dieses Eingriffs. Auf<br />

Unterzeichnung kommt es nicht an. § 33 Abs. 2 Satz 1 umwickelt<br />

nur den Fall der schriftlichen Anordnung oder Entscheidung und<br />

bestimmt nur für diesen, dass die Verjährung zum Zeitpunkt der<br />

Unterschrift unterbrochen wird. Vorliegend erfolgt die Anordnung der<br />

Anhörung des Betroffenen jedoch nicht durch eine schriftliche<br />

Anordnung oder Entscheidung, sondern ausschließlich durch Eingabe<br />

des zuständigen Sachbearbeiters in die Datenverarbeitungsanlage.<br />

Dabei ist eine Unterschrift nicht möglich und nicht vorgeschrieben.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Verjährung, Anhörung<br />

OLG Hamburg, Beschluss vom 10.1.2006 - I 88/05 = DAR 2006, 223 =<br />

VRS 110, 289 = NZV 2006, 445<br />

Die Verjährung wird unterbrochen, wenn die schriftliche Anordnung<br />

einer Anhörung ergeht. Hierbei ist der Zeitpunkt der Unterzeichnung der<br />

Anordnung maßgeblich. Eine solche handschriftliche Abzeichnung liegt<br />

im konkreten Fall nicht vor.<br />

OLG Hamburg, Beschluss vom 10.01.2006, 3 Ss 64/05 Owi = VRR<br />

2006, 233<br />

Das Auswechseln des Betroffenen während des Verfahrens ist eine<br />

Individualentscheidung. Nach einem individuellen Eingriff in das EDV-<br />

Programm setzt die Unterbrechung der Verjährung voraus, dass eine<br />

schriftliche Anordnung unterschrieben ist oder mit einem Handzeichen<br />

versehen und datiert ist.<br />

Dies gilt auch, wenn die Anordnung im Computersystem der Behörde<br />

elektronisch hinterlegt ist und ein Missbrauch durch eine jedem<br />

Sachbearbeiter individuell zugeordnete Kennung ausgeschlossen<br />

erscheint.<br />

Vorlagebeschluss<br />

OLG Brandenburg, Vorlagebeschluss vom 16.11.2005, 1 Ss (Owi)<br />

165Z/05 = VRS 109, 443<br />

Die Frage lautet:<br />

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Bedarf die erneute Absendung eines Anhörungsbogens im EDV<br />

unterstützten Bußgeldverfahren an einen von der Person des bisher<br />

als Betroffenen geführten Kfz-Halter abweichenden Fahrers als neuen<br />

Betroffenen einer schriftlichen Anordnung mit handschriftliche<br />

Unterschrift oder Namenskürzel durch den Sachbearbeiter, um die<br />

Verjährungsunterbrechung gem. § 33 Abs. 1 Nr. herbeizuführen.<br />

Der Senat möchte dies anderes sehen als das OLG Dresden in seiner<br />

Entscheidung vom 27.04.2004, Ss (Owi) 128/04 = DAR 2004, 534<br />

sowie OLG Dresden vom 10.05.2005, Ss (Owi) 886/04 = DAR 2005,<br />

570 = zfs 2005, 572<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Verjährung Owi<br />

BGH, Beschluss vom 22.05.2006, 5 StR 578/05 = SVR 2007, 29 = DAR<br />

2006, 462 = BGHSt 51, 72 = NZV 2006, 484 = zfs 2006, 528 mit<br />

Anmerkungen im Gübner = NJW 2006, 2338<br />

Für eine die Verjährung unterbrechende Anordnung der Bekanntgabe<br />

des Ermittlungsverfahrens reicht es aus, dass der Sachbearbeiter der<br />

Verwaltungsbehörde die Erstellung und Versendung eines<br />

Anhörungsbogens durch individuellen elektronischen Befehl veranlasst,<br />

wenn sich Zeitpunkt und Bearbeiter dieses Vorgangs sicher feststellen<br />

lassen.<br />

3.1.3. Weitergabe der Anhörung an den Fahrer<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 03.05.2005, 1 Ss OWi 132/05 = SVR<br />

2005, 438<br />

Die Verjährung beträgt bis zum Erlass des Bußgeldbescheides drei<br />

Monate, danach sechs Monate. Zwischen Tatbegehung und Erlass<br />

eines Bußgeldbescheides können mehr als drei Monate verstreichen.<br />

Es kommt darauf an, dass die Verjährung wirksam unterbrochen wird.<br />

Der Ausdruck eines mittels EDV gefertigten Anhörungsbogen ist eine<br />

Anordnung zur Übersendung eines solchen Anhörungsbogens<br />

gleichgestellt. In einem solchen Fall hat die Behörde eine vorgesehene<br />

Tätigkeit so in den Computer programmiert und damit in ihren eigenen<br />

Willen aufgenommen. Bezieht sich dieser Ausdruck eines<br />

Anhörungsbogens auf den konkreten Betroffenen, wird die Verjährung<br />

unterbrochen. Die Übersendung eines Anhörungsbogens an den<br />

Seite 77 von 121


Fahrzeughalter unterbricht jedoch nicht die Verjährung. 1 Dies gilt auch,<br />

wenn der Anhörungsbogen von dem Halter an den Fahrer<br />

weitergegeben wird und dieser ihn zurücksendet.<br />

3.1.4. Übertragung der Halterdaten in Betroffenendaten<br />

AG Neuss, Beschluss vom 15.06.2005, 18 OWi 51 Js 198/05 = zfs<br />

2005, 574 = StraFo 2005, 430<br />

Die Übertragung von Halterdaten in Betroffenendaten unterbricht die<br />

Verjährung nur, wenn dieser Eingriff in die Datenverarbeitung<br />

dokumentiert ist. Das Oberlandesgericht Köln hat in einer<br />

Entscheidung 2 bestimmt, dass bei einem Eingriff in den EDV-Ablauf<br />

aktenkundig gemacht werden muss, wer die Anordnung vorgenommen<br />

hat, zudem müsse der Anordnende durch Unterschrift oder zumindest<br />

Handzeichen die Verantwortung für die Richtigkeit der Bearbeitung<br />

übernehmen. Das OLG Düsseldorf 3 hat klargestellt, dass sich die eine<br />

Verjährung unterbrechende Wirkung eindeutig aus den Akten ergeben<br />

muss. Befinden sich lediglich Zeichen auf der Rückseite eines vom<br />

KBA stammenden Computerausdrucks, reicht dies nicht.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Falsche Anschrift<br />

AG Wittenberg, Beschluss vom 12.8.2005 - 3 OWi 561 Js 22815/05 (<br />

43/05) = SVR 2006, 75<br />

Die Einstellung des Verfahrens gemäß § 205 StPO unterbricht die<br />

Verjährung nicht, wenn die Verwaltungsbehörde in Kenntnis der<br />

richtigen Anschrift an eine falsche Anschrift zustellt.<br />

SV-Gutachten<br />

OLG Braunschweig, Beschluss vom 28.6.2005 - 1 Ss OWi 40/05 = SVR<br />

2006, 112<br />

Voraussetzung für die Verjährungsunterbrechung durch Einholen eines<br />

Sachverständigengutachten ist stets, dass die Anordnung der<br />

Begutachtung den Verfahrensbeteiligten nach ihrem Inhalt und dem<br />

Zeitpunkt ihres Ergehens erkennbar ist und von diesen in ihrer Wirkung<br />

auf das Verfahren abgeschätzt werden kann.<br />

1<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 17.05.2005, 1 Ss OWi 244/05<br />

2<br />

OLG Köln, VRS 98, 207<br />

3<br />

OLG Düsseldorf, VRS 92, 342<br />

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3.1.5. Verjährung und Fehler bei dem Bußgeldbescheid<br />

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12.07.2004, 1 Ss 102/04<br />

Die Verjährung wird auch unterbrochen, wenn in einer Anhörung oder<br />

einem Bußgeldbescheid der männliche Betroffene als „Frau“<br />

angeredet wird.<br />

3.1.6. Zustellung des Bußgeldbescheides<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 14.02.04, 1 Ss 341/04 = zfs 2005, 363<br />

Gegen den Betroffenen ist ein Bußgeldbescheid ergangen. Zur Sache<br />

hat er keine Angaben gemacht, der kontrollierende Polizeibeamte<br />

notierte als damalige Meldeadresse die S-strasse 12. Dies war der Sitz<br />

eines dem Vater des Betroffenen gehörenden Unternehmens.<br />

Tatsächlich wohnte der Betroffenen an einer anderen Stelle. Unter der<br />

angegebenen Anschrift wurde der Bußgeldbescheid dem Vater des<br />

Betroffenen ausgehändigt.<br />

Auf die Rechtsbeschwerde hin wurde das Verfahren wegen<br />

Verfolgungsverjährung eingestellt. Eine Ersatzzustellung an eine<br />

Stelle, an der der Betroffenen nicht wohnt, ist keine wirksame<br />

Zustellung. Fehlt es an einer wirksamen Zustellung unterbricht der<br />

Busgeldbescheid nicht eine laufende Verjährung.<br />

3.1.7. Vorläufige Einstellung des Verfahrens<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 16.12.04, 2 Ss Owi 479/04 = zfs 2005,<br />

364= NZV 2005, 491<br />

Zu Unterbrechung der Verjährung reicht es aus (§ 33 Abs. 1 Nr. 5<br />

OWiG), wenn das Verfahren vorläufig wegen angenommener<br />

Abwesenheit des Betroffenen eingestellt wird. Der Irrtum über die<br />

tatsächliche Abwesenheit ist unschädlich, der Irrtum muss jedoch<br />

unverschuldet sein. Ist aber nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund<br />

der bekannte Wohnsitz geändert wird oder die richtige Anschrift nicht<br />

berücksichtigt wird, kann von unverschuldet im Sinne dieser Vorschrift<br />

nicht die Rede sein.<br />

Verfahrenseinstellung<br />

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 29.03.2005, 2 Ss (Owi)<br />

51Z/05<br />

Die Verfahrenseinstellung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG unterbricht die<br />

Verjährung nur, wenn ein vorhandener Irrturm von der<br />

Verwaltungsbehörde nicht selbst verschuldet ist. Erfolgt die Einstellung<br />

aufgrund einer nicht zutreffenden Anschrift, die aufgrund eines<br />

Übertragungsfehlers in die Akte gekommen ist. Grundsätzlich sind die<br />

Bestimmungen über die Verjährungsunterbrechung als<br />

Ausnahmevorschriften auszulegen. Die Auslegung müsse auch „loyal“<br />

erfolgen, es dürfe nicht den Willen des Gesetzes unterlaufen (BGHSt<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 79 von 121


16, 193). Dies heißt: Nicht jede verjährungsunterbrechende<br />

Verfahrenseinstellung setzt zwingend voraus, dass der Betroffene<br />

auch tatsächlich abwesend ist. Sie muss zunächst nur durch die<br />

Annahme einer Abwesenheit motiviert sein. Ist dagegen der Irrturm<br />

über die Abwesenheit in der Sphäre der Verwaltungsbehörde<br />

entstanden, so wird dieser Irrturm ihr schuldhaft zugerechnet. In<br />

diesen Fällen widerspricht es der Fairness eines Verfahrens, daraus<br />

für den Betroffenen einen Nachteil zu konstruieren.<br />

AG Wittenberg, Beschluss vom 12.08.2005, 3 OWi 561 Js 22815/05<br />

(43/05) = SVR 2006, 75<br />

Die Einstellung des Verfahrens gem. § 205 StPO unterbricht die<br />

Verjährung nicht, wenn die Verwaltungsbehörde in Kenntnis der<br />

richtigen Anschrift an eine falsche Anschrift zustellt.<br />

Beauftragung eines Sachverständigen<br />

OLG Braunschweig, Beschluss vom 28.06.2005, 1 Ss OWi 40/05 =<br />

SVR 2006, 112<br />

Die Beauftragung eines Sachverständigengutachtens unterbricht die<br />

Verjährung nur, wenn klar ist, gegen wen sich das Verfahren richtet.<br />

Dies gilt auch, wenn bei einem einheitlichen Verteidiger das Gutachten<br />

in einem Parallelverfahren beauftragt wird.<br />

Übersendung an AG<br />

Unterbrechung der Verjährung § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 OWiG)<br />

OLG Hamburg, Beschluss vom 08.08.2005, III-66/05 OWi = DAR<br />

2005, 642 = VRS 109, 279<br />

Im Falle der Unterbrechung der Verjährung durch Übersendung der<br />

Akten an das Amtsgericht hat das Rechtsbeschwerdegericht die<br />

Möglichkeit zu ergänzender Beweisaufnahme. Vorliegend wurde im<br />

Freibeweisverfahren festgestellt, dass die Akten noch innerhalb der<br />

Verjährungsfrist beim Gericht eingegangen waren. Dies steht im<br />

Einklang mit der Entscheidung des BGH. 1<br />

Rechtsbeschwerde<br />

1 BGHSt 30, 215, 219<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 80 von 121


OLG Hamm, Beschluss vom 04.01.2006, 2 Ss Owi 873/05 = DAR<br />

2006, 224<br />

Die Frage der Verfolgungsverjährung wird im Zulassungsverfahren nur<br />

dann geprüft, wenn es geboten ist, die Rechtsbeschwerde zuzulassen,<br />

um hierzu ein klärendes Wort zu sagen.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Verjährung, Zulassung der Rechtsbeschwerde<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 12.5.2005 - 2 Ss OWi 322/05 = SVR 2006,<br />

154<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 04.01.2006, 2 Ss OWi 873/05 = VRS 110,<br />

227 = NZV 2006, 315<br />

Die Übersendung des Anhörungsbogens ist ausreichend, wenn daraus<br />

für den Adressaten unmissverständlich hervorgeht, dass die Ermittlung<br />

gegen ihn als Betroffenen geführt werden.<br />

Die Frage der Verjährung kann im Zulassungsverfahren nur geprüft<br />

werden, wenn es geboten ist, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.<br />

3.1.8. Unterbrechung der Verjährung durch eine Anklage<br />

OLG München, Beschluss vom 30.05.2005, 4 St RR 73/05 = VD 05,<br />

185= DAR 2005, 525 = NZV 2006, 107<br />

Der Angeklagte wurde wegen vorsätzlichen Fahrens ohne<br />

Fahrerlaubnis angeklagt. In dem Verfahren erging der rechtliche<br />

Hinweis, dass zusätzlich zur Straftat auch eine Verurteilung wegen<br />

einer Ordnungswidrigkeit erfolgen könne. Die Revision des<br />

Angeklagten war nicht erfolgreich. Die Ordnungswidrigkeit ist auch<br />

nicht verjährt, da durch die Eröffnung des Strafverfahrens die<br />

Verjährung auch hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit unterbrochen<br />

wurde.<br />

4. Hinweispflicht gem. § 265 StPO<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 12.04.2005, 3 Ss Owi 191/05 = StraFo<br />

2005, 298 = zfs 2005, 519<br />

Auch im <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>recht ist die Vorschrift des § 265 StPO<br />

anzuwenden.<br />

Das Fahrverbot nach § 25 StVG ist eine Nebenfolge; es handelt sich<br />

weder um eine Maßregel der Besserung und Sicherung noch um einen<br />

besonders vorgesehenen Umstand, der die Strafbarkeit erhöht. In der<br />

Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass in entsprechenden<br />

Anwendung des § 265 Abs. 2 StPO ein Hinweis erforderlich ist, wenn<br />

der Tatrichter in einem Bußgeldbescheid nicht angeordnetes<br />

Fahrverbot verhängen will. Unterbleibt der Hinweis, ist nicht<br />

auszuschließen, dass der Betroffene im Falle eines entsprechenden<br />

rechtlichen Hinweises seine Verteidigung anders angerichtet hätte und<br />

Seite 81 von 121


möglicherweise den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid<br />

zurückgenommen hätte oder auf den Rechtsfolgenausspruch<br />

beschränkt. Die Anordnung der Maßregel beruht daher auf dem<br />

Verfahrensverstoß.<br />

5. Zustellung, § 51 OWiG, Vollmacht des Verteidigers<br />

5.1.<br />

Die Vollmacht eines Verteidigers ist nicht beschränkbar, siehe auch §§<br />

147, 148 StPO.<br />

AG Mayen, Urteil vom 10.03.2005, 2040 Js 10563/04 3. OWi = VA<br />

2005, 161<br />

Gemäß § 51 Abs. 3 OWiG gilt der gewählte Verteidiger, dessen<br />

Vollmacht sich bei den Akten befindet, als ermächtigt, Zustellungen in<br />

Empfang zu nehmen. Bei der zur Akte gereichten Vollmacht muss es<br />

sich jedoch um eine Verteidigervollmacht handeln. Eine solche liegt<br />

nicht vor, wenn die Vollmacht weder zur Entgegennahme von<br />

Zustellungen noch zur Vertretung in <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>verfahren<br />

ermächtigt.<br />

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 23.01.2005, 2 Ss (Owi) 58<br />

