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Europa: Das unentdeckte Land - BdP Landesverband Schleswig ...

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<strong>Land</strong>esrundbrief 2’04<br />

Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (<strong>BdP</strong>)<br />

<strong>Land</strong>esverband <strong>Schleswig</strong>-Holstein/Hamburg e.V.<br />

<strong>Europa</strong>:<br />

<strong>Das</strong> <strong>unentdeckte</strong> <strong>Land</strong>


Der <strong>Land</strong>esrundbrief<br />

ist eine Schrift für leitende Mitglieder des <strong>BdP</strong>-<strong>Land</strong>esver-<br />

bandes <strong>Schleswig</strong>-Holstein/Hamburg. Sie erscheint unregel-<br />

mäßig, prinzipiell aber zweimal im Jahr.<br />

Die Beiträge spiegeln die Meinung der jeweiligen Autoren<br />

wieder. Bei Einsendung eines Belegexemplars ist der Nach-<br />

druck mit Quellenangabe ausdrücklich erwünscht.<br />

Herausgeber<br />

<strong>BdP</strong> <strong>Land</strong>esverband <strong>Schleswig</strong>-Holstein/Hamburg<br />

Am alten Markt 6<br />

22 926 Ahrensburg<br />

0 41 02 / 17 22<br />

àbuero@bdp-sh-hh.de<br />

Auflage<br />

300<br />

Der <strong>Land</strong>esverband online<br />

àbdp-sh-hh.de<br />

Chefredaktion<br />

Jonathan Stock, Ole Reißmann<br />

Redaktion<br />

Hannes Clausen, Hulle Hilbert, Miriam Sandabad,<br />

Nils Petersen, Pelle Klöckner, Ricarda Otte<br />

Anschrift<br />

c/o Ole Reißmann<br />

Buntentorsteinweg 7-9<br />

28 201 Meister-Bremen<br />

04 21 / 5 96 75 18<br />

àole@bdp-sh-hh.de<br />

Illustrationen<br />

Carlo Grabowski, àcarlograbowski.de<br />

Lektorat<br />

Hanjo Schlüter, àhanjo-schlueter.de<br />

Satz<br />

Ole Reißmann<br />

Vielen Dank an<br />

Grisu, Minda, Anna, Simone, Heinz, Matthis


Liebe Leserin, lieber Leser!<br />

Dieser LRB widmet sich dem Reizthema „<strong>Europa</strong>“. Es exis-<br />

tieren jede Menge gegensätzlicher Meinungen zu europäi-<br />

schen Gedanken – bei mir und, ich bin mir sicher, auch bei<br />

Euch. <strong>Europa</strong> kann sehr bürokratisch und lästig sein und<br />

andererseits ein wahres Abenteuer.<br />

Wir bekennen uns in unserer pädagogischen Konzeption<br />

dazu, „junge Europäer“ zu sein. Fühlen wir uns tatsächlich<br />

so? Was wissen oder kennen wir überhaupt von Euro-<br />

pa? Habt Ihr die EU-Osterweiterung eher überrascht zur<br />

Kenntnis genommen und beinahe vergessen, zur <strong>Europa</strong>-<br />

wahl zu gehen?<br />

Dieser LRB soll euch Denk- und Motivationsanreiz zu-<br />

gleich sein. <strong>Europa</strong> wächst. Ihr könnt es von zu Hause aus<br />

als Europäerinnen und Europäer mitgestalten. Geht also<br />

am 13. Juni 2004 zur <strong>Europa</strong>wahl und engagiert euch für<br />

Eure Zukunft und Euer (neues) Zuhause!<br />

Ich wünsche allen viel Freude beim Lesen und danke<br />

dem Redaktionskreis für seine Arbeit beim Zustandekom-<br />

men dieses <strong>Land</strong>esrundbriefes!<br />

LRB 2’04<br />

Hannes Clausen,<br />

<strong>Land</strong>esvorsitzender<br />

Es gibt schon wieder einen <strong>Land</strong>esrundbrief, man mag es<br />

kaum glauben. <strong>Das</strong> Layout renkt sich langsam ein, hier und<br />

da wurde noch etwas verändert. Die wichtigste Neuerung<br />

dürfte aber unsere Qualitätssicherung sein, allzu grobe<br />

Rechtschreibfehler sollten der Vergangenheit angehören.<br />

Wer dennoch etwas finden kann, bekommt eine kleine Über-<br />

raschung von der Redaktion. Die nächste Ausgabe erscheint<br />

dann zwischen Herbstferien und Weihnachten, wenn die<br />

großen Fahrten und Herbstkurse gelaufen sind – wir warten<br />

gespannt auf Eure Berichte und Fotos, Kleinanzeigen, viel-<br />

leicht ja auch Leserbriefe zu den Themen dieser Ausgabe.<br />

Viel Spaß beim Lesen,<br />

Ole Reißmann,<br />

für die Redaktion<br />

„<strong>Europa</strong>“<br />

Die Schauplätze 4<br />

So geht <strong>Europa</strong> 6<br />

Lo Scautismo Italiano 12<br />

Krisenherde in <strong>Europa</strong> 14<br />

Gleich nebenan 20<br />

Mythos Interrail 22<br />

Aina valmiina! 26<br />

Ist die EU ein Pfadfinder? 28<br />

Sponsored by EU 30<br />

Total global 33<br />

Darf die Türkei <strong>Europa</strong> sein? 36<br />

<strong>Europa</strong>knoten STN 38<br />

Stadt & <strong>Land</strong><br />

Hannes (lacht) 40<br />

So wird das gemacht 44<br />

Liebeslustundlachgedicht 49<br />

Gut, gesund, genußvoll 50<br />

The Moore you know 52<br />

Ein Mann, ein Projekt 54<br />

Gewählt 55<br />

Ein- und Ausblicke 56<br />

Ab in den Osten 57<br />

Stufenweise<br />

Öffne die Augen 43<br />

KfS in Polen 46<br />

Grundkurs 48<br />

Dies & <strong>Das</strong><br />

Impressum 2<br />

Inhaltsverzeichnis 3<br />

Vorwort 3<br />

Klnnzgn 58<br />

Termine 58<br />

LL-Memory, Teil 2 60<br />

3


Die Schauplätze<br />

In diesem <strong>Land</strong>esrundbrief<br />

Mythos Interrail<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

4<br />

Heidelberg, bei uns<br />

Lyon, Frankreich<br />

Biarritz, Frankreich<br />

Estella, Spanien<br />

Madrid, Spanien<br />

Lissabon, Portugal<br />

Gibraltar, Spanien<br />

Granada, Spanien<br />

Nizza, Frankreich<br />

Paris, Frankreich<br />

Freiburg, wieder bei uns<br />

Krisenherde in <strong>Europa</strong><br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

Baskenland, Spanien<br />

Bosnien, auf dem Balkan<br />

Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)<br />

Korsika, Frankreich<br />

Ungarn, Tschechien<br />

Außerdem<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

Straßburg (EU-Parlament)<br />

Brüssel (EU-Kommission)<br />

Tampere, Finnland (Anna)<br />

Ankara, Türkei (Beitrittskandidat)<br />

London-Stanstead (<strong>Europa</strong>knoten)<br />

Umbrien, Italien (Simone)<br />

Lublin, Polen (Agnieszka)<br />

<strong>Schleswig</strong> (<strong>Land</strong>esversammlung)<br />

Immenhausen (Bundesversammlung)<br />

6<br />

7<br />

5<br />

8<br />

1<br />

4<br />

3<br />

1<br />

5<br />

10<br />

LRB 2’04<br />

2<br />

2<br />

9


1<br />

11<br />

4<br />

1<br />

8<br />

8<br />

6<br />

LRB 2’04<br />

2<br />

5<br />

5<br />

3<br />

7<br />

3<br />

2<br />

4<br />

Aus dem <strong>Land</strong>esrundbrief-Archiv<br />

1<br />

Schottland. LRB 1’04, Seite 24, „Berge, Wind,<br />

Meer. Stamm Waldreiter unterwegs im äußersten<br />

Nord-Westen Schottlands“<br />

2<br />

Estland. LRB 1’04, Seite 28, „Supersommer<br />

in Estland. Die Kolibris haben Estland schätzen<br />

gelernt und empfehlen: Hin da!“<br />

<strong>Europa</strong>. LRB 1’03, Seite 8, „Schweiß, Chaos, Son-<br />

nenbrand. Helfende Hände international. Auf<br />

den ‚EuroSteps’ treffen sich Pfadfinderinnen aus<br />

ganz <strong>Europa</strong>.“<br />

3<br />

Zypern. LRB 1’03, Seite 10, „<strong>Das</strong> etwas andere<br />

Fahrtenziel. Stamm Kolibri besuchte Pfadfinder<br />

auf Zypern. Eine nicht alltägliche Begegnung.“<br />

4<br />

Lettland. LRB 1’03, Seite 34, „Ein Sommer in<br />

Lettland. Stamm Inka erobert den Osten. <strong>Das</strong><br />

Baltikum wird als Fahrtenland immer beliebter.“<br />

5<br />

Polen. LRB 2’00, Seite 31, „Dzien dobry, Polska!<br />

Mit dem Bunde auf großer Fahrt.“<br />

4<br />

3


6<br />

So geht <strong>Europa</strong><br />

<strong>Europa</strong> ist mehr als nur Erdteil oder Kulturraum.<br />

25 Staaten haben sich zusammengeschlossen zur Europäischen Union.<br />

LRB 2’04


Bereits heute sind achtzig Prozent aller deutschen Gesetze<br />

direkt oder indirekt von der Europäischen Union beeinflusst.<br />

Trotzdem liest und hört man viel zu wenig über diese Ge-<br />

setze, wie sie zu Stande kommen, wem sie nützen, wem sie<br />

möglicherweise schaden. <strong>Das</strong> politische <strong>Europa</strong>, die Gremien<br />

der Europäische Union, sind weit weg, wirken unnahbar und<br />

undurchsichtig. Im Internet können zwar alle Reden, Be-<br />

schlüsse und Gesetze nachgelesen werden, doch wer hat dazu<br />

schon Lust und Zeit?<br />

Seit dem 1. Mai bilden 25 Länder mit insgesamt 455 Mil-<br />

lionen Bürgerinnen und Bürgern die Europäische Union.<br />

Am 13. Juni haben 342 Millionen von ihnen das achtzehnte<br />

Lebensjahr vollendet und wählen das Europäische Parla-<br />

ment. 732 Sitze stehen in direkter Wahl zur Verfügung, wir<br />

Deutsche schicken 99 Parlamentarier für die nächsten fünf<br />

Jahre ins Europäische Parlament nach Straßburg. Aber was<br />

machen die da? Machen die <strong>Europa</strong>?<br />

Die Europäische Union hat drei zentrale Organe: den<br />

Ministerrat, das Parlament und die Kommission. Daneben<br />

und darüber stehen der Rat der Staats- und Regierungschefs<br />

sowie der Europäische Gerichtshof und die Zentralbank.<br />

Virtuelle Entdeckungsreise<br />

Jan-Phillip Schlüter, ein junger Journalist aus Berlin, hat die<br />

neuen EU-Länder mit dem Flugzeug in Rekordzeit abgeklappert.<br />

Zu lesen gibt es seine Eindrücke aus den Hauptstädten<br />

und kurze Portraits von Jugendlichen. Dazu jede Menge Fotos<br />

und Links auf Radiobeiträge. àdieneuen10.de<br />

Ministerrat der Europäischen Union<br />

Es gibt verschiedene Zusammensetzungen, in denen der<br />

Ministerrat der Europäischen Union tagt, je nach Thema<br />

schicken die Mitgliedsstaaten ihre Fachminister. So treffen<br />

sich zum Beispiel alle 25 Außenminister oder alle 25 Um-<br />

weltminister. Zusammen mit dem Europäischen Parlament<br />

entscheidet der Ministerrat über die Gesetze, die die Europä-<br />

ische Kommission vorschlägt. Bisher konnte das Parlament<br />

mit seinen gewählten Abgeordneten bei der Gesetzgebung<br />

zwar mitreden, der Ministerrat jedoch, in dem jedes <strong>Land</strong><br />

LRB 2’04<br />

seine nationalen Interessen vertritt, trifft die letzte Entschei-<br />

dung. Erst allmählich bekommt das Parlament mehr Einfluss<br />

auf die Gesetzgebung.<br />

Die Länder haben im Ministerrat eine feste Anzahl von<br />

Stimmen, je nach Einwohnerzahl zwischen 4 und 29. Bei<br />

einer Abstimmung müssen derzeit mindestens 232 Stimmen<br />

für ein Vorhaben zusammenkommen, die außerdem 62% der<br />

EU-Bevölkerung repräsentieren.<br />

Europäisches Parlament<br />

<strong>Das</strong> Europäische Parlament ist das einzige direkt gewählte<br />

Gremium der EU. Normalerweise setzt ein Parlament die Re-<br />

gierung ein – das Europäische Parlament in Straßburg darf<br />

das nicht. Von Anfang an waren die Rechte des Parlaments<br />

stark eingeschränkt. Mittlerweile jedoch spielen Entschei-<br />

dungen der EU in alle Lebensreiche der Bürger hinein, daher<br />

muss die gesetzgebende Gewalt demokratisch legitimiert,<br />

sprich: von den Bürgern gewählt sein. <strong>Das</strong> Europäische Par-<br />

lament erstreitet sich eine immer stärkere Rolle neben dem<br />

Rat und der Kommission. Es hat inzwischen Mitspracherecht<br />

bei Gesetzesentwürfen, in einigen Politikfeldern (z. B. Kul-<br />

tur, Bildung, Umwelt) ist es schon gleichberechtigt neben<br />

dem Ministerrat. Außerdem kontrolliert das Parlament den<br />

Haushalt und die Europäische Kommission und kann letz-<br />

tere durch ein Misstrauensvotum absetzen. Gesetze selbst<br />

vorschlagen kann das Parlament allerdings nicht.<br />

Europäische Kommission<br />

Die Europäische Kommission in Brüssel ist der Macher<br />

der Europäischen Union. Die Mitgliedsländer entscheiden<br />

einvernehmlich über die Kommissare, die unabhängig für<br />

fünf Jahre ihre Arbeit machen sollen. Zur Zeit stehen drei-<br />

ßig Kommissare im Dienst der Kommission, im November<br />

wird sich diese Zahl aber auf 25 verringern. Die hohe Zahl<br />

ist eine Übergangslösung im Zuge der EU-Osterweiterung,<br />

ursprünglich gab es nur zwanzig Kommissare. In Brüssel<br />

untersteht den Kommissaren ein Verwaltungsapparat mit<br />

20 000 Mitarbeitern. Die Kommissare betreuen bestimmte<br />

Fachbereiche und sind vergleichbar mit den Fachministern<br />

in den einzelnen Ländern. Neben neuen Ideen und Impulsen<br />

für <strong>Europa</strong> wacht die Kommission über die Einhaltung der<br />

zahlreichen Verträge, die die Union zusammenschweißen. Im<br />

Rahmen der Verträge kann die Kommission verbindliche An-<br />

7


ordnungen erlassen und Strafen verhängen. Die Kommission<br />

wacht außerdem über den freien Handel innerhalb <strong>Europa</strong>s.<br />

Europäische Gesetze können nur auf Vorschlag der Kommis-<br />

sion verabschiedet werden. Die Kommission wird kritisiert,<br />

weil sie sehr mächtig ist, dabei aber nicht direkt gewählt wird<br />

wie das Parlament.<br />

Neben diesen drei Organen werden oft auch noch der Eu-<br />

ropäische Gerichtshof (EuGH) und die Europäische Zen-<br />

tralbank (EZB) zu den wichtigsten Institutionen in <strong>Europa</strong><br />

gezählt. Daneben gibt es eine ganze Reihe Untergeordneter<br />

Behörden, Abteilungen und Referate, zum Beispiel die Anti-<br />

Betrugsbehörde OLAF. Und es gibt noch ein weiteres Gre-<br />

mium, das maßgeblich entscheidet, wo uns die Europäische<br />

Union hinführt:<br />

Europäischer Rat<br />

Regelmäßig treffen sich die Staats- und Regierungschefs und<br />

entscheiden über gemeinsame Vorhaben, über die Außenpo-<br />

litik, über die „großen Fragen“ der Union. Der Rat legt dem<br />

Parlament zwar regelmäßig Berichte vor, untersteht aber kei-<br />

ner parlamentarischen Kontrolle wie die Bundesregierung.<br />

In der Europäischen Union haben sich die 25 Staaten eben<br />

keiner zentralen Regierung anvertraut. Jeweils für ein halbes<br />

Jahr übernimmt ein <strong>Land</strong> den Vorsitz und stellt Schwer-<br />

punktthemen auf die Agenda, es gestaltet für ein halbes Jahr<br />

maßgeblich, über was die Regierungschefs sich einigen. Oder<br />

zerstreiten, je nachdem.<br />

Und warum das alles?<br />

Der Kontinent <strong>Europa</strong> hat eine lange und blutige Geschichte.<br />

Der Zusammenschluss der Staaten in der Europäischen Uni-<br />

on ist gewissermaßen ein Versprechen für den Frieden und<br />

die Besinnung auf gemeinsame Kulturwerte. Und es geht um<br />

Geld.<br />

Ein einzelnes <strong>Land</strong> kann sich schwer den wirtschaftlichen<br />

Auswirkungen der Globalisierung stellen. Bei weltweiten<br />

Abkommen wie der Welthandelsorganisation kann ein <strong>Land</strong><br />

allein seine Interessen nur schwer gegen Länder durchset-<br />

zen, die wirtschaftlich besser gestellt sind. Indem nun aber<br />

25 Länder kooperieren und eine gemeinsame Position vertre-<br />

ten, haben sie eine starke Verhandlungsposition. Eigentlich.<br />

Denn gemeinsame Absprachen gestalten sich mit 25 Ländern<br />

8<br />

<strong>Europa</strong> im Netz<br />

Fluter ist das Magazin für Jugendliche der Bundeszentrale für<br />

politische Bildung. <strong>Das</strong> hört sich erstmal nicht besonders spannend<br />

an, ist es aber: An Fluter arbeiten ehemalige Redakteure<br />

des eingestellen jetzt-Magazins der Süddeutschen Zeitung mit.<br />

Auf der Website gibt es viel zu entdecken und viel zu lesen, ein<br />

<strong>Europa</strong>-Dossier erzählt über alte und neue EU-Länder. Vor allem<br />

geht es natürlich um Jugendliche, wie sie leben, wie sie sich<br />

engagieren. àfluter.de<br />

Die offizielle <strong>Europa</strong>-Seite hat es in sich. Tätigkeitsbereiche,<br />

Institutionen, Dokumente, Dienste: Alles ist online und leicht<br />

zugänglich über ein übersichtliches Portal. Informationen zu<br />

einem bestimmten Thema finden sich hier bestimmt, nur der<br />

Einstieg ist nicht immer ganz einfach: Die riesige Anzahl von<br />

Links ist verwirrend. àeuropa.eu.int<br />

Auf der Seite europa-digital, einem Ableger der Seite politikdigital,<br />

schreiben junge Leute über <strong>Europa</strong>: Hier gibt es nicht<br />

nur aktuelle, ausführliche Berichte sondern auch Hintergrundwissen<br />

zu allen erdenklichen Themen. Die große Anzahl an Autoren,<br />

Büros in Köln und Brüssel, Büro-Partnerschaften mit Politikberateragenturen<br />

lassen die Macher selbstbewusst von der<br />

„führenden Adresse zum Thema <strong>Europa</strong> im deutschsprachigen<br />

Internet“ sprechen. Stimmt! àeuropa-digital.de<br />

Kritisch zu aktuellen Themen in Sachen Europäische Union<br />

äußert sich die Arbeitsgruppe <strong>Europa</strong> von Attac. Interessant<br />

sind die Newsletter (auch zum Download als PDF), auf mehr<br />

als dreißig Seiten wird ein Schwerpunktthema wie Sozialabbau,<br />

Verfassung oder Erweiterung beleuchtet. Texte gibt es zum<br />

Beispiel auch zum Demokratiedefizit oder der Rolle transnationaler<br />

Konzerne in <strong>Europa</strong>. àattac.de/eu-ag/<br />

<strong>Das</strong> Auswärtige Amt (Ihr wißt schon, das mit Joschka Fischer)<br />

informiert natürlich auch ausführlich über <strong>Europa</strong>: Aktuelle<br />

Themen, Termine, Hintergründe, die Haltung der Bundesregierung<br />

zu den Beitrittskandidaten, alles aus offizieller Hand.<br />

àauswaertiges-amt.de<br />

<strong>Das</strong> Europäische Parlament hat ein deutsches Informationsbüro<br />

mit einer schicken, übersichtlichen Seite voller Informationen<br />

über <strong>Europa</strong>. Die Institutionen werden erklärt, die<br />

Erweiterung, die neue Verfassung. Und es wird gezeigt, was die<br />

Europäische Union alles für Jugendliche zu bieten hat.<br />

àeuroparl.de<br />

Die Berliner Zeitung Tagesspiegel sellte auf seiner Website viele<br />

<strong>Europa</strong>-Artikel kostenlos zur Verfügung<br />

àtagesspiegel.de/tso/sonderthema7/<br />

LRB 2’04


äußerst schwierig, nicht in allen Punkten stimmen sie über-<br />

ein. Damit <strong>Europa</strong> schnell handeln kann, ohne dass vorher<br />

alle Staatschefs und Minister verhandeln müssen, braucht<br />

die Europäische Kommission mehr Handlungsspielraum.<br />

Die Diskussion über einen europäischen Außenminister im<br />

vergangenen Jahr war ein Versuch, die europäische Ebene<br />

zu stärken.<br />

Der Verlust nationalstaatlicher Souveränität aber ist ein<br />

sensibles Thema, die Verhandlungen über solche Verträge<br />

dauern lange, kein <strong>Land</strong> möchte vorschnell Kompetenzen<br />

abgeben: Es muss sichergestellt sein, dass die eigenen Inter-<br />

essen später trotzdem noch vertreten werden.<br />

Außerdem stellt sich das Problem der demokratischen<br />

Legitimierung: Was wählen dann die Bürger in den ein-<br />

zelnen Staaten überhaupt noch, haben sie genug Einfl uss<br />

auf <strong>Europa</strong>? Wenn sich Bürger eines Staats schon nicht in<br />

ihrem nationalen Parlament repräsentiert sehen, wie sollen<br />

sich dann 455 Millionen Menschen unter 732 Abgeordnete<br />

wiederfi nden?<br />

Schon heute gibt es Richtlinien, die den Einfl uss der EU<br />

auf die nationalstaatliche Ebene beschränken sollen. So kann<br />

die EU nur Gesetze erlassen, wenn die Art des Gesetzes eine<br />

europäische Regelung unerlässlich macht, zum Beispiel in<br />

Fragen des Wettbewerbs. Kritisiert wird an diesen Richtlini-<br />

en, dass sie wenig konkret sind. Vieles kann so hingebogen<br />

werden, dass es den Wettbewerb betrifft, dass eine EU-Re-<br />

gelung geboten scheint. Jedoch ist das Prinzip der Subsidia-<br />

rität festgeschrieben: Sobald es sinnvoll ist, eine Aufgabe auf<br />

nationaler oder regionaler Ebene zu regeln, muss das auch<br />

möglich sein. In der Praxis sieht das freilich meistens anders<br />

aus.<br />

Bisweilen passieren auch merkwürdige Dinge, die dann<br />

Schadenfreude und Kritiker auf den Plan rufen: Mecklen-<br />

burg-Vorpommern, höchste Erhebung 192 Meter, hat am 31.<br />

März dieses Jahres die Seilbahnrichtlinie der Europäischen<br />

Union in <strong>Land</strong>esrecht umgesetzt. Es gibt keine Seilbahn<br />

in Mecklenburg-Vorpommern. <strong>Das</strong> war der Europäischen<br />

Kommission egal: Sie hatte Deutschland auf Durchsetzung<br />

der Richtlinie verklagt.<br />

<strong>Europa</strong> einig Macht und Wille<br />

Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben bei einer<br />

ganzen Reihe von Politikfeldern der Europäischen Union die<br />

D A S I S T E U R O P A<br />

Ein <strong>Land</strong> in hundert Wörter<br />

zu fassen kann nur schief<br />

gehen. Wie auch soll man<br />

eine oder mehrere Kulturen<br />

so einfach beschreiben? Die<br />

folgenden kleinen Texte über<br />

die 25 Mitgliedsstaaten der<br />

Europäischen Union sind also auch eher als Anreiz gedacht:<br />

Einerseits gibt es zu vielen Ländern schon längst klischee-<br />

hafte Vorstellungen, die es sich lohnt, zu überprüfen. An-<br />

dererseits warten die neuen EU-Mitglieder darauf, entdeckt<br />

zu werden. Die Texte sind zusammengestellt aus Lexika, aus<br />

Zeitungen und aus persönlichen Erfahrungen. Sie erheben<br />

keinesfalls den Anspruch, vollkommen korrekt zu sein, son-<br />

dern sind eher Stichwortsammlungen. Und wen das Interes-<br />

se packt, der fi ndet auch gleich nützliche Hinweise, wo es mit<br />

der virtuellen <strong>Europa</strong>reise weitergehen kann.<br />

Knapp zwei Millionen Men-<br />

schen leben in Slowenien,<br />

dem Ziel der Bundesfahrt<br />

2004. <strong>Land</strong>essprache ist Slo-<br />

wenisch. Slowenien hat etwa<br />

die Größe Hessens. Dafür hat<br />

das <strong>Land</strong> einiges zu bieten:<br />

S L O W E N I E N<br />

Ausläufer der Alpen im Norden, ein bewaldetes Mittelgebirge<br />

mit Hochmooren und Almwiesen, die Karstregion, die direkt<br />

aus einem Karl-May-Film kommt, dazwischen Flusstäler<br />

mit Seen und Obstanbau. Und 20 Kilometer Mittelmeer-<br />

küste sind auch noch drin. Die Slowenen haben eine über<br />

tausendjährige Geschichte und Kultur. Nach dem Zerfall Ju-<br />

goslawiens suchte Slowenien schnell die Unabhängigkeit und<br />

den Anschluss an die EU. Slowenien ist kleines wie (relativ)<br />

reiches <strong>Land</strong>, dessen durchschnittlicher Monatslohn bei 700<br />

Euro liegt, mehr als in Tschechien.<br />

LRB 2’04 9


Die Republik Lettland mit<br />

ihren 2,4 Millionen Einwoh-<br />

nern ist seit diesem Jahr<br />

Mitglied in der Europäischen<br />

Union. Lettland liegt im Zen-<br />

trum des Baltikums zwischen<br />

Estland und Litauen. Es ist<br />

L E T T L A N D<br />

auch durch die Handelsbeziehungen über die Hanse nordeu-<br />

ropäisch geprägt. In Lettland lebt eine starke russische Min-<br />

derheit, 32% der Bevölkerung sind russischer Abstammung,<br />

besitzen keine lettische Staatsbürgerschaft und dürfen so<br />

auch nicht Wählen. Lettland hat einen langen Küstenstrei-<br />

fen, der im Westen an die Ostsee grenzt und im Nordwesten<br />

um die Rigaer Bucht läuft. Die <strong>Land</strong>schaft ist hügelig, Wie-<br />

sen und Moore wechseln sich mit großen Wäldern (40% der<br />

<strong>Land</strong>esfläche) ab. Hirsche, Rehe, Füchse, Elche, Wölfe und<br />

Biber tummeln sich hier. <strong>Das</strong> Klima ist gemäßigt, im Winter<br />

gibt es jedoch starke Kälteeinbrüche. Lettland profitiert von<br />

seiner Lage, Hochseefischerei, überhaupt Schiffahrt sind ne-<br />

ben Textil- und Möbelindustrie wichtige Wirtschaftszweige.<br />

In der Hauptstadt Riga treffen sich jährlich tausende Sänger<br />

und Chöre und frönen der lettischen Volksmusik. <strong>Das</strong> Wahr-<br />

zeichen Rigas ist der alte Rigaer Dom aus dem 13. Jahrhun-<br />

dert. Von dort hat man einen Blick über die ganze Stadt. Da<br />

Lettland zu gut einem Drittel an die Ostsee angrenzt, gibt es<br />

unzählige Bade- und Angelmöglichkeiten, also ein schönes<br />

Ziel für den Sommer.<br />

10<br />

Jâ/nç Ja/nein<br />

Paldies Danke<br />

Labdien Guten Tag<br />

Sveiks Hallo<br />

Atâ Tschüß<br />

Piedodret Entschuldigung<br />

Mani sauc... Ich heiße...<br />

Kâ sauc đo ieln? Wie heißt diese Straße?<br />

Kur man jâpârsçţas? Wo muss ich umsteigen?<br />

Vai es drîkstu đeit pârnakđŋot? Darf ich hier übernachten?<br />

volle Zuständigkeit übertragen, zum Beispiel bei Agrar- oder<br />

Wettbewerbspolitik. Am Fortschritt in diesen beiden Berei-<br />

chen lässt sich ablesen, was die Europäische Union ursprüng-<br />

lich einmal war: Ein Wirtschaftsinteressenclub. So kann die<br />

EU zum Beispiel bestimmen, wie ein Apfel auszusehen hat,<br />

damit er auch als Apfel verkauft werden darf. Hiermit sollen<br />

sowohl Produzenten als auch Konsumenten geschützt wer-<br />

den. Der europäische Produzent muss keine Angst haben,<br />

dass jemand außerhalb <strong>Europa</strong>s billigere Äpfel nach <strong>Europa</strong><br />

bringt und dort verkauft. Und der Konsument kann sich<br />

sicher sein, dass ein Apfel bestimmte Qualitätsmerkmale<br />

aufweist, zum Beispiel eine gewisse Größe. Derartige Rege-<br />

lungen gab es auch vorher schon, in jedem <strong>Land</strong>, und überall<br />

etwas anders. Nicht gerade förderlich für einen gemeinsam<br />

Markt. Gern wird hier von „Normierungswut“ gesprochen,<br />

denn natürlich haben diese Vorschriften auch Schattensei-<br />

ten. Produzenten, die die Norm nicht erfüllen, haben keinen<br />

Zugang zum Markt. Und das trifft oft Entwicklungsländer,<br />

die auf Exporte angewiesen sind, schützt aber meist Übersee-<br />

gebiete von EU-Ländern. <strong>Das</strong> Beispiel zeigt, wie kompliziert<br />

