Europa: Das unentdeckte Land - BdP Landesverband Schleswig ...
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Darf die Türkei <strong>Europa</strong> sein?<br />
Die Türkei möchte der EU beitreten. Italien unterstützt das Vorhaben, in Deutschland<br />
wird öffentlich diskutiert. Was spricht dagegen, was spricht dafür?<br />
Auf dem letzten Bundeslager im Jahr 2001 befanden sich<br />
unter den etwa fünfhundert ausländischen Gästen sage<br />
und schreibe 120 türkische Pfadfinder. Ein enorm großes<br />
Kontingent, das sich aus Stämmen aus Istanbul und Konya<br />
zusammensetzte und, aufgeteilt in fünf Gruppen, in<br />
den verschiedenen Unterlagern bei <strong>BdP</strong>lern einquartiert<br />
wurde. Die anderen Freunde aus dem Ausland gingen bei<br />
dieser Präsenz fast unter, Marokkaner, Mazedonier, Südafrikanerinnen<br />
und alle anderen standen in einem mächtig<br />
großen Schatten. Die Türken waren einfach überall. Und<br />
dennoch taten sie sich reichlich schwer mit der Integration.<br />
Bereits im Vorfeld war bis wenige Tage vor dem Lager<br />
keine verbindliche Zusage über Teilnahme oder Absage aus<br />
der Türkei zu hören. Statt zu den täglichen Unterlagerbesprechungen<br />
zu gehen, hatten sie ihren eigenen Lagerrat,<br />
bei dem sich die fünf Gruppenleiter und der Kontingentsleiter<br />
regelmäßig trafen und Deutsche keinen Zutritt hatten.<br />
Statt im eigens errichteten „Globokauf“ Umsatz zu machen,<br />
ließen sie sich jeden Tag mit Lebensmitteln aus dem<br />
hundert Kilometer entfernten Frankfurt versorgen. Statt<br />
die Möglichkeit des gemeinsamen Arbeitens zu nutzen,<br />
bestanden sie auf getrennten Küchen und nahmen somit<br />
auch die getrennte Einnahme der Mahlzeiten in Kauf. Die<br />
Sippen gingen im Alleingang auf Hajk, die Kommunikation<br />
brach nach wenigen Tagen aufgrund mangelhafter Englischkenntnisse<br />
ab. Daraufhin verzogen sich die türkischen<br />
Jungs zumeist in ihre ohnehin unschönen Plastikzelte oder<br />
tobten mit ihren Genossen aus anderen Unterlagern über<br />
die staubigen Wege zwischen Kirschbaum und Altenberg.<br />
Zum Frust der deutschen Sipplinge, die dem Problem der<br />
Versorgung mit Holz und Wasser allein gegenüberstanden.<br />
Die erzwungen wirkende, freundliche Verabschiedung<br />
nach zehn gemeinsamen Tagen auf engstem Raum konnte<br />
leider nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier doch ganz<br />
offensichtlich vehemente Kulturunterschiede aufeinander<br />
geprallt waren. Unvorbereitet und ohne gemeinsame<br />
Sprache war diese Konstellation leider von vornherein zum<br />
Scheitern verurteilt. Kein Wunder also, dass seither jeglicher<br />
Kontakt zwischen deutschen und türkischen Pfadfindern<br />
zum Erliegen gekommen ist. Der Plan für erneute<br />
gegenseitige Besuche liegt erstmal auf Eis.<br />
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Auf dem letzten Bundeslager im Jahr 2001 befanden sich<br />
unter den etwa fünfhundert ausländischen Gästen sage<br />
und schreibe 120 türkische Pfadfinder. Ein enorm großes<br />
Kontingent, das sich aus Stämmen aus Istanbul und Konya<br />
zusammensetzte und, aufgeteilt in fünf Gruppen, in<br />
den verschiedenen Unterlagern bei <strong>BdP</strong>lern einquartiert<br />
wurde. Die anderen Freunde aus dem Ausland gingen bei<br />
dieser Präsenz fast unter, Marokkaner, Mazedonier, Südafrikanerinnen<br />
und alle anderen standen in einem mächtig<br />
großen Schatten. Überall auf dem Lagerplatz konnte<br />
man die fröhlichen Jungen mit ihren rot-weißen Halstüchern<br />
antreffen. Allein schon auf Grund der Kontingentgröße<br />
mussten sich die Türken sehr gut organisieren. Mindestens<br />
einmal am Tag trafen sich die fünf Gruppenleiter<br />
und der Kontingentsleiter zu internen Besprechungen, um<br />
ihre Bedürfnisse auf dem Lager abzustimmen. Wie viele<br />
andere deutsche Stämme auch hatten sie zum Beispiel beschlossen,<br />
das mangelhafte und überteuerte Angebot des<br />
„Globokaufs“ abzulehnen. Glücklicherweise konnte an dieser<br />
Stelle ein mit einem Teilnehmer verwandter Lebensmittelhändler<br />
aus dem benachbarten Frankfurt helfen. Er<br />
versorgte die 120 Pfadfinder mit ihnen bekannten Speisen<br />
und Getränken. Auch bei der Zubereitung ließen ihnen die<br />
Gastgeber freie Hand, um religiösen und geschmacklichen<br />
Unterschieden gerecht zu werden. Trotz ihrer sprachlichen<br />
Unsicherheiten trauten sich die türkischen Sippen<br />
sogar ohne Begleitung auf den ausgeschriebenen Hajk.<br />
Und mit ihren roten Zelten brachten sie etwas mediterrane<br />
Farbe in den ansonsten von tristem Schwarz geprägten<br />
Lagergrund. Lachend und umherstromernd waren<br />
sie bald auf allen Wegen und Plätzen anzutreffen, so dass<br />
man nie lange suchen musste, um die einzelnen Sipplinge<br />
an Lagerdienst oder Programmbeginn zu erinnern.<br />
Nach zehn wunderbaren Tagen fiel dementsprechend der<br />
Abschied schwer. Die ansonsten zurückhaltende Art der<br />
Gäste brach nun in Umarmungen und Abschiedstränen<br />
aus. Schade, dass beide Seiten seither die ausgezeichneten<br />
Beziehungen vernachlässigt haben. So unterhält der <strong>BdP</strong><br />
zwar weiterhin Kontakte zum türkischen Dachverband,<br />
die Stämme allerdings räumen Versäumnisse in der<br />
gegenseitigen Pflege der Freundschaft ein. <strong>Das</strong> nächste<br />
Bundeslager wird sie wieder zusammenführen.<br />
LRB 2’04