B/05 = Zfs 2005, 517)<br />

Gem. § 51 OWiG gilt der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich<br />

bei den Akten befindet, als ermächtigt, Zustellungen in Empfang zu<br />

nehmen. Diese Regelung begründet eine gesetzliche<br />

Zustellungsvollmacht, die vom Willen des Betroffenen unabhängig ist<br />

und nicht von vornherein durch eine Verteidigervollmacht<br />

eingeschränkt oder vollständig entzogen werden kann. Dies gilt<br />

jedenfalls für den Wahlverteidiger.<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 10.05.2005, Ss (OWi) 309/05 = VRS<br />

108, 439 = DAR 2005, 572<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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Zustellung an Kanzlei<br />

AG Bayreuth-Zweigstelle Pegnitz, Beschluss vom 26,10.2005, 8 OWi<br />

149 Js 11149/05 = Zfs 2006, 174<br />

Die Zustellung des Bußgeldbescheides an eine Rechtsanwaltskanzlei<br />

unterbricht nicht die Verjährung, wenn sich lediglich ein Mitglied der<br />

Sozietät zum Verteidiger bestellt hat. 1<br />

6. Der Bußgeldbescheid<br />

6.1.Mängel des Bußgeldbescheid<br />

Die Schuldform braucht in einem Bußgeldbescheid nicht mitgeteilt zu<br />

werden. Fehlt die Schuldform im Bußgeldbescheid, kann das<br />

Amtsgericht von einem Vorlässigkeitsvorwurf ausgehen. Auch bei<br />

Beschränkung des Einspruchs ist es dem Tatrichter aber erlaubt,<br />

ergänzende Feststellungen zu treffen, soweit diese nicht im<br />

Widerspruch zum angefochtenen Bescheid stehen.<br />

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12.01.2006, 1 Ss 159/05 = VD<br />

2006,78 = DAR 2006, 342 = VRS 110, 292<br />

Fehler des Bußgeldbescheides berühren zumeist nicht die<br />

Wirksamkeit. Nur bei Vorliegen schwerwiegenden Mängel ist ein<br />

Bußgeldbescheid unwirksam, insbesondere dann, wenn in dem<br />

Bußgeldbescheid entweder die Tat oder der Betroffene nicht<br />

ausreichend konkretisiert ist, so dass eine Identifizierung nicht mehr<br />

möglich ist. Wird z.B. der Name anstatt nur mit „k“ mit „ck“ geschrieben<br />

und das Geburtsdatum falsch angegeben statt 16.05.1968 der<br />

16.05.1998, so berührt dies noch nicht die Identifizierbarkeit.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 03.03.2005, 23 Ss Owi 407/04 = VRS<br />

108, 05 = DAR 2005, 524<br />

Zustellung eines Bußgeldbescheides<br />

1. Die bloße Terminsaufhebung ist kein Unterbrechungstatbestand<br />

im Sinne von § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 OWiG.<br />

2. Die Verlängerung der Verjährungsfrist nach Erlass des<br />

Bußgeldbescheides auf sechs Monate gem. § 26 Abs. 3 StVG<br />

setzt voraus, dass der Bußgeldbescheid binnen einer Frist von<br />

1<br />

Ebenso AG Homburg, Beschluss vom 22.12.2005, 5 OWi 114/05 =<br />

Zfs 2006, 175<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 83 von 121


zwei Wochen wirksam und ordnungsgemäß zugestellt wird.<br />

Eine Zustellung kann nicht am Sitz einer GmbH für den GmbH-<br />

Geschäftsführer erfolgen.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2005, 3 Ss OWi 1354/05 = SVR<br />

2006, 272 = VRR 2006, 189 = NZV 2006, 314<br />

Die Zustellung eines Bußgeldbescheides ist auch dann wirksam, wenn<br />

das Aktenzeichen der Bußgeldbehörde nicht auf dem Umschlag<br />

angebracht ist, aber durch das Sichtfenster des Umschlages lesbar ist.<br />

OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.11.2005, 1 Ss (OWi) 239B/05 =<br />

VRR 2006, 191 = NZV 2006, 315<br />

Die Zustellung eines Bußgeldbescheides gegen einen in Frankreich<br />

wohnenden Betroffenen an eine deutsche Firma erfüllt nicht die<br />

Anforderungen an eine wirksame Zustellung im Sinne des § 10<br />

VwZVG.<br />

AG Suhl, Beschluss vom 12.12.2005, 330 Js 20089/05 1 OWi = zfs<br />

2006, 353<br />

Zustellung in den Geschäftsräumen<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2005, 3 Ss Owi 1354/05 = SVR<br />

2006, 272<br />

Ein Geschäftführer einer GmbH ist regelmäßig nur Angestellter der<br />

Gesellschaft. Für ihn persönlich kann in den Geschäftsräumen keine<br />

Ersatzzustellung getätigt werden.<br />

Bußgeldbescheid<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 4.7.2005, 1 Ss 269/03 = VRS 110, 41<br />

Wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 84<br />

km/h wurde gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 1.130,00 €<br />

sowie ein Fahrverbot von drei Monaten festgesetzt. Die falsche<br />

Ortsangabe in einem Bußgeldbescheid hat dann keine Bedeutung,<br />

wenn der Betroffene unmittelbar nach dem Verkehrsverstoß von der<br />

Polizei angehalten wurde und damit keine Verwechslungsgefahr<br />

gegeben ist. Zur Klärung solcher Fragen ist der gesamte Akteninhalt<br />

hinzuzuziehen.<br />

Wenn nicht ein glaubhaftes Geständnis bezüglich der<br />

Geschwindigkeitsüberschreitung vorliegt, muss das Urteil mindestens<br />

das Messverfahren angeben, mit dem die vorgeworfene<br />

Geschwindigkeit gemessen wurde.<br />

6.2. Zustellurkunde<br />

OLG Köln, Beschluss vom 29.04.2005, 8 Ss – OWi 90/05 = VRS 109,<br />

22 = DAR 2005, 466<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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Maßgeblich ist § 182 Abs. 1 S. 1 ZPO. Danach dient die Beurkundung<br />

nur noch dem Nachweis der Zustellung – sie ist kein notwendiger<br />

und konstitutiver Bestandteil der Zustellung mehr. Ein Verstoß gegen<br />

die Bestimmungen des § 182 ZPO dürfte daher die Wirksamkeit der<br />

Zustellung nicht mehr berühren. Nach dem neuen Vordruck bedarf es<br />

aber im Falle der Ersatzzustellung nicht mehr einer konkreten<br />

Kennzeichnung der im Einzelfall benutzten Vorrichtung, die zur<br />

Hinterlegung genutzt wurde (Briefkasten oder Einwurfschlitz.<br />

7. Beschränkung des Einspruchs<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 04.03.2005, 1 Ss 27/05 = VRS 109, 50<br />

Die Beschränkung des Rechtsmittels auf das Fahrverbot ist in der<br />

Regel unwirksam. Eine Beschränkung auf den<br />

Rechtsfolgenausspruch kann jedoch dann wirksam sein, wenn trotz<br />

Fehlens von Angaben zur Schuldform im Bußgeldbescheid die<br />

Regelbuße nach der Bußgeldkatalogverordnung angeordnet wurde.<br />

Hieraus kann der Tatrichter auf eine fahrlässige Begehungsweise und<br />

gewöhnliche Tatumstände schließen.<br />

Urteil - Beschränkung des Rechtsmittels<br />

OLG Naumburg, Beschluss vom 08.03.2005, 1 Ss (B) 39/05<br />

Die Beschränkung des Einspruchs hat die Folge, dass der Tatrichter –<br />

ist der Bußgeldbescheid von fahrlässigem Handeln ausgegangen –<br />

nicht wegen vorsätzlicher Handlung verurteilen kann.<br />

Einstellung und notwendige Auslagen<br />

AG Bielefeld, Beschluss vom 25.01.2005, 8 OWi 220/05 = NZV 2006,<br />

168<br />

Ist die Verjährung in einer Bußgeldsache (nach Erlass des<br />

Bußgeldbescheides) auf Grund eines Umstandes eingetreten, der<br />

außerhalb der Sphäre des Betroffenen liegt, so ist es bei Einstellung<br />

des Verfahrens nicht gerechtfertigt, die notwendigen Auslagen nicht<br />

der Staatskasse aufzuerlegen.<br />

Entscheidung im Beschlusswege<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 20.01.2006, 1 Ss 296/05 = VRS 111,<br />

143<br />

Macht ein Betroffener geltend, die Voraussetzungen einer<br />

Beschlussentscheidung gem. § 72 Abs. 1 Satz 2 OWiG haben nicht<br />

vorgelegen, so muss er dies mit der Verfahrensrüge geltend machen.<br />

Dabei muss sich der Vortrag darauf erstrecken, dass der angefochtene<br />

Beschluss trotz rechtzeitig erklärtem Widerspruch ergangen ist. Die<br />

Rechtzeitigkeit muss durch Darlegung des erheblichen<br />

Verfahrensablaufes belegt werden. Auch ein bereits im<br />

Einspruchschreiben erklärte Widerspruch sperrt eine<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 85 von 121


Beschlussentscheidung. Dann kommt es an die Einhaltung der Zwei-<br />

Wochen-Frist nicht an. Voraussetzung ist aber, dass dieser<br />

Widerspruch im Verwaltungsverfahren auch zu den Akten gelangt ist.<br />

Dies ist ebenfalls in der Rechtsbeschwerdeschrift vorzutragen.<br />

Widerspruch gegen Beschlussverfahren<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 18.05.2005, 1 Ss 105/05 = VRS 109,<br />

123 = StraFo 2005, 343<br />

Der Betroffene hatte gegen den Bußgeldbescheid Beschwerde<br />

eingelegt und begründet. Ein weiterer Schriftsatz an die<br />

Polizeiinspektion setzte sich auch mit Verfahren auseinander. Auf die<br />

Frage des Gerichtes, ob einer Entscheidung im Beschlussverfahren<br />

widersprochen werde, führte zu keiner Reaktion des Betroffenen. Das<br />

Amtsgericht entschied im Beschlussverfahren. Die Rechtsbeschwerde<br />

war erfolgreich.<br />

Nach § 72 Abs. 1 OWiG kann das Gericht durch Beschluss<br />

entscheiden, wenn der Betroffene und die Staatsanwaltschaft diesem<br />

Verfahren nicht widersprechen. Vorliegend hat der Betroffene schon im<br />

Verfahren vor der Verwaltungsbehörde zum Ausdruck gebracht, dass<br />

er mit einer Entscheidung im Beschlussverfahren nicht einverstanden<br />

ist. Er hat bereits mit seinem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid in<br />

Verbindung mit dem im Einspruchsschreiben gegebenen Hinweis auf<br />

die bereits zuvor abgegebenen Stellungnahme dem später<br />

durchgeführtem Beschlussverfahren widersprochen. Dies geschah<br />

zwar nicht ausdrücklich, aber durch schlüssiges Verhalten. Ein<br />

Widerspruch gegen das Beschussverfahren ist nämlich in jeder<br />

Äußerung des Betroffenen zu erblicken aus der hervorgeht, dass er mit<br />

einer richterlichen Entscheidung allein auf Grund des Akteninhaltes<br />

nicht einverstanden ist, sondern eine Klärung des Tathergangs<br />

wünscht.<br />

Ein bereits vor dem Hinweis nach § 72 OWiG ausdrücklich oder<br />

schlüssig erklärter Widerspruch gegen ein Beschlussverfahren wird<br />

nicht dadurch gegenstandslos, dass der Betroffene auf dem späteren<br />

Hinweis schweigt.<br />

8. Anwesenheitspflicht<br />

8.1. Die Pflicht des Betroffenen in der Hauptverhandlung<br />

persönlich zu erscheinen<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 05.10.2004, 4 Ss Owi 524/04 = NZV<br />

2005, 386<br />

1. Auf die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung kann<br />

nicht verzichtet werden, wenn er die Fahrereigenschaft beschreitet und<br />

eine Identifizierung anhand eines Fotos möglich erscheint.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 86 von 121


2. Die Zustellungsvollmacht nach § 51 Abs. 3 OWiG beruht auf einer<br />

gesetzlichen Fiktion und kann nicht großzügig zum Nachteil des<br />

Betroffenen ausgelegt werden. Besteht allerdings zum Zeitpunkt der<br />

Zustellung eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht des<br />

Verteidigers, die formlos noch nach erfolgter Zustellung nachgewiesen<br />

werden kann, so ist die Zustellung wirksam. Gilt auch für die<br />

Unterbrechung der Verjährung durch Zustellung eines<br />

Bußgeldbescheides.<br />

Entbindung<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 16.08.2006, 2 Ss Owi 348/06 = zfs 2006,<br />

710 = VRR 2006, 394 = VRS 111, 370<br />

1. Der Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Verpflichtung<br />

zum Erscheinen in der Hauptverhandlung kann noch zu Beginn der<br />

Hauptverhandlung gestellt werden.<br />

2. Der Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs<br />

ist verletzt, wenn das Gericht über den Antrag auf Entbindung vom<br />

persönlichen Erscheinen nicht oder ohne eine auf § 73 Abs. 2 OWiG<br />

zurückführbare Begründung ablehnend entscheidet und sich im Urteil<br />

mit den Gründen, die hierfür geltend gemacht werden nicht befasst.<br />

Die Unzulässigkeit wird mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, die<br />

den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechen muss.<br />

Dabei muss der Betroffene darlegen, aus welchen Gründen das<br />

Amtsgericht dem Entbindungsantrag hätte stattgeben müssen. Bleibt<br />

der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung<br />

fern und wird der Einspruch gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, so<br />

kann dieser Beschluss das Recht des Betroffenen auf rechtliches<br />

Gehör verletzen, wenn rechtzeitig vorgebracht und hinreichende<br />

Entschuldigungsgründe von dem erkennenden Gericht nicht<br />

berücksichtigt werden oder einem Antrag auf Entbindung von der<br />

Verpflichtung zu Unrecht nicht entsprochen worden ist.<br />

Dabei muss der Beschwerdeführer den im Bußgeldbescheid<br />

erhobenen Tatvorwurf und die konkrete Beweislage vortragen.<br />

Zum ordnungsgemäßen Vortrag gehört auch, dass dargestellt wird,<br />

wann und mit welcher Begründung der Antrag auf Entbindung von der<br />

Verpflichtung zum persönlichen Erschienen gestellt wurde und wie das<br />

Gericht diesen Antrag beschieden hat. Außerdem muss der<br />

Beschwerdeführer auf die Beruhensfrage eingehen. Außerdem muss<br />

er darlegen, dass der Verteidiger eine Vertretungsmacht hatte, wenn<br />

er namens des Betroffenen den Antrag gestellt hat.<br />

Entbindungsantrag<br />

KG, Beschluss vom 26.10.2006, 2 Ss 243/06 – 3 Ws (B) 510/06<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 87 von 121


Ein Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen in der<br />

Hauptverhandlung kann auch noch zu Beginn der Hauptverhandlung<br />

gestellt werden, solange nicht zur Sache verhandelt ist.<br />

Entbindung von der Pflicht zu Erscheinen<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 06.06.2005, 1 Ss 95/04 = zfs 2006,<br />