Entscheidungen zu Stande kommen und wie viele verschie-<br />

dene Interessen in Europäische Gesetze reinspielen.<br />

Und es geht weiter!<br />

Trotz aller Differenzen wollen die Regierungschefs aber,<br />

dass <strong>Europa</strong> weiter zusammenwächst. Noch basiert die EU<br />

auf verschiedenen Verträgen und Abkommen. <strong>Das</strong> wird sich<br />

ändern, <strong>Europa</strong> soll eine eigene Verfassung bekommen.<br />

Wenn sich die Ministerpräsidenten <strong>Europa</strong>s treffen, gilt<br />

in vielen Fällen das Einstimmigkeitsprinzip: Sind nicht alle<br />

Länder für etwas, wird es auch nicht gemacht. So dauert die<br />

Umsetzung eines Beschlusses oft eine Ewigkeit. Hier soll die<br />

Reform mit der „doppelten Mehrheit“ ansetzen. Ein Beschluss<br />

wird gefasst, wenn eine Mehrheit der Länder, die gleichzeitig<br />

eine Mehrheit der EU-Bevölkerung repräsentiert, für etwas<br />

stimmt. So wollen die großen Länder (etwa Deutschland,<br />

Italien, Frankreich und Großbritannien) mit ihren vielen<br />

Millionen Einwohnern verhindern, dass viele kleine Länder<br />

die Großen überstimmen. Aber nicht nur die kleinen Länder<br />

sehen dieses Vorhaben kritisch, auch ein „mittelgroßes“ <strong>Land</strong><br />

wie Polen sorgt sich, dass in Zukunft <strong>Europa</strong> von den „alten“,<br />

bevölkerungsstarken Ländern dominiert wird.<br />

LRB 2’04


Zwischen einer lockeren Kooperationsform, die geschlos-<br />

sen auftritt, wenn es notwendig erscheint und einer Art Su-<br />

perstaat mit quasi unabhängigen Ministern will die EU einen<br />

Mittelweg beschreiten. Diese Art des Zusammenschlusses<br />

ist in seiner Form auf der Welt einzigartig und noch nie da<br />

gewesen.<br />

Unsere Generation wird es sein, die das, was die Regie-<br />

rungschefs jetzt beschließen, ausgestalten und weiterentwi-<br />

ckeln wird – und muss. Grund genug also, sich mit <strong>Europa</strong><br />

auseinanderzusetzen und am 13. Juni zur Wahl zu gehen.<br />

LRB 2’04<br />

Ole Reißmann, Stamm Waldreiter<br />

Estland ist seit diesem Jahr<br />

EU-Mitglied. 1,4 Millionen<br />

Menschen leben in Estland.<br />

Zum Vergleich: Niedersach-<br />

sen ist etwa gleich groß und<br />

beheimatet acht Millionen<br />

Menschen. Ähnlich wie in<br />

Lettland gibt es auch hier eine starke russische Minderheit<br />

(28%). Fichtenwälder im Süden, Klippen im Norden, an der<br />

Küste bäuerliche Idylle. An der Küste warten hunderte kleine<br />

Inseln darauf, entdeckt zu werden. Störche, schilfbedeckte<br />

Häuser und Windmühlen kann man hier in den alten Kuror-<br />

ten antreffen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion<br />

organisierte Estland sein Gemeinwesen nach skandinavi-<br />

schem Vorbild vollkommen neu. Verwaltung und Regierung<br />

sind total digital vernetzt. Nahrungs- und Elektroindustrie<br />

sind in Estland führend, wichtiger Handelspartner ist Finn-<br />

land. Auch hier werden, wie in den anderen baltischen Län-<br />

dern, Möbel hergestellt und die See befi scht.<br />

Seit 1986 sind die 10,3 Mil-<br />

lionen Einwohner Portugals<br />

auch EU-Bürger. Der Gast-<br />

geber der Fußball-<strong>Europa</strong>-<br />

meisterschaft ist wie Spanien<br />

ein beliebtes Urlaubsland.<br />

Portugal hat nicht nur schöne<br />

Strände, sondern auch viel Kultur zu bieten: In der Haupt-<br />

stadt Lissabon fand 1998 die Weltausstellung statt. Fado, die<br />

wehmütige Volksmusik Portugals, hat sich vom Kaschem-<br />

menlied zur international gefeierten Kunstform entwickelt.<br />

Aus dem Norden des <strong>Land</strong>es stammt der Vinho verde, der<br />

„grüne Wein“. Die Portugiesen waren schon immer große<br />

Seefahrer und brachten viele exotische Sachen mit auf die<br />

heimischen Märkte. Ähnlich wie Spanien ist auch Portugal<br />

katholisch geprägt. Traditionelle Volksfeste gehören zu den<br />

Highlights in Portugal.<br />

E S T L A N D<br />

P O R T U G A L<br />

11


Die Gruppenleiter der REPARTOs „Ippogrifo“ aus der Gruppe Foligno 1: Simone Mattioli (25, Bankangestellter), Chiara Bibi (23, Philosophie-Studentin), Simone<br />

Marchi (24, Elektrotechnik-Student), Luca Felicetti (21, Elektrotechnik-Student) und Emanuele (ein Kind aus der Gruppe).<br />

Lo Scautismo Italiano<br />

Viele Fahrtengebiete, hohe Berge und die katholische Kirche als Unterstützer:<br />

Simone Marchi erzählt über die Pfadfinderei in Italien.<br />

In Italien gibt es diverse Pfadfinder-Verbände, von denen<br />

allerdings nur zwei vom Weltbund anerkannt sind. Diese bei-<br />

den sind AGESCI (Bund katholischer Pfadfinderinnen und<br />

Pfadfinder) und CNGEI (Interkonfessioneller Bund).<br />

Der größere der beiden ist AGESCI, der als sehr starke<br />

Organisation auf der gesamten italienischen Halbinsel prä-<br />

sent ist, besonders in Großstädten wie Rom, Mailand und<br />

Florenz und den großen Regionen Veneto, Emilia-Romagna<br />

und Sizilien.<br />

In meiner Heimat Umbrien, wo weniger als eine Million<br />

Menschen leben, sind wir nicht ganz so stark vertreten und<br />

darum sehr abhängig von den örtlichen Kirchen und deren<br />

Bischöfen. Allerdings haben wir den Rückhalt der Familien:<br />

Sie sehen die Pfadfinderei als Garantie für eine gute Lebens-<br />

weise. <strong>Das</strong> liegt an der Religiosität und der Liebe zur katho-<br />

lischen Kirche unseres <strong>Land</strong>es. „Pfadfinder sein“ bedeutet<br />

daher: Mitglied im katholischen Verband AGESCI.<br />

Ich denke, es ist wirklich ein Geschenk, in unserer Gegend<br />

Pfadfinder zu sein: Wir haben hier viele Fahrtengebiete, in<br />

12<br />

denen man die Berge und Flüsse ohne große Städte und zu<br />

viele Menschen genießen kann. Dennoch gibt es bei uns<br />

zahlreiche Orte und Städte voller Spiritualität und geschicht-<br />

lichem Erbe. Umbrien ist wahrscheinlich die von Pfadfindern<br />

am häufigsten aufgesuchte Region Italiens.<br />

Gruppenleiter zu sein, bedeutet für mich, jederzeit die<br />

Möglichkeit zu haben, den uns umgebenden Reichtum zu er-<br />

forschen. Ich möchte auch an unsere Kinder weiterzugeben,<br />

wie wir in besserem Einklang mit der Natur leben können.<br />

<strong>Das</strong> ist eine wunderbare Weise, unseren Dienst an der Ge-<br />

sellschaft zu leisten.<br />

Unsere „Kleinen“ beginnen im Alter von acht Jahren in<br />

der Stufe Branco, dann kommen sie mit zwölf zu Reparto.<br />

Die Sechzehn- bis Zwanzigjährigen gehören zum Clan. An-<br />

schließend muss sich jeder entscheiden, ob er Gruppenleiter<br />

werden will oder nicht. Dazu ist es wichtig, dass er Vertrauen<br />

in Jesus Christus hat, denn alles verdanken wir ihm: das<br />

Spiel für die Kinder, das Abenteuer für die Jugendlichen, die<br />

Pfade und die Aufgaben.<br />

LRB 2’04


In Italien sind die Pfadfi nder im Allgemeinen sehr ge-<br />

schickt, was Lagerbauten auf Sommerlagern betrifft. Auch<br />

im Umgang mit technischen Dingen wie Karte und Kompass<br />

oder beim Pionieren ist die Ausbildung sehr umfangreich.<br />

Ich glaube, das ist auch der faszinierendste Aspekt für jedes<br />

Kind, das Pfadfi nder werden möchte.<br />

Jede Region Italiens hat Zugang zu hohen Bergen oder<br />

bietet die Möglichkeit in der Nähe des Meeres oder eines<br />

Sees zu übernachten. Und weil wir so viele verschiedene<br />

Plätze haben, gehen wir sehr selten im Ausland auf Fahrt.<br />

Leider eine Schattenseite dieses glücklichen Umstands. Die<br />

Brancos fahren im Sommer normalerweise für eine Woche<br />

irgendwo aufs <strong>Land</strong> und übernachten in einem großen Haus.<br />

Die Repartos fahren für zwei Wochen – meistens in die ab-<br />

geschiedene Bergwelt – und bauen sich ein eigenes Lager, in<br />

dem sie wie Pioniere leben.<br />

Der Clan unternimmt häufi g größere Touren in weiter<br />

entfernte Gegenden, wenn auch nur für eine Woche. Dort<br />

kombinieren sie gerne ausgefallene Wanderungen mit ein<br />

paar Tagen Sozialarbeit an jenem Ort.<br />

Ich bin sehr froh, Pfadfi nder zu sein, denn ich fühle mich<br />

in gewisser Weise reicher und wacher. Es ist eben nicht nur<br />

etwas für Kinder, es ist eine gute Art, Mensch zu sein. Ich<br />

weiß nicht viel über die Pfadfi nderei in Deutschland, aber<br />

vielleicht sind alle so wie meine Freunde unter den Kolibris<br />

in Lübeck. Mit einem großen Sinn für Gastfreundschaft und<br />

einem Turm als Stammesheim … Ersteres haben wir gemein,<br />

das Zweite nicht! Es war mir ein Vergnügen, Euch von uns zu<br />

berichten.<br />

Hier geht’s weiter<br />

LRB 2’04<br />

Simone Marchi, Italien<br />

Die Seite der Associazione Guide e Scout Cattolici Italiani sieht<br />

wunderhübsch aus (ist aber auf italienisch) àagesci.org<br />

Vom Bundes- zum <strong>Land</strong>esverband, hier geht es in Umbrien<br />

weiter unter àumbriascout.org<br />

Schließlich kommen wir auf der Stammeshomepage an (und<br />

immer noch alles auf italienisch) àagescifoligno.org<br />

Die Italienische Republik<br />

ist von Anfang an (1958)<br />

Mitglied der Europäischen<br />

Union. 58 Millionen Einwoh-<br />

ner sprechen: Italienisch.<br />

Deutsch, Französisch, Ladi-<br />

nisch und Slowenisch sind<br />

regionale Amtssprachen. Daneben gibt es eine ganze Reihe<br />

weiterer Sprachen, die unter Minderheitenschutz stehen,<br />

aber bisher nicht Amtssprache in ihrer Region sind. Der Nor-<br />

den des <strong>Land</strong>es ist stark industrialisiert und liegt gut im Eu-<br />

ropavergleich, der Süden hingegen ist eher strukturschwach<br />

und landwirtschaftlich geprägt. Italien ist bekannt für seine<br />

Modedesigner und Bekleidungsindustrie, für seine Kunst<br />

und Musik und für Speis und Trank. Italienische Gastarbeiter<br />

brachten Pizza und Pasta mit nach Deutschland. Als beliebtes<br />

Urlaubsziel lockt Italien Touristen sowohl mit seinen Strän-<br />

den (z. B. die Adriaküste) als auch mit Sehenswürdigkeiten:<br />

In allen Zeitaltern der Geschichte war Italien wichtiges Kul-<br />

turzentrum in <strong>Europa</strong>.<br />

In Irland, seit 1973 EU-<br />

Mitglied, leben 4 Millionen<br />

Menschen, die große Mer-<br />

heit von ihnen katholischen<br />

Glaubens. Viele Iren emig-<br />

rierten im 19. Jahrhundert<br />

in die USA, heute leben dort<br />

I T A L I E N<br />

I R L A N D<br />

12 Millionen Menschen irischer Abstammung. Aus Irland<br />

kommen Künstler wie die Rockband U2, Ronan Keating oder<br />

die Schriftsteller James Joyce, Flann O‘Brien und Samuel<br />

Beckett kommen aus Irland. In der grünen Hügellandschaft<br />

trifft man vor allem auf Schafe, Touristen und viele alte Cast-<br />

les. Irland ist außerdem bekannt für seine Pubs, dunkles Bier<br />

mit cremigem Schaum und rauschende Feste mit Folkmusik.<br />

Nationalsymbol ist das shamrock, das irische Kleeblatt. Am<br />

17. März wird der St.-Patricks-Day gefeiert. Der meistge-<br />

brauchte Satz über Irland unter Pfadfi ndern ist „Soll ja so<br />

schön sein, will ich unbedingt hin.“<br />

13


Krisenherde in <strong>Europa</strong><br />

„Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt.“ Auch in <strong>Europa</strong> gibt<br />

es immer noch blutige Konflikte. Frieden und Stabilität bleiben vorerst Utopie.<br />

„<strong>Das</strong> europäische Einigungswerk hat für 50 Jahre Stabilität,<br />

Frieden und Wohlstand gesorgt“, heißt es auf der Website der<br />

Europäischen Union. Sicher, die katastrophalen zwischen-<br />

staatlichen Kriege <strong>Europa</strong>s scheinen überwunden. Doch Frie-<br />

den und Stabilität – vom Wohlstand einmal ganz abgesehen –<br />

herrschen nur in Teilen <strong>Europa</strong>s, auch innerhalb der EU sind<br />

noch nicht alle Konflikte gelöst. Die Politiker <strong>Europa</strong>s treten<br />

so oft und gern mit dem Anspruch auf, die EU sei Vorbild und<br />

Symbol für Stabilität und Frieden in der Welt. Ein Beitritt zur<br />

Gemeinschaft scheint wie eine Garantiekarte für Frieden und<br />

Wohlstand zu sein. Denn genau das ist einer der wichtigs-<br />

ten Legitimationsgründe für die europäische Integration.<br />

Doch leider ist dem nicht ohne weiteres so. Nicht erst auf<br />

14<br />

den Balkan muss man schauen, um offene Konflikte in Eu-<br />

ropa zu finden. Im Baskenland, Nordirland oder auf Korsika<br />

– noch immer werden Streitigkeiten auf dem europäischen<br />

Kontinent blutig ausgetragen. Zumeist handelt es sich dabei<br />

um Konflikte zwischen Minderheit und Mehrheit in einem<br />

<strong>Land</strong> – um Gleichberechtigung, Selbstbestimmung oder dem<br />

Wunsch nach wirtschaftlichem Wohlstand.<br />

<strong>Das</strong>s die EU als Krisenmanagerin mehr als nur lern-<br />

bedürftig ist, haben die Kriege auf dem Balkan in den<br />

neunziger Jahren zur Genüge bewiesen. Zu sehr be-<br />

stimmen die Interessen einzelner Mitgliedsstaaten noch<br />

die Außenpolitik der Gemeinschaft. Wie aber steht es<br />

um die Fähigkeit, Konflikte innerhalb der EU zu lösen?<br />

LRB 2’04


Gerade Konfl ikte wie in Nordirland oder dem Baskenland<br />

stellen eine Möglichkeit für die Gemeinschaft dar, sich als<br />

Krisenmanagerin erfolgreich zu präsentieren. Es muss doch<br />

im ureigensten Interesse der EU liegen, Konfl ikte dieser Art<br />

friedlich zu lösen und Erfahrungen für den Umgang mit Kri-<br />

sen in der Welt zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund stellen<br />

vor allem die neuen Beitrittsländer eine Herausforderung<br />

dar. Mit ihren bis heute ungelösten Minderheitsproblemen,<br />

zum Beispiel der russischen Bevölkerung im Baltikum oder<br />

den Roma in Tschechien und Rumänien, bringen sie zusätzli-<br />

ches Konfl iktpotenzial in die Gemeinschaft.<br />

Es wird sich zeigen, ob die Europäische Union die In-<br />

strumente sowie die personellen und institutionellen Mög-<br />

lichkeiten besitzt, um mit diesen Konfl ikten umzugehen.<br />

Denn noch liegen die wesentlichen Kompetenzen im Bereich<br />

der Polizei und Justiz bei den Staaten selbst, sie also haben<br />

in erster Linie die Mittel und Möglichkeiten zu handeln.<br />

Doch steht auch der EU mit den Kompetenzen in der Wirt-<br />

schaftspolitik bereits ein wichtiges Mittel zur Verfügung.<br />

Denn wie Analysen zeigen, hängen Wohlstand, Frieden und<br />

Stabilität eng zusammen. Die EU hat dies in ihrem Anspruch<br />

schon erkannt, muss nun aber noch alles dafür tun, diesen<br />

Anspruch auch Wirklichkeit werden zu lassen.<br />

Kampf um Autonomie im Baskenland<br />

<strong>Das</strong> Baskenland ist eine von siebzehn Provinzen Spaniens.<br />

Seit 1980 gilt dort ein Autonomiestatut, welches den Basken<br />

große Freiheit gibt. An den Schulen im <strong>Land</strong> wird neben an-<br />

deren Sprachen auch das Baskische gelehrt. Die Basken ha-<br />

ben eine eigene Polizei und können eigene Steuern erheben.<br />

Keine andere Region in Spanien genießt so viel Unabhängig-<br />

keit. Einer Minderheit im Baskenland geht das allerdings<br />

nicht weit genug, sie verlangt die volle Unabhängigkeit von<br />

Spanien. Es gab einmal ein selbständiges baskisches Reich.<br />

Im 10. Jahrhundert bildeten die heutigen baskischen Regio-<br />

nen in Spanien und Frankreich gemeinsam mit der Provinz<br />

Navarra das Königreich Navarra. Den Nationalisten gilt<br />

diese Zeit als Vorbild. Einen eigenen Staat, den möchten sie<br />

gern wieder haben. Dazu gehören ihrer Meinung nach nicht<br />

nur die spanisch-baskischen Provinzen, Guipuzcoa, Vizkaya<br />

und Alava, sondern auch die auf französischem Territorium<br />

liegenden baskischen Provinzen Soule, Basse-Navarre und<br />

Labourd sowie die spanische Nachbarprovinz Navarra. Dafür<br />

kämpfen sie, dafür mordet ihr bewaffneter Arm ETA. Heute<br />

LRB 2’04<br />

N I E D E R L A N D E<br />

Holland, oder vielmehr das<br />

Königreich der Niederlande,<br />

hat 16,2 Millionen Einwohner<br />

und ist Gründungsmitglied<br />

der EU. Staatsoberhaupt ist<br />

Königin Beatrix. Fast die<br />

Hälfte des <strong>Land</strong>es liegt nicht<br />

einmal einen Meter über dem Meeresspiegel und muss durch<br />

Deiche geschützt werden. Die Niederlande haben eine hoch-<br />

technisierte <strong>Land</strong>wirtschaft, in der zwar nur vier Prozent der<br />

Erwerbstätigen arbeiten, damit aber maßgeblich zum Export<br />

beitragen: Fleisch, Tomaten, Tulpen. Bekannt ist Holland<br />

für seine liberale Politik hinsichtlich Drogen, Prostitution,<br />

Sterbehilfe. Der Hafen in Rotterdam ist der größte Contai-<br />

nerumschlagplatz der Welt. Weltberühmte Maler kamen aus<br />

den Niederlanden: Vermeer, Rembrandt, van Gogh.<br />

61 Millionen Bürger zählt<br />

Frankreich, das sind etwa<br />

13,5 % der EU-Bevölkerung.<br />

Frankreich ist Gründungs-<br />

mitglied der Europäischen<br />

Union. Stolz sind die Fran-<br />

zosen auf ihre Revolution,<br />

F R A N K R E I C H<br />

Liberté, Egalité, Fraternité, und den daraus hervorgegange-<br />

nen laizistischen Staat. Offi ziell gibt es nur eine Amtssprache,<br />

neben Französisch existieren aber eine ganze Reihe weiterer<br />

Sprachen (z. B. Bretonisch und Normannisch). Flächenmä-<br />

ßig ist es das größte <strong>Land</strong> der EU. Die Franzosen geben mehr<br />

Geld für besseres Essen aus als der Durchschnitts-Europäer.<br />

<strong>Das</strong> Klischee gibt einiges her: Kaffee aus riesigen, fl achen<br />

Tassen, Wein, Käse, Baguette und nicht zuletzt das Lebens-<br />

gefühl, das in dem – französischen – Film „Amelie“ trans-<br />

portiert wird. Wenig französische Schüler wählen Deutsch<br />

als zweite Fremdsprache, genau wie in Deutschland wird<br />

eher Spanisch gewählt. Obwohl die beiden Länder so dicht<br />

nebeneinander liegen, obwohl die beiden Staaten wichtigste<br />

Handelspartner sind, trotz 40 Jahre Elysée-Vertrag.<br />

15


möchte nur noch eine Minderheit im Baskenland die Un-<br />

abhängigkeit. Die Terroristen sind isoliert, verbreiten aber<br />

weiterhin Angst und Schrecken im <strong>Land</strong>. Bürgermeister mit<br />

einem Parteibuch der spanischen Volkspartei PP werden von<br />

der ETA bedroht, Unternehmer erpresst, auf Polizisten und<br />

Militärs werden Anschläge verübt. In den Augen der ETA ist<br />

das spanische Militär die Besatzungsmacht. Kein Wunder<br />

also, dass fälschlicherweise zunächst die ETA unter Verdacht<br />

geriet, als am 11. März dieses Jahres mehrere Bomben in<br />

Nahverkehrszügen der Hauptstadt Madrid 201 Menschen in<br />

den Tod rissen und über 1 000 Verletzte hinterließen.<br />

Bosnien-Herzegowina – ein Staat in ständiger Krise<br />

1990 löste sich der Vielvölkerstaat Jugoslawien gewaltsam<br />

auf. Nach schweren Kämpfen in Kroatien verlagerte die<br />

serbisch kontrollierte Armee das Kriegsgeschehen nach<br />

Bosnien. Im Zuge des „groß-serbischen“ Strebens und der<br />

Pläne, alle Serben zu „vereinigen“, entbrannte 1992 in dem<br />

gerade international anerkannten Staat Bosnien-Herzego-<br />

wina ein schrecklicher Krieg mit katastrophalen Folgen. Die<br />

physische Infrastruktur wurde nahezu vollständig zerstört,<br />

ebenso die einzigartige multi-ethnische Gesellschaft. Die<br />

Auswirkungen sind in Bosnien noch überall zu sehen. Der<br />

kriegerische Konflikt ist zwar beigelegt worden, aber die<br />

politische, wirtschaftliche und soziale Krise schwelt weiter.<br />

Die Wunden des Krieges heilen eben äußerst langsam. Nicht<br />

nur die politisch Verantwortlichen tun sich mit der Zusam-<br />

menarbeit und Versöhnung schwer, auch die jeweiligen<br />

Bevölkerungsgruppen misstrauen sich immer noch. Von den<br />

1,2 Millionen Flüchtlingen, die Bosnien verließen, sind bis<br />

heute ungefähr 850 000 zurückgekehrt. Doch die meisten<br />

von ihnen kamen nicht in ihr einstiges Heim zurück, sondern<br />

in ihre „ethnische“ Gegend. Wenn das Haus eines bosnischen<br />

Muslims sich jetzt im serbischen Gebiet befindet, kommt er,<br />

um es ein letztes Mal zu sehen und um es vielleicht verkaufen<br />

zu können. Die meisten Rückkehrer tun es ihm gleich, sofern<br />

der Heimatort nicht ihrer ethnischen Gegend zugefallen<br />

ist. Sich im „feindlichen“ Gebiet erneut niederzulassen, ist<br />

in Bosnien immer noch undenkbar. <strong>Das</strong> „bosnische“ Volk<br />

geht sich aus dem Weg, und die damit verbundenen so-<br />

zialen Spannungen und Ängste können folgerichtig nicht<br />

abgebaut werden. Die soziale Krise scheint unüberwindbar.<br />

Die EU hat aber doch etwas gelernt aus den Jugoslawien-<br />

Kriegen. Eine Abwendung von diesem Gebiet erschien ihr<br />

16<br />

unmöglich. Besonders wirtschaftliche Hilfe und Unterstüt-<br />

zung, sowie das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkom-<br />

men (SAA) verdeutlichen das europäische Interesse an der<br />

Balkanregion. Vor dem Krieg, auch noch während des Krie-<br />

ges sah dies anders aus. Die Europäer waren vom Ausmaß<br />

des Konflikts überrascht und überfordert. Eine gemeinsame<br />

politische Linie gab es nicht, vom militärischen Potenzial<br />

ganz zu schweigen. Stattdessen handeln die EU-Staaten un-<br />

abhängig voneinander, allen voran Deutschland. Die Union<br />

präsentierte sich in diesen Jahren als ein Club, der zwar<br />

ökonomisch stark war, der aber vor außenpolitischen Proble-<br />

men unbeweglich kapitulieren musste. Nach dem Ende des<br />

Bosnienkrieges, entschied die EU, zumindest beim Aufbau<br />

des <strong>Land</strong>es eine entscheidende Rolle zu spielen. Die von der<br />

EU übernommene Polizeimission soll zusammen mit den<br />

zwölftausend SFOR-Soldaten den Frieden, dem immer noch<br />

nicht alle trauen, sichern. <strong>Europa</strong> hat in Bosnien einiges wie-<br />

der gutzumachen. <strong>Das</strong> Versagen im Krieg muss durch eine<br />

konstante und konsequente Aufbauhilfe gemildert werden.<br />

<strong>Europa</strong> darf den Glauben an den Staat Bosnien-Herzegowina<br />

nicht aufgeben. Vor allem deswegen nicht, weil die eigene<br />

Bevölkerung Bosniens den Glauben an die eine, allen ge-<br />

meinsame Heimat noch nicht vollständig wiedererlangt hat.<br />

Die ständige Krise, in der sich Bosnien befindet, kann nur mit<br />

Hilfe <strong>Europa</strong>s endgültig gelöst werden.<br />

Die Minderheitenproblematik im Baltikum<br />

In Lettland und Estland leben derzeit über 750 000 Men-<br />

schen als Staatenlose, ohne Pass und ohne politisches Mit-<br />

spracherecht. Diese Staatenlosen der russischen Minderheit<br />

haben immerhin einen Bevölkerungsanteil von knapp 30<br />

Prozent in beiden Ländern. Und in Moskau und Brüssel<br />

streitet man sich regelmäßig mit den Regierungen in Tallinn<br />

und Riga um den Status dieser Menschen. Die Einzigen, die<br />

bei dem Streit fast nie zu Wort kommen, sind die ethnischen<br />

Russen selbst. Der Ursprung des Minderheitenkonflikts im<br />

Baltikum liegt mittlerweile sechzig Jahre zurück, als 1944 die<br />

vorher unabhängigen Staaten Lettland, Estland und Litauen<br />

der UdSSR angegliedert wurden. Die niedrige Geburtenrate<br />

dieser Jahre, eine Folge des Zweiten Weltkriegs, aber vor<br />

allem das Ziel Moskaus, einen einheitlichen Sowjetstaat<br />

zu schaffen, sollte die Bevölkerungsstruktur Estlands und<br />

Lettlands nachhaltig verändern. Um dieses Ziel zu errei-<br />

chen, wurden zu Zeiten Stalins Massendeportationen von<br />

LRB 2’04


Esten und Letten nach Sibirien veranlasst. Gleichzeitig er-<br />

mutigte man Russen, sich in diesen Gebieten anzusiedeln.<br />

<strong>Das</strong> führte dazu, dass Esten und Letten um das Überle-<br />

ben auf ihrem eigenen Territorium zu bangen begannen.<br />

Nach dem Ende der Sowjetunion 1991 begann das politische<br />

Tauziehen um den Status der ethnischen Russen. Als unab-<br />

hängig gewordene Staaten vergaßen Estland und Lettland<br />

nicht die Jahre unter den Besatzern und die Angst davor, im<br />

eigenen <strong>Land</strong> zu einer Minderheit zu werden. Sicherlich war<br />

das die Motivation für die harten und diskriminierenden Ge-<br />

setze und Maßnahmen beider Staaten, die sich vor allem ge-<br />

gen die ethnischen Russen richteten. Nach der Unabhängig-<br />

keit wurde den meisten Russen die estnische beziehungswei-<br />

se lettische Staatsbürgerschaft zuerst verweigert. Beide Län-<br />

der erließen ein Restitutionsedikt, dem zufolge nur jene, die<br />

bereits in der Vorkriegszeit Bürger der Republiken gewesen<br />

waren, sowie deren Nachkommen automatisch Staatsbürger<br />

werden konnten. Andere Einwohner des <strong>Land</strong>es wurden ge-<br />

zwungen, Aufenthaltsgenehmigungen zu beantragen – was<br />

sich hauptsächlich gegen die russischen Einwanderer richte-<br />

te. Die Einbürgerungen waren kontingentiert, an Altersstaf-<br />

felungen gebunden und erfolgten nach harten Prüfungen in<br />

Sprache und Gesetzgebung. Die meisten der ethnischen Rus-<br />

sen, die zumeist ältere ehemalige sowjetische Industriear-<br />

beiter waren, konnten aber diese Prüfungen nicht bestehen.<br />

Die Folge: Viele Russen wanderten aus, allein 175 000 Men-<br />

schen aus Lettland. Die schlechte Situation der russischen<br />

Bevölkerung spitzte sich 1998 in Massenprotesten russischer<br />

Rentner zu. Es waren und sind vor allem die Organisation<br />

für Sicherheit und Zusammenarbeit in <strong>Europa</strong> (OSZE), die<br />

Europäische Union (EU) und die NATO auf der einen und<br />

Russland auf der anderen Seite, die bereits seit Jahren auf<br />

Estland und Lettland Druck ausüben. Während aber die<br />

EU keine direkten Konsequenzen für die Mitgliedschaft<br />

ziehen wollte, machte die NATO klar, dass der Beitritt<br />

nicht garantiert sei. Während seines Baltikumbesuchs<br />

2002 erklärte NATO-Generalsekretär George Robertson<br />

Lettland und Estland unmissverständlich, dass eine Mit-<br />

gliedschaft auch davon abhänge, ob die Haltung gegen<br />

über der russischen Minderheit liberaler würde oder nicht.<br />

Russland protestiert regelmäßig gegen die Staatsbürger-<br />

schaftsregelungen, die Sprachpolitik sowie die Reduktion<br />

von Russischunterricht an öffentlichen Schulen. Gerade der<br />

russischsprachige Teil der Medien im Baltikum wird von<br />

LRB 2’04<br />

In Ungarn leben gut 10 Mil-<br />

lionen Menschen. Seit dem 1.<br />

Mai diesen Jahres ist Ungarn<br />

Mitglied der Europäischen<br />

Union. Hauptstadt ist Bu-<br />

dapest. <strong>Land</strong>essprache ist<br />

Ungarisch, dem fi nnischen<br />

verwand. Ungarn besteht überwiegend aus Tief land; nied-<br />

rige Hügel und Berge liegen im Norden und Westen. Der<br />

große Balaton (Plattensee) sowie die Donau und die Theiß<br />

„ersetzen“ das Meer. Im Süden Ungarns erstrecken sich<br />

viele Weinberge. <strong>Das</strong> Mecsekgebirge besteht zum Großteil<br />

aus Laubwald. <strong>Das</strong> Klima ist kontinental; es gibt also sehr<br />

warme Sommer und sehr kalte Winter. Über die Grenzen<br />

bekannt sind Paprika, Gulasch, Letscho und Palatschinken.<br />

Eine Besonderheit Ungarns sind die vielen Bäder (siehe Bild<br />

unten), die sich aus unterirdischen warmen Quellen speisen.<br />

Eine weitere Sehenswürdigkeit ist das Barockschloss Fertöd<br />

aus dem 18. Jahrhundert.<br />

U N G A R N<br />

Igen/nem Ja/nein<br />

Köszönöm Danke<br />

Kérem Bitte<br />

Helló Hallo<br />

Szia Tschüss<br />

Jó reggelt kívánok Guten Morgen<br />

Boscánant Entschuldigung<br />

Segítség Hilfe!<br />

Ez nagyon fi nom <strong>Das</strong> ist sehr lecker<br />

Tetszel nekem Du gefällst mir.<br />

Van török fürdö a városban? Gibt es ein türkisches Bad in der Stadt?<br />

17


Seit 1981 ist die parlamenta-<br />

rische Demokratie Griechen-<br />

land mit seinen 11 Millionen<br />

Einwohnern Mitglied der<br />

Europäischen Union. Rund<br />

ein Viertel der Fläche entfällt<br />

auf die mehr als 3 000 In-<br />

seln, von denen 167 bewohnt sind. Große Bergketten ziehen<br />

sich bis direkt ins Meer. 14 Millionen Touristen besuchen<br />

Griechenland jährlich, davon mehr als 70 % aus <strong>Europa</strong>.<br />

<strong>Das</strong> antike Griechenland wird als die Wiege <strong>Europa</strong>s be-<br />

zeichnet, in Athen entstand ein Stadtstaat, in dem eine sehr<br />

frühe Form unserer heutigen Demokratie praktiziert wurde,<br />

wegweisende Philosophen lebten hier. Im Sommer 2004<br />

kehren die Olympischen Spiele in ihre Heimat zurück: Sie<br />

werden in Athen ausgetragen. Die griechische Küche bietet<br />

selbstredend mehr als Gyros und Bauernsalat, ähnlich den<br />

spanischen Tapas werden zahlreiche verschiedene Gerichte<br />

gleichzeitig gegessen.<br />

18<br />

G R I E C H E N L A N D<br />

In Österreich leben 8,1 Milli-<br />

onen EU-Bürger. Deutsch ist<br />

Amtssprache, regional aber<br />

auch Kroatisch, Ungarisch,<br />

Slowenisch. Ehemals war<br />

Österreich ein viel größeres<br />

<strong>Land</strong>, nach den Wirren des<br />

Ö S T E R R E I C H<br />

Zweiten Weltkriegs war eine Bedingung seitens der Sowje-<br />

tunion zur Souveränität die politische Neutralität. Nach dem<br />

Zerfall der Sowjetunion trat Österreich 1995 der Europäi-<br />

schen Union und der NATO bei. In Österreich läßt es sich<br />

vortreffl ich wandern, große <strong>Land</strong>esteile liegen in den Alpen.<br />