348<br />

Das Entbinden von der Pflicht zu Erscheinen setzt einen<br />

entsprechenden Antrag voraus. Ist der Betroffene nicht entbunden und<br />

nicht anwesend, ist die Durchführung einer Hauptverhandlung mit<br />

Beweisaufnahme unzulässig. Das Amtsgericht muss dann entweder<br />

vertagen oder den Einspruch verwerfen.<br />

Entbindung<br />

KG, Beschluss vom 17.03.2006, 3 Ws (B) 136/06 = VRS 111, 146 =<br />

NZV 2007, 253<br />

Das Gericht kann einen Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum<br />

persönlichen Erscheinen zunächst ohne Begründung ablehnen. Aber<br />

spätestens im Urteil muss das Gericht darstellen, warum es dem<br />

Antrag des Betroffenen nicht stattgegeben hat.<br />

Vortrag beim Entbindungsantrag<br />

OLG Rostock, Beschluss vom 18.05.2006, 2 Ss (Owi) 314/05 = VRR<br />

2006, 397<br />

Zum ordnungsgemäßen Vortrag gehört, dass der Verteidiger erklärt,<br />

dass er eine Vertretungsvollmacht hatte.<br />

Entbindungsantrag<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 10.08.2006, 3 Ss Owi 1064/06 = zfs<br />

2006, 708<br />

Einem Entbindungsantrag ist stattzugeben, wenn die Voraussetzungen<br />

des § 73 OWiG vorliegen. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung<br />

kein Ermessen. Entbindet der Richter gleichwohl nicht, liegt eine<br />

Verletzung des Anspruchs des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen<br />

Gehörs vor.<br />

Das persönliche Erscheinen war auch nicht erforderlich, weil im<br />

Gegenwart des Betroffenen zuverlässigere Angaben des Zeugen zu<br />

erwarten waren. Es ist bereits nicht ersichtlich, weshalb von einem in<br />

der Hauptverhandlung anwesenden, jedoch schweigenden Betroffenen<br />

überhaupt Auswirkungen auf das Aussageverhalten eines zur<br />

wahrheitsgemäßen Aussage verpflichteten Tatzeugen zu erwarten<br />

wären; unklar bleibt auch, warum von Zeugen in dieser Situation grade<br />

zuverlässigere Angaben zu erwarten wären und nicht im Gegenteil von<br />

einem dem Betroffenen tendenziellen entlastenden Aussageverhalten<br />

auszugehen wäre.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 88 von 121


Entbindung<br />

KG, Beschluss vom 03.09.2006, 2 Ss 213/06-3Ws (B) 447/06 = zfs<br />

2006, 709 = VRS 111, 429<br />

Alleine die theoretische Möglichkeit, der Betroffene werde seinen<br />

Entschluss zum Schweigen in der Hauptverhandlung überdenken,<br />

reicht nicht aus, ihm die Befreiung von der Erscheinungspflicht zu<br />

verweigern.<br />

Entbindung<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 30.03.2006, 3 Ss Owi 171/06 = VRR<br />

2006, 395<br />

Erwartet das Gericht eine weitere Aufklärung, kann es einen<br />

Entbindungsantrag ablehnen. Dies gelingt besonders, wenn sich der<br />

Betroffene auf Augenblicksversagen beruft.<br />

Diese Entscheidung ist falsch und steht anderen Entscheidungen<br />

entgegen. So etwa OLG Stuttgart, NStZ-RR 2003, 273; OLG<br />

Karlsruhe, zfs 2005, 154; BayObLG, DAR 2002, 133; OLG<br />

Zweibrücken, zfs 2004, 481; OLG Rostock, DAR 2003, 531; OLG<br />

Zweibrücken NZV 2000, 304; OLG Hamm, zfs 2004, 584; BayObLG,<br />

zfs 2002, 597; OLG Frankfurt, zfs 2000, 266; OLG Dresden, zfs 2003,<br />

374; BayObLG, zfs 2001, 185.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 4.1.2006, 1 Ss 224/05 = VRS 111, 56<br />

Soweit der Betroffene beanstandet, das Amtsgericht habe dem Antrag,<br />

auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu<br />

Unrecht nicht entsprochen, reicht die Begründung nicht aus. Eine<br />

solche Rüge erfordert einen Tatsachenvortrag, der so vollständig ist,<br />

dass das Beschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift<br />

prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt.<br />

Es obliegt daher dem Beschuldigten darzulegen, aus welchem Grund<br />

das Gericht seinem Entbindungsantrag hätte stattgeben müssen. Der<br />

Betroffene muss also genau darlegen, dass sämtliche<br />

Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sind, und dass der Tatrichter<br />

unter keinen Umständen von der Anwesenheit des Betroffenen in der<br />

Hauptverhandlung einen Beitrag zur Sachaufklärung hätte erwarten<br />

dürfte. Hierzu ist es erforderlich, den im Bußgeldbescheid erhobenen<br />

Tatvorwurf und die konkrete Beweislage im Einzelnen vorzutragen. In<br />

diesem Zusammenhang ist auch darzulegen, wann und mit welcher<br />

Begründung der Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum<br />

persönlichen Erscheinen gestellt worden ist und wie das Gericht<br />

diesen Antrag beschieden hat.<br />

Da der Anspruch auf rechtliches Gehör zudem nur dann verletzt ist,<br />

wenn die ergangene Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht,<br />

der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 89 von 121


Nichtberücksichtigung des Sachvortrages der Partei hat, müssen in<br />

der Beschwerdeschrift konkret die Tatsachen dargelegt werden,<br />

anhand derer die Beruhensfrage geprüft werden kann. Wenn der<br />

Verteidiger für den Betroffenen, einen Antrag auf Entbindung gestellt<br />

hat, muss dargelegt werden, dass eine allgemeine<br />

Verteidigervollmacht sowie zusätzlich eine besondere<br />

Vertretungsvollmacht erteilt ist, die der Schriftform bedarf. Es gehört<br />

weiter zum ordnungsgemäßen Vortrag, dass der Verteidiger, der einen<br />

Entbindungsantrag gestellt hat, die besondere schriftliche<br />

Vertretungsmacht für den Betroffenen hatte und diese dem Tatgericht<br />

auch nachgewiesen hat.<br />

Fortsetzungstermin<br />

Ist der Betroffene von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen in<br />

der Hauptverhandlung entbunden worden, kann sein Einspruch nicht<br />

verworfen werden, wenn er in einem Fortsetzungstermin nicht<br />

erscheint<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 12.1.2006, 2 Ss Owi 612/05 = SVR 2006,<br />

232,<br />

Hauptverhandlung: Entbindung vom Erscheinen<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 29.4.2004, 4 Ss Owi 195/04,<br />

Hiervon unterschieden werden muss eine andere Fallgestaltung: Hat<br />

der Betroffene einen Antrag auf Entbindung vom persönlichen<br />

Erscheinen in der Hauptverhandlung gestellt, muss der Antrag bei<br />

einer Verlegung des Hauptverhandlungstermins spätestens zu Beginn<br />

des neu terminierten Hauptverhandlungstermins wiederholt werden.<br />

8.2. Entbindung von der Pflicht persönlich zur Hauptverhandlung<br />

zu erscheinen<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2005, 1 Ss Owi 131/05<br />

Das Gericht ist verpflichtet, einem Entbindungsantrag zu entsprechen,<br />

wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen 1 . Wird<br />

trotz des entsprechenden Antrages eine Entbindung nicht<br />

ausgesprochen und der Einspruch verworfen, muss der Betroffene<br />

dies mit der Verfahrensrüge geltend machen. Dabei muss der<br />

Betroffene darstellen, aus welchen Gründen der Tatrichter von seiner<br />

Anwesenheit in der Hauptverhandlung eine weitere Aufklärung nicht<br />

erwarten durfte. Hierzu muss zum Bußgeldbescheid, zu dem dort<br />

1 BayObLG DAR 2001, 371; OLG Hamm VRS 107, 124<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 90 von 121


erhobenen Vorwurf und die Beweislage vorgetragen werden.<br />

Dargelegt werden muss auch, wann und mit welche Begründung der<br />

Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung gestellt wurde und wie<br />

das Amtsgericht diesen beschieden hat.<br />

Hauptverhandlung, Entbinden vom Erscheinen.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 06.06.2005, 1 Ss 95/05 = VRS 110,<br />

13<br />

Eine Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen ist nur<br />

möglich, wenn Seitens des Betroffenen ein Antrag gestellt wird.<br />

Entbindet das Gericht ohne Antrag, kann eine Hauptverhandlung nicht<br />

stattfinden. Eine Hauptverhandlung würde gegen das Recht des<br />

Betroffenen auf Teilnahme an der Hauptverhandlung verstoßen und<br />

seinen Anspruch auf Bewährung rechtlichen Gehörs verletzten.<br />

Entbindung von der Pflicht zur Hauptverhandlung zu erscheinen<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.07.2005, 1 Ss 194/04 = NZV 2006,<br />

50 = VRS 109, 282<br />

Das Gericht muss über einen rechtzeitig gestellten Antrag auf<br />

Entbindung von der Pflicht zur Hauptverhandlung zu erscheinen,<br />

entscheiden. Ist eine solche Entscheidung nicht erfolgt und verwirft das<br />

Amtsgericht einen Einspruch, kann der Betroffene dies mit der<br />

Verfahrensrüge geltend machen. Hierbei geltend jedoch die strengen<br />

Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO: Der Betroffene muss<br />

substantiiert darstellen, dass die Voraussetzungen zur Entbindung<br />

vorlagen. Dies erfordert eine Darstellung der Sach- und Beweislage,<br />

sowie eine Darstellung des bisherigen Vortrages des Betroffenen.<br />

Antrag und Wiedereinsetzung<br />

LG Meiningen, Beschluss vom 22.08.2005, 2 Qs 108/05<br />

Der Betroffne ist stets dann als entschuldigt anzusehen, ihm ist<br />

Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn die Ablehnung des<br />

Entbindungsantrages nach § 73 Abs. 2 OWiG rechtsfehlerhaft war.<br />

Erklärt das Amtsgericht, dass keine Entbindung erfolgt, weil keinen<br />

eigene Erklärung des Betroffenen, sondern nur eine solche des<br />

Verteidigers vorliegt, so ist dies rechtsfehlerhaft. Die Erklärung des<br />

Verteidigers ist ausreichend.<br />

OWiG – Entbindung vom persönlichen Erscheinen<br />

BayObLG, Beschluss vom 10.12.2003, 2 ObOWi 624/03 = NStZ-RR<br />

2005, 81 = NJW 2004, 532 = NZV 2004, 155<br />

1. Kann die Ladung zu einer Hauptverhandlung dem Betroffenen nicht<br />

selbst zugestellt werden, ist die Zustellung der Ladung an den<br />

Verteidiger wirkungslos, wenn sich aus dem Text der<br />

Verteidigervollmacht eine Ermächtigung zum Empfang von Ladungen<br />

nicht ergibt.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 91 von 121


2. Wird ein Antrag auf Entbindung des Betroffenen vom persönlichen<br />

Erscheinen nicht gestellt und erklärt der zur Hauptverhandlung<br />

erschienene Verteidiger ausdrücklich, dass auf einer persönlichen<br />

Einvernahme bestanden wird, verletzt ein ergehender<br />

Entbindungsentschluss das Recht des Betroffenen auf rechtliches<br />

Gehör.<br />

Entbindungsantrag/ Verwerfungsurteil<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 08.03.05, Ss (OWi) 141/05 = DAR<br />

2005, 460<br />

Die Entscheidung über einen Entbindungsantrag ist nicht in das<br />

Ermessen des Gerichts gestellt. Es muss dem Antrag stattgeben,<br />

wenn die Voraussetzung vorliegen.<br />

Wird ein Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen<br />

Erscheinen erstellt, muss sich das Gericht im Urteil mit der Frage<br />

auseinandersetzen, warum es dem Antrag nicht entsprochnen hat,<br />

wenn der Beschluss mit dem das persönliche Erscheinen mit dem die<br />

Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen abgelehnt<br />

wurde, nicht begründen worden war.<br />

Fortsetzungstermin<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 12.01.2006, 2 Ss OWi 612/05<br />

Ist ein Betroffener vom Erscheinen in der Hauptverhandlung<br />

entbunden, gilt dies auch für den Fortsetzungstermin.<br />

Anwesenheitsrecht in der Fortsetzungsverhandlung<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 14.02.2006, 2 Ss Owi 29/06 = DAR<br />

2006, 218<br />

Das Amtsgericht hat um 09:00 Uhr die Hauptverhandlung<br />

unterbrochen. Ein neuer Termin zur Fortsetzung wurde nicht bestimmt.<br />

Der Richter rief um 09.30 Uhr in der Kanzlei des Verteidiger an und<br />

teilte mit, dass die Hauptverhandlung um 12:45 Uhr fortgesetzt werde.<br />

Der Betroffene wurde weder geladen noch ist er erschienen. Dies ist<br />

fehlerhaft. Nach §73 OWiG ist der Betroffene zum Erscheinen in der<br />

Hauptverhandlung verpflichtet. In seiner Abwesenheit darf nur<br />

verhandelt werden, wenn er entbunden wurde. Eine Entbindung ist nur<br />

aufgrund eines entsprechenden Antrages möglich. Erscheint ein<br />

Betroffener zu einem Fortsetzungstermin nicht, zu der er<br />

ordnungsgemäß geladen wurde, ist sein Einspruch zwingend zu<br />

verwerfen. Die Regel des § 230 ff StPO gilt im<br />

<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>verfahren nicht.<br />

8.3. Notwendiger Vortrag in der Rechtsbeschwerde<br />

OLG Köln, Beschluss vom 19.11.2004, 8 Ss Owi 81/04 = NZV 2005,<br />

333<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 92 von 121


Rügt der Betroffene bei einem Verwerfungsurteil allein die Verletzung<br />

des § 73 Abs. 2 OWiG, kommt es nicht darauf an, ob zugleich auch<br />

eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt. Es ist aber<br />

zweifelhaft, ob bei einer Rechtsbeschwerde gegen ein<br />

Verwerfungsurteil der Betroffene auch dann das Vorliegen einer<br />

schriftlichen Vertretungsmacht vortragen muss, wenn das Amtsgericht<br />

einen Entpflichtungsantrag vor dem Termin abgelehnt hat, ohne dabei<br />

auf die nicht nachgewiesene Vertretungsmacht abzustellen.<br />

§ 73 OWiG – Entbindung und Verlegung<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 02.02.2005, Ss OWi 803/04 = VRS 108,<br />

274<br />

Die Umdeutung eines Verlegungsantrages in einen Antrag auf<br />

Entbindung vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung ist<br />

nicht zulässig. Kommt es gleichwohl zu einer entsprechenden<br />

Hauptverhandlung, kann der Betroffene in seinem Recht auf<br />

rechtliches Gehör verletzt sein.<br />

Nach allgemeiner Meinung handelt es sich bei der Rüge der<br />

Verletzung des rechtlichen Gehörs um eine Verfahrensrüge, die<br />

demgemäß den strengen Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3<br />

OWiG, 344 Abs. 2 StPO genügen muss. Danach muss bei einer<br />

Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das<br />

Rechtsbeschwerdegericht allein auf Grund der Begründungsschrift<br />

prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn der tatsächliche<br />

Vortrag des Betroffenen richtig ist. Wird die Versagung des rechtlichen<br />

Gehörs gerügt, muss in der Begründungsschrift durch entsprechenden<br />

Tatsachenvortrag schlüssig vorgetragen werden, dass ein Verstoß<br />

gegen Artikel 103 GG vorliegt. Aus dem Antrag muss eindeutig hervor<br />

gehen, dass der Betroffene sein Anwesenheitsrecht in der<br />

Hauptverhandlung auf jeden Fall wahrnehmen wollte. Der Betroffene<br />

muss auch darlegen, dass er nur wenige Tage nach dem anberaumten<br />

Verhandlungstermin wegen der Beendigung seines studienbedingten<br />

Aufenthaltes in Griechenland sein Anwesenheitsrecht ab dem<br />

31.07.2004 hätte wahrnehmen können.<br />

Nach § 73 OWiG in Verbindung mit § 226 StPO besteht nicht nur eine<br />

Anwesenheitspflicht des Betroffenen in der Hauptverhandlung sondern<br />

auch ein Anwesenheitsrecht. Die Hauptverhandlung kann ohne den<br />

Betroffenen grundsätzlich nur dann durchgeführt werden, wenn dieser<br />

von seine Pflicht, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, wirksam<br />

entbunden worden ist. Dies setzt einen Entbindungsantrag voraus.<br />

Dieser kann zwar formlos gestellt werden, es muss jedoch erkennbar<br />

sein und zum Ausdruck kommen, dass der Betroffene von der Pflicht<br />

an der Hauptverhandlung teilnehmen zu müssen, befreit sein möchte.<br />

Ein solcher Entbindungsantrag ist vorliegend nicht gestellt. Der<br />

Betroffene hat vielmehr durch die Schriftsätze seines Verteidigers<br />

mehr als deutlich zu erkennen gegeben, dass er von seinem<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 93 von 121


Anwesenheitsrecht Gebrauch machen und an der Hauptverhandlung<br />

teilnehmen will. Anders lassen sich die Hinweise auf die Zeitpunkte,<br />

wann der Betroffene für eine Hauptverhandlung zur Verfügung steht,<br />

nicht auslegen. Soweit das Amtsgericht den Verlegungsantrag in einen<br />

Entbindungsantrag andeutet, ist dies nicht zulässig.<br />

8.4. Urlaub Hauptverhandlung<br />

OLG Hamm Beschluss vom 25.05.2005, 2 Ss 210/05 = zfs 2005, 515<br />

= VA 2005, 144<br />

Das Ausbleiben eines Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung<br />

ist in der Regel genügend entschuldigt, wenn er aufgrund eines vor<br />

Erhalt der Ladung zur Hauptverhandlung wegen eines gebuchten<br />

Urlaubs ausbleibt.<br />

Verlegungsantrag wegen Urlaub<br />

OLG Köln, Beschluss vom 22.10.2004, 8 Ss – OWi 48/04 = DAR 2005,<br />

576<br />

Das Amtsgericht hatte einen Termin zur Hauptverhandlung wegen<br />

Urlaubs des Betroffenen verlegt. Einen weiteren Verlegungsantrag<br />

wegen Urlaub des Verteidigers hat es abgelehnt, unter anderem mit<br />

dem Hinweis darauf, dass der Betroffene sich durch einen anderen<br />

Verteidiger verteidigen lassen könne. Zur Hauptverhandlung war<br />

weder der Betroffen noch sein Verteidiger erschienen. Gegen das<br />

ergangene Verwerfungsurteil legte der Betroffene Rechtsbeschwerde<br />

ein und begründete diese mit der Verletzung des rechtlichen Gehörs<br />

sowie der Verletzung des Gebots eines fairen Verfahrens.<br />

Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Nach § 137 Absatz 1 Satz 1<br />

StPO, der über § 46 Absatz 1 OWiG auch im<br />

<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>verfahren besteht, kann sich ein Betroffener in<br />

jeder Lage des Verfahrens des Beistandes seines Verteidigers<br />

bedienen. Ein solcher Anspruch ist keinesfalls auf Fälle notwendiger<br />

Verteidigung beschränkt. Die Fürsorgepflicht gebietet es, eine<br />

Hauptverhandlung in Gegenwart des gewählten Verteidigers zu<br />

ermöglichen, wenn es nach der Bedeutung der Bußgeldsache und<br />

ihrer tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten dem Betroffenen<br />

nicht zuzumuten ist, sich alleine zu verteidigen. Dies ergibt sich auch<br />

aus Artikel 6 Absatz 3c MRK. Dieses Recht ist sowohl bei der<br />

Terminbestimmung als auch bei der Entscheidung über Anträge auf<br />

Terminverlegung oder Aussetzung der Hauptverhandlung zu beachten.<br />

Antrag auf Terminverlegung<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 05.09.2005, 2 Ss OWi 526/05 = NZV<br />

2006, 165<br />

Das Ausbleiben von der Hauptverhandlung ist dann ausreichend<br />

entschuldigt, wenn der Betroffene zwar zur Hauptverhandlung<br />

erscheinen könnte, ihm aber aus besonderen Gründen die Befolgung<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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der Ladung billigerweise nicht zuzumuten ist und ihm deshalb die<br />

Zuwiderhandlung gegen die öffentlich-rechtliche Pflicht der Ladung<br />

Folge zu leisten, nicht zum Vorwurf gereicht.<br />

Grundsätzlich müssen berufliche Angelegenheiten gegenüber der<br />

Pflicht beim Gericht zu erscheinen, zurücktreten. Bei unaufschiebbaren<br />

und besonders bedeutsamen beruflichen oder geschäftlichen<br />

Angelegenheiten kann dem Betroffenen aber ausnahmsweise das<br />

Erscheinen vor Gericht unzumutbar sein. Insoweit muss eine<br />

Güterabwägung stattfinden. Die persönlichen Gründe die das<br />

Fernbleiben in der Hauptverhandlung entschuldigen soll, kennt nur der<br />

Betroffene – er muss sie daher dem Gericht mitteilen. Die<br />

Bescheinigung des Arbeitgebers, in der es nur pauschal heißt, das der<br />

Betroffene an zwei dringenden Gesprächen teilnehmen muss ist<br />

hierfür nicht ausreichend.<br />

Hauptverhandlung/Urlaub<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 14.12.2005, 2 Ss Owi 769/05 = VRS 110,<br />

28<br />

Um eine dringende persönliche oder berufliche Angelegenheit handelt<br />

es sich nicht bei einer Urlaubsreise, die der Betroffene bucht in<br />

Kenntnis der Ladung zur Hauptverhandlung. Eine solche Urlaubsreise<br />

rechtfertigt nicht das Ausbleiben in der Hauptverhandlung.<br />

Das Ausbleiben zur Hauptverhandlung ist dann genügend<br />

entschuldigt, wenn der Betroffene zwar zur Hauptverhandlung<br />

erscheinen könnte, ihm aber aus besonderen Gründen die Befolgung<br />

der Ladung billigerweise nicht zuzumuten ist und ihm deshalb die<br />

Zuwiderhandlung gegen die öffentlich-rechtliche Pflicht, der Ladung<br />

Folge zu leisten, nicht zum Vorwurf gereicht. In diesem<br />

Zusammenhang ist anerkannt, dass grundsätzlich berufliche<br />

Angelegenheiten gegenüber der Pflicht, zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt vor Gericht zu erscheinen, zurückzutreten haben. Bei<br />

unaufschiebbaren und besonders bedeutsamen beruflichen oder<br />

geschäftlichen Angelegenheiten kann dem Betroffene aber<br />

ausnahmsweise das Erscheinen vor Gericht unzumutbar sein.<br />

Verlegung des Hauptverhandlungstermins<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.01.2006, 1 Ss 165/05 = NZV 2006,<br />

217 = VRS 110, 294<br />

Auch wenn in einem <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>verfahren hat der Betroffene<br />

das Recht, sich durch einen Rechtsanwalt seines Vertrauens (seiner<br />

Wahl) verteidigen zu lassen. Die Terminierung einer Hauptverhandlung<br />

ist grundsätzlich Sache des Vorsitzenden. Er ist aber dabei gehalten,<br />

über Anträge auf Terminverlegung nach pflichtgemäßen Ermessen<br />

unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der<br />

Gesamtbelastung des Spruchkörpers und des Gebots der<br />

Verfahrensbeschleunigung sowie der Interessen der Beteiligten zu<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 95 von 121


entscheiden. Einem erstmaligen Antrag des Verteidigers ist in der<br />

Regel zu entsprechen.<br />

Ablehnung wegen Weigerung einer Terminsverlegung<br />

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 30.05.2005, 1 Ss (OWi) 93<br />

B/05<br />

Der Amtsrichter teilte dem Betroffenen mit, dass auch bei einer<br />

Verhinderung des Verteidigers eine Verlegung nicht in Betracht<br />

komme. Daraufhin lehnte der Betroffene den Richter wegen der<br />

Besorgnis der Befangenheit ab. Gleichwohl wurde der Betroffene<br />

verurteilt. Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Zwar sei die<br />

Verwerfung des Ablehnungsgesuches wegen Verschleppungsansicht<br />

zu Unrecht erfolgt. Allerdings sei das Ablehnungsgesuch unbegründet<br />

gewesen.<br />

Legt der Betroffene zur Entschuldigung für ein Nichterscheinen ein<br />

ärztliches Attest vor, ist der Richter an der Beurteilung es Arztes nicht<br />

gebunden. Zweifel an der Aussagekraft des Attestes dürfen aber nicht<br />

dazu führen, dass der Einspruch ohne weitere Überprüfung verworfen<br />

wird.<br />

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 07.04.2005, 1 Ss 40/05 = zfs 2006,<br />

233<br />

Hält das Gericht ein vorgelegtes Attest nicht für ausreichend<br />

aussagekräftig, muss es sich Kenntnis über die näheren<br />

Krankheitsumstände in Freibeweis verschaffen, bevor es einen<br />

Einspruch verwirft. Erfolgt dies nicht, liegt die Verletzung des<br />

rechtlichen Gehörs vor.<br />

Schleswig – Holsteinisches OLG, Beschluss vom 01.09.2005, 2 Ss<br />

OWi 149/05 (103/05) = zfs 2006, 53<br />

Terminnachricht an Staatsanwaltschaft<br />

Mit Vorlage der Akten an das Amtsgericht stellte die<br />

Staatsanwaltschaft die Tat, die dem Betroffenen vorgeworfen wird, zur<br />

gerichtlichen Aburteilung und übernimmt damit die eigenständige<br />

Vertretung und Verantwortung für die Beschuldigung im gerichtlichen<br />

Bußgeldverfahren. Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft bzw.<br />

Amtsanwaltschaft das öffentliche Interesse zu vertreten, wenn ihr ein<br />

prozessuales Recht zur Mitwirkung in der Hauptverhandlung zusteht. §<br />

75 Abs. 1 S. 1 OWiG steht dem nicht entgegen. Diese Vorschrift befreit<br />

die Staatsanwaltschaft lediglich von einer Teilnahmepflicht und stellt<br />

die Teilnahme in ihr pflichtgemäßes Ermessen.<br />

KG, Beschluss vom 16.03.2005, 3 Ws (B) 11/05 = VRS 109, 125<br />

9.Verletzung des rechtlichen Gehörs<br />

Einspruchsverwerfung trotz Rücknahme<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 96 von 121


OLG Hamm, Beschluss vom 31.10.2006, 2Ss Owi 653/06 = VRR<br />

2007, 76<br />

Das Amtsgericht hat einen Einspruch verworfen, obwohl dieser zuvor<br />

wirksam zurückgenommen war. Der Antrag auf Zulassung der<br />

Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Das Gericht argumentiert,<br />

dass der Betroffene hierdurch nur einen Kostennachteil hatte, aber<br />

nicht in der Hauptsache beschwert war.<br />

9.1. Rücknahme des Einspruchs<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 17.05.2005, 3 Ss OWi 332/05<br />

Allein der Umstand, dass das Gericht die Rücknahme des Einspruches<br />

gegen ein Bußgeldbescheid nicht rechtzeitig zur Kenntnis genommen<br />

hat, ist noch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Der Antrag auf<br />

Zulassung der Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.<br />

9.2. Entschuldigungsvorbringen<br />

OLG Rostock, Beschluss vom 08.02.2005, 2 Ss OWi 9/05 = VRS 108,<br />

374<br />

Eine Rechtsbeschwerde bedarf nicht der Zulassung, wenn bei der<br />

Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG die Versagung des<br />

rechtlichen Gehörs gerügt wird. Wurde ein<br />

Entschuldigungsvorbringen nicht berücksichtigt, liegt die Verletzung<br />

des rechtlichen Gehörs darin, dass die Entschuldigungsgründe nicht<br />

berücksichtigt wurden, nicht darin, dass der Betroffene sich nicht zum<br />

Bußgeldbescheid äußern konnte. Voraussetzung für eine<br />

ordnungsgemäße Rechtsbeschwerde ist, dass die<br />

Entschuldigungsgründe in der Rechtsbeschwerde vorgetragen werden.<br />

Die Verletzung des rechtlichen Gehörs muss mit der Verfahrensrüge<br />

geltend gemacht werden. Dabei sind die Verfahrenstatsachen<br />

vollständig und aus sich heraus verständlich anzugeben, dass das<br />

Beschwerdegericht allein anhand der Rechtsbeschwerdegründung in<br />

der Lage ist, über die Rechtsbeschwerde zu entscheiden.<br />

Wird die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, muss dargelegt<br />

werden, was der Betroffene im Fall seiner Anhörung geltend gemacht<br />

hätte. Daneben bedarf es der Darlegung der Entschuldigungsgründe<br />

bei unerlaubten Entfernen und der Mitteilung der Überlegung des<br />

Amtsgerichts hierzu, warum es das Entschuldigungsvorbringen als<br />

nicht ausreichend angesehen hat. Schließlich muss der<br />

Beschwerdeführer darlegen, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler<br />

beruht.<br />

Verwerfung, Wartefrist<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2006, 4Ss Owi 321/06<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 97 von 121


Auch wenn der Betroffene sich nicht ausreichend entschuldigt hat und<br />

nicht pünktlich zur Hauptverhandlung erscheint, darf eine Verwerfung<br />

des Einspruchs erst erfolgen, wenn das Gericht eine ausreichende Zeit<br />

gewartet hat. Im vorliegenden Fall hatte der Betroffene angekündigt, er<br />

werde unverzüglich losfahren und binnen 30 Minuten vor Gericht<br />

erscheinen. Dem Antrag des Verteidigers, so lange zu warten, hat das<br />

Amtsgericht nicht stattgegeben und den Einspruch verworfen. Die<br />

hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Das<br />

Oberlandesgericht stellte fest, dass das Amtsgericht die Grundsätze<br />

des fairen Verfahrens verletzt hat.<br />

Verwerfung des Einspruchs Entschuldigung<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 16.03.2006, 1 Ss 257/05 = VRS 111,<br />

148<br />

Das Gericht darf den Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid gem. §<br />

74 OWiG nur verwerfen, wenn der Betroffene ohne genügende<br />

Entschuldigung der Hauptverhandlung fernbleibt. Voraussetzung ist<br />

natürlich, dass er nicht von der Verpflichtung zum Erscheinen<br />

entbunden war.<br />

Für die Entscheidung der Frage, ob eine ausreichende Entschuldigung<br />

vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob er sich entschuldigt hat, sondern<br />

ob er entschuldigt ist. Maßgeblich ist dabei nicht, was er selbst zur<br />

Entschuldigung vorgetragen hat, sondern ob sich aus den Umständen,<br />

die dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung bekannt sind, oder<br />

im Wege des Freibeweises feststellbar sind, eine ausreichende<br />

Entschuldigung ergibt. Dies gilt insbesondere, wenn der Betroffene<br />

dem Gericht noch vor Beginn der Hauptverhandlung mitteilt, dass er<br />

nicht erscheinen kann und einen aus seiner Sicht nachvollziehbaren<br />

Entschuldigungsgrund vorlegt. Dies kann darin bestehen, dass er eine<br />

Krankschreibung dem Gericht übersendet.<br />

Hält das Gericht eine vorgetragene Erkrankung nur für vorgeschoben<br />

oder nicht ausreichend glaubhaft, muss er sich durch Einholung<br />

ärztlicher Auskünfte die volle Überzeugung verschaffen. Dabei kann<br />

von dem Betroffenen nicht verlangt werden, dass er sein<br />

Entschuldigungsvorbringen glaubhaft macht, wenn der Richter den<br />

Wahrheitsgehalt anzweifelt.<br />

Eine Überprüfung, ob das Gericht den Rechtsbegriff der genügenden<br />

Entschuldigung richtig angewandt hat, kann grundsätzlich nur erfolgen,<br />

wenn das Urteil die vorgetragenen Umstände, die das Ausbleiben<br />

entschuldigen, im einzelnen darlegt. Erfolgt dies nicht, muss bereits<br />

aus diesem Grunde das Urteil aufgehoben werden.<br />

Ausbleiben in der Hauptverhandlung<br />

OLG Hamm, Beschluss von 06.03.2006, 4 Ss Owi 44/06 = VRR 2006,<br />

274<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 98 von 121


Das Ausbleiben zu einem Gerichtstermin ist in der Regel auch dann<br />

entschuldigt, wenn die Handlung auf einen falschen Rat des<br />

Verteidigers beruht.<br />

9.3 Niederschrift des Urteils während des letzten Wortes<br />

OLG Köln, Beschluss vom 06.05.2005, 8 Ss – OWi 128/05 = VRS 109,<br />

55 = DAR 2005, 524<br />

Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn der<br />

Richter bereits während des letzten Worts des Angeklagten die<br />

Urteilsformel niederschreibt. Ein deutscher Richter kann ohne weiteres<br />

seine Aufmerksam teilen oder noch vor Verkündung des Urteils, die<br />

Entscheidung ändern.<br />

9.4. Beweisantrag und rechtliches Gehör<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 17.02.2005, 1 Ss 227/04 = VRS 108,<br />