Bekannt ist Österreich natürlich für seine Kaffeehauskultur,<br />

für den Opernball, für Sissi. Jenseits dieser romantischen<br />

Klischees beeindrucken die radikalen Texte Thomas Bern-<br />

hards, der über die österreichische Gesellschaft grantelt.<br />

Russland beeinfl usst – Moskau nutzt so die Möglichkeit, sein<br />

strategisches Interesse an Estland und Lettland indirekt wei-<br />

terhin zu vertreten. Nach den klaren Signalen der internatio-<br />

nalen Organisationen haben Estland und Lettland die Einbür-<br />

gerungs- und Sprachregelungen jetzt schrittweise gelockert.<br />

Frankreichs innenpolitisches Sorgenkind Korsika<br />

Korsika gehört seit 1768 zu Frankreich. Schwierigkeiten mit<br />

dem Festland hat es seitdem oft gegeben, doch erst seit 1975<br />

spricht man vom „problème corse“: einem Gewirr von poli-<br />

tischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen, die einen<br />

grundsätzlichen Konfl ikt immer wieder aufs Neue entfachen.<br />

Bis heute hat es fast 10 000 Anschläge gegeben. Die 1999 er-<br />

klärte Waffenruhe existiert nur auf dem Papier. Ein Ende der<br />

Gewaltspirale, in der sich staatliche Polizeiaktionen und ter-<br />

roristische Attentate gegenseitig verstärken, ist nicht in Sicht.<br />

Die Europäische Union hat sich aus dem politischen Konfl ikt<br />

weitgehend rausgehalten, was wohl auch dem Wunsch der<br />

französischen Regierung entspricht.<br />

Die Forderung nach Selbstverwaltung beruft sich auf<br />

die Insellage, die besondere Probleme mit sich bringe<br />

und deshalb besondere Maßnahmen erfordere, über die<br />

am besten vor Ort entschieden werde. Dabei geht es vor<br />

allem um Sonderbefugnisse im Bereich Tourismus, Um-<br />

weltschutz, Transport, Bildung, Kultur und Sprache. Die<br />

Gegner eines korsischen Sonderstatus berufen sich auf<br />

die Gleichheit aller Bürger und den zentralistisch verwal-<br />

teten Staat; Föderalismus wie in Deutschland ist ihnen<br />

ein Tabu. In Paris fürchtet man vor allem ein Übergreifen<br />

der Unabhängigkeitsforderungen auf andere Regionen<br />

wie beispielsweise die Bretagne, was langfristig die Prinzi-<br />

pien des französischen Staates auf den Kopf stellen könnte.<br />

Über achtzig Prozent der Korsen halten nichts von der Unab-<br />

hängigkeit, darunter viele Rentner, Beamte und Politiker, die<br />

nicht auf ihr Einkommen vom französischen Staat verzichten<br />

wollen. Ohne die französischen Transferzahlungen wäre Kor-<br />

sika inzwischen kaum lebensfähig, und so verlieren die Ver-<br />

fechter der Unabhängigkeit bei der korsischen Bevölkerung<br />

zunehmend an Bedeutung. Bei den letzten Regionalwahlen<br />

erhielt nur eine nationalistische Partei über fünf Prozent der<br />

Stimmen. Doch der Kampf der militanten Separatisten geht<br />

weiter. Der Streit um gegensätzliche Prinzipien – Gleich-<br />

heit oder Vielfalt – macht eine grundsätzliche Lösung der<br />

Korsikafrage fast unmöglich. Dies ist vielleicht auch nicht<br />

LRB 2’04


notwendig, denn mit einer Lösung der konkreten Probleme<br />

auf der Insel wie der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der<br />

sozialen Probleme und der wirtschaftlichen Defizite könnte<br />

der Konflikt beigelegt werden. Eine wirksame europäische<br />

Regionalpolitik und die Brüsseler Strukturfonds können<br />

dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Respekt vor der kul-<br />

turellen Identität und Anerkennung der korsischen Sprache<br />

würden die angeheizte Stimmung und die jahrzehntelange<br />

Gewalt auf Korsika eindämmen und eine friedliche Lösung<br />

der politischen Gegensätze möglich machen.<br />

Diskriminierung von Roma<br />

In Usti nad Labem, einer Kleinstadt in Tschechien, stand eine<br />

Mauer. Die Mauer, einige Meter hoch und mit Stacheldraht<br />

versehen, umrahmte ein ganzes Stadtviertel, genauer: ein<br />

Stadtviertel, in dem Angehörige der Roma-Minderheit in<br />

Tschechien wohnten. <strong>Das</strong> sei ein Lärmschutzwall, behaupte-<br />

te die Stadt, errichtet als Reaktion auf Proteste von Anwoh-<br />

nern. In den Augen der zahlreichen Kritiker war diese Mauer<br />

aber mehr, sie sahen sie als Ausdruck der Ausgrenzung<br />

und Diskriminierung von Roma, als Ghetto. Die Mauer von<br />

Usti nad Labem ist kein Einzelfall, nicht nur hier existieren<br />

Vorurteile, Ablehnung oder gar Hass gegen die ethnische<br />

Minderheit der Roma. Diese Mauer ist vielmehr Beispiel für<br />

die Diskriminierung und den Ausschluss, den Angehörige der<br />

Roma-Minderheit erfahren, nicht nur in Tschechien, auch in<br />

anderen osteuropäischen Ländern. Aber selten findet die Dis-<br />

kriminierung und die Ablehnung gegen die Roma so deutlich<br />

Ausdruck wie im Falle der Mauer von Usti nad Labem.<br />

Die Roma sind eine Minderheit, die überall fremd ist. Ein<br />

Volk ohne <strong>Land</strong>, aber mit eigener Kultur, das vor Tausenden<br />

von Jahren aus Indien kam und seitdem heimatlos durch die<br />

Welt irrt. Ein Volk, das sich überall von der mehrheitlichen<br />

Bevölkerung unterscheidet. Roma sind nicht nur eine sicht-<br />

bare Minderheit, eine Minderheit, die man an äußerlichen<br />

Merkmalen von der Mehrheit der Gesellschaft unterscheiden<br />

kann, Roma sind fast überall eine sozial benachteiligte Min-<br />

derheit. Ihre Andersartigkeit, Diskriminierung, Armut und<br />

mangelhafte Bildung treiben viele an den Rand der Gesell-<br />

schaft – egal, in welchem <strong>Land</strong> sie leben. Nirgendwo auf der<br />

Welt leben so viele wie in Rumänien. Und dennoch existieren<br />

hier überhaupt keine Gesetze zum Schutz der 2,5 Millionen<br />

Roma. Der Grundstein für die Benachteiligung wird meist<br />

schon im Kindesalter gelegt. Eine große Zahl der Roma-Kin-<br />

der in Rumänien hat aus formalen Gründen keinen Zugang<br />

zum staatlichen Bildungssystem. In Tschechien unterliegen<br />

zwar alle Kinder der allgemeinen Schulpflicht, Roma werden<br />

aber fünfzehnmal häufiger auf Sonderschulen geschickt als<br />

„normale“ tschechische Kinder. So ist es zwar grundsätzlich<br />

richtig, dass die Europäische Kommission Tschechien und<br />

Rumänien in den Fortschrittsberichten über die Beitritts-<br />

länder im Oktober 2002 aufgrund der Situation der Roma<br />

kritisiert hat. Denn es ist wichtig, die Diskriminierung anzu-<br />

prangern. Andererseits muss man sich fragen, ob diese Kritik<br />

moralisch berechtigt ist – denn auch in den „alten“ EU-Mit-<br />

gliedsstaaten werden Roma diskriminiert und benachteiligt,<br />

ohne dass die Kommission darauf hinweist. Die Situation<br />

der Roma ist ein europaweites Problem, deshalb wäre es<br />

Zeit für eine EU-weite Gesetzgebung für deren Rechte.<br />

Nur wenn Roma in die Gesellschaft integriert werden,<br />

ist es möglich, Vorurteile abzubauen und die Akzep-<br />

tanz der Minderheit in der Gesellschaft zu vergrö-<br />

ßern, die Mauern in den Köpfen einzureißen. Ob das<br />

jemals so sein wird, vermag heute niemand zu sagen.<br />

Zumindest die Mauer von Usti nad Labem existiert heute<br />

nicht mehr. Aber nicht, weil die Einwohner reuig die Ge-<br />

schmacklosigkeit dieses Bauwerks eingesehen haben, son-<br />

dern weil massive Proteste aus dem In- und Ausland und ein<br />

warmer Geldregen aus Prag sie schließlich überzeugt haben,<br />

die Mauer einzureißen. Trotzdem bleibt die Mauer in den<br />

Köpfen.<br />

Und das ist nicht alles<br />

Auch andere Krisenherde wie auf Zypern (dazu gab’s im<br />

LRB 1’03 einen ausführlichen Artikel), in Tschetschenien,<br />

Nordirland, Palästina, in der Türkei oder im Kosovo werden<br />

die Gemeinschaft der Europäer in diesem Jahrzehnt weiter<br />

fordern und strapazieren. Streitigkeiten zwischen den einzel-<br />

nen Staaten wie etwa um die Besitzansprüche Spaniens und<br />

Großbritanniens auf Gibraltar, der Bau von Atomkraftwer-<br />

ken in Tschechien, Slowenien und anderen aufstrebenden<br />

EU-Mitgliedern, zu wenig Kritik an Russland bei immer<br />

weiter abnehmender Demokratie unter der Regierung Putin,<br />

Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer … all das ist die Rea-<br />

lität der Europäischen Union.<br />

Nils Petersen, Stamm Kolibri<br />

LRB 2’04 19


Von links nach rechts: Eine Feuerwache, Meutenführer, die Pfadfinder ziehen bei einem offiziellem Anlass durch die Stadt und präsentieren sich.<br />

Gleich nebenan<br />

Agnieszka erzählt über die Pfadfinderei in Polen: Über Widerstand gegen Besatzungsmächte,<br />

Unterdrückung im Sozialismus und was davon heute übrig ist.<br />

Der polnische Pfadfinderverband ZHP ist Mitglied in den<br />

Weltverbänden WAGGGS (für die Mädels) und WOSM (für<br />

die Jungen). Angefangen hat alles 1910, als Polen zwischen<br />

Russland, Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich<br />

geteilt war. Damals ging es vor allem darum, etwas für Polen<br />

zu tun, die Unabhängigkeit zu erlangen. Eine Möglichkeit bot<br />

die Organisation Eleusi. Was eigentlich von den Besatzern<br />

verboten war, konnte hier stattfinden: Der Austausch über<br />

die Geschichte Polens.<br />

Eine wichtige Rolle für die polnische Pfadfinderbewegung<br />

spielte Andrzej Małkowski, der sich als erster ganz der Pfad-<br />

finderei verschrieb. 1912 gab es dann erste Pfadfindergrup-<br />

pen in Polen, zuerst in Lwów und später auch in anderen<br />

Städten. Pfadfinderei war illegal, die Arbeit nicht gerade<br />

einfach. Der ZHP wurde 1918 gegründet, als man erkannte,<br />

dass die Pfadfinderei nur durch einen starken Verband eine<br />

Chance hatte. <strong>Das</strong> politische Klima hatte sich gewandelt, Po-<br />

len war nun wieder unabhängig.<br />

1929 schrieb Andrzej Kamiński ein Buch, in dem er die<br />

Pfadfinderei lobte und Werbung für die Wölflinge machte:<br />

Er erkannte die Arbeit der Pfadfinder an und unterstützte<br />

sie. Im Zweiten Weltkrieg wurde der ZHP aufgelöst, viele<br />

Leiter wurden inhaftiert und ermordet. Weiter ging es im<br />

Untergrund, man nannte sich Szare Szeregi (graue Reihen)<br />

und ging gegen die Besatzer vor. Kinder und Jugendliche<br />

beteiligten sich an Kampfhandlungen, mit Waffen zogen<br />

20<br />

einige sogar in den Warschauer Aufstand. Nach dem Zwei-<br />

ten Weltkrieg änderte sich wiederum viel auf der politischen<br />

Ebene, der ZHP änderte sich durch die Politik und verlor die<br />

Mitgliedschaft in den Weltverbänden. Es stand schlecht um<br />

die Pfadfinderei, die nun völlig von den Vorstellungen der<br />

Kommunisten abhängig war.<br />

Ältere Gruppenleiter, die sich an die Zeit erinnern, erzäh-<br />

len, dass sie trotzdem versucht haben, wie gute Pfadfinder<br />

zu handeln und nicht auf die Funktionäre zu hören. <strong>Das</strong> war<br />

schwierig, das System erfand viele Regeln, zum Beispiel durf-<br />

te die traditionelle Uniform nicht getragen werden, bestimm-<br />

te Symbole waren verboten. 1956 wurde der ZHP wieder<br />

aktiver. 1980 kam es zu Streiks gegen das System in Polen,<br />

danach wurden viele Leiter wegen Kritik an der russischen<br />

Politik verhaftet. 1981 wurde eine neue Organisation, die<br />

NRH gegründet. In den 80er Jahren gab es dann Gruppen,<br />

die im Untergrund ihre Vorstellung von Pfadfinderei lebten,<br />

und alte Traditionen wieder aufgriffen. 1989 wurde der ZHR<br />

gegründet, man wollte nicht länger mit dem Sozialismus in<br />

Verbindung gebracht werden. Im selben Jahr wurde eine<br />

weitere Organisation, Zawisza, gegründet. 1996 wurde der<br />

ZHP schließlich Mitglied in den beiden Weltverbänden.<br />

Heute hat die Pfadfinderei in Polen einen anderen<br />

Schwerpunkt. Wir wollen unseren Mitgliedern helfen, sich zu<br />

Persönlichkeiten zu entwickeln, die hilfsbereit, interessiert<br />

an Freundschaft und am Leben sind. Der ZHP setzt sich ab<br />

LRB 2’04


gegen Alkohol und Zigaretten, also ist trinken und rauchen<br />

bei uns verboten, es soll nicht zur Gewohnheit werden. Wir<br />

arbeiten in kleinen Gruppen, die dann wiederum einen<br />

Stamm bilden. Es gibt vier Altersstufen: Die Wölfl inge (6-10<br />

Jahre), die Pfadfi nder (10-12 Jahre), ältere Pfadfi nder (13-<br />

15 Jahre) und Rover (ab 16 Jahren). Alle haben bestimmte<br />

Aufgaben zu erledigen, die Wölfl inge zum Beispiel werden<br />

tüchtige und freundliche Kinder, Pfadfi nder lernen viel über<br />

Polen, über die Umwelt, Erste-Hilfe, Orientierung mit Karte<br />

und Kompass, wie man sich im Wald verhält. Die älteren<br />

Pfadfi nder helfen dann den jüngeren dabei und engagieren<br />

sich in der Gesellschaft. Rover sind meistens für die anderen<br />

da und helfen.<br />

Neben dieser „normalen Arbeit“ veranstalten wir Fahrten,<br />

Feiern und Feste. Letztens haben Rover und Altpfadfi nder<br />

den „World Day of Child“ organisiert, Kinder konnten an<br />

verschiedenen Wettbewerben teilnehmen und Pfadfi nder-<br />

auszeichnungen bekommen. Außerdem konnte man an einer<br />

Rallye teilnehmen, nur mit einer Karte durch den Wald.<br />

Am 11. Oktober und am 3. Mai feiern wir unsere Unabhän-<br />

gigkeit, am 11. Oktober 1918 wurde Polen unabhängig, am 3.<br />

Mai 1792 gab es die erste polnische Verfassung. Diese Feiern<br />

sind für uns sehr wichtig, wir nehmen an den Feierlichkeiten<br />

in unseren Städten teil. Am 1. August, wenn sich der Aufstand<br />

im Warschauer Ghetto jährt, ist unser Uniformtag. Im Alltag<br />

spielt die polnische Vergangenheit mit all den Kriegen und<br />

Auseinandersetzungen, die Vergangenheit der Pfadfi nder als<br />

Kämpfer, keine besonders große Rolle – aber sie ist natürlich<br />

allgegenwärtig, diese Geschichte gehört zu uns.<br />

Der ZHP veranstaltet große Lager und nahm schon 1913<br />

in Birmingham am World Jamboree teil. Wir setzen diese<br />

Tradition fort, zuletzt war eine kleine Gruppe aus meiner<br />

Stadt in Holland.<br />

Die meisten Leute in meinem Alter hier halten nicht allzu<br />

viel von Pfadfi ndern, es gibt leider viele Vorurteile. Ich wurde<br />

schon auf der Straße beschimpft wegen meiner Pfadfi nder-<br />

uniform. Natürlich versuchen wir zu zeigen, dass wir über-<br />

haupt nicht so übel sind. Wir wollen einfach zeigen, dass man<br />

friedvoll und freundlich miteinander leben kann. Darum<br />

geht’s in unserer Arbeit.<br />

Agnieszka ist 19 Jahre alt, lebt in Lublin und macht die Meu-<br />

te Tygrysiaki, hilft bei der Sippe Rzeka mit und arbeitet auch<br />

in der Stammesführung.<br />

LRB 2’04<br />

Ein weiteres junges <strong>Land</strong><br />

und frisches EU-Mitglied<br />

ist Tschechien mit seinen<br />

10,3 Millionen Einwohnern.<br />

Tschechien besteht aus meh-<br />

reren Beckenlandschaften,<br />

die von Gebirgen einge-<br />

schlossen sind, zum Beispiel Erz- und Riesengebirge, beide<br />

sind Wander- und Skiparadiese. Berühmt ist die Hauptstadt<br />

Prag, die goldene Stadt der hundert Türme, deren Innen-<br />

stadt heute UNESCO-Weltkulturerbe ist. Hier lebte auch<br />

Albtraumautor Kafka. Andere Städtenamen wie Pilsen oder<br />

Budweis lassen erkennen, dass in Tschechien die Wiege der<br />

Braukunst steht.<br />

38,6 Millionen Menschen<br />

leben in Polen und sind seit<br />

Mai 2004 auch EU-Bürger.<br />

Polen ist landschaftlich<br />

ähnlich wie Deutschland: In<br />

Meeresnähe Flachland, dar-<br />

auf Mittelgebirge (Polnische<br />

T S C H E C H I E N<br />

P O L E N<br />

Platte) und schließlich Hochgebirge (Riesengebirge, Hohe<br />

Tatra). Polen ist ein sehr homogenes <strong>Land</strong>, das heißt, über<br />

98,7 % der Bevölkerung sind Polen. Über 90 % sind beken-<br />

nende Katholiken. Die polnische Kunst, Musik (z. B. Chopin)<br />

und Schriftstellerei beschäftigt sich mit der wechselvollen<br />

Geschichte Polens, das lange Zeit von seinen Nachbarn un-<br />

terjocht war. Im Süden gibt es Ski- und Wandergebiete,<br />

außerdem ist hier die Schwerindustrie ansässig. Seit dem<br />

Zerfall der Sowjetunion sind viele Betriebe dem radikalen<br />

Strukturwandel zum Opfer gefallen. Der industriell weniger<br />

erschlossene und weniger besiedelte Norden mit seinen klei-<br />

nen Dörfern lockt Pfadfi nder durch seine Naturlandschaft<br />

(z. B. die masurische Seenplatte). Touristen zieht es dagegen<br />

eher in die Städte, vor allem nach Krakau und Danzig.<br />

21


Mythos Interrail<br />

Ein einziger Fahrschein reicht: Quer durch <strong>Europa</strong> mit der Eisenbahn. Ein Tagebuch<br />

12. Januar 2000, Heidelberg. War mit Hanna, Simon und<br />

Lasse beim Eishockeyspielen. Krass, wie kalt das dieses Jahr<br />

ist. Ein Teil meiner Fensterscheibe friert immer wieder zu<br />

und ich habe nachts Eisklumpen statt Füße. In der Eisho-<br />

ckey-Halle war es besonders unangenehm. Wir waren da-<br />

nach noch was trinken und einer von den Jungs hat irgend-<br />

wann vorgeschlagen, einfach in den Süden zu fahren. Haha,<br />

guter Plan eigentlich, doch wie? Mit Rainbow waren wir über<br />

Silvester in Amsterdam, und die Leute waren echt unter aller<br />

Kanone, und mit unseren Eltern in das Haus in Südfrank-<br />

reich hatte natürlich auch keiner Bock. Wahrscheinlich kam<br />

Lasse auf die Idee mit dem Interrailen. Ich hatte das vorher<br />

zwar auch schon mal gehört, aber hätte man mich gefragt,<br />

was genau das eigentlich ist – ich glaube nicht, dass ich das<br />

hätte erklären können. Lasse hat ein Händchen für so was,<br />

vielleicht auch einfach, weil er zwei ältere Brüder hat, die ihm<br />

alles vorleben. Na ja, jedenfalls haben wir einen kühnen Plan<br />

gefasst: Frankreich, Spanien, Portugal. Und wenn wir gut<br />

sind, bis nach Marokko. Zu viert. Vier Wochen. Mit dem Zug.<br />

Ich kann kaum einschlafen vor Aufregung.<br />

22<br />

23. März 2000, Heidelberg. Endlich beginnt die Eissaison<br />

und ich kann nach der Schule ein bisschen Geld bei Janny’s<br />

verdienen. Unser Plan steht noch, neulich waren Hanna und<br />

Simon mal bei der Bahn und haben sich erkundigt, wie das<br />

mit dem Interrail funktioniert. Man bekommt ein Ticket für<br />

eine Zone und kann dann vier Wochen lang durch die Länder<br />

der jeweiligen Zone fahren, oder auch durch andere, wenn<br />

man dazubezahlt. Angeblich wissen die Schaffner Bescheid<br />

und akzeptieren das Ticket ohne Probleme. Wäre auch blöd,<br />

wenn nicht, schließlich spricht keiner von uns Spanisch.<br />

Fährt man über Nacht, spart man sich das Geld fürs Hostel<br />

oder den Campingplatz. Meine Eltern finden’s okay. Aber ein<br />

bisschen mulmig ist ihnen schon. Wie gut, dass die Jungs<br />

dabei sind. Und wenn sich einer von uns verliebt?<br />

20. Juli 2000, Heidelberg. Letzter Schultag, hab’ mir ges-<br />

tern von meinem Cousin ein Zweimannzelt und einen Schlaf-<br />

sack geborgt. Übermorgen geht’s los. Hanna ist voll traurig,<br />

dass sie Tim jetzt vier Wochen nicht sieht. Er fährt mit seinen<br />

Kumpels nach Barcelona, vielleicht treffen wir sie ja.<br />

LRB 2’04


23. Juli 2000, Lyon. Ich kann nicht schlafen. Wir sind mit-<br />

ten in der Nacht hier am Bahnhof angekommen und können<br />

erst morgens weiter nach Avignon. Lasse hat sein Wörter-<br />

buch vergessen und wir radebrechen also alle Französisch.<br />

Der Kontrolleur war voll nett, obwohl wir ziemlich dreist auf<br />

dem Gang lungerten und Weintrauben aßen. Mein Rucksack<br />

ist definitiv zu schwer und mir tun jetzt schon die Schultern<br />

weh. Simon liest. Seine Oma ist vor ein paar Tagen gestorben<br />

und wahrscheinlich wäre er gerne ’ne Woche später losgefah-<br />

ren. Aber wir hatten die Tickets schon gekauft. Mein Magen<br />

knurrt. Wir haben zwar in Deutschland noch Geld getauscht,<br />

aber nur große Scheine, und die Fressautomaten hier neh-<br />

men das nicht an. Es riecht voll nach Sonne und Sommer<br />

hier. Auch in der Nacht. Ich war vorhin kurz vorm Bahnhof<br />

und musste Frankreichluft schnuppern. <strong>Das</strong> Abenteuer hat<br />

begonnen.<br />

27. Juli 2000, Biarritz. Ich könnte kotzen, Lasse und Si-<br />

mon wollten unbedingt an den Atlantik fahren und den schö-<br />

nen Surferinnen nachglotzen. Jetzt sind wir hier, der Cam-<br />

pingplatz ist total krass voll von Jugendlichen und die ganze<br />

Nacht ist Party. Schlafen kannst du vergessen. Wäre ja ganz<br />

nett, aber Lasse und Simon sieht man überhaupt nicht mehr<br />

und Hanna hat Durchfall gekriegt und liegt den ganzen Tag<br />

am Strand und schläft. Ab und zu creme ich ihr den Rücken<br />

ein, der schon ganz krebsig ist. Den Rest der Zeit sitze ich auf<br />

LRB 2’04<br />

meinem Handtuch und schaue auf die Wellen. Heiße Typen<br />

hier, keine Frage, aber ich will endlich weiter. Wir wollten<br />

doch bis nach Marokko und das ist noch weit. Hoffentlich<br />

kann ich die Jungs überreden.<br />

3. August 2000, Estella. <strong>Das</strong> sind also die „San Fermines“,<br />

von denen mir Carlos in Biarritz erzählt hat. Die Stadt<br />

ist eine Woche lang im Ausnahmezustand, betrinkt sich<br />

hemmungslos und feiert ihre Stierkämpfer. Ich glaube, ich<br />

habe noch nie so viele feiernde Menschen auf einem Haufen<br />

gesehen und aus allen Generationen. Spanisch klingt toll,<br />

hart, und alle haben eine tiefe Stimme, das macht es so<br />

schön rassig. Wir sind hier zu siebt, Penilla aus Schweden ist<br />

mit ihrem Freund Erik dabei und Sean aus Irland. Lustige<br />

Truppe. Wenn ich irgendwann im Schlafsack liege, habe ich<br />

einen total bunten Sprachenmix im Kopf und bin selig. Die<br />

Strecke bis Pamplona mussten wir trampen, weil alle Züge<br />

und Busse ausverkauft waren. <strong>Das</strong> ist das Seltsame hier in<br />

Spanien: Man darf nur Zug fahren, wenn man gleichzeitig ’ne<br />

Reservierung hat. <strong>Das</strong> heißt, unser Interrail-Ticket ist schön<br />

und gut, aber zum Schalter müssen wir trotzdem, und da das<br />

<strong>Land</strong> voller Interrailer ist, sind Plätze gerade sehr schwer<br />

zu bekommen. Wir müssten eigentlich unsere Route jetzt<br />

schon komplett planen und die Reservierungen besorgen.<br />

Heute habe ich dann endlich doch noch die ersten Postkarten<br />

eingesteckt. Es ist schön, unterwegs zu sein.<br />

23


7. August 2000, Madrid. Was für eine Hitze. Man kann<br />

keinen Schritt aus dem Bahnhof rausmachen, weil da kein<br />

Schatten mehr ist und man einfach mit dem Asphalt ver-<br />

schmelzen würde. Zum ersten Mal haben sie unser Ticket<br />

nicht akzeptiert, total ätzend. Wie willst du einem Schaffner,<br />

der noch nie etwas von Interrail gehört hat, erklären, dass<br />

dieser Wisch, der echt schon ranzig ist und einen dicken<br />

Rotweinfleck aus Estella hat, eine gültige Fahrkarte für vier<br />

Personen ist? <strong>Das</strong>s die Spanier kein Englisch sprechen, hät-<br />

te uns ja auch mal jemand erzählen können. Es ist einfach<br />

hoffnungslos, keiner konnte uns zur Hilfe eilen, niemand.<br />

Und die ganze Horde der anderen jungen Reisenden war auf<br />

einmal verschwunden. Er hat uns rausgeworfen, in irgend so<br />

einem Nest, was auf unserer Karte gerade noch so verzeich-<br />

net war: Medina del Campo. 14 Stunden saßen wir auf dem<br />

Bahnhofsvorplatz in der Sonne. Wenn ich die Finger spreize,<br />

dann sieht man schon das Weiße in den Zwischenräumen.<br />

Heute Nacht nach Portugal. Wenn wir zu viert sind, nerven<br />

wir uns ganz schön an. Hanna behauptet, sie hätte kein Geld<br />

mehr, und Lasse, dass er zu dick ist, deswegen haben uns die<br />

beiden jetzt eine Olivenöl-Tomaten-Diät verschrieben. Toll.<br />

11. August 2000, Lissabon. Meine Füße tun weh, aber die<br />

Stadt ist einfach ein Traum. Wir haben unser Lieblingscafé,<br />

in dem wir immer frühstücken. Die Leute reden so witzig<br />

hier. Lasse hat Blasen an den Füßen und hat sie sich aufge-<br />

24<br />

stochen. Vielleicht sollten wir ihm Sandalen schenken. Oder<br />

Badelatschen. Hanna hat mir heute Nacht erzählt, dass sie<br />

mit meinem Exfreund geknutscht hat. Ich hätte ihr am liebs-<br />

ten ins Gesicht gespuckt aber wir sind irgendwie zu erschöpft<br />

und zu denkfaul, um uns ordentlich zu streiten.<br />

15. August 2000, Gibraltar. Ich hätte es wissen müssen.<br />

Simon ist einfach der größte Verplaner der Welt. <strong>Das</strong>s er<br />

keine Karte lesen kann und Fahrpläne nur mit Mühe, ist ja<br />

fast noch niedlich. Und dass seine Brille ständig dreckig ist,<br />

stört mich auch nicht mehr so doll wie am Anfang. Aber wie<br />

zum Teufel kann dieser Vollidiot seinen Reisepass nicht mit-<br />

nehmen? Schlimmer noch, er besitzt gar keinen, hat er uns<br />

seelenruhig heute Morgen gestanden. Ich dachte, ich spinne,<br />

echt. Marokko ade. So ein Penner. Nach Madrid in die Bot-<br />

schaft müssten wir. <strong>Das</strong> Ticket nehm’ ich mal lieber an mich.<br />