360<br />

Unterlässt es der Tatrichter, sich mit einem in der Hauptverhandlung<br />

gestellten und nicht offensichtlich unzulässigen Beweisantrag zu<br />

befassen, verletzt er damit das Grundrecht des Betroffenen auf<br />

rechtliches Gehör.<br />

Wird die Verfahrensrüge erhoben, muss sich aus dem<br />

Beschwerdevorbringen ergeben, welches das erwartete Ergebnis des<br />

beantragten Sachverständigenbeweises ist. Als Beweisbehauptung ist<br />

es möglich, dass die Messschranke nicht exakt justiert war, was zu<br />

einer Fehlmessung führt, weil die Anlage nicht korrekt zur<br />

Straßenfahrbahn parallel ausgestellt wurde und weil eine 2-% Steigung<br />

missachtet wurde.<br />

9.5. Beweisantrag und Rechtsbeschwerde<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 24.05.2005, 1 Ss OWi 170/05 = SVR<br />

2006, 35<br />

Der Betroffene war wegen Überschreitung der zulässigen<br />

Höchstgeschwindigkeit zu einem Bußgeld verurteilt worden. In der<br />

Hauptverhandlung hatte er ein Beweisantrag hinsichtlich des in<br />

Augenschein genommenen Schaublattes gestellt. Die<br />

Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg. Die Rüge der Verletzung des<br />

Verfahrensrechts war unzulässig.<br />

Verfahrensrügen müssen so begründet werden, dass das<br />

Beschwerdegericht allein auf Grund der Begründungsschrift prüfen<br />

kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt. In dem Beschwerdeschriftsatz<br />

muss der Beweisantrag vollständig wiedergegeben werden, das heißt<br />

die Beweistatsache und das Beweismittel.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 99 von 121


9.6. Neue Beweismittel<br />

Saarländisches OLG, Beschluss vom 30.05.2005, Ss (Z) 222/04<br />

(10/05) = VRS 109, 05<br />

1. Das Recht auf Gehör vor Gericht (103 Abs. 1 GG) ist verletzt, wenn<br />

dem Betroffenen keine Möglichkeit gegeben wird, sich zu allen<br />

entscheidungserheblichen und ihm nachteiligen Tatsachen und<br />

Beweisergebnissen zu äußern.<br />

2. Dieser Anspruch ist verletzt, wenn im Bußgeldverfahren vor dem<br />

AG, bei erlaubter Abwesenheit, neue Beweismittel eingeführt werden<br />

sollen. Dies sind etwa Zeugen oder Sachverständige, deren Ladung<br />

dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird oder Urkunden, von denen der<br />

Betroffene und sein Verteidiger keine Kenntnis hatten und auf die sich<br />

die Verteidigung daher nicht einrichten konnte.<br />

Bei einer Geldbuße von 75,00 € gilt der grundsätzlich der<br />

Zulassungsgrund des § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG: Die Rechtsbeschwerde<br />

wird wegen einer Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren nur<br />

zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung zugelassen.<br />

Nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ist die Rechtsbeschwerde aber zulässig,<br />

wenn die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt wird.<br />

Verwerfung und Verjährung<br />

OLG Köln, Beschluss vom 26.03.2004, Ss 125/04 Z = DAR 2005, 229<br />

Eine Versagung des rechtlichen Gehörs, liegt vor, wenn durch ein<br />

Verwerfungsurteil der Einspruch ohne Rechtsgrundlage verworfen<br />

wird. Für die Verwerfung des Einspruchs, weil der Verteidiger in der<br />

Hauptverhandlung nicht erschienen ist, gibt es keine Rechtsgrundlage.<br />

Die Ordnungswidrigkeit ist allerdings auch noch nicht verjährt. Zwar ist<br />

in dem Bußgeldbescheid das falsche Datum als Tatzeit angegeben,<br />

dies berührt die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides und damit die<br />

Unterbrechung der Verjährung nicht. Ist in einem Bußgeldbescheid der<br />

Tattag fehlerhaft angegeben, so ist er gleichwohl wirksam, wenn der<br />

Betroffene aus dessen übrigen Inhalt zweifelsfrei erkennen kann,<br />

welche Tat geahndet werden soll. Entscheidend ist, ob aus der Sicht<br />

des Betroffenen der Irrtum bezüglich der Tatzeit erkennbar ist und eine<br />

Verwechslungsgefahr nicht besteht.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 100 von 121


Abwesenheitsverfahren<br />

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 26.09.05, 2 Ss (Owi) 155 Z-<br />

05<br />

Ist es unstreitig, dass der Betroffene Kraftfahrer war. Er stellte<br />

rechtzeitig ein Antrag auf Entbindung und erklärt dabei, dass er weitere<br />

Angaben zur Sache in der Hauptverhandlung nicht machen wird. Dann<br />

muss er entbunden werden. Erscheint er nicht in der<br />

Hauptverhandlung und verwirft das Amtsgericht den Einspruch, liegt<br />

eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, die mit der formellen Rüge<br />

beanstandet werden muss. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs<br />

liegt vor, denn der Betroffene hat ein Recht darauf, dass das Gericht<br />

seine Erklärung zur Kenntnis nimmt und in seiner Abwesenheit die<br />

Sache selbst entscheidet.<br />

Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist mit der Verfahrensrüge<br />

geltend zu machen. Dabei müssen die den Mangel enthaltenden<br />

Tatsachen so genau und so vollständig angegeben werden, dass das<br />

Rechtsbeschwerdegericht schon anhand der Rechtsmittelschrift ohne<br />

Rückgriff auf die Akten prüfen und – die Zulassung der<br />

Rechtsbeschwerde vorausgesetzt – im Freibeweisverfahren<br />

abschließend feststellen kann, dass der behauptete Fehler tatsächlich<br />

vorliegt. Daher ist insbesondere auch darzulegen, was der Betroffene<br />

vorgetragen hätte, wenn ihm rechtliches Gehör gewährt worden wäre,<br />

damit das Beschwerdegericht prüfen kann, ob das Urteil auf den<br />

Verstoß beruht. Werden dabei Beweismittel erstmals vorgelegt, reicht<br />

der Hinweis aus, dass ihm durch diese neuen Beweismittel weitere<br />

Beweisanträge abgeschnitten wurden.<br />

Fristberechnung der Rechtsbeschwerde: § 43 Abs. 1 StPO gilt für<br />

die Berechnung der Begründungsfrist von einem Monat auch dann,<br />

wenn diese unmittelbar an die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels<br />

anschließt. Der Tag des Beginns der Monatsfrist ist daher nicht mit zu<br />

zählen. 1 Endet daher die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde,<br />

beginnt die Frist für die Begründung erst am Folgetag. 2<br />

9.7. Beschränkung der Verteidigung<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 25.05.05, 2 Ss Owi 261/05<br />

1 siehe auch BGHst 36, 241<br />

2 Beispiel: Ende der Einlegungsfrist 4. Oktober, Beginn der Begründungsfrist 5.<br />

Oktober, Ende mit Ablauf des 5. November<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 101 von 121


Wird die Beschränkung der Verteidigung wegen nur unvollständiger<br />

Akteneinsicht geltend gemacht, muss neben der Darstellung der<br />

mangelhaften Akteneinsicht auch darzulegen, welche Bedeutung dies<br />

für die Entscheidung hatte.<br />

10. Beweisantrag<br />

Weist das Gericht einen Beweisantrag wegen eigener Sachkunde<br />

zurück, braucht das Gericht dies weder in der Hauptverhandlung noch<br />

im Ablehnungsbeschluss zu erörtern. Im Urteil sind Ausführungen<br />

hierzu jedoch notwendig, wenn es sich um Fachwissen handelt, das in<br />

der Regel nicht Allgemeingut aller Richter ist. Ein solches<br />

Allgemeinwissen aller Richter liegt nicht vor, wenn der Zusammenhang<br />

zwischen der Anzeige eines gültigen Messergebnisses und dessen<br />

tatsächliche Richtigkeit bei dem hier in Rede stehenden<br />

Lichtschrankenmessgerät beurteilt werden soll (ESO μP). Dieses<br />

sachkundige Wissen ist dann detailliert im Urteil darzustellen.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 03.11.2004, 1 Ss 204/04 = VRS 108,<br />

371= DAR 2005, 464<br />

Soweit es um die Frage der Zulassung einer Rechtsbeschwerde geht,<br />

kann die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages nicht gerügt<br />

werden. In der Ablehnung eines Beweisantrages liegt in der Regel<br />

keine Verkürzung des Anspruches auf rechtliches Gehör. Eine<br />

Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nur gegeben, wenn die<br />

erlassene Entscheidung des Tatrichters auf einem Verfahrensfehler<br />

beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und nicht<br />

Berücksichtigung des Sachvertrages der Partei hat.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 25.05.2005, 2 Ss OWi 335/05 = NZV<br />

2006, 217<br />

Urteil in Owi-Sachen<br />

Auch im Bußgeldverfahren muss der Tatrichter seine<br />

Überzeugungsbildung im Urteil so ausführlich darlegen, dass das<br />

Beschwerdegericht in die Lage versetzt wird, das Urteil darauf zu<br />

überprüfen, ob der Tatrichter sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen<br />

gehalten hat und die tatsächliche Beurteilung auf rechtlich zutreffenden<br />

Erwägungen beruht. Dabei ist namentlich die Einlassung des<br />

Betroffenen eingehend zu würdigen. Stützt das Gericht seine<br />

Überzeugung auf das Gutachten eines Sachverständigen, so sind die<br />

wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen<br />

mitzuteilen.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 30.06.2005, 8 Ss – Owi 103/05 = VRS 109,<br />

193 = DAR 2005, 646<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 102 von 121


Ergänzung des Urteils<br />

Die Ergänzung eines Urteils ist im Strafverfahren und<br />

Bußgeldverfahren grundsätzlich nicht zulässig, wenn das Urteil bereits<br />

aus dem inneren Dienstbereich des Gerichtes herausgegeben worden<br />

ist. Dies gilt auch, wenn die Urteilsabsetzungsfrist noch nicht<br />

abgelaufen ist.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 23.06.2005, 1 Ss OWi 427/05 = DAR<br />

2005, 640<br />

11. Rechtsbeschwerde<br />

Beschränkung des Rechtsmittels<br />

Der Wirksamkeit der Beschränkung steht nicht entgegen, dass in dem<br />

angefochtenen Urteil im Widerspruch zu höchstrichterlichen<br />

Rechtsprechung neben dem angewandten Messverfahren nicht auch<br />

der im Abzug gebrachte Toleranzwert mitgeteilt wird. Eine beharrliche<br />

Pflichtenverletzung setzt nicht voraus, dass der Betroffene innerhalb<br />

eines Jahres eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von<br />

mindestens 26 km/h begeht. Diese kann auch vorliegen, wenn der<br />

Betroffene seit 1999 bereits neun Mal verkehrsrechtlich in Erscheinung<br />

getreten ist, davon sieben Mal mit Geschwindigkeitsüberschreitung<br />

(eine davon mit einem Fahrverbot, weil der Betroffene abzüglich<br />

Messtoleranz die Höchstgeschwindigkeit innerorts um 35 km/h<br />

überschritten hatte).<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 28.06.05, 1 Ss 141/05 = VRS 110, 35<br />

11.1. Fortbildung des Rechts<br />

OLG Hamm, VRS 109, 52 (allerdings ist das angegebenen<br />

Aktenzeichen nicht richtig)<br />

Der Betroffene war zu einer Geldbuße von 65,00 € verurteilt worden.<br />

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.<br />

Da die verhängte Geldbuße nicht mehr als 100,00 € beträgt, richten<br />

sich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde<br />

nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG. Danach ist die Rechtsbeschwerde in<br />

dem Verfahren mit den so genannten weniger bedeutsamen Fällen nur<br />

zulässig zur Fortbildung des materiellen Rechts oder wenn das Urteil<br />

wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist.<br />

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts<br />

kommt nur in Betracht, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt,<br />

Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des<br />

materiellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken<br />

rechtschöpferisch auszufüllen. Der Einwand der Verjährung ist nach §<br />

80 Abs. 5 OWiG bereits vor Erlass des angefochtenen Urteils im<br />

Zulassungsverfahren nur dann zu prüfen, wenn es geboten ist, die<br />

Rechtsbeschwerde zuzulassen und zur Frage der Verjährung ein<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 103 von 121


klärendes Wort zu sprechen. Sind die Fragen jedoch geklärt, ist eine<br />

Zulassung nicht angezeigt.<br />

11.2. Art des Rechtsmittel<br />

BayObLG, Beschluss vom 30.05.2005, 4 St RR 73/05 = VRS 109, 32<br />

1. Rechtsmittel<br />

Ist kein Jugendstrafrecht angewandt, gilt nicht das Rechtsmittel nach §<br />

55 JGG. Nach einer Anklage (oder Strafbefehl) sind die Rechtsmittel<br />

der StPO anwendbar, auch wenn nur nach OWiG eine Geldbuße<br />

angeordnet wurde (§§ 79, 80, 83 OWiG). Gegenstand des Verfahrens<br />

ist nur eine einzige Tat im prozessualen Sinn, die eben die Straftat und<br />

die Ordnungswidrigkeit umfassen.<br />

2. Tatidentität<br />

Wird einem Betroffene Fahren ohne Fahrerlaubnis vorgeworfen und<br />

hat sich auf der konkreten Fahrt ein Unfall ereignet, so ist auch diese<br />

Ordnungswidrigkeit erfasst, selbst wenn der Unfall in der Anklage<br />

(oder der Strafbefehlsantrag) nicht erwähnt wird und gewürdigt wird.<br />

3. Verjährungsvorschriften<br />

Die Verjährungsvorschriften richten sich in diesem Fall nach § 26 Abs.<br />

3 StVG. Es muss geprüft werden, ob insbesondere die Verjährung<br />

nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG durch die erste<br />

Beschuldigtenvernehmung unterbrochen wurde. Nach Zustellung der<br />

Anklageschrift bzw. des Strafbefehls gilt die sechsmonatige<br />

Verjährung.<br />

Einstellung des Verfahrens – Rechtsmittel<br />

OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.08.2004, 1 Ss (OWi) 122 B /04<br />

= NStZ – RR 2005, 213<br />

Stellt das Amtsgericht ein Verfahren wegen eines<br />

Verfahrenshindernisses nach § 72 OWiG außerhalb der<br />

Hauptverhandlung ein, ist die sofortige Beschwerde unzulässig. Wird<br />

gleichwohl eine solche eingelegt, ist diese als Rechtsbeschwerde<br />

umzudeuten.<br />

Soll mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht werden, dass die<br />