Von Gibraltar aus kann man Afrika sehen. Na gut, erahnen.<br />

War wohl nix.<br />

17. August 2000, Granada. Alles vergessen. Granada hät-<br />

ten wir wahrscheinlich einfach übergangen, wenn wir nach<br />

Marokko gefahren wären. Ich bin echt für alles entschädigt,<br />

Granada ist Arabien für Anfänger. Teestuben, Wasserpfeifen,<br />

Orangenbäume, orientalisch wirkende Gebäude, leckerste<br />

Falafel, viele Marokkaner, die einem irgendeinen Scheiß an-<br />

drehen wollen. Und so billig alles. Hier bleiben wir.<br />

LRB 2’04


20. August 2000, Nizza. Für den chronisch finanziell klam-<br />

men Interrailer ist Nizza leider zu teuer. Es gibt kaum kleine<br />

Läden und Straßenverkäufer. Schnell wieder in den Zug, wei-<br />

ter in die Stadt der Liebe!<br />

21. August 2000, Paris. Seit drei Tagen sind wir nur noch<br />

im Zug. Tag und Nacht. Oder halt am Bahnhof. Es stinkt,<br />

die Züge sind immer voll, entweder kotzt jemand oder hat<br />

gekotzt oder wird kotzen, so riecht es zumindest. Die Fenster<br />

sind verrammelt und niemand schert sich um Raucher und<br />

Nichtraucher. Simon und Lasse sehen aus wie ein Häufchen<br />

Elend. Ganz grün im Gesicht. Keine Ahnung, wann wir das<br />

letzte Mal was Ordentliches gegessen haben. Melone. Melo-<br />

ne. Melone. Mal Baguette, aber das Geld reicht einfach für<br />

gar nichts mehr. Mein einer Rock rutscht jedes Mal bis in<br />

die Kniekehlen, wenn ich den Rucksack aufschnalle. Cooler<br />

Nebeneffekt eigentlich.<br />

22. August 2000, Freiburg. Es sind nur noch zwei Stun-<br />

den, dann sind wir zu Hause. Die Rückfahrt war der Horror.<br />

Ab Paris hat es geregnet. Und ich habe so einen Hunger,<br />

unglaublich. An meinen Beinen pellt sich alles und meine<br />

Klamotten werden nicht mehr sauber.<br />

1. Oktober 2000, Heidelberg. Heute kam eine Postkarte<br />

von Carlos aus Valencia. Er kommt nächsten Monat nach<br />

Deutschland. Interrail mit Paco, seinem besten Freund. Die<br />

werden frieren. Ich freu’ mich krass auf die beiden. Hoffent-<br />

lich bringt Carlos einen Schinken mit. Lecker Jamón. Gute<br />

Nacht.<br />

So geht Interrail<br />

„<strong>Das</strong> letzte große Abenteuer in <strong>Europa</strong>“ wird auf der Website<br />

versprochen: Mit dem Interrail-Ticket quer durch <strong>Europa</strong>.<br />

Schon seit 1972 soll so „<strong>Europa</strong>s Jugend zusammengeführt<br />

werden“. Dazu werden benachbarte Länder in Zonen eingeteilt.<br />

Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Kroatien bilden zum<br />

Beispiel eine solche Zone, insgesamt ist <strong>Europa</strong> in acht Zonen<br />

aufgeteilt. So lässt sich bei einem kurzem Trip Geld sparen.<br />

LRB 2’04<br />

Ricarda „Küken“ Otte<br />

bis 25 Jahre über 25 Jahre<br />

eine Zone, 16 Tage 210 € 299 €<br />

zwei Zonen, 22 Tage 289 € 409 €<br />

alle Zonen, 1 Monat 399 € 559 €<br />

Noch mehr Informationen findet Ihr im Internet unter<br />

à interrail.net. <strong>Das</strong> Ticket lässt sich an allen Fahrkartenschaltern<br />

und Reisebüros der Bahn kaufen, natürlich auch elektronisch<br />

auf à bahn.de.<br />

Seit 1986 ist Spanien Mit-<br />

glied der Europäischen Uni-<br />

on. 39,3 Millionen Menschen<br />

leben in der konstitutionellen<br />

Monarchie, das Staatso-<br />

berhaupt ist König Juan<br />

Carlos I. In Spanien wird<br />

Kastilisch (das „normale“ Spanisch), Galizisch, Katalanisch<br />

und Baskisch gespochen. Die Halbinsel wird vom Atlantik<br />

und vom Mittelmeer umschlossen, das Inland ist von Gebir-<br />

gen (Sierra Nevada, Kastilisches Scheidegebirge usw.) und<br />

Sí/no Ja/nein<br />

Holá Hallo<br />

Buenos días Guten Tag.<br />

Me llamo... Ich heiße...<br />

Muchísimas grácias Herzlichen Dank<br />

Me cobra, por favor? Kann ich bitte zahlen?<br />

¡No me jodas! Spinn nicht rum<br />

¿Estamos perdidos completamente, nos<br />

puede ayudar,por favor?<br />

¿Dónde está el pabellón de futból,<br />

por favor ?<br />

¿Para llegar al museo del Prado, por<br />

dónde hay que girar?<br />

S P A N I E N<br />

Tomo un filete de pollo<br />

con patatas fritas.<br />

Wir haben uns verlaufen, könnten Sie<br />

uns bitte helfen?<br />

Wo ist bitte das Fußballstadion?<br />

Um zum Museum Prado zu kommen, wo<br />

müssen wir entlang?<br />

Ich nehme ein Hühnerfilet<br />

mit Pommes.<br />

der Kastilischen Hochebene geprägt. In Spanien kann man<br />

prächtig Urlaub machen und essen: Wer einmal eine richtige<br />

Paella probiert hat, in der großen Pfanne über dem offenen<br />

Feuer zubereitet, wird sein Leben lang davon schwärmen.<br />

Umstrittener Nationalsport ist der Stierkampf, doch die<br />

berühmten Stierkämpfer, die Toreros, sind Superstars wie<br />

sonst nur die Fußballer. Sehenswürdigkeiten sind zum Bei-<br />

spiel die Alhambra in Granada (ein maurischer Palast) und<br />

der Prado in Madrid, das spanische Nationalmuseum.<br />

25


Stammesführerin Kukkis, Jemiina (ein Wölfling) und Meutenführerin Anna.<br />

Aina valmiina!<br />

Finnisch für „Allzeit bereit“. Auch im hohen Norden gibt es natürlich Pfadfinder.<br />

Der im Winter unerläßliche Ofen in der Jurte bleibt im Sommer gleich drin...<br />

Im <strong>Land</strong> der tausend Seen, zwei Millionen Saunas und einer<br />

halben Millionen Sommerhütten wohnen fünf Millionen<br />

Finnen. Von denen sind gut 75 000 Pfadfinder in einer unab-<br />

hängigen Organisation, „Suomen Partiolaiset ry – Finlands<br />

Scouter ry“. Der schwedische Name verrät vielleicht, dass<br />

es um die Pfadfinder Finnlands geht. Finnland ist ein zwei-<br />

sprachiges <strong>Land</strong>, 94 % der Bevölkerung sprechen Finnisch<br />

als Muttersprache, 6 % Schwedisch. <strong>Das</strong> <strong>Land</strong> ist ungefähr so<br />

groß wie Deutschland und in 18 Bezirke unterteilt.<br />

Ich bin Anna, 21 Jahre alt und komme aus dem Bezirk<br />

Häme. Mein Stamm heißt Pirkkalan Pirkot, gegründet im<br />

Jahre 1955 und benannt nach unserem Heimatort Pirkkala,<br />

der im südlichen Finnland in der Nähe der Stadt Tampere<br />

26<br />

liegt. Ich bin in meinem Stamm als Meutenführerin tätig. Ich<br />

habe mit meiner Freundin Kukkis (die auch im Bild zu sehen<br />

ist) die Meute Kärpät geleitet, der Name beudetet „die Her-<br />

meline“. Unsere Meute wurde im Herbst 2001 gegründet.<br />

In Finnland fangen die Wölflinge im Grundschulalter an,<br />

also etwa mit sieben Jahren oder mit der ersten Klasse. Nach<br />

drei Jahren, also mit neun oder zehn, tritt man zu den Jung-<br />

pfadfindern über. Im nächsten Herbst wird Kukkis mit einer<br />

neuen Meute weitermachen, ich möchte mich dann eine Jun-<br />

gengruppe mit Zwölf- und Dreizehnjährigen widmen.<br />

In meinem Heimatort Pirkkala gibt es zwei Stämme. Un-<br />

ser ist für die Mädchen, der andere, klar, für die Jungen. Die<br />

wöchentlichen Treffen finden getrennt statt, Lager und Aus-<br />

LRB 2’04


fl üge machen wir aber alle zusammen. Diesen Sommer ha-<br />

ben wir ein großes Ereignis, nämlich unseren Finnjamboree,<br />

Tarus, von 28. Juli bis zum 5. August. <strong>Das</strong> Finnjamboree ist<br />

unser Bundeslager, das alle acht Jahre veranstaltet wird. Zum<br />

Tarus kommen rund 11 000 fi nnische Pfadfi nder und etwa<br />

1 000 Pfadfi nder-Gäste, zum Beispiel aus Großbritannien,<br />

Schweden, Deutschland, Österreich aber auch aus Ländern,<br />

die weiter entfernt sind: aus den USA und aus Neuseeland.<br />

Unsere beiden Stämme bekommen Gäste aus Dänemark.<br />

<strong>Das</strong> ist es gerade, was ich an der Pfadfi nderei so toll fi nde:<br />

das man Pfadfi nder aus der ganzen Welt kennen lernt, Leute,<br />

mit denen man ähnliche Meinungen und Interessen teilt, die<br />

schnell zu Freunden werden können.<br />

Über die Pfadfi nder bin ich auch zur Expo 2000 nach<br />

Hannover gekommen. Ich habe dort als freiwillige Helferin<br />

im Pavillon der deutschen Jugendorganisationen, dem Big-<br />

Tipi, gearbeitet. Drei Wochen lang haben die Pfadfi nder<br />

sich vorgestellt und ein buntes Programm geboten. An dem<br />

Projekt haben auch viele Pfadfi nder aus der ganzen Welt teil-<br />

genommen, aus Island, Ruanda oder der Türkei: wunderbar<br />

multikulti.<br />

In unseren Stämmen gibt es nächstes Jahr auch eine inter-<br />

nationale Aktion, da feiern wir unseren 50. Geburtstag. Ne-<br />

ben einem Jubiläumslager und anderen Festivitäten planen<br />

wir auch, mit den Gruppenleitern nach Alaska zu fahren. Da<br />

kommt man nicht unbedingt einfach so hin, und alltäglich ist<br />

es auf keinen Fall.<br />

Und was machen die Pfadfi nder in Finnland? Wie ist<br />

Pfadfi nderei im hohen Norden? Wir sind viel im Wald un-<br />

terwegs, davon gibt’s ja genug hier bei uns. Die Jungpfad-<br />

fi nder machen neben Wanderungen auch Kanutouren. Dazu<br />

kommen dann natürlich die Sommer- und Winterlager. Und<br />

verschiedene Fahrten und Ausfl üge. Im Sommer schlafen wir<br />

natürlich in Zelten, genau wie auch im Winter. Manchmal<br />

gibt’s über Nacht einen Meter Neuschnee und Temperaturen<br />

unter -20 Grad Celsius. Zum Glück haben wir Kamine in den<br />

Jurten. Im Sommer wird daraus dann natürlich die Lager-<br />

Sauna, mit Ofen und Bänken im Zelt, schließlich sind wir hier<br />

in Finnland.<br />

LRB 2’04<br />

Anna S. Lindholm, Finnland<br />

Finnland mit seinen 5,2<br />

Millionen Einwohnern ist<br />

seit 1995 Mitglied der Eu-<br />

ropäischen Union. Neben<br />

Finnisch wird außerdem<br />

Schwedisch, Samisch und<br />

Russisch gesprochen. Außer-<br />

Auch das Königreich Schwe-<br />

den ist seit 1995 EU-Mitglied.<br />

In der parlamentarischen<br />

Monarchie leben 8,9 Millio-<br />

nen Menschen In Schweden<br />

kann man das Nordlicht se-<br />

hen, auf den Spuren von Mi-<br />

F I N N L A N D<br />

halb des <strong>Land</strong>es verstehen nur die Esten noch ein wenig fi n-<br />

nisch, mit anderen europäischen Sprachen ist das Finnische<br />

nicht verwandt. Viele Leute tragen ein Stückchen Finnland<br />

mit sich herum: Ein Nokia-Mobiltelefon. Finnland ist größ-<br />

tenteils bedeckt von Tannen-, Fichten- und Birkenwald. Im<br />

<strong>Land</strong> der tausend Seen (eigentlich 600 00) sind viele Frauen<br />

in Bereichen anzutreffen, in denen sie im übrigen <strong>Europa</strong> un-<br />

terrepräsentiert sind, zum Beispiel in der Politik (Finnland<br />

hat eine Präsidentin) oder aber bei der Polizei. Finnland lag<br />

beim PISA-Test an erster Stelle. Angeblich gibt es in Finn-<br />

land 2 Millionen Saunas.<br />

S C H W E D E N<br />

chel und Pippi Langstrumpf den Heimatort von Astrid Lind-<br />

gren besuchen, die Zentrale von IKEA ansehen oder gepfl egt<br />

Lachs essen gehen. Den hat man sich im Idealfall bei einer<br />

Kanutour gleich selber geangelt. Im (Nord-) Westen gibt<br />

es ein Hohgebirge, was die <strong>Land</strong>schaft von der in Finnland<br />

unterscheidet. Unzählige Seen und noch mehr Inseln gibt es<br />

zu entdecken. Berühmt sind die mit roter Farbe gestrichenen<br />

Holzhäuser, die tatsächlich überall zu sehen sind. Und stän-<br />

dig trifft man auf (meist deutsche) Pfadfi nder.<br />

27


Ist die EU ein Pfadfinder?<br />

„Ich will die Natur kennen lernen und helfen sie zu erhalten“ heißt es im Pfadfinderversprechen.<br />

Die Europäische Union sieht das nicht anders ...<br />

Dienstag, 9. März 2003. Ich sitze gemütlich beim Früh-<br />

stück und lese dabei entspannt die Zeitung, die mir frisch<br />

und ungeschminkt die nackte Wahrheit über die neuesten<br />

Entwicklungen in aller Welt auf den Tisch liefert. „Irak<br />

beschließt Verfassung“ steht da. Weltfrauentag ist auch.<br />

Wusste ich gar nicht. „Der Streit um den Naturschutz hält<br />

<strong>Schleswig</strong>-Holstein in Atem – Regierung will noch mehr Na-<br />

turschutz durchsetzen“. Wie, was? Die Regierung will noch<br />

mehr Naturschutz? <strong>Das</strong> ist doch gut. Was muss man denn<br />

da durchsetzen? Normalerweise sind es doch wir, die Bürger,<br />

die von der Politik mehr Engagement in Sachen Natur und<br />

Umwelt fordern. Was haben die Menschen in unserem <strong>Land</strong><br />

denn gegen Umweltschutz?<br />

Eine ganze Menge. Leider. Bauern, Hoteliers, Kommunal-<br />

politiker, Handelskammern … viele wehren sich dieser Tage<br />

gegen das so genannte NATURA-2000-Programm, das die<br />

28<br />

schleswig-holsteinische <strong>Land</strong>esregierung auf Geheiß der Eu-<br />

ropäischen Union durchführt. Wieder und wieder ermahnte<br />

Brüssel im Laufe der letzten Jahre das zuständige Umwelt-<br />

ministerium in Kiel, dass es im <strong>Land</strong> zu wenige ausgewie-<br />

sene Naturschutzgebiete gebe. Seither übertrumpfen sich<br />

Wirtschaftslobbyisten und Bauernverbände mit Parolen und<br />

Horrorszenarien. „Ökodiktatur, nein danke“ heißt es da zum<br />

Beispiel auf einem Schild in Tating im Nationalpark Watten-<br />

meer. <strong>Das</strong> Thema polarisiert die Menschen. Die Bauern be-<br />

fürchten, dass sie durch das so genannte Verschlechterungs-<br />

verbot in der wirtschaftlichen Entwicklung eingeschränkt<br />

würden. Auch Ausgleichsprämien nützten da wenig. „Uns<br />

wird wieder ein Konzept übergestülpt“, schimpft Theodor Ips<br />

(61) aus dem Wilhelminenkoog im Hamburger Abendblatt,<br />

„und der Mensch ist der Störfaktor.“ Auf der anderen Seite<br />

beziehen die Umweltaktivisten der allseits bekannten Grup-<br />

LRB 2’04


pen wie BUND, Greenpeace und NABU Stellung. Ironischer-<br />

weise stehen sie diesmal geschlossen hinter der EU und der<br />

entschiedenen <strong>Land</strong>esregierung.<br />

Da <strong>Schleswig</strong>-Holstein allerdings nicht einmal ein Prozent<br />

der Fläche der Europäischen Union ausmacht, stelle ich mir<br />

unweigerlich die Frage, ob dieses Tamtam auch in anderen<br />

Regionen stattfindet. Muss ja. Ich kann mir nicht vorstellen,<br />

dass unsere Grabenkämpfe ein Unikum sind. Und wofür wird<br />

eigentlich gekämpft?<br />

Bevor ich überhaupt geboren wurde, hatten die Mitglieder<br />

der EU-Vorläufer EWG und EG 1979 mit der Vogelschutz-<br />

richtlinie die Absicht erklärt, dem Naturschutz in ihrer<br />

Gemeinschaft Beachtung zu schenken. Die „Special Areas<br />

of Conservation“ (SAC) der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie<br />

(FFH-Richtlinie) bilden zusammen mit den „Special Protec-<br />

ted Areas“ (SPA) der Vogelschutz-Richtlinie das europäische<br />

Schutzgebietssystem NATURA 2000. Im bürokratischen<br />

Brüssel beschreibt man dies folgendermaßen:<br />

„Die FFH-Richtlinie sieht vor, die biologische Vielfalt auf<br />

dem Gebiet der Europäischen Union durch ein nach einheit-<br />

lichen Kriterien ausgewiesenes Schutzgebietssystem dauer-<br />

haft zu schützen und zu erhalten. Damit wird der Erkennt-<br />

nis Rechnung getragen, dass der Erhalt der biologischen<br />

Vielfalt nicht alleine durch den Schutz einzelner Habitate<br />

sondern nur durch Einbeziehung eines Biotopverbundes,<br />

der den unterschiedlichen ökologischen Ansprüchen der<br />

zu schützenden Arten und Lebensraumtypen gerecht wird,<br />

erreicht werden kann.“<br />

Gerade im Zuge der EU-Osterweiterung soll in diesem Zu-<br />

sammenhang gewährleistet werden, dass gerettet wird, was<br />

noch zu retten ist. Viele Gebiete, zum Beispiel die masurische<br />

Seenplatte, die Hohe Tatra, das Donaudelta und die kurische<br />

Nehrung gehören zu den schönsten und ursprünglichsten<br />

Gebieten des europäischen Kontinents. Als Pfadfinder habe<br />

ich, wie viele unter uns, schon bald nach der Wende fest-<br />

gestellt, dass der „wilde“ Osten einige unschätzbar schöne<br />

Überraschungen birgt. <strong>Das</strong> beweisen auch die Bundesfahrten<br />

nach Polen und Slowenien sowie die zahllosen Stammes-<br />

und Sippenfahrten in unsere östlichen Nachbarstaaten. Und<br />

gerade dort, wo Armut oder Schwerindustrie der Umwelt zu<br />

schaffen machen – das beste Beispiel dafür ist die Donau<br />

als einer der längsten und wahrscheinlich auch dreckigsten<br />

Flüsse <strong>Europa</strong>s – dort muss die Europäische Union handeln,<br />

bevor es zu spät ist. Da nützt es nichts, ausschließlich Gelder<br />

LRB 2’04<br />

in gut gemeinte Schutzprojekte oder alternative <strong>Land</strong>wirt-<br />

schaft zu investieren. Der Ansatz der NATURA 2000 kommt<br />

da genau richtig. Bewahren wir gleich ganze Gebiete vor dem<br />

menschlichen Raubbau, Überdüngung und Wirtschaftsinte-<br />

ressen, bevor sie der ökonomischen Gier der aufstrebenden<br />

Volkswirtschaften Osteuropas zum Opfer fallen. <strong>Das</strong> Gleiche<br />

muss auch vor unserer eigenen Haustür gelten. Obwohl<br />

Deutschland in puncto Umweltschutz weltweit eine Vorrei-<br />

terstellung eingenommen hat, bleiben viele Aufgaben, um<br />

unser bisschen Naturidylle zu retten. Vielen ist nicht klar:<br />

Was einmal verschwindet, ist für immer weg. Ökosysteme<br />

wie das Wattenmeer oder die Hochalpen lassen sich nicht<br />

durch Menschenhand wiederherstellen, wenn es uns wirt-<br />

schaftlich mal wieder besser gehen sollte.<br />

So sitze ich nun an meinem Küchentisch und ärgere mich,<br />

dass sich wieder mal Menschen als Krone der Schöpfung<br />

aufspielen. Nicht nur ärgerlich macht mich so was. Auch<br />

traurig. <strong>Das</strong>s sich ein Umweltminister, der seinen Job richtig<br />

zu machen versucht und sich für die Umwelt einsetzt, dafür<br />

Nackenschläge von der Öffentlichkeit bekommt. Es liegt auch<br />

an uns Pfadfindern, den Umweltschutz in <strong>Europa</strong> mehr ins<br />

öffentliche Bewusstsein zu rücken. Mit gezielten Aktionen,<br />

die nicht zwangsläufig dem Klischee vom „Waldschrat“ ent-<br />

sprechen sollten, die aber mal wieder ganz ohne Zweifel un-<br />

sere Verbundenheit mit der Natur festigen und deren Schutz<br />

in den Mittelpunkt stellen. Mir scheint, dass viele das Thema<br />

Umwelt abgenutzt finden, obwohl sie es seit Jahren nicht in<br />

den Gruppenstunden oder als Spielidee auf Lagern verwen-<br />

det haben. Doch liegt das wohl kaum am Thema an sich,<br />

Mehr im Internet<br />

Die <strong>Land</strong>esregierung <strong>Schleswig</strong>-Holstein will Lebensräume<br />

erhalten und entwickeln: ànatura2000-sh.de<br />

<strong>Das</strong> Bundesamt für Naturschutz informiert über NATUR A<br />

2000: àwww.bfn.de/03/0303.htm<br />

<strong>Das</strong> „Umweltpolitische Manifest“ zur <strong>Europa</strong>wahl von W WF,<br />

NABU, BU ND, Greenpeace und anderen:<br />

à www.foeeurope.org/publications/G8_Manifesto_EP_election_DE.pdf<br />

Einen Ausflug nach Absurdistan bietet der Bericht der Jahreshauptversammlung<br />

der SPD Eiderstedt:<br />

àwww.spd-nordfriesland.de/eiderstedt/index.php?mod=article<br />

&op=show&nr=1670<br />

29


sondern eher an der Haltung, die sich in den letzten Jahren<br />

in der Gesellschaft breit gemacht hat. In Zeiten wirtschaft-<br />

licher Schwäche nimmt das Interesse für Umweltschutz ab,<br />

Arbeitsplätze werden häufig gegen Umweltinteressen aus-<br />

gespielt. <strong>Das</strong> beste regionale Beispiel dafür war die Zuschüt-<br />

tung des Mühlenberger Lochs in Hamburg-Finkenwerder.<br />

Dieses einzigartige Süßwasserwatt wurde für den Ausbau des<br />

Airbus-Werks „geopfert“. Beim Ausbau des Lübecker Flug-<br />

hafens in die Grönauer Heide hinein soll NATURA 2000 ein<br />

vergleichbares „Bauernopfer“ verhindern. Die Empörung auf<br />

Seiten der Politik und der Wirtschaft ist selbstverständlich<br />

riesengroß. Doch wann ist die Grenze erreicht? Wie lange<br />

können wir so weitermachen wie bisher? <strong>Das</strong> Traurige ist,<br />

dass jeder die Antwort „eigentlich“ kennt. Aber niemand sie<br />

hören will.<br />

Sponsored by EU<br />

Es gibt Geld. Die Europäische Kommission fördert Jugend-<br />

liche. Ob ein Jahr ehrenamtliche Arbeit im Ausland, ein<br />

spannendes Projekt in vier verschiedenen Ländern oder<br />

wissenschaftlicher Austausch: Für jeden ist etwas dabei. Die<br />

hier aufgeführten Beispiele sollen Mut machen; Mut, etwas<br />

zu erleben, etwas auszuprobieren, <strong>Europa</strong> kennen zu lernen.<br />

Für Fragen könnt Ihr gern Kontakt mit mir aufnehmen, mailt<br />

an àkueken@bdp-sh-hh.de.<br />

In der Schule: COMENIUS<br />

Dieses Projekt richtet sich an junge Europäer zwischen Ein-<br />

schulung und Abitur. Mitmachen können alle, die irgendwie<br />

in die Bildungsmaschinerie eingebunden sind, neben den<br />

Schülern also auch Lehrer, Assistenten oder Elternvereine.<br />

COMENIUS unterstützt Schulpartnerschaften zwischen ver-<br />

schiedenen europäischen Ländern mit dem Ziel, Sprachen<br />

und interkulturelles Verständnis zu fördern. Davon erhofft<br />

Als politisch denkende Pfadfinder und als aktive Ju-<br />

gendbewegung sollten wir uns zur Aufgabe machen, Um-<br />

weltschutz zu thematisieren. Lauter als bisher und ohne die<br />

Befürchtung, ein Klischee zu bedienen. Denn dafür haben wir<br />

gar keinen Anlass.<br />

Nils Petersen, Stamm Kolibri<br />

Damit <strong>Europa</strong>s Jugend sich begegnet, kennen lernt und den Kontinent bereist,<br />

wird viel getan: Die Europäische Union rockt einiges an Fördergeldern raus.<br />

30<br />

man sich gleichzeitig ein hohes Unterrichtsniveau. Eine<br />

ganze Schulklasse oder auch nur eine Arbeitsgemeinschaft<br />

kann Fördermittel beantragen, um zum Beispiel mit einer<br />

Klasse aus Irland und einer aus Frankreich an einem Projekt<br />

zu arbeiten. Die Gruppen müssen dabei nicht zwangsläufig<br />

aufeinander treffen, viele Projekte laufen über das Internet.<br />

Um Gelder bewerben können sich also deutsche Schulklas-<br />

sen, aber auch einzelne AGs, um gemeinsam mit Klassen<br />

oder Arbeitsgemeinschaften aus anderen Ländern an einem<br />

möglichst Fächer übergreifendem Projekt zu arbeiten.<br />

Minuspunkte: Je nach Projekt und Projektleitern kann es<br />

passieren, dass die Klassen zu Projektbeginn vor vollendete<br />

Tatsachen gestellt werden, ohne am Entscheidungsprozess<br />

teilgenommen zu haben. Alles eine Frage der richtigen Kom-<br />

munikation.<br />

Pluspunkte: So geht Schule: <strong>Europa</strong> bleibt nicht länger<br />

<strong>Land</strong>karte. Schülerinnen und Schüler werden frühzeitig<br />

LRB 2’04


unter Anleitung an das vereinte <strong>Europa</strong> herangeführt. Sie<br />

werden konfrontiert mit anderen Sprachen und Lebensver-<br />

hältnissen und entdecken, dass bei allen Unterschieden die<br />

Gemeinsamkeiten meist überwiegen.<br />

Nach der Schule: JUGEND<br />

(EVS, Future Capital, Jugendbegegnung)<br />

<strong>Das</strong> Programm JUGEND der Europäischen Kommission ist<br />

eine wahre Goldgrube und richtet sich an Jugendliche im Al-<br />

ter zwischen 15 und 25 Jahren. Gefördert werden soll die Kre-<br />

ativität und die Eigeninitiative junger Europäer. JUGEND<br />

gliedert sich in fünf Aktionen, die inhaltlich unterschiedliche<br />

Schwerpunkte und Zielgruppen haben. Die drei bekanntes-<br />

ten Maßnahmen sind:<br />

Europäischer Freiwilligendienst<br />

Beim so genannten EFD (auf Deutsch, EVS auf Englisch,<br />

SVE auf Spanisch) verbringen die Teilnehmer zwischen<br />

drei Wochen und zwölf Monaten im europäischen Ausland<br />

und arbeiten an einem sozialen oder ökologischen Projekt<br />

mit. <strong>Das</strong> kann das Jugendrotkreuz sein, kleine Vereine für<br />

Kultur, Musik oder Sprache, Betreuung von Behinderten,<br />

Alten, jugendlichen Problemfällen. Die EU kommt auf für<br />

Unterkunft, Sprachkurs, Taschengeld, An- und Abreise sowie<br />

Seminare.<br />

Minuspunkte: Die Formalitäten dauern recht lange.<br />

Mehr als ein halbes Jahr vorher sollte der Entschluss gefasst<br />

sein. Als Erstes bewerbt Ihr Euch bei einer Organisation in<br />

Deutschland, die Freiwillige ins Ausland schickt. Diese Orga-<br />

nisation stellt einen Antrag an die EU und sucht nach einem<br />

geeigneten Projekt. Je nach Art des Projektes kann es sein,<br />

dass Ihr vorher Seminare in Deutschland besuchen müsst.<br />

Irgendwann kommt der große Tag, die EU antwortet – und<br />

falls der Topf noch nicht leer war, geht es ab ins Ausland.<br />

Wenn nicht, habt Ihr vielleicht Glück und die Organisation<br />

möchte Euch trotzdem haben und bezahlt… Wer selber aktiv<br />

wird und im Ausland nach geeigneten Projekten sucht, ver-<br />

bessert seine Chancen! Tipps und Tricks verrate ich Euch.<br />

Pluspunkte: <strong>Das</strong> ist europäisch! In ein anderes <strong>Land</strong><br />

ziehen, eine neue Sprache wie von selbst lernen und einen<br />

Haufen anderer Freiwillige aus ganz <strong>Europa</strong> kennen lernen.<br />

In der Freizeit wird das <strong>Land</strong> entdeckt und Fremde werden<br />

zu Freunden fürs Leben.<br />

LRB 2’04<br />

In der Slowakei leben 5,4<br />

Millionen Menschen. Die<br />

Slowakei ist eines der zehn<br />

neuen EU-Ländern. Die<br />

<strong>Land</strong>schaft ist gebirgig,<br />

Tief land (Niedere und Hohe<br />

Tatra sowie Slowakisches<br />

Erzgebirge), zur Donau Kon-<br />

tinentalklima, also warme Sommer und kalte Winter. Früher<br />

war die Slowakei die Waffenschmiede der Sowjetunion, nach<br />

dem Zerfall der Sowjetunion ging auch die industrielle Pro-<br />

duktion auf ein Drittel zurück, dafür gewann der Dienstleis-<br />

tungssektor. Heute produzieren große Automobilkonzerne in<br />

der Slowakei, rund um Bratislava sind Arbeitskräfte knapp,<br />

große Firmen verlegen ihren Osteuropasitz hierhin. Der Os-<br />

ten des <strong>Land</strong>es hingegen ist strukturschwach, hier liegt die<br />