Voraussetzungen der Einstellung nicht vorliegen, ist dies mit der<br />

formellen Rüge zu beanstanden und entsprechend auszuführen.<br />

Rechtsbeschwerdefrist<br />

BGH, Beschluss vom 06.08.2004, 2 StR 523/03 = NStZ 2005, 171<br />

Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt für den bei der<br />

Urteilsverkündungen abwesenden Betroffenen auch dann mit der<br />

Zustellung des Urteils, wenn dieses nicht mit Gründen versehen ist<br />

und die Voraussetzungen des § 77b Absatz 1 Satz 3 OWiG nicht<br />

vorliegen.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 104 von 121


Die wirksame Zustellung setzt voraus, dass die Entscheidung<br />

vollständig, d. h. auch mit Gründen versehen übermittelt wird. Dies gilt<br />

nicht, wenn von einer Urteilsbegründung abgesehen werden darf. Das<br />

unzulässige Absehen von Urteilsgründen führt nicht zur Unwirksamkeit<br />

der Zustellung: denn das zuzustellende Schriftstück wird vollständig<br />

bekannt gemacht. Die Zustellung eines nicht mit Gründen versehenen<br />

Urteils verkürzt zwar die Entscheidungsgrundlage für die Frage, ob<br />

Rechtsmittel eingelegt werden soll. Dies ist indessen unschädlich, weil<br />

der Betroffene den Sachverhalt aus dem Bußgeldbescheid kennt.<br />

Rechtsbeschwerde und Verwerfungsurteil<br />

Zur ordnungsgemäßen Rüge, das Gericht habe die Voraussetzung für<br />

den Erlass eines Abwesenheitsurteils verkannt, gehört auch die<br />

Mitteilung, ob und wie gegebenenfalls das Amtsgericht auf einen<br />

Antrag des Betroffenen, ihm vom Erscheinen in der Hauptverhandlung<br />

zu befreien, reagiert hat.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 13.06.2005, 2 Ss Owi 328/05 = VRS 109,<br />

05<br />

Darstellung des Verteidigungsvorbringens im Urteil<br />

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht,<br />

Ausführungen von Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und<br />

in Erwägung zu ziehen. In den Urteilsgründen müssen die<br />

wesentlichen der Rechtsverfolgung und der Rechtsverteidigung<br />

dienenden Tatsachen verarbeitet und gewürdigt werden. Eine<br />

Verletzung des Anspruches liegt vor, wenn sich aus den Umständen<br />

des Einzelfalles ergibt, dass das Gericht das tatsächliche Vorbringen<br />

eines Betroffenen entweder nicht zur Kenntnis genommen oder dort<br />

bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat. Zur<br />

Zulässigkeit einer Verfahrensrüge gehört, dass Umfassen der gesamte<br />

Sachverhalt vorgetragen wird. Hierzu gehört auch der Umstand, dass<br />

sich das Gericht mit Verlegungsanträgen außerhalb der<br />

Hauptverhandlung auseinandergesetzt hat.<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 06.10.2005, Ss (OWi) 715/05, 3 Ws<br />

55/05 = DAR 2006, 98<br />

Erzwingungshaft<br />

AG Lüdinghausen, Beschluss vom 12.07.2005, 10 OWi 22/05 = NZV<br />

2005, 600 = DAR 2005, 649<br />

Wegen eines Bußgeldes von 5,00 Euro ist in der Regel<br />

Erzwingungshaft unverhältnismäßig.<br />

Erzwingungshaft trotz Strafhaft<br />

Der Betroffene befindet sich Haft. Er hat in sieben Verfahren wegen<br />

Parkverstößen Geldbußen nicht gezahlt. Vollstreckungsversuche<br />

blieben erfolglos. Das Amtsgericht hat in jedem der Verfahren zwei<br />

Tage Erzwingungshaft angeordnet, die eingelegte sofortige<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 105 von 121


Beschwerde hatte keinen Erfolg. Es liegt keineswegs auf der Hand,<br />

dass ein Strafgefangener zahlungsunfähig ist.<br />

LG Arnsberg, Beschluss vom 02.02.2006, 2 Qs 19, 23, 25, 27, 29, 31,<br />

31/06 = VRR 2006, 151<br />

Mit der Aktenversendungspauschale sind nicht auch die bei dem<br />

Rechtsanwalt nach Akteneinsichtnahme für die Rücksendung der<br />

Akten entstehenden Kosten abgegolten.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 19.12.2005, 2 Ws 300/05 = VRS 110, 57<br />

Seit dem Inkrafttreten des Anhörungsrügegesetzes ist ein Beschluss,<br />

durch den ein Antrag auf Nachholen des rechtlichen Gehörs<br />

zurückgewiesen wird, mit einer Kostenentscheidung zu Lasten des<br />

Antragstellers zu versehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 464<br />

Abs. 1 StPO analog. Anders als Verfahren nach § 33a StPO ist dies<br />

seit Inkrafttreten des Anhörungsrügegesetzes nicht mehr der Fall.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 10.10.2005, 81 Ss Owi 41/05 – 268 = VRS<br />

109, 346 = DAR 2006, 32<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 106 von 121


VII. Einzelne <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong><br />

1. § 111 OWiG<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 23.05.2005, Ss (Owi) 18/05 = StraFo<br />

2005, 391<br />

§ 111 OWiG begründet nicht schlicht hin eine Verpflichtung gegenüber<br />

der zuständigen Behörde, auf Befragen die Personalien anzugeben.<br />

Die Vorschrift begründet keine selbstständige Auskunftspflicht. Das<br />

Verhalten des Betroffenen ist danach nur bußgeldbewährt, wenn die<br />

Zusendung des Anhörungsbogens zumindest auch der<br />

Identitätsfeststellung gedient hat, weil notwendige Personalien fehlen.<br />

2.Die Sanktionen bei einem Verstoß gegen § 24a StVG<br />

Die Geldbuße<br />

Die Bemessung der Geldbuße erfolgt nach §§ 24a StVG i.V.m. § 17<br />

OWiG. Das an sich geltend Höchstmaß von 1.000 € für den<br />

vorsätzlichen Verstoß wird damit überschritten: für den ersten<br />

fahrlässigen Verstoß eine Geldbuße von 250 €, für den zweiten<br />

Verstoß eine Geldbuße von 500 € und für den dritten Verstoß eine<br />

Geldbuße von 750 €. Ein Wiederholungsfall liegt auch vor, wenn die<br />

Vorverurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB<br />

erfolgte. 1<br />

Fahrverbot<br />

Folge einer Ordnungswidrigkeit ist in der Regel ein Fahrverbot. Dieses<br />

Fahrverbot wird bei einem Ersttäter für einen Monat angeordnet. Der<br />

Betroffene der bereits eine oder mehrere einschlägige – noch nicht<br />

tilgungsreife – Eintragungen im Verkehrszentralregister hat, muss mit<br />

einem zwei oder drei Monate dauerndes Fahrverbot rechnen. 2 ist<br />

beim Ersttäter ein Fahrverbot von einem Monat vorgesehen,<br />

während ein je nachdem verhängt werden soll, ob eine oder mehrere<br />

verwertbare einschlägige Voreintragungen nach dieser Norm oder den<br />

eingangs genannten Strafvorschriften im Verkehrszentralregister<br />

vorhanden sind. Dies ist ein gesetzliches Regelfahrverbot. Das<br />

Vorliegen einer Trunkenheitsfahrt nach § 24a Abs. 1 StVG begründet<br />

die gesetzliche Indizwirkung, weiterer Tatumstände bedarf es nicht<br />

mehr. Diese Indizwirkung ist aber auf der Tatbestandsebene<br />

1 OLG Düsseldorf, NZV 1993, 405<br />

2 241 – 241.2 BKatV<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 107 von 121


widerlegbar, es muss bei dem Betroffenen zu einer<br />

außergewöhnlichen Härte führen, damit ein Richter von dem<br />

Regelfahrverbot absehen kann. Vorraussetzung ist in der Regel, dass<br />

der Betroffene unabdingbar einschneidende über den Normalfall weit<br />

hinausgehende wirtschaftliche oder soziale Nachteile erleidet, die ein<br />

Fahrverbot nicht mehr verhältnismäßig erscheinen lassen.<br />

Eine Voreintragung im Verkehrszentralregister mit Fahrverbot darf bei<br />

der Prüfung der Voraussetzungen des § 25 II a StVG nicht<br />

berücksichtigt werden, wenn sie tilgungsreif ist.<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 01.11.2005, Ss (OWi) 562/05 = DAR<br />

2006, 161<br />

§ 24a StVG<br />

Das Amtsgericht hat den Betroffenen zu einer Geldbuße von 500,00 €<br />

verurteilt, weil er mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,28 mg/l ein<br />

Kraftfahrzeug geführt hatte.<br />

Angesichts der geringen Überschreitung des Grenzwertes und auf<br />

Grund der Gesamtschau der besonders gelagerten Umstände war ein<br />

Absehen vom Fahrverbot gerechtfertigt. Entscheidend war hierbei<br />

auch der persönliche Eindruck von dem Betroffenen in der<br />

Hauptverhandlung.<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.09.2005, 1 Ss 84/05 = VRR 2006,<br />

149 = NZV 2006, 326 = VRS 110, 299 = zfs 2006, 411 = SVR 2006,<br />

192<br />

Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG ist bei einer Verurteilung wegen einer<br />

Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG regelmäßig neben einer<br />

Geldbuße auch ein Fahrverbot zu verhängen. Davon darf das Gericht<br />

nur absehen, wenn ganz besondere Ausnahmenumstände äußerer<br />

und innerer Art vorliegen. Dies ist der Fall, wenn diese Tatumstände so<br />

aus dem Rahmen üblicher Begehungsweisen fallen, dass die<br />

Vorschriften über das Regelfahrverbot offensichtlich darauf nicht<br />

zugeschnitten sind, oder die Anordnung des Fahrverbotes eine Härte<br />

ganz außergewöhnlicher Art wäre. Eine außergewöhnliche Härte im<br />

Sinne der Vorschrift ist nicht nur dann gegeben, wenn das Fahrverbot<br />

zu beruflichen Nachteilen führt. Vielmehr kann erst dann, wenn ein<br />

Existenzverlust als unausweichliche Folge des Fahrverbots droht,<br />

ausnahmsweise von einem Fahrverbot abgesehen werden. Eine<br />

besondere Härte liegt nicht vor, wenn der Betroffene die einzige<br />

Arbeitskraft im Kfz-Betrieb der Ehefrau ist.<br />

OLG Hamm, 01.04.03, 3 Ss Owi 183/03 = BA 2004, 177<br />

Fahrerlaubnis Methadon<br />

Eine Methadonsubstitution führt auch nach längerer Zeit nicht dazu,<br />

dass der See auf eine Fahreignung für die Wiedererlangung einer<br />

Fahrerlaubnis geschlossen werden kann.<br />

OVG Saarland, Beschluss vom 27.03.2006, 1 W 12/06 = zfs 2006, 355<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 108 von 121


3. Rückwärtsfahren § 9 Abs. 5 StVO<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 01.02.05, 1 Ss 80/04 = Zfs 2005, 366<br />

= NZV 2005, 432 = NStZ–RR 2005, 183 = DAR 2005, 466<br />

Es liegt kein Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO vor, wenn beim<br />

Rückwärtsfahren auf der Fahrbahn ein am Fahrbahnrand geparktes<br />

Fahrzeug beschädigt wird. Der Normzweck des § 9 Abs. 5 StVO<br />

besteht darin, denn fliesenden Verkehr zu schützen. Aus diesem<br />

Grunde wurde das Busgeld von 60,00 € auf 35,00 € ermäßigt.<br />

Rückwärtsfahren<br />

OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.05.2004, 1 Ss 182/04 = NStZ – RR<br />

2005, 24 = NJW 2004, 2255 = NJW 2005, 425 = NZV 2004, 420<br />

Aus einer Parkbucht rückwärts fahren erfordert nicht die erhöhte<br />

Rücksichtspflicht des § 9 Absatz 5 StVO.<br />

Der Betroffene fuhr auf dem Gelände einer Tankstelle rückwärts,<br />

hierbei stieß ihm in Folge einer Unaufmerksamkeit gegen ein anderes<br />

Fahrzeug. Das AG setzte eine Geldbuße wegen fahrlässiger<br />

Verkehrsordnungswidrigkeiten nach § 1 Abs. 2 StVO in Höhe von<br />

35,00 € fest.<br />

AG Frankfurt, Beschluss vom 09.06.2005, 901 OWi-218 Js 19469/05 =<br />

Zfs 2005, 570<br />

Parkschein<br />

Der Betroffene war vom Amtsgericht zu einem Bußgeld verurteilt<br />

worden wegen Verstoß gegen §§ 13 Abs. 1, 2 StVO. Er hatte erklärt,<br />

dass er nur ein 50 Cent Stück in der Tasche gehabt habe, dieses seit<br />

wiederholt durchgefallen. Weitere Münzen habe er nicht gehabt. Das<br />

OLG verwarf die Rechtsbeschwerde. Ein Kraftfahrer muss mehrere<br />

Münzen mit sich führen. Ansonsten liegt dies in seiner Risikosphäre.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 29.08.2005, 3 Ss OWi 576/05<br />

4. Handy § 23 Abs. 1a StVO<br />

Ablesen einer Telefonnummer<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 12.7.2006, 2 Ss OWi 402/06 = SVR 2007,<br />

312 = VRS 111, 213= NZV 2007, 51 = = NZV 2006, 555 = DAR 2007,<br />

402<br />

Eine verbotene Benutzung eines Mobiltelefons durch einen<br />

Fahrzeugführer liegt auch vor, wenn der Fahrer das Handy während<br />

der Fahrt in die Hand nimmt, um vom Display des Telefons eine dort<br />

gespeicherte Telefonnummer abzulesen.<br />

Mit dieser Entscheidung bestätigte das Oberlandesgericht (OLG)<br />

Hamm ein Urteil des Amtsgerichts Schwerte, das den Fahrer zur<br />

Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 100 Euro verurteilt hatte. Der<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 109 von 121


Führer einer Sattelzugmaschine mit Anhänger hatte während der Fahrt<br />

sein privates Mobiltelefon in die Hand genommen, um auf diesem eine<br />

dort gespeicherte Telefonnummer abzulesen. Dies wollte er sodann in<br />

das ebenfalls im Fahrzeug vorhandene dienstliche Mobiltelefon mit<br />

Freisprecheinrichtung eingeben. Nach Ansicht des OLG stelle dies<br />

einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a der Straßenverkehrsordnung dar.<br />

Danach sei einem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons<br />

untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon aufnehme oder halte. Nach<br />

ständiger Rechtsprechung des OLG umfasse ein „Benutzen“ im Sinne<br />

der genannten Vorschrift sämtliche Bedienfunktionen des<br />

Mobiltelefons, somit also auch das Ablesen einer gespeicherten Notiz .<br />

Diktiergerät<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 31.05.2006, 1 Ss 82/06 = NZV 2006,<br />

664 = DAR 2006, 636 = VRS 111, 215 = NJW 2006, 3734<br />

Die „Benutzung eines Mobiltelefons“ i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO liegt<br />

nicht nur vor, wenn das Gerät zum Telefonieren verwendet wird,<br />

sondern auch bei jeder anderen bestimmungsgemäßen Verwendung,<br />

insbesondere auch beim Gebrauch als Diktiergerät.<br />

Mit dieser Entscheidung verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Jena<br />

einen Autofahrer zu einem Bußgeld, der während der Fahrt ein<br />

Mobiltelefon in der rechten Hand gehalten und Informationen auf das<br />

Gerät gesprochen hatte. Es verfügte über eine Diktierfunktion. Die<br />

SIM-Karte war dem Telefon zu diesem Zeitpunkt entnommen worden,<br />

so dass es nicht zum Telefonieren benutzt werden konnte.<br />

Das OLG hat darin die „Benutzung eines Mobiltelefons“ i.S.d. § 23<br />

Abs. 1a StVO gesehen. Der Begriff der „Benutzung“ schließe nach<br />

allgemeinem Sprachgebrauch die Inanspruchnahme sämtlicher<br />

Bedienfunktionen der nach üblichem Verständnis als Mobiltelefon<br />

bezeichneten Geräte ein. Dafür, dass das Mobiltelefon als Telefon<br />

genutzt werden müsse, sei dem Gesetzeswortlaut nichts zu<br />

entnehmen. Dies entspreche auch dem Willen des<br />

Verordnungsgebers, was in den Ausführungen zur Begründung zur<br />

Einführung des neuen § 23 Abs. 1a StVO deutlich zum Ausdruck<br />

komme. Auch der Gesetzeszweck fordere eine Erstreckung des<br />

Verbots auf jegliche Art der bestimmungsgemäßen Verwendung eines<br />

Mobiltelefons.<br />

Hinweis: Es erscheint allerdings fraglich, ob diese Auslegung des § 23<br />

Abs. 1a StVO nicht zu weit geht. Sie führt nämlich zu einer<br />

Ungleichbehandlung mit demjenigen Betroffenen, der während des<br />

Fahrvorgangs ein „normales“ Diktiergerät benutzt. Dieser kann<br />

allenfalls – bei Vorliegen der Voraussetzungen – nach § 1 StVO in<br />

Anspruch genommen werden. Davon hätte man hier, da das Handy<br />

wegen der nicht eingelegten SIM-Karte nicht als Telefon benutzt<br />

werden konnte, auch ausgehen können.<br />

Beiseite legen<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 110 von 121


OLG Köln, NJW 2005, 336 = NZV 2005, 547 = DAR 2005, 695 =VRS<br />

109, 287 = zfs 2005, 569<br />

Das Telefon lediglich weglegen, ist keine Benutzung im Sinne von § 23<br />

Abs. 1a StVO.<br />

Mobiltelefon aufheben<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.10.2006, IV-2 Ss (Owi) 134/06-<br />