Arbeitslosenquote bei über 30%. Die Slowaken werben gern<br />

mit den Skigebieten in der Hohen Tatra. Die Zipser Burg<br />

(Spišský hrad) bei Levoča ist eine der größten Burgen Euro-<br />

pas und gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO. Auch die<br />

alte Hauptstadt Bratislava, das frühere Preßburg, ist immer<br />

einen Besuch wert. Auf dem Bild: Die Möwie auf der Novy<br />

Most.<br />

S L O W A K E I<br />

Áno/nie Ja/nein<br />

Ďakujem Danke<br />

Dobrý deñ! Guten Tag!<br />

Do videnia! Auf Wiedersehen!<br />

Ahoj/čau Tschüß/ciao<br />

Pardón Entschuldigung<br />

Pohrýzol ma pes. Mich hat ein Hund gebissen.<br />

Prosím si zuámku na list do Nemecka?<br />

Eine Briefmarke für einen Brief nach<br />

Deutschland bitte!<br />

Koĭko to stojí? Wie viel kostet das?<br />

31


Future Capital<br />

Wer nach dem Freiwilligendienst ein eigenes Projekt orga-<br />

nisieren will, kann sich um Future Capital bewerben. Für<br />

so ein gemeinnütziges Projekt könnt Ihr insgesamt 5 000<br />

Euro beantragen. Voraussetzung ist, dass Ihr das Projekt<br />

selbst durchführt und dass es einen Bezug zum abgeleisteten<br />

Dienst hat. <strong>Das</strong> Projekt kann praktisch überall in <strong>Europa</strong> an-<br />

gesiedelt sein. Zum Beispiel tourten zwei Mädels durch Eu-<br />

ropas Hauptstädte und drehten einen Film über europäische<br />

Jugendliche auf Reisen. Ein Mädchen hat Märchen aus dem<br />

Amazonas-Urwald ins Schwedische übersetzt, ein Junge lief<br />

den Jakobsweg und dokumentierte die Pilgerfahrt auf einer<br />

Website – und ich habe ein Handbuch für zukünftige Freiwil-<br />

lige in Spanien erstellt.<br />

Minuspunkte: Oftmals bräuchte man doch Hilfe bei Ein-<br />

zelheiten und ist dann sehr auf sich allein gestellt, JUGEND<br />

hilft einem überhaupt nicht, ist nur Geldgeber, die Abrech-<br />

nung muss natürlich auf den Cent stimmen, das ist bei 5 000<br />

Euro nicht ohne.<br />

Pluspunkte: Für eine konkrete Idee können 5 000 Euro<br />

eine ganze Menge Geld sein, mit der sich einiges anstellen<br />

lässt. Anweisungen von Betreuern des JUGEND-Projekts<br />

gibt es so gut wie keine, der Fantasie sind keine Grenzen<br />

gesetzt.<br />

Jugendbegegnung<br />

Nicht für Einzelpersonen gedacht ist die Maßnahme Ju-<br />

gendbegegnung, die sich an Gruppen und Verbände richtet.<br />

Gefördert werden Begegnungen zwischen Jugendlichen aus<br />

zwei oder mehr europäischen Ländern. Da auch die Leiter<br />

aus unterschiedlichen Ländern kommen, ist die Maßnahme<br />

nicht vergleichbar mit der Internationalen Begegnung im<br />

<strong>BdP</strong>, wo es eine Gastgeber- und eine Gastgruppe gibt. Die<br />

Fördermittel gehen schnell in den fünfstelligen Bereich. Sol-<br />

che Begegnungen werden deshalb meistens von eher profes-<br />

sionellen „Trainern“ und Organisationen durchgeführt.<br />

Nach der Ausbildung:<br />

Europäisches Jahr für Jugendliche<br />

<strong>Das</strong> EJJ ist ein Berliner Programm, das so oder so ähnlich<br />

auch in anderen Städten und Gemeinden existiert. Jugendli-<br />

che bis zu einem Alter von 27 Jahren, die bereits eine abge-<br />

schlossene Berufsausbildung haben und arbeitslos gemeldet<br />

sind, können sich für dieses Programm bewerben. <strong>Das</strong> knapp<br />

32<br />

einjährige Projekt zwischen Ausbildung und Berufseinstieg<br />

hat drei Säulen: ein Berufspraktikum im europäischen Aus-<br />

land, ein Sprachkurs vor Ort und beruf liche Weiterbildung.<br />

Jeder Teilnehmer bekommt monatlich 615 Euro Unterstüt-<br />

zung zum Lebensunterhalt sowie die Hin- und Rückreise<br />

bezahlt.<br />

Während des Studiums: Erasmus<br />

Spätestens seit dem Film „L’auberge espagnole“ ist das<br />

Auslandsstudium à la Erasmus kein Geheimtipp mehr. <strong>Das</strong><br />

Erasmus-Programm ermöglicht Studenten, meist nach ihrer<br />

Zwischenprüfung, für ein oder zwei Semester ins europäische<br />

Ausland zu gehen. <strong>Das</strong> Erasmus-Stipendium deckt die anfal-<br />

lenden Studiengebühren an der ausländischen Hochschule<br />

und darüber hinaus noch etwa 100 Euro für den Lebensun-<br />

terhalt. <strong>Das</strong> ist zwar erschreckend wenig, aber dafür besteht<br />

eine Partnerschaft zwischen den beteiligten Universitäten<br />

und es wird selten Probleme mit Anerkennung von Studien-<br />

leistungen geben. Außerdem ist Erasmus mittlerweile so<br />

akzeptiert, dass es fast überall Gruppen gibt, die einem bei<br />

der Wohnungssuche und beim Anschluss ans anfangs frem-<br />

de Nachtleben helfen. <strong>Das</strong> Programm richtet sich aber nicht<br />

nur an Studenten, sondern fördert auch den Austausch von<br />

Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern. Auch bei<br />

diesem Programm muss man sich sehr rechtzeitig bewerben,<br />

zwei Semester im Voraus sind nötig. <strong>Das</strong>s ein Studienauf-<br />

enthalt nicht nur dazu dient, den Lebenslauf aufzupeppen,<br />

muss hier wohl nicht extra erwähnt werden. Die Liste der<br />

Pluspunkte scheint unendlich …<br />

Hier geht’s weiter<br />

Ricarda „Küken“ Otte<br />

Die Website der deutschen Agentur des EU-Aktionsprogramms<br />

JUGEND verlinkt auf eine ganze Reihe von speziellen Seiten,<br />

die genauestens über die Programme informieren. Nicht nur<br />

offizielle Stellen kommen zu Wort sondern vor vor allem<br />

Jugendliche, die schon an solchen Programmen teilgenommen<br />

haben. àwebforum-jugend.de<br />

Auf der offiziellen EU-Seite gibt es eine Übersicht über alle Finanzierungsprogramme<br />

für allgemeine und berufliche Bildung:<br />

àeuropa.eu.int/comm/education/programmes/programmes_<br />

de.html<br />

LRB 2’04


Total global<br />

Globalisierung, Neoliberalisierung, Zivilgesellschaft und Wertewandel in einem<br />

Artikel: Eine kurze Übersicht<br />

Ein Gespenst geht um: Die Globalisierung<br />

Globalisierung wird der fortschreitende Prozess einer sich<br />

zunehmend vernetzenden Welt genannt. Wenn in fußball-<br />

feldgroßen Schiffen Millionen Container mit allen erdenk-<br />

lichen Gegenständen durch die Welt schippern, wenn ein<br />

Auto nicht in einer Fabrik sondern in zehn Fabriken in zehn<br />

Ländern produziert wird, wenn wir E-Mails austauschen mit<br />

Freunden in der ganzen Welt, wenn man überall Schokolade<br />

kaufen kann, wenn im Supermarkt ganzjährig Zitrusfrüchte<br />

liegen. <strong>Das</strong> ist Globalisierung. Da ist was drin.<br />

Die ganze Welt kommuniziert miteinander, kauft sich<br />

gegenseitig Waren ab, kooperiert, gründet internationale<br />

Organisationen. Der technische Fortschritt macht’s mög-<br />

lich: Flugzeuge verbinden die großen Städte der Welt, über<br />

Datenleitungen rauschen Sprache, Bilder und Dateien. Bevor<br />

der Begriff Globalisierung sich in den Neunzigern etablierte,<br />

sprach man gerne und überall vom Informationszeitalter.<br />

Jederzeit kann eine Entscheidung getroffen werden, virtuell<br />

kann jeder – und hier geht es los mit den Problemen, denn<br />

nicht jeder hat eine Telefonleitung im Garten liegen – von<br />

überall an der Welt teilhaben.<br />

Dieses Phänomen erweckt also bei den einen Angst und<br />

bei anderen Zuversicht. Die eigentliche Frage ist aber, wie<br />

die Welt, wie Staaten, wie wir den Globalisierungsprozess<br />

gestalten.<br />

Neoliberalismus ist für alle da<br />

Rasante technologische Fortschritte in der Computer- und<br />

Informationstechnik haben die weltweiten Kommunikati-<br />

ons- und Kooperationsmöglichkeiten drastisch verändert<br />

und der Zusammenbruch des sozialistischen Systems in<br />

Osteuropa hat zu einem Wandel von einem politischen Sys-<br />

temwettbewerb zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu<br />

einem ökonomischen Standortwettbewerb nahezu aller Staa-<br />

ten miteinander geführt. Auch dahinter steckt eine Ideologie:<br />

der Neoliberalismus. Die Idee ist, dass die Staaten sich mög-<br />

lichst raushalten aus dem Kreislauf der Wirtschaft, sie nicht<br />

einschränken durch Zölle oder Importquoten. Ganz automa-<br />

tisch suchen sich die Investoren dann arme Länder, in denen<br />

es Rohstoffe und billige Arbeitskräfte gibt. In den reichen<br />

LRB 2’04<br />

Ländern konzentriert man sich auf Spezialgebiete, die armen<br />

Länder sollen durch die Investitionen einen wirtschaftlichen<br />

Aufschwung erfahren, Geld und Technologie sollen ins <strong>Land</strong><br />

kommen, es soll bergauf gehen. Dieser globale Wettbewerb<br />

erzeugt einen ungeheuren Druck auf Länder und Regionen.<br />

Ausgabefreudige Regierungen werden diszipliniert und be-<br />

schränken sich auf das Notwendigste: Es wird gekürzt. Bei<br />

allem, was nicht primär dem wirtschaftlichen Wettbewerb<br />

dient. Es ist weniger Geld in den Kassen, es geht den Sozial-<br />

leistungen an den Kragen, der Kinder- und Jugendhilfe.<br />

Viele Länder sind so arm, dass sie auf fremde Hilfe ange-<br />

wiesen sind. Die sollen sie bekommen können, die Industrie-<br />

nationen der Welt haben für diese Zwecke den internationa-<br />

len Währungsfond (IWF) eingerichtet. Er vergibt Kredite an<br />

diese Länder, die dafür bestimmte politische Auf lagen erfül-<br />

len müssen. Damit sie von der neoliberalen Globalisierung<br />

profitieren können, müssen sie ihre Märkte öffnen, öffentli-<br />

che Ausgaben zurückfahren, ihre Exporte erhöhen, westlich<br />

geprägte Sozial-, Rechts- und Staatssysteme fördern und<br />

einführen. So hat der IWF, dessen ehemaliger Chef Horst<br />

Köhler bei diesem Zeitgeist vielleicht nicht zufällig Bundes-<br />

präsident geworden ist, die Sozial- und Wirtschaftspolitik<br />

vieler Länder zentral gestaltet.<br />

<strong>Das</strong> Gegenteil zur Marktöffnung, die Abschottung des<br />

Markts, nennt sich Protektionismus. Genau das machen<br />

die Industrienationen sehr gerne: Die Europäische Union<br />

beschützt ihre Bauern vor den Bauern anderer Länder, die<br />

ihre Produkte billiger anbieten können. Sonst würden die<br />

europäischen Bauern abhängig vom Weltmarkt, sie müssten<br />

sich dem internationalen Wettbewerb stellen. Und würden<br />

verlieren: Ihre Produkte sind zu teuer. Die armen Länder<br />

stehen vor dem Problem, dass sie keine andere Wahl haben.<br />

Haben sie Pech, können die eigenen Bauern im Wettbewerb<br />

nicht mithalten. Andere Bauern schicken ihre Waren in das<br />

<strong>Land</strong>, die Bauern werden arbeitslos, in den ganz armen Län-<br />

dern sind aber die meisten Menschen noch Bauern, oder<br />

vielmehr: dann arbeitslos. Natürlich gilt Ähnliches auch für<br />

einfache Fabrikarbeiter. Eine schier endlose Kette von Ver-<br />

knüpfungen: Auch das ist Globalisierung.<br />

33


3,5 Millionen Menschen le-<br />

ben Litauen. Und seit dem 1.<br />

Mai auch in der Europäischen<br />

Union. Die <strong>Land</strong>essprache ist<br />

Litauisch. <strong>Das</strong> ist wie Let-<br />

tisch eine baltische Sprache;<br />

Estnisch dagegen zählt zu<br />

den finnougrischen Sprachen, dem Finnischen ähnlich; kei-<br />

ne der Sprachen ist mit dem Slawischen – wie Russisch oder<br />

Polnisch – verwandt. Slawische und baltische Sprachen ge-<br />

hören wie auch Deutsch zu den indoeuropäischen Sprachen,<br />

die finnougrischen Sprachen bilden eine eigene Gruppe, zu<br />

der in <strong>Europa</strong> noch Ungarisch gehört. <strong>Das</strong> <strong>Land</strong>schaftsbild<br />

zeichnen Hohe Sanddünen (die Kurische Nehrung), seenrei-<br />

che Hügelketten im Norden, Sümpfe und Moore. <strong>Das</strong> Klima<br />

ist kontinental: warme Sommer, kalte Winter. Die größte<br />

Stadt ist Vilnius, die nördlichste Barockstadt jenseits der Al-<br />

pen (siehe Bild oben) und eine beliebte Filmkulisse. Litauen<br />

hat die höchste Selbstmordrate <strong>Europa</strong>s. Und die geringste<br />

Inflation, minus 1,1 Prozent – hier steigt der Geldwert. Unter<br />

anderem produziert IKEA hier Möbelfertigteile. Der Westen<br />

des <strong>Land</strong>es ist geprägt durch hanseatische Einflüsse, im Os-<br />

ten finden sich polnische Kulturelemente. Typische Speziali-<br />

tät sind Pilze und Maronen.<br />

34<br />

L I T A U E N<br />

taĩp/nè Ja/nein<br />

Ãčiű! Danke<br />

Labà dienà Guten Tag<br />

Lãbas Hallo<br />

Adé Tschüss<br />

Atsiprašaũ! Entschuldigung!<br />

Àš nóriu válgyti. Ich habe Hunger.<br />

Ačiű űţ kretímą! Danke für die Einladung.<br />

Kóks taĩ muziçjus<br />

Was ist denn das für<br />

ein Museum?<br />

Globalisierungskritik<br />

Gegen die Globalisierung zu sein, hieße, das Rad zurückdre-<br />

hen zu wollen. „Hört mal bitte alle auf, euch dauernd E-Mails<br />

zu schreiben“, zum Beispiel. Niemand hat das ernsthaft vor<br />

(religiöse Splittergruppen ausgenommen). Die Kritik richtet<br />

sich vielmehr gegen Ungerechtigkeiten, die im Zuge der Glo-<br />

balisierung passieren. Weltweit organisierte und vernetzte<br />

Gruppen wie Attac weisen darauf hin, dass der Neolibera-<br />

lismus den armen Ländern bisher nicht den erhofften Auf-<br />

schwung gebracht hat sondern ganz im Gegenteil, alles noch<br />

sehr viel schlimmer gemacht hat, als es ohnehin schon war.<br />

Die Weltbevölkerung wächst rapide an, immer mehr<br />

Menschen kämpfen um die Ressourcen der Erde. Dabei le-<br />

ben wenige Menschen im reichen Norden der Erde in Saus<br />

und Braus, während der Rest der Welt am Hungertuch nagt.<br />

Diese ungerechte Verteilung ist nur schwer zu verändern, der<br />

Norden möchte sich nicht von seinem Wohlstand trennen.<br />

Würden die Ansprüche der restlichen Welt verwirklicht,<br />

käme es unweigerlich zur ökologischen Katastrophe: Mutter<br />

Erde gibt soviel nicht her. Oder besser: Schon heute schädigt<br />

die Industrie nachhaltig die Umwelt, verpesten Millionen<br />

Autos die Luft, sterben Wälder, kippen Meere.<br />

Mit welchem Recht aber werden Großteile der Weltbevöl-<br />

kerung einfach von Wohlstand und Bildung ausgeschlossen?<br />

<strong>Das</strong> weitere Wachstum der Weltbevölkerung kann nur<br />

kontrolliert werden, wenn Bildungs- und Wohlstandswün-<br />

sche der armen Länder, einhergehend mit der Emanzipation<br />

der Frau, erfüllt werden. <strong>Das</strong> alles, ohne die Erde ökologisch<br />

vollends zu überlasten. Und während über dieses komplexe<br />

Problem nachgedacht wird, geht die Schere zwischen Arm<br />

und Reich weiter auf, wächst die Bevölkerung in armen Län-<br />

dern rasant.<br />

Mehr wissen<br />

Verschieden Texte über Globalisierung, internationale Handelsabkommen<br />

und Globalisierungskritiker finden sich in<br />

dem Taschenbuch „Unsere Welt ist keine Ware“ von Christine<br />

Buchholz, Anne Karrass, Oliver Nachtwey und Ingo Schmidt.<br />

Es ist im Verlag Kiepenheuer und Witsch erschienen und kostet<br />

9,90 Euro.<br />

Viele Firmen verkaufen längst keine Produte mehr sondern<br />

nur noch ein „Image“. Wie große Konzerne sich die Globalisierung<br />

zu Nutze machen erklärt Naomi Klein in ihrem Buch<br />

„No Logo“. Erschienen als Paperback im Riemann-Verlag für<br />

18 Euro.<br />

LRB 2’04


Demokratie<br />

Der wachsende Einfluss der Wirtschaft stellt für den mo-<br />

dernen Sozialstaat und unsere Demokratie eine ernsthafte<br />

Herausforderung dar. Wie kann der einzelne Bürger noch<br />

Entscheidungen beeinflussen, noch mitwirken am Gemein-<br />

wohl? Die globalisierte Welt braucht Institutionen, Verbände<br />

und Organisationen, die dem Einzelnen helfen, Einfluss zu<br />

nehmen.<br />

Dem Sektor von Nicht-Regierungsorganisationen wird aus<br />

Expertensicht deshalb zunehmend sozial-anwaltschaftliche<br />

Bedeutung beigemessen, so auch den PfadfinderInnen-Orga-<br />

nisationen. Ansonsten droht Verdruss, der Einzelne kehrt der<br />

Politik den Rücken und sieht lieber fern, alles zu kompliziert,<br />

sowieso nix zu machen. In den Vereinigten Staaten zum Bei-<br />

spiel engagieren sich die Bürger in ihren „communities“, sie<br />

organisieren und verwalten viele Dinge ihres Umfelds (etwa<br />

Schulen) selbst, sie halten „townhall meetings“ und stimmen<br />

über Themen ab, die sie konkret betreffen. Die Partizipation<br />

von Bürgern, die sich vernetzen, die sich organisieren, die<br />

für ihre Interessen eintreten und das Zusammenleben mit-<br />

gestalten, all das fällt unter das Stichwort Zivilgesellschaft.<br />

Auch Pfadfinder sind Teil dieser engagierten, interessierten<br />

Öffentlichkeit.<br />

Gerade jetzt, wo Kommunen das Geld ausgeht und sich<br />

der Staat mehr und mehr aus sozialen Bereichen zurück<br />

zieht, gilt es, eine breite Öffentlichkeit nicht abzuschrecken<br />

sondern zu motivieren. <strong>Das</strong> ist ohne Frage schwierig. Einer-<br />

seits zieht sich der Staat zurück, andererseits fordert er mehr<br />

Eigenverantwortung und mehr Eigeninitiative.<br />

Der amerikanische Soziologe Richard Sennett hat die<br />

Ansprüche der globalisierten Wirtschaft an den Menschen so<br />

zusammen gefasst: „Bleib in Bewegung, geh keine Bindung<br />

ein und bring keine Opfer!“ Und Studien belegen, dass viele<br />

Menschen diesen Leitspruch längst übernommen haben. Der<br />

Wertewandel findet statt (im LRB 1’03 gab es einen Artikel<br />

über die Shell-Jugendstudie mit einem ganz ähnlichem<br />

Thema): Weg von einer solidarischen, dauerhaft-verbindli-<br />

chen Auffassung hin zu Individualisierung und egozentrisch<br />

orientierte Hyperflexilibität. Gleichzeitig braucht die Zivilge-<br />

sellschaft mehr denn je Menschen, die sich engagieren und<br />

Verantwortung übernehmen.<br />

Hannes Clausen, Stamm Reinholdsburg<br />

Ole Reißmann, Stamm Waldreiter<br />

In der parlamentarischen<br />

Monarchie (Staatsoberhaupt<br />

ist Königin Margrethe II.) le-<br />

ben 5,4 Millionen Menschen.<br />

Seit 1973 ist Dänemark in der<br />

EU. Dänemark gliedert sich<br />

in das Festland (die Halb-<br />

insel Jütland) und in 483<br />

Inseln (97 bewohnt) sind.<br />

Auch die Färöer zwischen<br />

Schottland und Island sowie<br />

Grönland gehören zu Däne-<br />

mark, sind aber weitgehend<br />

autonom und gehören nicht<br />

zur EU. Jütland liegt zwi-<br />

schen Ost- und Nordsee, die<br />

D Ä N E M A R K<br />

<strong>Land</strong>schaft ist flach und dünenreich. <strong>Das</strong> Klima ist mild, die<br />

Sommer warm und oft regnerisch. Dänemarks Wahrzeichen<br />

ist die kleine Meerjungfrau, die im Hafen von Kopenhagen<br />

die enge Verbindung zum Meer symbolisiert. Und auf er gan-<br />

zen Welt spielen Kinder mit Lego. Typisch Leckereien sind<br />

Pølser (Hot-Dogs), Rote Grütze und Salzlakritze.<br />

Ja/nej Ja/nein<br />

Tak Danke<br />

God morgen Guten Morgen<br />

Farvel Tschüss<br />

Hej Hallo<br />

Unskyld Entschuldigung<br />

Hvor kann jeg telefonere? Wo kann man telefonieren?<br />

Det smager godt! <strong>Das</strong> schmeckt gut.<br />

Kom indenfor Komm herein.<br />

LRB 2’04 35


Darf die Türkei <strong>Europa</strong> sein?<br />

Die Türkei möchte der EU beitreten. Italien unterstützt das Vorhaben, in Deutschland<br />