(Owi)70/06 III = NZV 2007, 95 = VRS 112, 60 = StraFo 2006, 509<br />

Der Betroffene hat sein auf das Boden gefallenes Handy aufgehoben<br />

um es auf den Beifahrersitz zu legen. Das Amtsgericht hat dies als<br />

einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1 StVO gewertet. Nach dem Wortlaut<br />

der Vorschrift ist es dem Fahrzeugführer untersagt, ein Mobiltelefon zu<br />

benutzen, wenn er es hierfür aufnimmt oder hält. Dies erfordert eine<br />

Handhabung in Bezug auf seine Funktion. Nicht das Aufnehmen und<br />

halten des Mobiltelefons als solches ist untersagt, sondern allein<br />

dessen bestimmungsgemäße Verwendung.<br />

Ausgeschalteter Motor<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 27.09.2006, 3 Ss Owi 1050/06 = SVR<br />

2007, 153 = DAR 2007, 95= NZV 2007, 49<br />

Hat ein PKW-Fahrer bei roter Ampel den Motor ausgeschaltet, liegt<br />

kein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a Satz 2 StVO vor.<br />

Handy Beweiswürdigung<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 22.08.2006, 2 Ss OWi 528/06 = SVR<br />

2007, 313 = DAR 2007, 216 = NZV 2007, 96 = VRS 111, 378<br />

Der Betroffene wehrt sich gegen die Verurteilung wegen eines<br />

Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO. Der Antrag auf Zulassung der<br />

Rechtsbeschwerde war unzulässig, weil sich die Beschwerde allein<br />

gegen die Beweiswürdigung des Gerichts richtete.<br />

Das Amtsgericht hat die Einlassung des Betroffenen, er habe nicht<br />

telefoniert, sondern sich mit einem Akkurasierer, der wie ein Handy<br />

aussehe, rasiert, als Schutzbehauptung zurückgewiesen. Für die<br />

Richtigkeit der Einschätzung des Gerichts spricht auch, dass der<br />

Betroffene sich nach Anhalten durch Polizeibeamten nicht<br />

entsprechend eingelassen hat und die Erklärung, sich bewegende<br />

Lippen seien nicht von Gespräch geprägt gewesen, sondern weil er<br />

zur Musik im Auto mitgesungen habe unglaubhaft ist.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 06.07.2005, 2 Ss OWi 177/05= VRS 109,<br />

129 = NZV 2005, 548<br />

Die Frage der Benutzung eines Mobiltelefons im Sinne von § 23 Abs.<br />

1a StVO wird alleine danach beurteilt, ob der Fahrer hierbei das<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 111 von 121


Mobiltelefon in der Hand hält oder nicht. Unter der Benutzung im Sinne<br />

von § 23 Abs. 1 a StVO ist jegliche Nutzung eines Mobiltelefons zu<br />

verstehen. Auch das Blicken auf das Display zum Zwecke der<br />

Feststellung der Urzeit reicht aus, um eine Nutzung anzunehmen.<br />

Handy<br />

OLG Köln, Beschluss vom 23.08.2005, 83 Ss Owi 19/05 = Zfs 2005,<br />

569 = VRS 109, 287 = DAR 2005, 695 = NZV 2005, 547<br />

De Betroffene wurde zu einer Geldbuße von 40,- € verurteilt. Er hatte<br />

mit der Rechtsbeschwerde, die zugelassen wurde, Erfolg. Er hatte sich<br />

dahingehend eingelassen, dass er das ausgeschaltete Handy vom<br />

einem Ablagefach, wo es „rappelte“ in die Mittelkonsole gelegt hat, um<br />

die Störung zu unterbinden. Dies ist nicht bußgeldbewährt. Nach dem<br />

Wortlaut der Vorschrift ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines<br />

Mobiltelefons untersagt, sofern er zu diesem Zweck das Gerät<br />

aufnimmt oder hält. Dabei schließt der Begriff der Benutzung nach<br />

dem allgemeinen Sprachverständnis einerseits die Inanspruchnahme<br />

sämtlicher Bedienungsfunktionen ein. Er umfasst also nicht nur das<br />

Telefonieren, sondern auch andere Formen der bestimmungsgemäßen<br />

Verwendung. Dementsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung,<br />

dass neben dem Gespräch auch das Versenden von Kurznachrichten<br />

oder das Abrufen von Daten im Internet verboten ist. Dies kann aber<br />

nicht auf jedes „in der Hand halten“ ausgedient werden.<br />

Ordnungswidrig handelt auch, wer in seinem Pkw mit laufenden Motor<br />

vor einer roten Ampelanlage anhält. Sein Mobiltelefon zur<br />

Entgegennahme eines Anrufes in die Hand nimmt. Ohne Bedeutung<br />

ist, ob hierdurch eine Telefonverbindung tatsächlich hergestellt wird.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 01.012.2005, 2 Ss OWi 811/05 = VRS<br />

110, 43= StraFo 2006, 123<br />

Auch bei einem kurzfristigen Halt an einer Ampel muss der<br />

Sicherheitsgurt angelegt sein. Zur gleichen Zeit gilt ein Verbot der<br />

Nutzung eines Handy. Das Handyverbot gilt lediglich nicht, wenn ein<br />

Kraftfahrzeugführer anhält und den Motor ausschaltet<br />

OLG Celle, Beschluss vom 24.11.2005, 211 Ss 111/05 = VRS 109,<br />

449 = NZV 2006, 164 = DAR 2006, 159<br />

Zumessung<br />

KG, Beschluss vom 30.11.2005, 3 Ws (B) 600/05 = DAR 2006, 336 =<br />

NZV 2006, 609 = NJW 2006, 380<br />

Ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1 StVO nur vorsätzlich verwirklicht<br />

werden kann ist es rechtsfehlerhaft, die Regelgeldbuße wegen<br />

vorsätzlich Begehungsweise zu erhöhen.<br />

Mobiltelefon und Vorsatz<br />

Thüringerisches OLG, Beschluss vom 06.09.2004, 1 Ss 138/04 = DAR<br />

2005, 228 = NStZ-RR 2005, 23<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 112 von 121


Die verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt<br />

wird regelmäßig nur vorsätzlich begangen. Eine Erhöhung der<br />

Regelgeldbuße wegen vorsätzlicher Begehensweise kommt deshalb<br />

nicht in Betracht. Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen<br />

vorsätzlichen Verstoßes zu einer Geldbuße von 60 € verurteilt. Auf die<br />

Rechtsbeschwerde wurde die Geldbuße auf 30 € herabgesetzt.<br />

5. FahrpersonalG<br />

OLG Oldenburg, Beschluss vom 04.07.2005, Ss 102/05 = DAR 2005,<br />

648<br />

Der Einbau eines EG-Kontrollgerätes ist nicht erforderlich, wenn das<br />

Führen des Fahrzeuges für den Fahrer nicht die Haupttätigkeit<br />

sondern lediglich eine Hilfstätigkeit darstellt. Die Begriffe „Material und<br />

Ausrüstung“ im Sinne des Ausnahmetatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 7<br />

Fahrpersonalverordnung sind weit auszulegen.<br />

Aufbewahrung der Schaublätter<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 25.10.05, 1 Ss 172/04 = VRS 110, 141<br />

Aufbewahren im Sinne von Artikel 14 Abs. 2 Satz 1 VO 3821/85 ist<br />

nicht das bloße Aufheben. Aufbewahren meint das sorgsame Hüten.<br />

Das Unternehmen darf dabei die Pflicht zur Aufbewahrung nicht dem<br />

Fahrer überlassen. Dies beinhaltet auch die Verpflichtung des<br />

Unternehmers, dafür Sorge zu tragen, dass die Fahrer die<br />

Schaublätter dem Unternehmen abliefern. Das Unternehmen hat daher<br />

auch bei großer räumlichen Entfernung alles zu unternehmen, um in<br />

den Besitz der Schaublätter zu gelangen.<br />

6. Parkverstoß<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 27.01.2005, 3 Ss (OWi) 49/05 = DAR<br />

2005, 523= NZV 2006, 324<br />

Gebots- und Verbotszeichen im Straßenverkehr müssen aus sich<br />

heraus deutlich erkennbar und ohne weiteres verständlich sein. Es<br />

kann von einem Kraftfahrzeugführer nicht verlang werden, dass er<br />

aufgrund äußerer Umstände (Ausformung der gekennzeichneten<br />

Fläche) zusätzliche Überlegungen zu dem möglichen Regelungsinhalt<br />

eines Verkehrsschildes anstellt. Wie auch sonst bei Verbotszeichen<br />

muss der Geltungsbereicht des Verbots klar erkennbar sein.<br />

Demgemäß ist für die Zuordnung von Zusatzschildern zu<br />

Verkehrszeichen anerkannt, dass diese nur Verbindlichkeit entfalten,<br />

wenn sie klar, eindeutig und widerspruchsfrei sind. Entsprechendes<br />

muss auch für Parkmarkierungen, insbesondere für eine zwischen<br />

zwei gekennzeichneten Parkflächen liegende Zwischenfläche<br />

(Restfläche) in Verbindung mit einem das Parken gestattendem<br />

Zusatzschild gelten. Dies gilt insbesondere für das<br />

Halteverbotszeichen „außerhalb gekennzeichneter Flächen“. Auf so<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 113 von 121


genannten Restflächen neben Parkmarkierung ist das Parken erlaubt,<br />

soweit es weder belästigend, behindern oder gefährdend ist.<br />

7. Schrittgeschwindigkeit<br />

OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.05.2005, 1 Ss OWi 86 B/05 =<br />

DAR 2005, 570<br />

Schrittgeschwindigkeit wird nach überwiegender Auffassung der<br />

Gerichte als eine Nettogeschwindigkeit von 7 km/h aufgefasst.<br />

8. StVZO<br />

Rote Kennzeichen 94. StVZO Ausnahmeverordnung - Oldtimer<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 01.06.2005, Ss (OWi) 213/05 = VRS<br />

109, 136 = DAR 2005, 522<br />

Eine Fahrt mit einem Oldtimer, das mit einem roten Kennzeichen<br />

aufgrund der 49. Ausnahmeverordnung zur StVZO versehen ist, dient<br />

nicht der Wartung, wenn die Fahrt zu dem ausschließlichen Zweck<br />

durchgeführt wird, das Fahrzeug zu betanken. Der Betroffene befuhr<br />

mit einem roten Kennzeichen S mit einem Oldtimer. Er war<br />

ausschließlich auf dem Weg zum Tanken.<br />

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen Inbetriebnahme eines<br />

nicht zugelassenen Fahrzeuges zu einer Geldbuße von 50,00 Euro<br />

verurteilt. Die Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg. Eine gesetzliche<br />

Definition dessen was Wartung ist, liegt noch nicht vor. Das Betanken<br />

eines Fahrzeuges gehört hierzu jedoch nicht.<br />

9. Fahrtenschreiber - Schausteller<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.10.2004, 2 Ss 148/03 = NStZ-RR<br />

2005, 90<br />

Ein Warenverkäufer ist grundsätzlich auch dann kein von der Pflicht<br />

sein Fahrzeug mit einem Fahrtenschreiber auszurüsten, befreiter<br />

Schausteller im Sinne von Artikel 4 Nummer 9 VO (EWG) 3821/85,<br />

wenn er auf Volksfesten, Jahrmärkten etc. tätig wird. Er ist allenfalls<br />

dann ein Schausteller, wenn bei seiner Tätigkeit der Unterhaltungswert<br />

durch die Art des Anbietens der Waren und durch die Aufmachung des<br />

Verkaufstandes im Vordergrund steht.<br />

Das Amtsgericht verurteilte ihn zu einer Geldbuße von 100 € die<br />

Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.<br />

10. Fahrradrikscha<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 11.10.2004, Ss OWi 460/04 = NStZ-RR<br />

2005, 24<br />

Ein mehrspuriges, dreirädriges Fahrradtaxi ist kein Fahrrad im Sinne<br />

von § 21 Absatz 3 StVO.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 114 von 121


Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen Verstoßes gegen die<br />

Vorschriften der Personenbeförderung zu einer Geldbuße von 5 €<br />

verurteilt. Die Rechtsbeschwerde führte zum Freispruch.<br />

11. Reifen § 30, 36 Abs. 2 S. 3 und 4 StVZO<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 18.05.2005, 1 Ss 121/04 = DAR 2005,<br />

643<br />

Bei einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 36 StVZO muss sich<br />

aus dem Urteil klar ergeben wo der Betroffene die Zugmaschine<br />

gesteuert hat, insbesondere welchen Weg er benutzt hat. Es muss<br />

auch klar sein, ob und wiefern keine ausreichende Profil- oder<br />

Einschnitttiefe oder keine ausreichenden Profilrillen oder beides nicht<br />

mehr vorhanden waren. Wird die Fahrt mit beschädigten Reifen<br />

unternommen, kommt es alleine darauf an, ob der Betroffene diese<br />

konkreten Schäden erkannt hat oder erkennen können und müssen.<br />

12. GüGK und Pflichten des Auftraggebers<br />

OLG Köln, Beschluss vom 21.06.2005, 8 Ss – OWi 137/05 = VRS 109,<br />

289<br />

Fahrlässigkeit im Sinne von § 7c S. 1 Nr. 1 GüKG liegt nicht erst dann<br />

vor, wenn der Auftraggeber Anhaltspunkte dafür hat, dass der<br />

ausführende Unternehmer unerlaubten Güterkraftverkehr durchführt.<br />

Der Auftraggeber muss auch gegenüber einem ihm bis dahin<br />

unbekannten Vertragspartner von sich aus darauf hinwirken, dass<br />

dieser Inhaber einer Erlaubnis nach § 3 GüKG ist.<br />

Mautdaten<br />

LG Magdeburg, Beschluss vom 03.02.2006, 25 Qs 7/06 = VRR 2006,<br />

197 = DAR 2006, 403<br />

im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist die Verwertung von<br />