wird öffentlich diskutiert. Was spricht dagegen, was spricht dafür?<br />

Auf dem letzten Bundeslager im Jahr 2001 befanden sich<br />

unter den etwa fünfhundert ausländischen Gästen sage<br />

und schreibe 120 türkische Pfadfinder. Ein enorm großes<br />

Kontingent, das sich aus Stämmen aus Istanbul und Konya<br />

zusammensetzte und, aufgeteilt in fünf Gruppen, in<br />

den verschiedenen Unterlagern bei <strong>BdP</strong>lern einquartiert<br />

wurde. Die anderen Freunde aus dem Ausland gingen bei<br />

dieser Präsenz fast unter, Marokkaner, Mazedonier, Südafrikanerinnen<br />

und alle anderen standen in einem mächtig<br />

großen Schatten. Die Türken waren einfach überall. Und<br />

dennoch taten sie sich reichlich schwer mit der Integration.<br />

Bereits im Vorfeld war bis wenige Tage vor dem Lager<br />

keine verbindliche Zusage über Teilnahme oder Absage aus<br />

der Türkei zu hören. Statt zu den täglichen Unterlagerbesprechungen<br />

zu gehen, hatten sie ihren eigenen Lagerrat,<br />

bei dem sich die fünf Gruppenleiter und der Kontingentsleiter<br />

regelmäßig trafen und Deutsche keinen Zutritt hatten.<br />

Statt im eigens errichteten „Globokauf“ Umsatz zu machen,<br />

ließen sie sich jeden Tag mit Lebensmitteln aus dem<br />

hundert Kilometer entfernten Frankfurt versorgen. Statt<br />

die Möglichkeit des gemeinsamen Arbeitens zu nutzen,<br />

bestanden sie auf getrennten Küchen und nahmen somit<br />

auch die getrennte Einnahme der Mahlzeiten in Kauf. Die<br />

Sippen gingen im Alleingang auf Hajk, die Kommunikation<br />

brach nach wenigen Tagen aufgrund mangelhafter Englischkenntnisse<br />

ab. Daraufhin verzogen sich die türkischen<br />

Jungs zumeist in ihre ohnehin unschönen Plastikzelte oder<br />

tobten mit ihren Genossen aus anderen Unterlagern über<br />

die staubigen Wege zwischen Kirschbaum und Altenberg.<br />

Zum Frust der deutschen Sipplinge, die dem Problem der<br />

Versorgung mit Holz und Wasser allein gegenüberstanden.<br />

Die erzwungen wirkende, freundliche Verabschiedung<br />

nach zehn gemeinsamen Tagen auf engstem Raum konnte<br />

leider nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier doch ganz<br />

offensichtlich vehemente Kulturunterschiede aufeinander<br />

geprallt waren. Unvorbereitet und ohne gemeinsame<br />

Sprache war diese Konstellation leider von vornherein zum<br />

Scheitern verurteilt. Kein Wunder also, dass seither jeglicher<br />

Kontakt zwischen deutschen und türkischen Pfadfindern<br />

zum Erliegen gekommen ist. Der Plan für erneute<br />

gegenseitige Besuche liegt erstmal auf Eis.<br />

36<br />

Auf dem letzten Bundeslager im Jahr 2001 befanden sich<br />

unter den etwa fünfhundert ausländischen Gästen sage<br />

und schreibe 120 türkische Pfadfinder. Ein enorm großes<br />

Kontingent, das sich aus Stämmen aus Istanbul und Konya<br />

zusammensetzte und, aufgeteilt in fünf Gruppen, in<br />

den verschiedenen Unterlagern bei <strong>BdP</strong>lern einquartiert<br />

wurde. Die anderen Freunde aus dem Ausland gingen bei<br />

dieser Präsenz fast unter, Marokkaner, Mazedonier, Südafrikanerinnen<br />

und alle anderen standen in einem mächtig<br />

großen Schatten. Überall auf dem Lagerplatz konnte<br />

man die fröhlichen Jungen mit ihren rot-weißen Halstüchern<br />

antreffen. Allein schon auf Grund der Kontingentgröße<br />

mussten sich die Türken sehr gut organisieren. Mindestens<br />

einmal am Tag trafen sich die fünf Gruppenleiter<br />

und der Kontingentsleiter zu internen Besprechungen, um<br />

ihre Bedürfnisse auf dem Lager abzustimmen. Wie viele<br />

andere deutsche Stämme auch hatten sie zum Beispiel beschlossen,<br />

das mangelhafte und überteuerte Angebot des<br />

„Globokaufs“ abzulehnen. Glücklicherweise konnte an dieser<br />

Stelle ein mit einem Teilnehmer verwandter Lebensmittelhändler<br />

aus dem benachbarten Frankfurt helfen. Er<br />

versorgte die 120 Pfadfinder mit ihnen bekannten Speisen<br />

und Getränken. Auch bei der Zubereitung ließen ihnen die<br />

Gastgeber freie Hand, um religiösen und geschmacklichen<br />

Unterschieden gerecht zu werden. Trotz ihrer sprachlichen<br />

Unsicherheiten trauten sich die türkischen Sippen<br />

sogar ohne Begleitung auf den ausgeschriebenen Hajk.<br />

Und mit ihren roten Zelten brachten sie etwas mediterrane<br />

Farbe in den ansonsten von tristem Schwarz geprägten<br />

Lagergrund. Lachend und umherstromernd waren<br />

sie bald auf allen Wegen und Plätzen anzutreffen, so dass<br />

man nie lange suchen musste, um die einzelnen Sipplinge<br />

an Lagerdienst oder Programmbeginn zu erinnern.<br />

Nach zehn wunderbaren Tagen fiel dementsprechend der<br />

Abschied schwer. Die ansonsten zurückhaltende Art der<br />

Gäste brach nun in Umarmungen und Abschiedstränen<br />

aus. Schade, dass beide Seiten seither die ausgezeichneten<br />

Beziehungen vernachlässigt haben. So unterhält der <strong>BdP</strong><br />

zwar weiterhin Kontakte zum türkischen Dachverband,<br />

die Stämme allerdings räumen Versäumnisse in der<br />

gegenseitigen Pflege der Freundschaft ein. <strong>Das</strong> nächste<br />

Bundeslager wird sie wieder zusammenführen.<br />

LRB 2’04


Hier geht’s weiter<br />

Es gibt viele Informationen im Netz zum Thema EU-Beitritt der<br />

Türkei. Die offizielle Stellungnahme der Bundesregierung gibt’s<br />

zum Nachlesen unter àbundesregierung.de<br />

Eine abschreckend plakative Diskussion findet statt auf der<br />

Seite: àfdp-bundesverband.de<br />

Und nach den politischen Standpunkten hier Links zu Sachinformationen<br />

und Analysen: àspiegel.de/politik/deutschland<br />

àdw-world.de/german àtagesschau.de<br />

Wie unterschiedlich doch Erfahrungen sein können. Und<br />

wie unterschiedlich auch Meinungen gemacht werden. Was<br />

hier im kleinen Rahmen des letzten Bundeslagers zeigt, wie<br />

Stimmungen über die türkische Teilnahme entstehen kön-<br />

nen, spiegelt im Ansatz die Diskussion wider, die seit Jahren<br />

über einen möglichen Beitritt der Türkei zur Europäischen<br />

Union geführt wird. Befürworter wie Gegner versuchen,<br />

durch unterschiedliche „Fakten“ Argumente gegeneinander<br />

auszuspielen. Im Kleinen wie im Großen liegt die Wahrheit<br />

aber meistens irgendwo dazwischen. Am 14. April 1987 hat<br />

die Republik Türkei ihren Beitritt zur EU beantragt. Sie hat<br />

zwar den Status eines Beitrittskandidaten, die Aufnahme of-<br />

fizieller Verhandlungen zwischen der Union und der Türkei<br />

scheiterte jedoch bisher an den fehlenden politischen und<br />

wirtschaftlichen Voraussetzungen. Nicht zuletzt wegen der<br />

600 000 türkisch-stämmigen Deutschen, die spätestens seit<br />

der Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft durch die<br />

rot-grüne Koalition ein interessantes Wählerpotenzial sind,<br />

steht das Thema nunmehr auf der Tagesordnung der deut-<br />

schen Politik. Mehr als eine Milliarde Euro will die EU bis<br />

2006 bereitstellen, um die Türkei an die Union heranzufüh-<br />

ren. Sie erwartet dafür aber zugleich substanzielle Fortschrit-<br />

te in Politik und Wirtschaft – und einen Abzug der Türkei<br />

aus dem geteilten Zypern. Es geht ferner um die Bekämpfung<br />

der Folter, die Übernahme der Rechtsprechung des Europäi-<br />

schen Gerichtshofs für Menschenrechte und die Achtung der<br />

Grundfreiheiten. Ende des Jahres entscheiden die jetzt 25<br />

Staaten der EU, ob die Union Beitrittsverhandlungen auf-<br />

nimmt oder nicht. Bis dahin werden die Politiker noch viele<br />

Schlammschlachten austragen. Bundeskanzler und Außen-<br />

minister werben für Verständnis und Offenheit gegenüber<br />

der reformfreudigen Türkei, die Opposition stellt sich mit<br />

ihrer momentanen Mehrheit bei Wählern und im Bundes-<br />

rat dagegen. In vielen Umfragen wird derzeit versucht, die<br />

Meinung der deutschen Bevölkerung zum Thema EU-Beitritt<br />

der Türkei einzufangen. Die Ergebnisse liegen zwischen 54 %<br />

dafür (TNS Infratest für den „SPIEGEL“) und 79 % dagegen<br />

(n-tv online) und zeigen, dass vermeintliche Fakten oftmals<br />

nur Instrumente sind. Macht Euch also selbst ein Bild und<br />

betrachtet die Argumente der verschiedenen Parteien skep-<br />

tisch. Ein so wichtiges Thema sollte niemand den Stammti-<br />

schen überlassen. Seid wach und mischt Euch ein.<br />

zuverlässiger Partner in der<br />

Nils Petersen, Stamm Kolibri<br />

Argumente pro und contra<br />

LRB 2’04 2‘04 37<br />

NATO<br />

Verbindungsland zwischen<br />

<strong>Europa</strong> und dem Nahen Osten<br />

Positive wirtschaftliche<br />

Wachstumsprognosen<br />

Wichtiger deutscher Handels-<br />

partner<br />

Lösung des Zypernkonflikts<br />

wird innerhalb der EU<br />

leichter<br />

Würdigung der Reformleis-<br />

tungen unter der Regierung<br />

Erdogan<br />

Direkter Zugang zu Öl aus<br />

dem Kaukasus<br />

neben Israel einzige stabile<br />

Demokratie des Nahen und<br />

Mittleren Ostens<br />

Befürchtete <strong>Land</strong>flucht und<br />

Massenemigration nach<br />

Deutschland<br />

Bevölkerungsreichstes <strong>Land</strong><br />

der EU hätte Kräftever-<br />

schiebung zur Folge<br />

Missachtung der Men-<br />

schenrechte und Zensur<br />

Kurdenverfolgung und<br />

Folter in Gefängnissen<br />

EU-Außengrenze zu Irak<br />

und Iran<br />

Militärdominanz und<br />

Putschgefahr<br />

Islamische Tradition entge-<br />

gen christlicher Werte im<br />

restlichen <strong>Europa</strong><br />

Kriminalität und Gefahr<br />

durch islamische Funda-<br />

mentalisten<br />

Sicherheitszuwachs durch<br />

Brücke zur islamischen Welt Armut<br />

Gebot der Fairness und Auf-<br />

hebung der Wartestellung<br />

Befürchtung einer innertürki-<br />

schen Krise bei Abweisung<br />

Deutsche und Türken leben<br />

bereits eng zusammen<br />

Beitritt zieht weitere Staa-<br />

ten nach sich (z. B. Ukraine,<br />

Moldawien)<br />

Aufnahmefähigkeit der EU<br />

ist erschöpft / Befürchtung<br />

der „Übersättigung“<br />

33% der Türken arbeiten<br />

in der <strong>Land</strong>wirtschaft und<br />

hätten Anspruch auf Sub-<br />

ventionen


Aarhus<br />

Aberdeen<br />

Alghero<br />

Ancona<br />

Bari<br />

Bergerac<br />

Berlin-Schönefeld<br />

Biarritz<br />

Birmingham<br />

Blackpool<br />

Bologna (Forli)<br />

Bournemouth<br />

Bradford<br />

Brindisi<br />

Bristol<br />

Carcassonne<br />

Cardiff<br />

Charleroi<br />

Cork<br />

Derry<br />

Dinard<br />

Disneyland<br />

Dublin<br />

Düsseldorf<br />

East Midlands<br />

Edinburgh<br />

Eindhoven<br />

Erfurt<br />

Esbjerg<br />

Faro<br />

Frankfurt-Hahn<br />

Friedrichshafen<br />

Gatwick<br />

Genoa<br />

Girona-Barcelona<br />

Gothenburg<br />

Graz<br />

Haugesund<br />

Jerez<br />

Karlsruhe Baden<br />

Kerry<br />

Klagenfurt<br />

Knock<br />

La Rochelle<br />

Leipzig-Altenburg<br />

Limoges<br />

Linz<br />

Liverpool<br />

Lübeck<br />

Luton<br />

Malaga<br />

Malmo<br />

Manchester<br />

Milan-Bergamo<br />

Montpellier<br />

Murcia<br />

Newcastle<br />

Newquay<br />

Nimes<br />

Palermo<br />

Paris-Beauvais<br />

Pau<br />

Perpignan<br />

Pescara<br />

Pisa<br />

Poitiers<br />

Prestwick<br />

Reus (Salou)<br />

Rodez<br />

Rome (Ciampino)<br />

Salzburg<br />

Shannon<br />

St. Etienne<br />

Stansted<br />

Stockholm<br />

Tampere<br />

Teesside<br />

Torp<br />

Tours Loire Valley<br />

Trieste<br />

Turin<br />

Valladolid<br />

Venice Treviso<br />

Verona Brescia<br />

<strong>Europa</strong>knoten STN<br />

Nächtliche Begnungen auf dem Flughafen Stansted: Rucksacktouristen<br />

aus der ganzen Welt. Und das eigene Gewissen.<br />

Nacht für Nacht stranden junge Europäer (und<br />

natürlich auch viele andere Menschen, aber da-<br />

rum geht’s hier nicht) auf dem Flughafen Lon-<br />

don-Stansted, dem Hub der Billigfluglinie Ry-<br />

anair. Stansted liegt wie eine Spinne im Netz.<br />

Statt viele Direktverbindungen anzubieten,<br />

fliegt Ryanair von Flughäfen in ganz <strong>Europa</strong><br />

vor allem nach Stansted. Von dort geht es dann<br />

weiter. Auch Germanwings, Air Berlin, Buzz,<br />

go oder easyJet nutzen Stansted. Die billigsten<br />

Flüge, oft nicht mehr als dreißig Euro inklusive<br />

aller Gebühren, gehen natürlich in den späten<br />

Abend- und den frühen Morgenstunden. Da-<br />

zwischen liegen eine Nacht, sechs, sieben, acht<br />

Stunden bis es morgens weiter geht.<br />

Ruhig liegt der Flughafen da, hinter der<br />

riesigen Glasfassade ein dunkles Nichts. Ei-<br />

gentlich ist der Ort vollkommen egal, es gibt<br />

wenig Anhaltspunkte für das <strong>Land</strong>, in dem der<br />

Flughafen liegt. Die Sprache so universal wie<br />

die Wegweiser und Hinweisschilder. Der Kaffee, die Zeitung,<br />

alles wird in Euro bezahlt. STN ist vollkommen autark, eine<br />

Raumstation, eine leuchtende Blase, mitten im Nirgendwo.<br />

Der Flughafen wurde entworfen von Norman Foster, ei-<br />

nem der Vorreiter in Sachen schlichter Eleganz mittels Glas<br />

und Stahl. Von ihm ist auch das Commerzbank-Hochhaus in<br />

Frankfurt am Main und die Kuppel auf dem Reichstagsge-<br />

bäude in Berlin. Die Technik tritt im STN-Gebäude in den<br />

Hintergrund, zuerst wurde an die Passagiere gedacht, an<br />

Kommunikationsstrukturen, wie es heißt. Alles befindet sich<br />

in einer riesigen Halle, von der aus die Passagiere über lange<br />

Gänge zu den Flugzeugen gelangen. Ständig werden neue<br />

Module angebaut, neue Gänge angelegt, alles kein Problem.<br />

Es ist vor allem sehr weitläufig, sehr sauber und sehr ruhig.<br />

Der Bustransfer in die Stadt dauert rund neunzig Minu-<br />

ten, ist aber billig. Die Bahn schafft’s bedeutend schneller,<br />

ist aber teurer. Der ultimativen Fahrkomfort im Taxi kostet<br />

schon ein kleines Vermögen. Man bleibt also auf der Raum-<br />

station. Wie hunderte andere auch. Eine genaue Zahl ist<br />

schwer abzuschätzen, zu groß das Gebäude. Es können mehr<br />

LRB 2’04


als tausend sein. Längst sind alle Sitze, alle Bänke belegt. Die<br />

Rucksacktouristen packen Decken aus, Schlafsäcke, Kopfkis-<br />

sen. Bücher, MP3-Player, ein Kartenspiel. Dahinten spielen<br />

welche Gitarre, da fl iegt ein kleiner Ball durch die Luft. Für<br />

ein paar Stunden sitzen sie hier alle fest. Nicht alle schlafen.<br />

Zwei Reisende haben einen Zettel über sich an die Wand<br />

gehängt: „We’ve got 9 hours to kill, please talk to us!“ Man<br />

lernt sich kennen, schlägt die Zeit tot. Beobachtet, wie das<br />

Reinigungspersonal den Boden wischt. Den sauberen Boden<br />

noch mal wischt. Irgendwann machen die kleinen Läden zu,<br />

die Kaffeebar, der Zeitungsstand. Zeit für Skrupel.<br />

„Schnall mal nach London für neue Klamotten – kann<br />

man was dagegen haben?“ fragen der Bund für Umwelt- und<br />

Naturschutz und zahlreiche andere Organisationen auf ei-<br />

nem Flugblatt, und liefern natürlich auch gleich die Antwort<br />

mit. Wer mal eben kurz nach Mallorca jettet, erzeugt soviel<br />

Kohlendioxid, wie ein Auto über ein ganzes Jahr rauspustet.<br />

Eindringlich warnen Umweltschutzverbände vor den schäd-<br />

lichen Auswirkungen des gigantischen CO 2-Ausstoßes. Und<br />

subventioniert wird auch noch, gewerblicher Flugverkehr ist<br />

von der Mineralölsteuer, der Ökosteuer und bei internationa-<br />

len Verbindungen auch von der Mehrwertsteuer ausgenom-<br />

men. Und da ein Flugzeug auch noch einigermaßen bequem<br />

und vor allem wahnsinnig schnell ist, können Alternativen da<br />

nicht mithalten.<br />

Die Summe, die hier nicht an Steuern gezahlt wird, lässt<br />

sich ausrechnen. <strong>Das</strong> Ergebnis ist seine sehr große Zahl. Frag-<br />

lich natürlich, ob entsprechend teurere Flugtickets genau so<br />

begehrt wären. Genau darauf zielen die Umweltverbände ab.<br />

Fliegen ist billiger als Bahn fahren. Mehr Menschen können<br />

es sich leisten, quer durch <strong>Europa</strong> zu jetten, von City zu City<br />

zu hoppen. Bis 2015 soll sich das Flugaufkommen verdop-<br />

peln, sagen die Umweltschützer, zwei Drittel des Mehrauf-<br />

kommens fällt auf die Billigfl ieger.<br />

Abwägen, Ausreden suchen, das übliche Spiel mit dem<br />

Gewissen. London ist nur Zwischenstopp. Ich will ja woan-<br />

ders hin. Ich will Freunde treffen, überall in <strong>Europa</strong>. Keine<br />

Zeit für die ausgedehnte Interrail-<strong>Europa</strong>entdeckungsreise.<br />

Ohne den Billigfl ieger geht das nicht. Die Versuchung ist<br />

groß. Sehr groß, ich bin gefl ogen, ich fl iege wieder. Aber nicht<br />

als Pfadfi nder.<br />

LRB 2’04<br />

Ole Reißmann, Stamm Waldreiter<br />

Auf dem Bild: Dachkonstruktion Flughafen Stansted (pixelquelle.de).<br />

V E R E I N I G T E S K Ö N I G R E I C H<br />

Großbritannien (England,<br />

Wales, Schottland) und Nor-<br />

dirland bilden das Vereinigte<br />

Königreich. Seit 1973 sind<br />

seine 59 Millionen Einwoh-<br />

ner auch EU-Bürger. Wali-<br />

sisch und Gälisch sind neben<br />

Englisch regionale Amtssprachen. <strong>Das</strong> Staatsoberhaupt der<br />

parlamentarischen Monarchie ist Königin Elisabeth II. Die<br />

Hauptstadt London mit seinen 7,2 Millionen Einwohnern<br />

ist eines der drei wichtigsten Kultur- Handels- und Finanz-<br />

zentren der Welt. <strong>Das</strong> Königreich hat eine zerklüftete Küste<br />

und besteht zu mehr als zwei Dritteln aus Mittelgebirgen<br />

und Hochland. Im 19. Jahrhundert war das Empire vorherr-<br />

schende Weltmacht. Bekannt ist England für seine vielen<br />

Regentage, jeder zweite Tag ist rein rechnerisch bedeckt.<br />

Außerdem bekannt sind Sherlock Holmes, der Fünf-Uhr-Tee<br />

und der britische Humor (auch vertreten durch Monthy Py-<br />

thon und Mr. Bean).<br />

<strong>Das</strong> Großherzogtum mit<br />

gleichnamiger Hauptstadt<br />

wird von 451 000 Menschen<br />

bevölkert. Luxemburg ist<br />

eines der sechs Gründungs-<br />

länder der Europäischen<br />

Union. Staatsoberhaupt ist<br />

natürlich der Großherzog, ansonsten wird alle fünf Jahre<br />

das Einkammernparlament gewählt. Gesprochen wird Hoch-<br />

deutsch, Französisch und Lëtzebuergesch (Moselfränkisch).<br />

In Luxemburg leben viele Portugiesen, insgesamt 37 % der<br />

Luxemburger stammt aus einem anderen <strong>Land</strong>. Viele Eu-<br />

ropäische Organisationen sind hier angesiedelt. Luxemburg<br />

exportiert Chemie- und Metallerzeugnisse. Auch der Dienst-<br />

leistungssektor ist weit entwickelt. Aufgrund wirtschaftlicher<br />

Stabilität ist Luxemburg ein großer Bankenstandort. Im Mo-<br />

seltal wird Wein angebaut.<br />

L U X E M B U R G<br />

39


Hannes (lacht)<br />

<strong>Land</strong>esleitung privat, Folge 16: Per Telefon<br />

zu Gast in Hannes Hängematte.<br />

Hannes Clausen ist seit der <strong>Land</strong>esversammlung des letzten<br />

Jahres <strong>Land</strong>esvorsitzender und hat zuvor so ziemlich alles<br />

gemacht, was bei den Pfadfi ndern zu holen ist. Aber was tut<br />

er eigentlich, wenn er sein Tuch mal nicht umhat? Gibt es<br />

ein Leben nach der Vorstandssitzung? Und warum kann er<br />

eigentlich so gut tanzen?<br />

Guten Abend, Hannes, wobei hab’ ich dich denn gerade gestört? (Anm. d.<br />

Red.: Hannes und Interviewerin Miri wohnen 300 Kilometer voneinander<br />

entfernt, der Klönschnack fand deshalb über Telefon statt.)<br />

Moin! Also, so richtig gestört hast du mich nicht, wir haben<br />

uns ja schließlich verabredet! Aber ich habe gerade die Lan-<br />

des-Homepage aktualisiert, bin ja auch Webmaster. Und<br />

E-Mails hab ich beantwortet, mein PC ist nämlich nach einer<br />

Explosion zum Glück wieder heil, und jetzt hab ich da einiges<br />

nachzuholen.<br />

Oha, aber du hast hoffentlich alles Wichtige retten können von deinen<br />

Dateien?<br />

Ja, da bin ich auch sehr froh drüber, ohne das Ding wäre<br />

ich ziemlich aufgeschmissen! Da hab’ ich alles drauf, bin ein<br />

Freund des digitalen Speichers …<br />

Dann nehme ich mal an, dass du in deinem Arbeitszimmer sitzt. Beschreib<br />

das doch mal für die werte LRB-Leserschaft!<br />

<strong>Das</strong> ist ja genau genommen mein Schlaf- und Arbeitszimmer,<br />

aber das ist ja das Gleiche (lacht). <strong>Das</strong> ist aber gar nicht mein<br />

Lieblingszimmer, ich möchte lieber mein Wohnzimmer be-<br />

schreiben.<br />

Dann beschreiben sie doch einfach mal, Herr Cheffe!<br />

LRB 2’04


Also, in meinem Wohnzimmer bin ich am liebsten, da lieg’ ich<br />

gern in der Hängematte, um Musik zu hören und zu lesen.<br />

Und um in die Glotze zu gucken?<br />

Nee, so viel Fernsehen schau’ ich gar nicht. Nur manchmal<br />

zum Essen, das ist sonst ja langweilig, so in einem Single-<br />

haushalt (lacht).<br />

<strong>Das</strong> stimmt wohl. Aber sag mal, bevor wir noch weiter über dein Privat-<br />

leben sprechen – einen Abstecher zu den Pfadfindern müssen wir schon<br />

machen. Jetzt alles aufzuzählen, was du schon gemacht hast, würde wohl<br />

noch bis morgen früh dauern, aber erzähl doch mal, was dir bisher am<br />

meisten Spaß gemacht hat!<br />

Oh, da muss ich überlegen. (Überlegt sehr lange.) <strong>Das</strong> ist<br />

schwer, kann ich gar nicht so sagen, mir hat eigentlich fast<br />

immer alles Spaß gemacht. Aber vielleicht solche Aktionen<br />

wie das <strong>Land</strong>espfingstlager 2002, SFT/KfG, das letzte Bun-<br />

deslager … Ob mir etwas Spaß macht oder nicht, hängt im-<br />

mer sehr von den Leuten ab, die mitmachen. Ich kann mich<br />

sogar bei Vorstandssitzungen totlachen, weil wir zurzeit so<br />

ein schönes Team sind, das ich sehr mag.<br />

Und hast du dir schon weitere Ziele gesetzt – was kommt in der Pfadfin-<br />

derkarriere nach dem Amt des <strong>Land</strong>esvorsitzenden?<br />

Ich glaube, dieser Posten reicht erstmal (lacht). Aber wie<br />

gesagt, das hängt eben immer alles sehr von den Leuten ab,<br />

mit denen ich zusammenarbeiten könnte. <strong>Das</strong> kann ich jetzt<br />

deswegen noch gar nicht so sagen.<br />

Und wie verdienst du dir deine Brötchen? <strong>Das</strong>s du inzwischen Diplom-Psy-<br />

chologe bist, wissen ja einige, aber was machst du eigentlich genau?<br />

Ich bin im Moment Doktorand und wissenschaftlicher Mit-<br />

arbeiter an der Uni-Klinik in Kiel. Da arbeite ich seit einem<br />

Jahr an einem Forschungsprojekt mit, und ich denke, dass<br />

ich nächstes Jahr meinen Doktor fertig habe … Außerdem<br />

gebe ich nebenbei noch Seminare, zum Beispiel beim Kreis-<br />

jugendring Rendsburg-Eckernförde oder an der Uni in Ham-<br />

burg.<br />

Mensch, das ist ja ’ne ganze Menge. Und das noch mit der vielen Pfadfin-<br />

derarbeit, wird das nicht irgendwann mal etwas zu viel?<br />

Nee, ich fühl’ mich wohl so. Ich bin jemand, der immer ne-<br />

benbei noch etwas Anderes machen muss, und das gefällt mir<br />

auch. Ich mag Herausforderungen und brauche auch oft ein<br />

volles Programm. Ich glaube, da habe ich diese typisch deut-<br />

sche Mentalität, möglichst fleißig zu sein (lacht). Aber ich hab<br />

inzwischen gelernt, Grenzen zu ziehen und sag’ auch oft mal<br />

„nein“ zu einem Angebot oder zu einer Aktion. Außerdem<br />

gleicht sich das alles aus: <strong>Das</strong> Grübeln und das Theoretische<br />

LRB 2’04<br />

im Beruf bringen mir Spaß, und die Seminare und Pfadfin-<br />

derarbeit sind dann die perfekte praktische Ergänzung.<br />

Dann sind wir ja beruhigt. Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen,<br />

Psychologie zu studieren, da sind doch hoffentlich nicht die Pfadfinder<br />

dran schuld, oder?<br />

(Lacht) Doch, sind sie! Ich war als Pfadfinder bei einem<br />

Lehrgang in Rendsburg und hatte da Kontakt zu Pädagogen<br />

und Psychologen. Danach war mein erster Wunsch sofort,<br />

Sozialpädagoge zu werden. Aber ich hab’ mich dann doch<br />

lieber für Psychologie entschieden, das ist mehr etwas zum<br />

Nachdenken als zum Anwenden.<br />

Okay, das ist ja alles schön und gut. Aber wir sind ja hier bei „LL privat“<br />

– wie findet man denn eine Freundin, wenn man ihr andauernd erklären<br />

muss, dass man mal wieder auf einen aufs Pfingstlager fährt oder sich die<br />

Nächte mit Vorstandssitzungen um die Ohren schlägt?<br />

Na ja, es ist natürlich schon von Vorteil, wenn die Freundin<br />

auch bei den Pfadfindern ist, denn die sind mir wichtig im<br />

Leben. Die Pfadfinderei hat mich schon geprägt, und das ist<br />

dann wohl schwierig nachzuvollziehen, weshalb ich so viel<br />

Zeit und Arbeit da hineinstecke, wenn man das nicht kennt.<br />

Und wie sieht es im Moment bei dir aus? Hast du jemanden gefunden, die<br />

das nachvollziehen kann?<br />

Ja, hab’ ich! Meine Freundin heißt Wibke und wohnt auch<br />

in Hamburg, aber ich hab sie ausnahmsweise nicht bei den<br />

Pfadfindern kennen gelernt – allerdings ist sie beim Jugend-<br />

bund Hamburg, also ist ihr die Pfadfinderschiene zum Glück<br />

nicht fremd (lacht). Kennen gelernt hab’ ich sie in der Uni,<br />

und wir haben uns unter dem Vorwand, dass wir uns über<br />

Jugendarbeit austauschen wollen, getroffen …<br />

Also doch wieder: das Ehrenamt als Anmachhilfe … <strong>Das</strong> macht allen<br />

LRB-Lesern Mut! Aber sag mal, wie kann man sich eigentlich ein Wo-<br />

41


chenende ohne Arbeit und Pfadfi nderei bei dir vorstellen? Gibt es so was<br />

überhaupt?<br />

Oh ja, das gibt’s! Letztes Wochenende zum Beispiel war ich<br />

mit Wibke am Strand in Travemünde, mit lecker Eis essen.<br />

Und ich grill’ auch manchmal mit meinen Nachbarn hier, das<br />

ist immer sehr nett. Und am Ersten Mai war ich in der Disco,<br />

tanzen.<br />

Oha, Hannes als Discotänzer? Schwingst du regelmäßig das Tanzbein?<br />

Jo! Am liebsten geh’ ich hier in Hamburg in die Minibar und<br />

ins Molotow.<br />

Wenn man sich in deinem Wohnzimmer umschaut und z. B. die Fotos aus<br />

Ecuador sieht, merkt man, dass du gerne reist. Welche Ziele reizen dich<br />

denn noch besonders?<br />

Mein letzter Urlaub ging nach Marokko, und ich könnte mir<br />

gut vorstellen, mal nach Chile zu fahren. Ich fi nde Südame-<br />

rika faszinierend, die Mentalität und die Kultur gefallen mir<br />

total, die Natur, das Kunsthandwerk, die Musik … (Hannes<br />

gerät ins Schwärmen.)<br />

<strong>Das</strong> hört sich ja richtig sehnsüchtig an – kannst du dir vorstellen, mal in<br />

Südamerika zu leben?<br />

Ich habe schon so eine Spinnerei, in den nächsten Jahren mal<br />

ins Ausland zu gehen, hier ist das Leben so hektisch. Schön<br />

wäre es, irgendwo zu sein, wo es warm ist, zum Beispiel in die<br />

USA oder nach Australien … Mein Bruder ist nach England<br />

gezogen, und das bewundere ich sehr, sich völlig auf eine<br />

andere Kultur einzulassen. Ich glaub’, ich würde aber wieder<br />

hierher zurückkommen.<br />

Also kein Alterswohnsitz in Südamerika?<br />

Nee, das wäre ja kompliziert mit der Rente!<br />

Dann bin ich ja froh, dass du uns erstmal noch erhalten bleibst! Vielen<br />

Dank für das Gespräch!<br />

42<br />

Miriam Sandabad, Stamm Kolibri<br />

Die Insel Zypern ist geteilt<br />

in den türkischen Norden<br />

und den griechischsprachi-<br />

gen Süden. Nur der südliche<br />

Teil ist seit Mai Mitglied der<br />

Europäischen Union. Bei ei-<br />

nem Volksentscheid stimmte<br />

die Mehrheit der griechischsprachigen Zyprioten gegen eine<br />

Wiedervereinigung Zyperns, während der türkische Norden<br />

dafür war. In der Präsidialrepublik leben 804 000 Menschen,<br />

davon 80 % Griechenzyprioten und 20 % Türkischzyprioten.<br />

Frühling und Herbst sind kurz, der Sommer dafür umso län-<br />

ger. Im Winter lässt sich auf Zypern Ski fahren, im Sommer<br />

kann gewandert werden.<br />

Malta teilt sich auf in drei<br />

Inseln im Mittelmeer: Gozo,<br />

Comino und Malta. In Malta<br />

leben so viele Menschen wie<br />

in Kiel und Lübeck zusammen<br />

minus Pinneberg, also rund<br />

400 000. Gesprochen wird<br />

Z Y P E R N<br />

M A L T A<br />

Maltesisch, eine dem arabischen ähnliche Sprache. Aufgrund<br />

der britischen Besatzung und vielen Emigranten aus Sizilien<br />

und Italien sprechen die meisten Malteser auch Englisch und<br />

Italienisch. Der größte Arbeitgeber ist die zweitgrößte Werft<br />

<strong>Europa</strong>s, daneben lebt Malta von europäischen Firmen, die<br />

hier aufgrund von Steuervorteilen produzieren (Playmobil,<br />

Rodenstock) und traditionell von Fischerei, <strong>Land</strong>wirtschaft<br />

und Tourismus: Einerseits eine reizvolle <strong>Land</strong>schaft, ande-<br />

rerseits aber alte Bauten, die dem UNESCO-Weltkulturerbe<br />

angehören und Maltas aufregende Geschichte dokumentie-<br />

ren: Römer, Araber, die Kreuzritter vom Jonhanniter-Orden,<br />

Franzosen und Briten, sie alle hielten die Inseln einmal be-<br />

setzt, bis sie schließlich 1964 unabhängig wurden.<br />

LRB 2’04


Öffne die Augen<br />

Kinderkram oder Fremdenfeind? Drei kurze Besuche auf deutschen Schulhöfen.<br />

LRB 2’04<br />

Ein Jungenklo an einer Hauptschule in Wedel.<br />

Zweite große Pause. Benni und Tim rauchen heimlich<br />

die Zweite-große-Pause-Zigarette.<br />

T I M . Mann, Mathe hat eben echt wieder genervt. Wenn der<br />

Poller die Arbeit wirklich so krass macht, dann kack ich ab!<br />

B E N N I . Alter, heul nicht so rum, dann schreiben wir eben<br />

vom Karsten ab, der peilt das doch eh nicht, und der Poller<br />

erst recht nicht.<br />

T I M . Hast ja recht. Ey, haste gemerkt, wie Karsten heute<br />

wieder rumgeschleimt hat? „<strong>Das</strong> heißt aber Pythagoras, nicht<br />

Pytoguras“ … Wenn ich den schon sehe, das Weichei – tota-<br />

ler Arschkriecher! Der wartet auch immer nach Bio auf die<br />

Schultze und zeigt ihr seine Hausaufgaben oder so’n Scheiß.<br />

B E N N I . Ich hab den letztens mit seiner Mutter beim<br />

Einkaufen gesehen. So sieht der auch aus, wie ’n richtiges<br />

Muttersöhnchen!<br />

T I M . Und mit Cihan und Timur hängt der auch manchmal<br />

rum und schleimt sich an die ran, von wegen Hausaufgaben<br />

erklären und so …<br />

B E N N I . Na, die haben das ja aber auch nötig, verstehen<br />

doch eh nichts, immer nur Döner, Döner …<br />

T I M . Da ist mir sogar der Schleimer Karsten noch lieber<br />

als die beiden Türken. Die tun so, als ob sie was Besonderes<br />

wären mit ihrem Stotterdeutsch.<br />

B E N N I . Mein Vater sagt immer, die nehmen einem die<br />

Arbeit weg und schnorren sich nur durch – kann ich mir bei<br />

denen auch gut vorstellen …<br />

Szenenwechsel.<br />

Ein Klassenzimmer in einer Gesamtschule in Essen.<br />

Die Lehrerin stellt eine neue Schülerin vor.<br />

F R A U D O R P . So, das hier ist Kalina, sie ist gerade aus<br />

Stettin hierher gekommen und kann deshalb noch nicht so<br />

gut Deutsch. Helft ihr doch ein bisschen, vielleicht kann sie<br />

euch dafür ja ein bisschen Polnisch beibringen.<br />

K I R A . (leise) <strong>Das</strong> ist ’ne Polin? Die hab’ ich mir immer ganz<br />

anders vorgestellt. So blass und mit Straßenköterhaaren …<br />

L O U I S E . Na ja, vielleicht hat sie ja Verwandte in Schweden<br />

oder so. Die blonden Haare finden Philipp und die anderen<br />

bestimmt wieder toll …<br />

K I R A . Na super, erst sollen wir ihr Deutsch beibringen, weil<br />

sie zu blöd ist, um es selbst zu lernen, und dann schnappt sie<br />

uns auch noch die Jungs weg, oder wie? Warum ist die über-<br />

haupt hergekommen? Soll sie doch in Polen bleiben. Gibt’s<br />

da keine Schulen, oder wie?<br />

L O U I S E . Jetzt, wo Polen auch zu <strong>Europa</strong> gehört, kommen<br />

die doch alle hierher, haben meine Eltern letztens noch ge-<br />

sagt bei den Nachrichten. Kein Wunder, ich würde da drüben<br />

auch nicht bleiben wollen! Da gibt es doch echt nix.<br />

K I R A . Nee, da wird man nur beklaut! Hoffentlich zockt uns<br />

die Tusse hier nichts weg, sonst werd’ ich echt wild.<br />

Szenenwechsel.<br />

Ein Schulhof in einer Realschule in Freiburg.<br />

In der Geschichtsstunde sollen Referate verteilt werden.<br />

H E R R M E Y E R . Dann wäre ja nur noch das Thema „Wi-<br />

derstand“ übrig. Wer möchte das denn übernehmen? Nele<br />

und Giulia vielleicht?<br />

N E L E . (leise) Nee, das kann der sich abschminken, mit der<br />

mach’ ich das nicht zusammen! Dann kommt sie wieder an<br />

und will mich zu sich nach Hause einladen, schöne Scheiße,<br />

mit ihrem Knoblauchgestank.<br />

H E R R M E Y E R . Was hast du gesagt, Nele? Lauter, ich<br />

kann dich nicht verstehen, du musst schon die Hand vom<br />

Mund nehmen.<br />

N E L E . Ich hab’ gesagt, dass ich kein Referat mit der da zu-<br />

sammen machen will.<br />

H E R R M E Y E R . Aber weshalb denn? Ihr müsst ja keine<br />

beste Freundinnen sein, so ein Referat ist doch nichts Gro-<br />

ßes.<br />

N E L E . Mit der will ich auch gar nicht befreundet sein, dann<br />

dauert das ja ewig, bis man mal was schafft, so viel, wie die<br />

redet. Außerdem, wieso soll ich ausgerechnet mit ihr was zu<br />

„Widerstand“ machen, die Italiener haben doch auch ganz<br />

schön mitgemischt mit ihrem Mussolini. Da kann sie ja mal<br />

von erzählen, weiß sie doch bestimmt ganz gut!<br />

Miriam Sandabad, LB Wölflinge,<br />

43


<strong>Das</strong> Abendprogramm: Orcé (im schlecht sitzenden Anzug) gibt Nachhilfeunterricht<br />

in Sachen Gutes Benehmen.<br />

So wird das gemacht<br />

„Unüberwundbar – Menschen mit Behinderungen“ hieß das Thema der 52. <strong>Land</strong>esversammlung,<br />

das in großen Lettern über der Bühne prangte.<br />

Gegenrede und Geschäftsordnungsantragantrag, Sitzungs-<br />

unterbrechung, geheime Wahl, persönliche Stellungnahme,<br />

die Liste ließe sich fortsetzen: Wo so viele engagierte Ehren-<br />

amtliche aufeinander treffen, mit viel Elan, mit vielen Ideen,<br />

da fliegen mitunter die Fetzen, nicht einmal Jugendverbände<br />

bleiben davon verschont. Meinungsverschiedenheiten blei-<br />

ben nicht aus, es wird vordergründig diskutiert, im Hinter-<br />

grund werden die Mehrheiten organisiert.<br />

Die <strong>Land</strong>esversammlung im malerischen <strong>Schleswig</strong> (3.–4.<br />

April) hingegen hat wieder einmal gezeigt, wie die jungen und<br />

schönen Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus dem <strong>Land</strong>esver-<br />

band <strong>Schleswig</strong>-Holstein/Hamburg so eine Vereinssitzung<br />

gestalten. Keine Skandale, keine endlosen Diskussionen um<br />

sinnentleerte Worthülsen. Stattdessen Sorgfalt und Ernst, wo<br />

sie geboten waren, und ansonsten heiter bis freundlich.<br />

Bis auf die findige Frage, ob eine Enthaltung auch wirk-<br />

lich eine Enthaltung sei – oder vielleicht doch eine Ja- oder<br />

Nein-Stimme. Es folgten zahlreiche Wortmeldungen von<br />

ausgefuchsten Enthaltungsexperten, was natürlich darauf<br />

44<br />

Der <strong>Land</strong>esvorsitzende Hannes Clausen (rechts) begrüßt die neuen Mitglieder<br />

der <strong>Land</strong>esleitung: Silvie Zett, Tine Maaß und Hulle Hilbert.<br />

zurückzuführen war, dass Versammlungsleiter Matthias Pie-<br />

per dem eifrigsten Redner ein Wochenende in der „Pension<br />

Pieper“ in Aussicht gestellt hatte. Herzlichen Glückwunsch<br />

an Axel Neumann, der die Ehre hat, sich in dem feudalen<br />

Anwesen zu vergnügen.<br />

Matthis (LB Wölflinge), Küken (LB Pfadfinder) und Male<br />

(LB Ranger/Rover) sind nach mehrjähriger Tätigkeit von<br />

ihren Posten zurückgetreten, arbeiten aber weiter in den<br />

Stufenteams mit. Die Versammlung dankte ihnen für ihr<br />

Engagement mit endlosen Ovationen. Tine Maaß (Stamm<br />

Geisterburg) kümmert sich nun mit Jonathan um die Pfad-<br />

finderstufe, Silvie Zett (auch Stamm Geisterburg) packt zu-<br />

sammen mit Miri bei den Wölflingen an.<br />

Als neue Stammesführer wurden bejubelt: Sandra Ritter<br />

(Stamm Janus), Holger Behrens (Stamm Waldreiter), Timo<br />

Barfknecht (Kolibri), Lea Heldt (Stamm Domzoo), Timo Zett<br />

(Stamm Geisterburg), Thomas Schönherr (Stamm Betei-<br />

geuze), Axel Neumann (Stamm Möwe) und Julius Wenzel<br />

(Stamm Sachsenwald). Mit diesen Personalien zementierte<br />

LRB 2’04


Willkommens-Geschenke für die neuen Stammesführungen. <strong>Land</strong>esschatzmeister Martin ist geschafft: Die Kasse stimmt, die Zuschüsse<br />

werden knapper, dem Haushalt fehlt das Geld.<br />

der <strong>Land</strong>esverband endgültig seinen Ruf, der jüngste im<br />

ganzen Bund zu sein. Einige aufstrebende Persönlichkeiten<br />

haben wir bereits im letzten LRB vorgestellt, einige kommen<br />

in diesem Heft zu Wort.<br />

Neben der formvollendeten Vereinsmeierei galt es, das<br />

<strong>Land</strong>estreffen zu feiern und zu nutzen. In Arbeitsgruppen<br />

zur <strong>Land</strong>esaktion „Unüberwundbar“ wurden die Sinne aus-<br />

getestet. Abends dann lockten Jean-Luc und Orcé zu einem<br />

französischen Abend im großen Stil. Essmanieren, Tanzstil,<br />

vollendete Liebesbriefe und die Auswahl der richtigen Gar-<br />

derobe standen auf dem Prüfstand. Zu später Stunde gab<br />

es dann sowohl die große, derbe Singerunde als auch den<br />

besinnlichen Jurtenabend mit Kulturprogramm.<br />

Zahlreiche Aktionen auf <strong>Land</strong>es- und Bundesebene wur-<br />

den vorgestellt, eine Idee spannender und interessanter<br />

als die andere. Die Delegierten stöhnten beim Blick in den<br />

prallen Terminkalender: So viel zu erleben, so wenig Zeit.<br />

Besonders das Kooperationsprojekt „Entdecke die Macht“<br />

im September, ein Beitrag zur politischen Bildung, sei hier<br />

genannt. Oder die <strong>Land</strong>essippenaktion „Meilz & Moor“. Am<br />

Rande der Versammlung wurde das Erscheinen des zweiten<br />

Wulfs mit (Kinder-) Sekt begossen.<br />

Der neue Film von Roger Moore über den Plan des plan-<br />

losen Dr. Erichsen, der in gewohnt fachmännischer Manier<br />

über Glasbodenboote, Whale-Watching, Wasserskianlagen<br />

LRB 2’04<br />

und anderweitige großräumige Planungsvorhaben vor Ort im<br />

Wackener Moor dozierte („<strong>Das</strong> muss alles weg“), rief wech-<br />

selseitig große Heiterkeit und Irritation über die Zurech-<br />

nungsfähigkeit des wagemutigen Zollstockhalters hervor.<br />

Da dieser Bericht sich streng am Schulaufsatz orientiert,<br />

kommen wir chronologisch korrekt nun langsam zum Ende<br />

der <strong>Land</strong>esversammlung und schließen mit einem Fazit, das<br />

es in sich hat. Alles in allem eine angenehme, vielseitige, hu-<br />

morvolle und impulsgebende Veranstaltung, die beim nächs-<br />

ten Mal ähnlich entspannt und locker abläuft. Oder wie Dr.<br />

Erichsen sagen würde: „’ne feine Sache“"<br />

Lucky Leder und sein dummer Hund<br />

(der Redaktion bekannt)<br />

Versammlungsleitung: Ben und Pieper behalten den Überblick.<br />

45


Kalt war’s auch<br />

Für den Draußenschlafenkurs KfS machten sich Team und<br />

Teilnehmer auf Richtung Zakopane, auch nach Polen.<br />

LRB 2’04


Endlich geht es los! Abfahrt an einem Freitagabend im März<br />

vom Hamburger Hauptbahnhof. Mit 25 Teilnehmern. Die<br />

meisten von uns kannten sich noch nicht, aber schon auf<br />

dem Berliner Ostbahnhof teilten uns die Teamer in Kurs-<br />

sippen ein. Die Fahrt mit dem polnischen Zug war schon<br />

ein Abenteuer für sich: Es gab kein Wasser, und durch die<br />

engen Gänge passten wir mit unseren sperrigen Rucksäcken<br />

kaum durch. Am Samstagmorgen, noch im Zug, startete das<br />

Programm, und nach mehr als zwanzig Stunden kamen wir<br />

endlich in Zakopane an.<br />

Nachdem wir am Sonntag und Montag einige Kurseinhei-<br />

ten zum Thema Fahrt, Recht und Finanzen und Erster Hilfe<br />

absolviert hatten, gingen wir Dienstagmittag auf Fahrt. Die<br />

Teamer hatten ein Gebiet ausgesucht, in dem wir ständig<br />

durch tiefen, matschigen Schnee stapfen mussten. So waren<br />

wir ziemlich alle, am Ende suchten nur noch Peter und Hen-<br />

drik nach einem Schlafplatz. Währenddessen packten Dörty,<br />

Aycke und ich uns in den Schnee und aßen und spielten. Aber<br />

die Jungs hatten einen prima Schlafplatz gefunden und wir<br />

konnten am Mittwoch ausgeruht weiterziehen – mit dem<br />

Bus. Abends kamen wir zusammen mit der Sippe „Eistee mit<br />

Schuss“ in dem für uns reservierten Hostel in einem Natio-<br />

LRB 2’04<br />

nalpark mit grandiosem Ausblick an. Füße eiskalt, abgefro-<br />

rene Finger, aber Stimmung okay. Am dritten Tag war die<br />

Fahrt zu Ende und wir – die Bergbratzen – kamen mittags als<br />

Erste wieder am Lagerplatz an. Abends stellten alle Sippen<br />

ihre dicke Fahrt mit lustigen Darbietungen vor. Während<br />

unserer Abwesenheit war der Schnee geschmolzen, so dass<br />

unsere Kohten unter Wasser standen. Unser toller Sippenpa-<br />

te Mobby hat alles für uns trockengelegt, aber leider hatten<br />

wir nur noch eine Nacht im Zelt. Der nächste Tag war schon<br />

der letzte. Wir bauten ab, packten unsere Sachen zusammen<br />

und stiegen gegen Mittag in den Zug nach Hause. Die erste<br />

Etappe legten wir zusammen mit den Polen zurück, denn ihre<br />

Woche war ja auch um. Mitten in der Nacht trennten sie sich<br />

von uns.<br />

Am Samstag kamen wir alle müde und kaputt in Hamburg<br />

an, wo wir uns nach einem gemeinsamen Abschlusskreis<br />

trennten und alle in ihre Richtungen weiterfuhren. Ich fand<br />

diese Woche anstrengend, aber spitze, weil ich viel über<br />

Fahrten gelernt habe und ganz viel liebe und nette Leute ken-<br />

nen gelernt habe, die ich hoffentlich bald mal wiedersehe.<br />

Alina Lewanczik (Risa)<br />

47


Belgien, 10,3 Millionen Ein-<br />

wohner, ist Gründungsmit-<br />

glied der Europäischen Uni-<br />

on. <strong>Das</strong> Staatsoberhaupt der<br />

konstitutionellen Monarchie<br />

ist König Albert II. Neben<br />

Flämisch (Niederländisch)<br />

wird Französisch und Deutsch gesprochen. Der Fluss Maas<br />

teilt Belgien in zwei Hälften: Im Norden liegt das Flachland,<br />

im Süden erstrecken sich die Ardennen. <strong>Das</strong> Klima ist gemä-<br />

ßigt, ähnlich wie in Deutschland. Der Nordwesten grenzt an<br />

die Nordsee, im Nordosten steigt das <strong>Land</strong> allmählich an. Der<br />

Botrange im Osten, nahe der Grenze zu Deutschland, ist die<br />

höchste Erhebung Belgiens mit 694 Metern. <strong>Das</strong> Wahrzei-<br />

chen Belgiens, das Atomium (siehe Bild unten), ist in Brüssel<br />

für die Expo 1958 erbaut worden und steht dort immer noch.<br />

Brüssel ist außerdem das „Herz <strong>Europa</strong>s“: Hier haben die<br />

Europäische Kommission und die NATO ihren Sitz. Belgien<br />

ist aber auch für seine Waffeln, feine Schokolade, Fritten, die<br />

Schlümpfe, Tim und Struppi und sein Bier berühmt – und<br />

nicht zu vergessen die beliebte Statue „Männeken Pis“.<br />

48<br />

B E L G I E N<br />

ja/nee Ja/nein<br />

Pardon/excuseerd Entschuldigung<br />

Bedankt Danke<br />

Dag Guten Tag/Hallo<br />

Gezondheid! Gesundheit!<br />

Goede reis! Gute Reise!<br />

Wij hebben ’n plezanten dag gehad. Wir haben einen schönen Tag gehabt.<br />

Is er een vegetarisch gerecht? Gibt es ein vegetarisches Gericht?<br />

Het was heel lecker <strong>Das</strong> war echt lecker!<br />

Kunt gij dat als cadeau inpakken?<br />

Könnten Sie mir das als Geschenk<br />

einpacken?<br />

Grundkurs<br />

Eine kleine Impression vom diesjährigen<br />

Grundkurs Nord.<br />

Wie schon in den letzten Jahren fand der Grundkurs Nord<br />

auch dieses Mal wieder in Barmstedt statt. Also kehrten ei-<br />

nige Geisterburger der Schule den Rücken, schulterten ihre<br />

Affen und machten sich auf den Weg zur Jugendbildungs-<br />

stätte. Mit dabei waren Thorge, Frauke, Katie, Maiken,<br />

Timo, Tanja, Mel, Benni und Simon. Insgesamt brachte der<br />

Kurs den meisten von uns lehrreiche und schöne Tage, ob-<br />

wohl Mel, Benni und Simon leider schon zwei Tage früher<br />

fahren mussten. Um Euch einen Einblick in einen Kurstag<br />

zu geben, verfasste Timo die folgenden Zeilen.<br />

Ich sitze jetzt zum zweiten Mal auf diesem Kurs in der<br />

abendlichen Singerunde. Die ersten fl üchtigen Bekannt-<br />

schaften werden besser, will sagen: Man kennt die wich-<br />

tigsten Namen und spricht sie auch richtig aus. Neben mir<br />

sitzt zum Beispiel Nicklas aus meiner Runde, der gestern<br />

auch mit am längsten wach war.<br />

Die Kurseinheiten für die einzelnen Stufen haben erst<br />

heute Abend angefangen. War zwar alles noch etwas<br />

zurückhaltend, aber ganz nett. Der Vormittag war dem<br />

Wochenprojekt gewidmet, heute Mittag haben wir erst<br />

ein bisschen rumgekuschelt, danach war ich dann in der<br />

Aktivzeit im Schlamm Rugby spielen. Meine Runde nimmt<br />

am Schokoladen-Projekt teil und auch über die Pädagogi-<br />

sche Konzeption wurden wir schon informiert.<br />

Es sind alle noch ein bisschen fremd, obwohl man, wie<br />

gesagt, hier und da schon Fortschritte macht …<br />

“… a weak arm or a strong for to draw …”<br />

Simon legt die Trommel weg, aber der Gesang klingt<br />

echt knackig. Gute Nacht oder schönen Abend noch.<br />

LRB 2’04


Liebeslustundlachgedichte<br />

Wieder stellen wir ein aktuelles Buch eines Pfadfinders vor. Jan Kaiser schreibt<br />

lustige und charmante Lyrik. Die LRB-Buchsprechung.<br />

„Meine liebe Ingeborg, / ich vermiss dich sehr / Wenn man<br />

doch auf Bohrinseln / nicht so einsam wär! / Ich trag hier<br />

einen gelben Helm / und polier die Pumpen. / Die Kollegen<br />

lachen oft, / die könn’ mich mal, die Lumpen.“<br />

Herzschmerz live von der Bohrinsel – wen berührt so<br />

etwas nicht? Egal ob Liebesleiden oder ein Gespräch am<br />

Kaffeetisch: Wenn man will, reimt sich alles, und Jan Kaiser<br />

schafft es mit feinem Humor, daraus<br />

charmante Geschichten zu machen.<br />

Für jede passende oder gern auch<br />

unpassende Situation im Leben hat<br />

er etwas bereit; sei es zum politischen<br />

Weltgeschehen wie in „Augenbrauen<br />

oder Reim über die ökonomische Not-<br />

wendigkeit der Stabilität einer euro-<br />

päischen Einheitswährung, gedichtet<br />

zu Regierungszeiten von Herrn Dr.<br />

Helmut Kohl (CDU)“ oder zu den in-<br />

timen Gedanken eines Bademeisters:<br />

„Selbsterkenntnis am Beckenrand:<br />

(…) Ich gleiche den Göttern, auf kurz<br />

oder lang / (Gnädiges Fräulein, es<br />

herrscht Kappenzwang!) / wird man<br />

mir steinerne Denkmäler bauen. / (Die Herren hier rechts<br />

und dort drüben die Frauen!)“<br />

Zentral natürlich auch in „Wie Schwech und Pefel“ das<br />

große Thema aller Dichter seit Menschengedenken: die<br />

Liebe. Ihr widmet Jan Kaiser gleich die Hälfte seines Ge-<br />

dichtbands, und dies begründet er im Vorwort selbst auch<br />

ganz ehrlich und überzeugend: „Und ist es nicht tatsächlich<br />

immer die Liebe, das alte Haus, die den Dichtern die Feder<br />

führt? Diese ursprünglichste und stärkste aller Kräfte,<br />

mächtiger als ein übellauniger Vulkan und inbrünstiger als<br />

eine kalbende Nilpferdkuh? Ich denke schon.“<br />

Beispiele und Anekdoten aus der Tierwelt findet man bei<br />

Jan Kaiser ebenfalls zahlreich, also werden Schwöpse erfun-<br />

den und Hühner in die Suppe gesteckt, und der Wissenschaft<br />

und altklugen Literaten setzt er schnodderige Nonsensreime<br />

LRB 2’04<br />

entgegen, die doch irgendwie immer ein bisschen Wahrheit<br />

tragen.<br />

Da mag es einige geben, die sagen, diese Reimerei sei<br />

albern und überflüssig, wahre Gedichte müssten Dramatik<br />

und Tiefgang haben – der Originalität Jan Kaisers tut das<br />

keinen Abbruch. Liebesschwärmerei und Herzschmerz wer-<br />

den ironisch durch den Kakao gezogen, die Pointen gehen<br />

zwar manchmal unter die Gürtellinie,<br />

aber fast immer findet der Leser eine<br />

Situation, die ihm bekannt vorkommt.<br />

Und merkt: Mit einem feinen Reim<br />

sieht das alles gar nicht mehr so wild<br />

aus – oder dann erst recht.<br />

Angst vor Interpretationsdiskus-<br />

sionen braucht Ihr jedenfalls nicht<br />

haben: Auf die im Deutschunterricht<br />

sehr beliebte Methode „Gedichtana-<br />

lyse“ legt Kaiser keinen gesteigerten<br />

Wert, während seiner Schulzeit be-<br />

hauptete er stets, die Dichter dachten<br />

sich nichts bei ihrem Werk oder haben<br />

„sich vollaufen lassen wie ein Eimer<br />

und im Suff diese paar sinnlosen Zei-<br />

len auf einen Streifen Klopapier gekliert“.<br />

Lyrik also mal anders lesen, Gedichte und Lebensweis-<br />

heiten zum Lachen anstatt bedeutungsschwere „Ahas“ und<br />

Stirngerunzel. Poesie zum Anfassen, denn Jan Kaiser ist<br />

auch den Pfadfindern nicht fremd: Als „alter Hase“ vom<br />

Stamm Kolibri las er beispielsweise auf dem Hamburger<br />

Singewettstreit dieses Jahres vor einem überfüllten Audi-<br />

max aus seinem Buch – die Lacher waren auf seiner Seite.<br />

Miriam Sandabad, LB Wölflinge,<br />

Stamm Kolibri<br />

„Wie Schwech und Pefel“ von Jan Kaiser (der nette Mensch<br />

auf dem Foto), mit Illustrationen von Rudi Hurzlmeier,<br />

Knaur Verlag, 160 Seiten, 10 Euro.<br />

49


Roland Fiedler erklärt den Delegierten der 31. Bundesversammlung in Immenhausen das Konzept des Lagerladens. <strong>Schleswig</strong>-Holstein/Hamburg sitzt rechts in der<br />

ersten Reihe. Am Tisch in der Mitte Christian Rave (Versammlungsleitung), darüber: Axel, Sandra, Lea, Silvie, Hannes, Mobby, Orke und Ole.<br />

Gut, gesund, genussvoll<br />

Die Bundesversammlung unterstützt das Konzept des Lagerladens. In Wolfsburg<br />

wird 2005 ökologisch, vollwertig und preisbewusst gegessen.<br />

<strong>Das</strong> Bundeslager in Wolfsburg rückt immer näher, die Pla-<br />

nungen nehmen Gestalt an, der Sanitätsdienst diskutiert<br />

die Praxisgebühr, der Programmarbeitskreis will T-Shirts<br />

für alle, Luftbilder des Lagerplatzes werden verteilt. Auf der<br />

zweiten, der „richtigen“ Bundesversammlung 2004, wurden<br />

die Delegierten über den Stand der Planungen informiert,<br />

die Unterlagerleitungen bekamen konkrete Fakten mit nach<br />

Hause. Und es galt, über einen Antrag zu entscheiden.<br />

„Antrag. Die Regelung des Lagerladens und der Verpfle-<br />

gung (soll Bestandteil des Bundeslagerbeitrags werden), ein<br />

Beschluss der 29. Bundesversammlung, wird aufgehoben.<br />

Jedem Stamm muss die Möglichkeit zum selbstständigen<br />

Einkaufen gegeben werden. Wir begrüßen die Idee eines La-<br />

gerladens, sprechen uns aber eindeutig gegen einen Pflicht-<br />

50<br />

beitrag aus. <strong>Land</strong>esverband Rheinland-Pfalz/Saar.“<br />

Dunkle Erinnerungen werden wach. Der nicht immer<br />

unkomplizierte Globokauf mit seinem nicht immer optima-<br />

len Sortiment. Die schwierige Zusammenarbeit mit einem<br />

professionellen Großhändler. Außerdem die Masse von un-<br />

abhängigen Köchen, die mit Transporten und Kleinwagen<br />

die Parkplätze der umliegenden Supermärkte blockierten.<br />

Die verunsicherte Bevölkerung, die mittags schon kein Brot<br />

mehr kaufen konnte. Der ökologische und ökonomische<br />

Wahnsinn.<br />

„Viele Menschen essen sich dick, dumpf, krank, werden<br />

derart zu verheerenden Vorbildern für ihre eigenen Kinder<br />

– und sie haben nicht einmal Spaß dabei. Sie haben ver-<br />

gessen, wie sie sich ‚natürlich‘ oder sonst wie vernünftig<br />

LRB 2’04


ernähren soll, wie man sich einigermaßen ausgewogen, gut,<br />

lustvoll verköstigt.“<br />

Vor Diskussion und Abstimmung über den Antrag berich-<br />

teten die Bundeslager-Planer von ihren Anstrengungen. Für<br />

den Lagerladen konnte Roland Fiedler gewonnen werden.<br />

Im normalen Leben eröffnet er als Mitinhaber einer Reform-<br />

hauskette im Raum Frankfurt jedes Jahr zwei Läden. Er er-<br />

innert an das Bundeslager Friedeburg 1993, damals sei noch<br />

alles gut gewesen. „Zu dem Standard will ich zurück. Essen<br />

ist wichtig, und richtig essen will gelernt sein.“ Roland erklärt<br />

auch gleich, was er sich darunter vorstellt: Fachbereiche will<br />

er Spezialisten überlassen, der Bäcker backt das Brot, der<br />

Metzger macht die Wurst. Zum Sortiment soll es passende<br />

Rezeptvorschläge geben, damit die die feilgebotenen Lebens-<br />

mittel zu einem schmack- wie nahrhaften Essen werden. Der<br />

Lagerladen teilt sich in vier Bereiche: Discountbereich, Qua-<br />

litätsbereich, Genussbereich und einen Kiosk.<br />

„Nur noch in einem Drittel aller deutschen Haushalte<br />

wird täglich gekocht, je jünger die Leute, je kleiner die Haus-<br />

halte, desto seltener. Und die Aussage ‚Es wird gekocht‘, ist<br />

irreführend. Die Rede ist nur noch von einem Zeitaufwand<br />

von kaum einer halben Stunde für die Zubereitung aller<br />

Speisen eines Tages. Kochen wird von der großen Masse<br />

der Deutschen nicht länger verstanden als der relativ lang-<br />

wierige Prozess des Auswählens, Beschaffens, Zubereitens,<br />

Verzehrens. Wer heute Kochen sagt, meint immer öfter:<br />

Tüten aufschneiden, Büchsen öffnen, Portionsschalen in<br />

Mikrowellen schieben, und nicht von ungefähr sind im Su-<br />

permarkt die Tiefkühlpackungen immer häufiger mit der<br />

Botschaft bedruckt: ‚in 3 Minuten fertig‘, ‚nur 1 Minute Gar-<br />

zeit‘, ‚fix und fertig in 2 Minuten‘.“<br />

Im Discountbereich soll es preiswerte Grundnahrungs-<br />

mittel wie Mehl und Nudeln geben, zu ähnlichen Preisen wie<br />

im Supermarkt, möglichst aber aus ökologischer Produktion.<br />

Gemüse und Kartoffeln müssen nicht unbedingt Hunderte<br />

von Kilometern aus Bayern herangekarrt werden. <strong>Das</strong> wird<br />

möglich, weil Roland im Vorfeld mit netten freundlichen<br />

Großhändlern und kleinen Anbietern vor Ort verhandeln<br />

will. Die möchten natürlich auch Geld verdienen, aber es sei<br />

möglich, mit den richtigen Leuten zusammenzuarbeiten und<br />

die richtigen Sachen zu bekommen: „Bio-Hirsewürste sind<br />

nirgendwo so billig wie in Wolfsburg“, lacht Roland. Dafür<br />

aber, klar, braucht er einen festen Betrag, mit dem er in die<br />

Verhandlungen gehen kann. Im Qualitätsbereich sollen dann<br />

LRB 2’04<br />

fair gehandelte, ökologische und vollwertige Lebensmittel be-<br />

reitstehen, also Produkte, die über den Minimalstandard der<br />

EG-Öko-Verordnung hinausgehen. Weil auch ein ökologisch<br />

einwandfreies Produkt mit tausend Siegeln und Gütezeichen<br />

nicht unbedingt einer vollwertigen Ernährung zuträglich ist,<br />

wird der Qualitätsbereich höhere Anforderungen an sein<br />

Sortiment stellen. „Sich was zu gönnen“, ist schließlich im<br />

Genussbereich möglich. Hier soll es die feinen (und etwas<br />

teureren) Sachen geben, wie gut gereiften Rohmilchkäse oder<br />

einen edlen Tropfen Wein. Der Kiosk bietet dann natürlich<br />

ein Sortiment aus Snacks an, aber eher nicht die üblichen<br />

Zuckerbomben mit Gensoja. Genuss- und Kioskbereich<br />

sollen etwas Gewinn rausschlagen und den Discount- und<br />

Qualitätsbereich subventionieren. Den Rabatt, den Roland<br />

bei den Großhändlern erhandelt, wird er an die Kunden,<br />

sprich: die Stämme, weitergeben. Insgesamt soll der Laden<br />

kostenneutral arbeiten.<br />

Der Antrag des LV Rheinland-Pfalz/Saar wird schließlich<br />

abgelehnt, pro Person und Tag werden 2,50 Euro des Lager-<br />

beitrags fest fürs Essen verplant. Der Bund unterstützt einen<br />

fairen Kompromiss zwischen Qualität, Preisbewusstsein und<br />

Umweltverantwortung. Für gutes, gesundes und genussvol-<br />

les Essen.<br />

„In steigendem Maße konsumiert<br />

die Mehrheit der Deutschen das<br />

Falsche, zumeist in viel zu großer<br />

Menge, so gut wie immer in mangelhafter<br />

Zusammensetzung, oft in<br />

katastrophaler Qualität.“<br />

Ole Reißmann,<br />

Stamm Waldreiter<br />

Zitate aus: „Tellergericht. Die Deutschen<br />

und das Essen.“ von Ullrich Fichtner,<br />

Deutsche Verlags-Anstalt DVA, München<br />

2004. 240 Seiten, 17,90 Euro.<br />

51


The Moore you know<br />

<strong>Das</strong> <strong>Land</strong>espfingstlager 2004 in Wacken: „Dr. Erichsens Plan“ klingt verlockend.<br />