Mautgebührendaten unzulässig.<br />

Autobahnmaut<br />

OLG Köln, Beschluss vom 18.4.2006, 82 Ss – Owi 18/06 = SVR 2007,<br />

66 = zfs 2006, 588 = NZV 2006, 608 = VRS 111, 157<br />

Autobahnmautgesetz § 10 Abs. 1 Nr. 1 ist nicht verfassungswidrig.<br />

ABMG<br />

OLG Köln, Beschluss vom 29.3.2006, 83 Ss – OWi 22/06 = DAR 2006,<br />

401 = NZV 2006, 437<br />

Für die Berechnung der Maut zählt auch bei der Tandemachse mit<br />

einem Abstand der beiden Achsen von weniger als einem Meter jede<br />

vorhandene Achse. Bei einem entsprechendem Auflieger muss daher<br />

ein Fahrzeug mit vier Achsen angegeben werden. Das Amtsgericht<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 115 von 121


verurteilte den Betroffenen zu einer Geldstrafe in Höhe von 75,00 €.<br />

Die Rechtsbeschwerde blieb erfolglos. Die Abweichung von den<br />

Zulassungspapieren führt auch nicht zu einem unvermeidbaren<br />

Verbotsirrtum.<br />

ABMG § 4, 10<br />

OLG Köln, Beschluss vom 29.06.2006, 82 Ss – Owi 30/06 = SVR<br />

2007, 104 = zfs 2006, 589 = NZV 2006, 667 = VRS 111, 156<br />

Die fehlerhafte Eingabe von Fahrzeugdaten bei Einbuchung über die<br />

On-Board-Unit begründet nicht nur einen Verstoß gegen § 4, sondern<br />

auch gegen § 10 ABMG.<br />

Überladung<br />

An die Sorgfaltsanforderungen eines Kraftfahrers sind hohe<br />

Anforderungen zu stellen. Er muss daher unter Ausnutzung aller ihm<br />

zur Verfügung stehenden Möglichkeiten prüfen, ob die Ladung zu einer<br />

Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts führt. Notfalls muss er<br />

das Fahrzeug auf der nächstgelegenen Waage wiegen lassen. Dies<br />

gilt jedoch nur für den Fahrzeugführer, der diese Eigenschaft bereits<br />

im Zeitpunkt der Beladung hat. Der Fahrzeugführer, der ein Fahrzeug<br />

übernimmt, muss dessen Gewicht nicht selbständig ermitteln, er kann<br />

sich auf die Gewichtsangaben des Verladers verlassen. Eine<br />

selbständige Prüfungspflicht trifft ihn nur, wenn er erkennbare<br />

Anhaltspunkte für eine Überladung hat.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 28.09.05, 1 Ss 136/05 = VRS 110, 136<br />

Es ist ausreichend, wenn der Tatrichter bei einer Wägung die in einem<br />

Vorgang vorgenommen wird und nicht achsweise, als<br />

Verkehrsfehlergrenze das doppelte der Eichfehlergrenze, mithin<br />

insgesamt 60 Kg abzieht. Ein weiterer Abzug von 5% ist nicht<br />

vorzunehmen.<br />

Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 23.02.2005, 1 Ss 21/05 =<br />

DAR 2006, 341<br />

EG-Verordnung 3820/85<br />

Amtsgericht Itzehoe, Beschluss vom 11.4.2007, 66 OWi 304 Js<br />

27481/06 (363/06) = DAR 2007, 278<br />

Mangels Umsetzung der EG-Richtlinie kann ein Verstoß derzeit als<br />

Ordnungswidrigkeit nicht geahndet werden.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 116 von 121


VIII. ergänzende Anmerkungen<br />

1. Begriff des Fahrzeuges im Sinne der StVO: Fahrzeuge sind unter<br />

anderem auch Pferdefuhrwerke, die mit Zügel und Bremsen bedient<br />

werden, dagegen nicht Reiter, Viehtreiber, Schubkarren,<br />

Kinderfahrräder, Rollstühle die geschoben werden.<br />

2. Verwaltungsrecht<br />

Alkohol und Fahrrad<br />

Eine erreichte Blutalkoholkonzentration von 2,54 ‰ und einer Fahrt auf<br />

einem Fahrrad unter dieser Alkoholbeeinflussung rechtfertigen es auch<br />

3 ½ Jahre nach der Trunkenheitsfahrt, der Frage der Fahreignung<br />

nachzugehen. Das hierzu geeignete Mittel ist die medizinisch –<br />

psychologische Begutachtung.<br />

Dies ist auch möglich, wenn die Blutalkoholkonzentration 2,02 ‰<br />

betragen hat. Wird auf Grund dieses Gutachtens die Nichteignung<br />

festgestellt, kann die Verwaltungsbehörde neben der Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis auch die Benutzung eines Fahrrades untersagen (VG<br />

Neustadt zfs 2005, 367).<br />

In Fällen des Fahrrades ist die Verwaltungsbehörde auch nicht<br />

gehindert eine selbstständige Prüfung der Fahreignung durchzuführen.<br />

Ein solches Hindernis gäbe es nur, wenn der Strafrichter im Rahmen<br />

des § 69 StGB die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu<br />

beurteilen hatte und nachprüfbar tatsächlich auch beurteilt hat. Dann<br />

ist die Verwaltungsbehörde an dieser Entscheidung nach § 3 Abs. 4<br />

StVG gebunden. In anderen Fällen ist die Fahrerlaubnisbehörde<br />

vielmehr verpflichtet, von sich aus die Eignung zu überprüfen.<br />

VG Neustadt, Beschluss vom 16.03.2006, 3 L 357/06.NW = zfs 2006,<br />

358<br />

2.2. FeV - Mofa<br />

Hamburgerisches OVG, Beschluss vom 20.06.2005, 3 Bs 72/05 = SVR<br />

2006, 77 = VRS 109, 210<br />

Gelegentlicher Cannabis-Konsum kann grundsätzlich, wenn einer der<br />

in Nr. 9.2.2. der Anlage 4 der FeV genannten weiteren Umstände<br />

vorliegt, wie etwa die fehlende Trennung von Konsum und Fahren, die<br />

Nichteignung begründen, ein erlaubnisfreies Kraftfahrzeug,<br />

insbesondere ein Mofa, zu führen.<br />

Europäischer Führerschein<br />

Der EuGH hat zwei Entscheidungen veröffentlicht, die die<br />

Rechsprechung zum europäischen Führerschein wesentlich<br />

beeinflussen:<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 117 von 121


• Kapper-Entscheidung EuGH, Beschluss vom 29.4.2004 =<br />

NJW 2004, 1725<br />

• Halbritter-Entscheidung, EuGH, Beschluss vom 06.04.2006,<br />

C 227/05 (Daniel Halbritter) = BA 2006, 307 = NJW 2006,<br />

2173)<br />

Danach kann ein Mitgliedstaat, dem in einem anderem Mitgliedstaat<br />

ausgestellten Führerschein die Anerkennung nicht versagen. Der<br />

Mitgliedstaat hat auch nicht das Recht, die formellen Voraussetzungen<br />

für die Erteilung einer Fahrerlaubnis (Wohnsitzerfordernis) zu<br />

überprüfen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Führerschein nach<br />

Ablauf einer Sperrfrist ereilt wurde. Diese Entscheidung steht gegen<br />

Grundlagen des deutschen Fahrerlaubnisrechts. 1 Nach § 28 Abs. 4 Nr.<br />

3 FeV kann derjenige kein Kraftfahrzeug mit einer EU-Erlaubnis<br />

führen, dem die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig<br />

entzogen wurde.<br />

Nach § 7 Abs. 1 FeV darf eine Fahrerlaubnis nur demjenigen erteilt<br />

werden, der seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland für mindesten 185<br />

Tage im Jahr hat.<br />

Strafrechtlich kommt eine Verurteilung wegen Verstoß gegen § 21<br />

StVG nicht in Betracht, wenn die Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperre<br />

erteilt wurde. 2 Unterschiedlich entscheiden die Gerichte hinsichtlich der<br />

Frage, ob diese ausländische Fahrerlaubnis ohne Einschränkungen<br />

zum Führen eines Kraftfahrzeuges berechtigt. 3 Nach der Auffassung<br />

des OVG Koblenz (NJW 2005, 3228) können EU-Fahrerlaubnisse<br />

auch nicht nachträglich mit Auflagen versehen werden bzw. von<br />

Bedingungen abhängig gemacht werden, wenn es nach Erteilung der<br />

neuen Fahrerlaubnis keine neuen Erkenntnisse gibt.<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

Auch eine Vielzahl von Punkte bewerteten Parkverstößen kann im<br />

Einzelfall die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen.<br />

OVG NRW, Beschluss vom 18.01.2006, 16 B 2137/05 = VRS 110, 232<br />

Fahrerlaubnis<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

1 Siehe .auch BGHSt 47, 335<br />

2 Siehe OLG Zweibrücken, NStZ-RR 2005, 50; AG Lüdinghausen, VRR 2005, 77<br />

3 VGH Mannheim, DAR 2004, 604; VG Neustadt, VRR 2005, 119; zur<br />

verwaltungsrechtichen Problematik siehe auch Ludowisy, DAR 2005, 7; Ludwisy 2006,<br />

16; Geiger DAR 2004, 340<br />

Seite 118 von 121


Mit Entziehung der Fahrerlaubnis wird zugleich das Recht entzogen<br />

mit einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland ein Fahrzeug führen<br />

zu dürfen. Wir dem Betroffenen nach Entziehung der inländischen<br />

Fahrerlaubnis das Recht zum Gebrauch einer ausländischen<br />

Fahrerlaubnis im Inland zuerkannt, so bedarf es für das<br />

Gebrauchmachen von ausländischen Fahrerlaubnissen anderer<br />

Klassen keiner weiteren Zuerkennungsentscheidung.<br />

BVerwG Urteil vom 17.11.2005, 3 Cs 54/04 = DAR 2006, 404<br />

Alkohol und MPU<br />

Auch bei einer Alkoholfahrt von 1,62 ‰ ist die Anforderung einer MPU<br />

– Begutachtung rechtmäßig. Auch die Motive der Trunkenheit spielen<br />

keine Rolle (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom<br />

01.02.2006 1 M 124/05). Weigert sich ein Betroffener eine MPU<br />

durchzuführen, kann die Fahrerlaubnis sofort entzogen werden. Ein<br />

Widerspruch muss dann nicht aufschiebende Wirkung haben. Das<br />

öffentliche Interesse an dem sofortigen Vollzug der Fahrerlaubnis<br />

überwiegt das private Interesse des Antragstellers in der Regel.<br />

Fahrerlaubnis<br />

Teilnahme an einem Aufbauseminar nach Ablauf der gesetzten Frist<br />

rechtfertigt kein Absehen von der Entziehung.<br />

OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28.04.2006, 10 B<br />

10275/06.OVG = zfs 2006, 477<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis vor Abschluss des Strafverfahrens<br />

Entscheidet die Fahrerlaubnisbehörde über die Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis wegen eines Sachverhalts, der Gegenstand eines<br />

Strafverfahren ist, in dem die Fahrerlaubnisentziehung in Betracht<br />

kommt, vor dem rechtskräftigen Abschluss dieses Strafverfahrens,<br />

verletzt ihre Entscheidung stets die Fahrerlaubnisinhaber in ihren<br />

Rechten.<br />

OVG Koblenz, Beschluss vom 10.05.2006, 10 B 10371/06 = NJW<br />

2006, 2714<br />

2.3. Einmalige Einnahme von Cannabis<br />

Hamburgisches OVG, Beschluss vom 23.06.2005, 3 Bs 87/05 = VRS<br />

109, 214<br />

Schon die einmalige Einnahme von Cannabis genügt für eine<br />

„gelegentliche Einnahme“ im Sinne vom § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV.<br />

Gelegentlich ist jede Einnahme, die hinter regelmäßiger Einnahme<br />

zurückbleibt. Die Fahrerlaubnisbehörde darf nach § 14 FeV die<br />

Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens<br />

einschließlich eines Drogenscreenings anordnen, wenn der Betroffene<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 119 von 121


unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt<br />

hat, selbst wenn dies der einzige Drogenkonsum war.<br />

Cannabis und Fahrerlaubnis<br />

Bayrischer VGH, Beschluss vom 25.01.2006, 11 CS 05.1453 = VRS<br />

110, 469<br />

Professor Aderjan kommt in seinem Gutachten vom 29.08.2005 zu<br />

dem Ergebnis, der Beweis dafür, dass eine Person Cannabis öfters als<br />

nur einmal konsumiert habe, werde, wenn die Blutentnahme innerhalb<br />

weniger Stunden nach dem Ende der motorisierten Teilnahme am<br />

Straßenverkehr erfolgt sei, nicht dadurch erbracht, dass darin eine<br />

Konzentration an THC-Carbonsäure von mehr als 10 ng/ml festgestellt<br />

wird.<br />

Trennungsvermögen<br />

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.3.2006, 10 S 2519/05 =<br />

BA 2006, 412<br />

Das fehlende Trennungsvermögen im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage<br />

4 zur FeV ist gegeben, wenn eine THC Konzentration von mindestens<br />

1,0 ng/ml festgestellt wird.<br />

Fahrtenbuch<br />

Adressat der Fahrtenbuchauflage ist stets der Halter des Kfz. Halter ist<br />

derjenige, der das Kfz für eigene Rechnung gebraucht. Entscheidend<br />

ist wer die Kosten trägt und die Nutzung bestimmt.<br />

Dies gilt auch bei gewerblich genutzten Fahrzeugen. Insbesondere<br />

wenn der Halter sich weigert, den Fahrer zu benennen. Die<br />

Fahrtenbuchauflage kann auch auf Ersatzfahrzeuge erstreckt werden.<br />

Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen muss verhältnismäßig sein.<br />

Ersetzt eine Verletzung von Verkehrvorschriften in nennenswerten<br />

Umfang ein. Ein einmaliger und unwesentlicher Verstoß ist nicht<br />

ausreichend. Unwesentlich sind Verstöße, wenn sie nur mit einem<br />

Verwarnungsgeld betroffen werden. Es ist aber auch möglich, bei<br />

wiederholten Übertretungen der Vorschriften, so 33 Parkverstöße in<br />

zwei Jahren.<br />

Möglich ist die Anordnung auch bei bedeutenden Verstößen.<br />

Bedeutende Verstöße werden im allgemeinen angenommen, wenn sie<br />

mit einem Punkt bewertet werden. Gleiches gilt bei Verkehrsstraftaten.<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Seite 120 von 121


3. Versicherungsrecht<br />

Fahruntüchtigkeit Drogen<br />

Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft gibt es keinen allgemeinen<br />

gesicherten Grenzwert, bei dem nach Drogenkonsum eine absolute<br />

Fahruntüchtigkeit festgestellt werden kann. Ein Leistungsausschluss<br />

nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AUB 94 kommt daher nur in Betracht, wenn<br />

Ausfallerscheinungen eine relative Fahruntüchtigkeit festgestellt<br />

werden kann.<br />

4. RVG und JVEG<br />

Vergütungsvereinbarung<br />

OLG Hamm, Urteil vom 29.09.2005, 28 U 39/05<br />

Das Gericht hat entschieden, dass eine Honorarvereinbarung gem. § 3<br />

Abs. 1 BRAGO, die per Telefax übermittelt wird, nicht den<br />

Formerfordernissen entspricht.<br />

Zeugengebühren<br />

AG Karlsruhe, Beschluss vom 18.04.05, 7 Owi 554/04 = SVR 2005,<br />

195= NZV 2005, 655<br />

Zeugen, die von der Verwaltungsbehörde schriftlich in Anspruch<br />

genommen werden, haben Anspruch auf Zeugenentschädigung.<br />

Hierbei ist ein Betrag bei minimalen Aufwand von 10,00 € ausreichend.<br />

Anwaltshaftung<br />

OLG München, Beschluss vom 30.12.2005, 15 W 2574/05, 15 W<br />

4753/05 = BRAK-Mitt. 2006, 74<br />

Der Beweis dafür, dass die in einem Strafprozess verhängte Strafe bei<br />

einem Hinweis des Verteidigers auf nachteilige beamtenrechtlichen<br />

Folgen, zu deren Vermeidung niedriger ausgefallen wäre, liegt bei<br />

Mandanten. Die Richter des vorausgegangenen Strafprozesses sind<br />

im Hinblick auf das Beratungsgeheimnis gem. § 43 DriG keine<br />

geeigneten Beweismittel, ein Beweisantrag ist daher unzulässig.<br />

Verfahrenskosten<br />

Die Kosten für das Abschleppen und die Aufbewahrung eines<br />

beschlagnahmten Fahrzeuges hat der wegen Fahrens ohne<br />

Fahrerlaubnis Verurteilte auch dann zu tragen, wenn die Einziehung<br />

des Fahrzeuges mangels Verhältnismäßigkeit unterbleibt. Die Kosten<br />

für die Dauer des Berufungsverfahrens hat er nicht zu tragen, wenn die<br />

Kosten des Berufungsverfahrens der Staatskasse zur Last fallen.<br />

LG Berlin, Beschluss vom 19.08.2005, 505 Qs 140/05 = VRS 109, 363<br />

Aktuelles Verkehrsrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

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