Mit viel Geld werden Siedler in einer Moorkolonie gelockt.<br />

Was braucht man für ein geniales Pfingstlager? Eine tolle<br />

Spielidee – und Dr. Erichsen. Und so fing alles an: Es war<br />

sonniger Freitag in einer wunderschönen stillgelegten Kies-<br />

grube in Wacken. Wacken, einem Ort mit Festivalcharakter.<br />

In eben jeder Exkiesgrube stehen die portablen Plastikluxus-<br />

toiletten schon aufgereiht, in den Waschzelten sprudelt das<br />

kühle Nass durch die ausgesägten Rohrbecken. Noch markie-<br />

ren nur Bänder die künftigen Unterlager, erst vereinzelt ste-<br />

hen Jurten auf dem Platz. Eine Hand voll R/Rs wuselt über<br />

den Platz, weitere Jurten werden hochgezogen, Kochzelte,<br />

erste Kohten. Dort, im Unterlager Hohn, hat der Bau des<br />

Lagertores bereits begonnen. Die zukünftige Moorkolonie<br />

nimmt langsam Formen an, die Pinte ist errichtet, das Zir-<br />

kuszelt steht, ebenso das Pressezentrum. Langsam trudeln<br />

weitere R/Rs auf dem Lagerplatz ein und helfen, die Kolonie<br />

für die Siedler-Sippen vorzubereiten. Als die Sonne den west-<br />

lichen Waldsaum erreicht, schlendern die R/Rs in Richtung<br />

Pinte. Dort ist ein Grill aufgebaut, leckere Speisen belohnen<br />

die Kolonisten, immer mehr Leckereien werden aufgefahren.<br />

Jetzt noch schnell vor Einbruch der Dunkelheit in den Wald,<br />

Holz holen und dann mit vielen alten Bekannten den „Hello<br />

Again“-Abend feiern. Noch ein wenig Gesang und dann ab in<br />

den Schlafsack. Samstag sollte ein langer Tag werden.<br />

Nach einem gemütlichen Frühstück im Stamm kommen<br />

langsam auch schon die ersten Siedler-Sippen in der Moorko-<br />

lonie an und schlagen ihre Koten auf. Die anfangs noch gro-<br />

ßen, freien Flächen werden immer kleiner, die Moorkolonie<br />

52<br />

wächst. Und wird eröffnet, 15 Uhr, Ehrengast: der dänische<br />

König. Anlässlich des hohen Besuches wurden vorher noch<br />

mal ausgiebig das Applaudieren, die dänische Nationalhym-<br />

ne „Smørebrø, Smørebrø røm tøm tøm tøm“ und eine „La<br />

ola“ eingeübt. Dann kam er, auf einem Luxussofa liegend, ge-<br />

tragen von acht Untergebenen. Etwas peinlich: Kein Dolmet-<br />

scher steht zur Verfügung. Publikumsliebling Orke erkennt<br />

die Gunst der Stunde und springt auf die Bühne neben Dr.<br />

Erichsen. Dr. Erichsen, der immer noch ganz aufgeregt ist,<br />

stellt nun sein Besiedlungskonzept und den Wirtschaftsplan<br />

für die Moorkolonie vor. Nach den wichtigsten Erläuterun-<br />

gen werden schon die ersten 180 Torftaler ausgeteilt, aus der<br />

Moorkolonie soll ein Wirtschaftsparadies werden, gesponsert<br />

vom dänischen König. Sechs schwierige Aufgaben galt es zu<br />

lösen, um bei der „Agentur für Lohn und Brot“ eine Arbeits-<br />

kennziffer zu bekommen, ohne die die Arbeitserlaubnis wert-<br />

los wäre. Mit der Arbeitszulassung vermittelt die „Agentur<br />

für Lohn und Brot“ weiter. Es gibt die verrücktesten Sachen,<br />

von Tellerwäschern bis hin zu Massagen ist alles zu bekom-<br />

men, sogar verheiraten lassen kann man sich hier, um Geld<br />

zu bekommen. Die Wirtschaft wächst und wächst, allerdings<br />

kommt es durch die vom Koloniepersonal immer wieder zu-<br />

sätzlich eingebrachten Torftaler zur Inflation.<br />

Später dann der Dorfabend in den Teilkolonien. In Fried-<br />

richsholm zum Beispiel wird der zentrale Lagerbau errichtet,<br />

ein wunderschöner Aussichtsturm, der am folgenden Tag<br />

noch weiter ausgebaut werden sollte. Beim R/R-Programm<br />

LRB 2’04


„Klönen und Frönen“ wird von Fahrten, großen Reisen und<br />

anderen tollen Erlebnissen erzählt. Zusätzlich gibt es um 12<br />

Uhr ein großes Spektakel für Mobby, der nun Geburtstag<br />

hat, und ohne den es das Pfila so sicher nicht gegeben hätte.<br />

Danach starten zum Teil sehr ausgiebige Singerunden in den<br />

Stämmen, was man noch am nächsten Morgen bei einigen<br />

gut erkennen kann. Nach dem Frühstück und der Morgen-<br />

runde im Unterlager versammeln sich alle Kolonisten wieder<br />

um 9 Uhr in der Arena, um sich dort auf das Dorfturnier<br />

vorzubereiten. Wieder mit dabei: der dänische König. Die-<br />

ser war schon am Vortag durch die einzelnen Dörfer Hohn,<br />

Friedrichsholm, Christiansholm und Meggerdorf gestreift,<br />

um das schönste Dorf zu finden. Die Entscheidung für Hohn<br />

(<strong>Das</strong> Eingangstor! Der zentrale Marktplatz!) fällt knapp aus.<br />

Die besten Kolonisten müssen nun antreten, um ihrem Dorf<br />

Ruhm und Ehre zu bringen, das beste Dorf soll durch Prüfun-<br />

gen in verschiedenen Disziplinen ermittelt werden. Sportli-<br />

che (Völkerball) und künstlerische (Flaggen gestalten) Fähig-<br />

keiten werden geprüft, dann auch noch Pionierskunst (Sänfte<br />

bauen). Letztendlich gewinnt Hohn den Wettbewerb.<br />

Schnell essen, weiter geht es mit der guten Ausbildung, die<br />

ein Kolonist braucht. Pionieren, aber auch Gedichte schrei-<br />

ben, alles müssen die Kolonisten selbst machen. Und natür-<br />

lich gibt es ein ordentliches Lehrlingsgeld, noch mehr Moos<br />

für die mutigen Moorbewohner. An diesem Abend: Dorffest.<br />

Die <strong>Land</strong>esaktion „Unüberwundbar“ wird präsentiert, später<br />

gibt es eine große Abendrunde mit allen Kolonisten. Danach<br />

geht es weiter in den gemütlichen Singerunden und mit<br />

einem ausgezeichnetem R/R-Programm in der Pinte. <strong>Das</strong><br />

Thema heute lautete: „Die Nacht des Sports.“ Ausgeschrie-<br />

ben werden ein „glowing in the dark“ - Fußballturnier, Arm-<br />

drücken und Twisterwettbewerbe.<br />

LRB 2’04<br />

<strong>Das</strong> „glowing in the dark“-Turnier sieht folgendermaßen<br />

aus: Zuerst werden die Mannschaften mittels phosphorisie-<br />

render Farbe (ungiftig, klar) im Gesicht gekennzeichnet, jede<br />

Mannschaft hat ihr eigens Symbol im Gesicht. Anschließend<br />

halten alle Spieler ihre Gesichter vor die Scheinwerfer ei-<br />

nes speziell dafür hergeholten VW-Transporters. Während<br />

dessen wird auch der Ball mit Farbe aus Knicklichtern zum<br />

leuchten gebracht, außerdem werden das Spielfeld und die<br />

Tore mit Knicklichtern abgesteckt. Nun gilt es, den Sieger der<br />

fünf angetretenen Mannschaften zu ermitteln. Vollkommen<br />

unparteiisch Unparteiischer ist Orke, der Held der Massen.<br />

Im Spiel selbst ist von den Symbolen auf den Gesichtern erst<br />

unter einem Meter Entfernung etwas zu erkennen, enorme<br />

Spannung auf dem Spielfeld. Ständig muss der Ball neu be-<br />

sprüht werden, die Leuchtfarbe haftet an den Schuhen der<br />

Spieler. Sieger des Turniers werden das Geisterburger Profi-<br />

team, zweitplaziert das Goldene-Reiter-Team „Aufbau Ost“.<br />

Fröhlich wird in der Pinte weiter gesportlert, gesungen<br />

und gefeiert. Als dann die Sonne wieder aufgeht und die<br />

ersten Gesichter schon aus den Zelten gucken, verkriechen<br />

sich die letzten Nachtgestalten erst in ihren Schlafsäcken um<br />

wenigstens noch eine Stunde schlafen zu bekommen. Nach<br />

Morgenrunde und Frühstück auf dem großen Platz zwischen<br />

Kolonie und Pinte schrumpft die Kolonie auch schon, die<br />

Siedler verlassen das Moor wieder. Dr. Erichsens Plan mag<br />

vielleicht genial gewesen sein, funktioniert hat er nur für ein<br />

Wochenende.<br />

Robert Kästner,<br />

Aufbaugruppe Goldene Reiter<br />

53


Ein Mann, ein Projekt<br />

Dr. Erichsen: Ein Mann seiner Zeit. Wir dokumentieren mit einem Pressespiegel<br />

der „Moor-News“ Aufstieg und Fall eines verkannten Genies.<br />

[…] „Da muss man natürlich zupacken“, sagt Dr. Erichsen<br />

mit einem süffi santen Lächeln auf den Lippen. Mit beiden<br />

Beinen steht der sympathische ältere Herr in seiner Wathose<br />

im Herzen des Steinburgischen Moors und lässt sich genuss-<br />

voll zu Visionen und ausschweifenden Tiraden verleiten. Er<br />

hat all das geschaffen. Den Plan, das Anwerben von Koryphä-<br />

en in den beteiligten Branchen, die Überzeugungsarbeit. All<br />

das soll nun Wirklichkeit werden. […] Moor-News 05/04<br />

[…] obwohl die Entscheidung aufgrund der sprachlichen<br />

Differenzen und der auf dänischer Seite vorhandenen Res-<br />

sentiments gegen einen deutschen Bebauungsplan im Vor-<br />

wege nicht zu seinen Gunsten auszufallen schien, konnte Dr.<br />

Erichsen mit seiner eloquenten Art während der zwanzigmi-<br />

nütigen Vorstellung Punkte gut machen. […] Moor-News<br />

05/04<br />

[…] „Mit Dr. Erichsen als Experten der Kosmosophie und In-<br />

genieurswissenschaften hat sich ein autodidaktischer Stern<br />

am noch so jungen Himmel der Moorkolonisation aufgetan.“<br />

So stockte den geladenen Gästen in <strong>Schleswig</strong> schlichtweg<br />

der Atem als Erichsen in halsbrecherischer Manier auf der<br />

Leinwand agierte. Ohne seinen Körper zu sichern oder sich<br />

überhaupt der Gefahr bewusst zu sein, wagte er sich in einen<br />

unerforschten Moortümpel, in dem man vor lauter Torf-<br />

schwärze den Grund nicht sehen konnte. Ausschließlich mit<br />

54<br />

einem Zollstock bewaffnet demonstrierte er fachmännische<br />

Gelassenheit und absolvierte die ihm selbst auferlegte Mut-<br />

probe spielend. […] Moor-News 05/04<br />

[…] „The point of no return“, erklärt uns der kleine hekti-<br />

sche Mann mit der viel zu großen Brille hinter vorgehaltener<br />

Hand. In der anderen hält er einen ausgefahrenen Zollstock,<br />

als wolle er im nächsten Moment das vermessen, was ihm<br />

über den Weg läuft. Immer auf der Hut zu sein und darum<br />

auch sein wichtigstes Arbeitswerkzeug niemals aus der<br />

Hand zu legen gehört zu seinen grundlegenden Prinzipien.<br />

„Manchmal beschwert sich meine Frau, weil der Stock doch<br />

in gewissen Situationen etwas störend wirken kann“, fügt er<br />

leise hinzu und kichert sich eins. <strong>Das</strong>s es Frau Erichsen den-<br />

noch gut mit ihm meint, zeigt die breite Unterstützung, die<br />

der idealistische Ingenieur auch in psychologischer Hinsicht<br />

aus Familie und Freundeskreis erhält. „Natürlich leiden bei<br />

so einem Großprojekt immer die Familie und der Freun-<br />

deskreis unter Entzugserscheinungen. Aber andererseits<br />

freuen sich auch alle für mich und meine Karriere. Von Neid<br />

kann da keine Rede sein.“ Dr. Erichsen wirkt in diesen Tage<br />

nachdenklich. […] Höf lich, aber dennoch reserviert, schüttelt<br />

unser Interviewpartner ein paar Hände, auch die der umste-<br />

henden Bauarbeiter, die von der Situation ein wenig über-<br />

rumpelt scheinen, und macht sich in seinem unverkennbaren<br />

watschelnden Gang auf zu seinem Baucontainer an der Süd-<br />

LRB 2’04


seite des Baugrundes. Sein Pressesprecher scheint ebenso<br />

etwas überrascht von diesem abrupten Ende des Rundgangs,<br />

rettet aber die Situation indem er die anwesende Pressemeu-<br />

te zu einer Tasse Kaffee in die eigens für diesen Anlass errich-<br />

tete PR-Jurte bittet. Bei einem Gespräch unter vier Augen<br />

erklärt er mir: „Sie müssen Dr. Erichsen verstehen. In einer<br />

halben Stunde wird sein Büro-Container abgeholt um Platz<br />

zu schaffen für die so genannte Pinte. Dann wird seine letzte<br />

Rückzugsmöglichkeit fort sein und er fühlt sich dadurch ver-<br />

wundbar. Immerhin ist es sein Kopf, der rollt, wenn die ganze<br />

Mission scheitert. Da kann schon ein Regenschauer von we-<br />

nigen Stunden ausreichen und in dieser Grube, in der wir uns<br />

befinden, schwimmen uns alle Felle weg. Ist doch klar, dass<br />

ihm jetzt die Muffe geht. <strong>Das</strong> habe ich übrigens nicht gesagt.“<br />

[…] Moor-News 06/04<br />

Interview mit Filmproduzent Roger Moore […] Wir hatten<br />

für den Dreh genau vier Stunden Zeit, wobei es durch die<br />

Anreise unseres Protagonisten mit der Bahn aus Berlin bis<br />

zum Schluss spannend war, ob wir den Zeitplan würden ein-<br />

halten können. Die Gags und die Texte sind uns dann spon-<br />

tan gekommen. Wobei ich ganz großes Lob an Dr. Erichsen<br />

aussprechen möchte, der sich vor der Kamera sehr natürlich<br />

verhalten hat. Was entscheidend für die Glaubwürdigkeit<br />

des Films ist. Ich denke, dass die Zuschauer vor allem durch<br />

seine Präsenz in eine Art Bann geraten.<br />

Ist es nicht unfair, dass die Zuschauer über ihn lachen?<br />

<strong>Das</strong>s er sich vor der Kamera blamiert?<br />

<strong>Das</strong> sehe ich nicht so. Erstens ist seine Art, sich zu geben,<br />

nicht lächerlich, sondern ehrlich. Und zweitens stellt ihn die<br />

Kamera nicht bloß. Gegen diesen Vorwurf möchte ich mich<br />

deutlich verwehren. Die viel zitierte Szene zum Beispiel, in<br />

der das Wasser in seine Hose läuft, ist auf Dr. Erichsens<br />

eigenen Wunsch hin in den Film integriert worden. Er will<br />

damit verdeutlichen, dass er kein Übermensch ist. <strong>Das</strong>s die<br />

Moorkolonisation als solche auch mit Gefahren und Rück-<br />

schlägen verbunden ist. […] Moor-News 06/04<br />

LRB 2’04<br />

Nils Petersen, Stamm Kolibri,<br />

für die „Moor-News“<br />

Hat gut Lachen: Der neue Hausherr in Eutin, Axel.<br />

Gewählt<br />

Axel ist „der Neue“ von Stamm Möwe<br />

„An der Intelligenz scheitert es bei dir nicht, Axel“, hat mal<br />

ein Lehrer zu mir gesagt. Na ja, zumindest bin ich 17 Jahre<br />

alt und versuche nächstes Jahr, meine Reifeprüfung abzu-<br />

legen. Die brauch’ ich, da ich mich für ein duales Studium<br />

zum Wirtschaftsinformatiker bewerben möchte.<br />

Wenn ich meine sonstige Zeit nicht gerade mit Freun-<br />

den, Feiern oder anderen sinnlosen Veranstaltungen ver-<br />

bringe, bin ich bei den Pfadis, natürlich bei den guten alten<br />

Möwen aus meiner kleinen Hauptstadt Eutin.<br />

Dieser komische Verein hat mich jetzt schon seit zehn<br />

Jahren in seinen Bann gezogen. In dieser Zeit habe ich na-<br />

türliche viele Fahrten und Lager erlebt und bla und blub.<br />

Wirklich spektakulär ist höchstens, dass ich dieses Jahr als<br />

einer von drei <strong>BdP</strong>lern (und einer von zwei Möwen) auf das<br />

World Moot nach Taiwan fahre.<br />

Wenn ich dann irgendwann einmal wiederkomme, hoffe<br />

ich, noch viel Zeit und Spaß mit Euch zu haben. Gut Pfad<br />

und seid allzeit bereit,<br />

Lord Axel-Ole of Eutin<br />

55


Die müssen verrückt sein: Die „Agentur für Lohn & Brot“ auf dem <strong>Land</strong>espfingstlager schmeißt mit lukrativen Jobangeboten nur so um sich.<br />

Ein- und Ausblicke<br />

Der Panoramakurs für Quereinsteiger auf dem <strong>Land</strong>espfingstlager<br />

„Wie, ich muss die Karte jetzt einnorden? Da oben ist doch<br />

Norden! Und außerdem hab ich das mit der Marschzahl<br />

auch noch nicht kapiert.“ Vor solchen Fragen standen wir<br />

auf der Fahrt zum <strong>Land</strong>espfingstlager am Samstagvormittag<br />

bei einer kleinen Verschnauf- und Einheitspause. Die Füße<br />

waren wund gelaufen und der Rücken meldete sich ab und<br />

zu mal. „Also irgendwie ist mein Rucksack noch nicht richtig<br />

eingestellt. Wo muss man denn hier ziehen?“ Es war ja alles<br />

irgendwie neu. Zumindest für die Hälfte von uns sechs „er-<br />

wachsenen“ Teilnehmern dieses Quereinsteigerkurses.<br />

Drei von uns sind schon Pfadfinder, aber entweder erst<br />

seit kurzem oder aus einem anderen Bund kommend, und<br />

drei weitere wollen es werden. Da bietet sich ein Kurs für<br />

Quereinsteiger, die Pfadfinderei nicht seit ihrer Kindheit<br />

erleben, an. Im Modul 1 „Pfadfinderei erleben“ behandelten<br />

wir die Themen „Lager, Fahrt und Hajk“, „Stufen des <strong>BdP</strong>“,<br />

Aufgaben, Inhalte und Zusammensetzung des Stammesrats<br />

und „Gruppenstunde in Theorie und Praxis“. Im Modul 2<br />

„Pfadfindertechniken“ erfuhren wir Neues über Karte und<br />

Kompass, Knoten, Spiele, Zelte und ihre Konstruktionen als<br />

auch Musisches und Kreatives. Eingebettet in die Einheiten<br />

waren ein Wolfslauf, ein Schweigemarsch und diverse Spiele<br />

sowie spannende Methoden der Reflexion.<br />

<strong>Das</strong> erste Pfadfinderfeeling erlebten wir auf unserer<br />

Wanderung am Freitag vom Bahnhof Itzehoe zum Heim<br />

von Stamm Janus zur ersten Übernachtung in einer Kothe.<br />

Die zweite Wanderung am Samstag führte uns zum <strong>Land</strong>es-<br />

56<br />

pfingstlager nach Wacken. Für unsere Einheiten bauten wir<br />

uns eine eigene Kursjurte auf und für gemeinsame Lagerkur-<br />

se sowie Morgen- und Abendrunden kamen wir in unseren<br />

Stämmen unter. Wir drei Noch-Nicht-Pfadfinder fanden<br />

Unterschlupf bei Stamm Geisterburg.<br />

Mich haben die Tage sehr bewegt. Der Kurs kam zum<br />

richtigen Zeitpunkt und verstärkte mein Interesse an der<br />

Pfadfinderei. Es war ein gut organisierter und durchgeführ-<br />

ter Kurs mit netten Teilnehmern als auch Teamern. Es hat<br />

viel Spaß gemacht, Themen gemeinsam zu erarbeiten und<br />

sie zu diskutieren. Ich habe viel über das Brauchtum und<br />

die Umgangsformen der Pfadfinder gelernt und kann sie nun<br />

besser nachvollziehen. Ich fand es toll, diesen Kurs parallel<br />

zum <strong>Land</strong>espfingstlager stattfinden zu lassen, denn so konn-<br />

te man gerade Gelerntes sofort beobachten und anwenden<br />

– Pfadfinderei also erleben.<br />

Hilke Feldema, Stamm Lunen, Lüneburg<br />

LRB 2’04


Ab in den Osten<br />

<strong>Das</strong> Fahrtenarchiv will Mut machen, neue Fahrtenländer zu entdecken. Und mit<br />

ein paar guten Tipps kann sich das jeder zutrauen!<br />

„Wo fahrt ihr denn dieses Jahr hin?“<br />

„Ach, wir haben da so einen Platz in Schweden …“<br />

„Mmh … klingt spannend …“<br />

Die Idee zum Fahrtenarchiv entstand genau aus diesem<br />

Grund: Viele Stämme machen jedes Jahr tolle Fahrten, ha-<br />

ben aber nur relativ wenig Gebiete zur Auswahl. Entweder<br />

ist das Fahrtenland persönlich bekannt oder eine vertrauen-<br />

erweckende Quelle hat Mut gemacht. Eine Entscheidung für<br />

ein gänzlich unbekanntes <strong>Land</strong> ist fast schon Zufall.<br />

Bisher tauschen sich nur wenige Stämme über ihre jährli-<br />

chen Sommer-, Herbst- und Winterfahrten und neue Ideen<br />

aus. Meistens heißt es “same procedure as every year”. Falls<br />

man doch einmal etwas Außergewöhnliches plant, kann es<br />

sein, dass man eine Sommerfahrt nach Lappland unter-<br />

nimmt – ohne zu wissen, dass ein Stamm am anderen Ende<br />

des <strong>Land</strong>es genau das gleiche Ziel hat und bereits intensive<br />

Vorarbeit leistet, eine Pfadfindergruppe vor Ort kennen ge-<br />

lernt und nützliche Kontakte geknüpft hat.<br />

Natürlich gehört der Reiz des Planens, das Grübeln über<br />

Karten und Büchern, aber auch das Unwägbare und Sponta-<br />

ne zu jeder Fahrt dazu – sie machen die Fahrt erst zur Fahrt.<br />

Eine vorgegebene Pauschalreise, durchorganisiert mit allen<br />

Finessen und per Klick aus dem Internet zu laden, die möchte<br />

keiner haben.<br />

Andererseits – nachher ist man immer schlauer. Auf<br />

manche Fehler hätte man gut verzichten können. Wenn man<br />

vorher gewusst hätte, dass diese Fahrtenstrecke die schönste<br />

ist, hätte man ja gleich dorthin fahren können und nicht erst<br />

am letzten Tag. Und dass die andere Busgesellschaft für die<br />

Anreise viel günstiger ist, hat man auch erst vor Ort erfahren.<br />

Und dass ein Ehemaliger aus dem gleichen Bund vor Ort ei-<br />

nen alternativen Bauernhof betreibt, den man bestimmt hät-<br />

te besuchen können, hat man leider erst ein Jahr später auf<br />

dem Pfingstlager gehört. Nächstes Mal wird man alles besser<br />

machen und nicht gegen die gleichen Heringe treten, man<br />

kennt sich ja aus. Aber nächstes Mal will man vielleicht wo-<br />

LRB 2’04<br />

andershin fahren? Ins gänzlich Unbekannte aufzubrechen,<br />

hat gewiss seinen eigenen Reiz. <strong>Das</strong> Bekannte und Bewährte<br />

aufzusuchen, ist bestimmt am sichersten. Gerade mit vielen<br />

jungen Gruppenleitern und wenig Großfahrterfahrung ist das<br />

große, krasse Abenteuer eher etwas für die Sippenfahrt im<br />

Herbst als für die Stammesfahrt im Sommer.<br />

Der goldene Mittelweg: Sich neue Ziele zu setzen, dabei<br />

aber bereits eine ungefähre Vorstellung zu haben über fes-<br />

te Anlaufstellen, Geheimtipps zum Nachmachen, wichtige<br />

Warnungen und Anregungen zu bekommen. Der Mittelweg<br />

ist der schwerste. Die meisten Informationen sucht man sich<br />

mühselig zusammen, Reiseführer taugen dazu nur in den we-<br />

nigsten Fällen. Aber andere Stämme oder Sippen, die schon<br />

einmal im Fahrtenland unterwegs waren, könnten bestimmt<br />

brauchbare Tipps geben.<br />

Eine Plattform für diese Art der – Achtung: Modewort<br />

– Vernetzung, will das Fahrtenarchiv sein. Es soll nicht<br />

die Planung abnehmen, sondern erleichtern. Es soll nicht<br />

abstumpfen, sondern anregen – zum Träumen, zum Nach-<br />

machen, zum Ausprobieren, zum Entdecken. Für ein Projekt<br />

dieser Größenordnung sind natürlich alle gefragt: Fahrten-<br />

experten und Laien, die in den letzten Jahren eine Fahrt<br />

gemacht haben.<br />

<strong>Das</strong> Fahrtenarchiv soll sich sowohl mit den Fahrtenge-<br />

bieten vor der Haustür als auch mit den fernen Traumzielen<br />

beschäftigen. Bis jetzt stehen Berichte über Lappland, das<br />

Elbsandsteingebirge, Estland und Schottland zur Verfügung.<br />

In Vorbereitung sind: Masuren, die Holsteinische Schweiz,<br />

Irland, Andalusien, Portugal, Zypern, die Bretagne, Ostwest-<br />

falen, der Teutoburger Wald und Nordfriesland.<br />

Jeder, der an dem Projekt mitgestalten will, kann sich bei<br />

mir melden (àjonathan@bdp-sh-hh.de) oder mal einen Blick<br />

auf die Website des <strong>Land</strong>esverbands werfen: Da befindet sich<br />

das provisorische Fahrtenarchiv. Und jeder, der eine Fahrt<br />

plant, sollte natürlich auch vorbeischauen.<br />

Jonathan Stock, LB Pfadfinder<br />

57


Klnnzgn<br />

Suche ständig T3-Bullys;<br />

auch defekt oder Unfall<br />

zum Schlachten. Speziell<br />

auch Synchro.<br />

T3-Teile: Motoren: WBX<br />

(Diesel + TD), Getriebe,<br />

Blechteile, Innenausstat-<br />

tungen auch Synchro zu<br />

Pfadipreisen (Einbau mög-<br />

lich)<br />

Wenn du das liest, müssen<br />

wir mal wieder eine Partie<br />

Abalone spielen. F.<br />

Pelle! Melde dich!<br />

Joby, Hannes & die Möwen<br />

An das Pfila-Team: Danke.<br />

Ihr wart große Klasse!<br />

Jonathan<br />

58<br />

Suche neue Projekte.<br />

Dr. Erichsen<br />

Ganz liebe Grüße an die<br />

supergeilen Stämme Ykern<br />

und Radwersdorp, an Alina<br />

von Janus (schreib doch<br />

mal wieder!), an alle die<br />

auf‘m SfT 02 waren und<br />

eben an alle die mich ken-<br />

nen. Hab euch alle danz<br />

dolle lüb! Lisa (ich wohn<br />

jetzt am Arsch der Welt in<br />

Frankreich)<br />

Yeah Mobby, happy börs-<br />

day tuh ju!<br />

Ihr könnt Kleinanzeigen<br />

direkt per E-Mail schicken!<br />

àlrb@bdp-sh-hh.de<br />

Termine<br />

Jede Menge Kurse und Aktionen finden<br />

dieses Jahr wieder statt.<br />

<strong>Land</strong>esverband und Bund bieten einiges an Programm an.<br />

Die in grau gedruckte Aktion wird nicht vom <strong>BdP</strong> organisiert.<br />

Terminänderungen oder sogar neue Aktionen werden natür-<br />

lich auf der Website àbdp-sh-hh.de angekündigt.<br />

Juni<br />

18. – 20. ¿alles drin?!<br />

Juli<br />

10. – 31. Bundesfahrt nach Slowenien<br />

August<br />

12. – 22. Wölf lingssommer Immenhausen<br />

27. – 29. <strong>Land</strong>eswölf lingslager und <strong>Land</strong>espfadistufenaktion<br />

September<br />

3. – 5. R/R Nachtkundschaft<br />

11. – 18. Stafü-Gilwellkurs<br />

18. Pfadfindertag<br />

24. – 26. Bundesjurtentreffen<br />

Oktober<br />

1. – 3. Ironscout àironscout.de<br />

8. – 16. Herbstkurse: KfM, SFT/KfG und KfRR<br />

9. – 16. Führungskräftegilwell<br />

15. – 23. Stufengilwell<br />

16. – 17. Jamboree on the internet /on the air<br />

29. – 31. Panoramakurs, Modul 3<br />

November<br />

12. – 14. <strong>Land</strong>es-Stafü-Aktion<br />

19. – 21. <strong>Land</strong>esmeutenführertreffen, Panoramakurs Modul<br />

4. Internationales Seminar<br />

26. – 28. Nachbereitung KfR/R<br />

Dezember<br />

10. – 12. <strong>Land</strong>es-R/R-Aktion, Hau Drauf!<br />

12. Friedenslicht<br />

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Jetzt sind es schon 18 Karten: <strong>Das</strong> <strong>Land</strong>esleitungsmemory, zweiter Teil.

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