Europa: Das unentdeckte Land - BdP Landesverband Schleswig ...
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Total global<br />
Globalisierung, Neoliberalisierung, Zivilgesellschaft und Wertewandel in einem<br />
Artikel: Eine kurze Übersicht<br />
Ein Gespenst geht um: Die Globalisierung<br />
Globalisierung wird der fortschreitende Prozess einer sich<br />
zunehmend vernetzenden Welt genannt. Wenn in fußball-<br />
feldgroßen Schiffen Millionen Container mit allen erdenk-<br />
lichen Gegenständen durch die Welt schippern, wenn ein<br />
Auto nicht in einer Fabrik sondern in zehn Fabriken in zehn<br />
Ländern produziert wird, wenn wir E-Mails austauschen mit<br />
Freunden in der ganzen Welt, wenn man überall Schokolade<br />
kaufen kann, wenn im Supermarkt ganzjährig Zitrusfrüchte<br />
liegen. <strong>Das</strong> ist Globalisierung. Da ist was drin.<br />
Die ganze Welt kommuniziert miteinander, kauft sich<br />
gegenseitig Waren ab, kooperiert, gründet internationale<br />
Organisationen. Der technische Fortschritt macht’s mög-<br />
lich: Flugzeuge verbinden die großen Städte der Welt, über<br />
Datenleitungen rauschen Sprache, Bilder und Dateien. Bevor<br />
der Begriff Globalisierung sich in den Neunzigern etablierte,<br />
sprach man gerne und überall vom Informationszeitalter.<br />
Jederzeit kann eine Entscheidung getroffen werden, virtuell<br />
kann jeder – und hier geht es los mit den Problemen, denn<br />
nicht jeder hat eine Telefonleitung im Garten liegen – von<br />
überall an der Welt teilhaben.<br />
Dieses Phänomen erweckt also bei den einen Angst und<br />
bei anderen Zuversicht. Die eigentliche Frage ist aber, wie<br />
die Welt, wie Staaten, wie wir den Globalisierungsprozess<br />
gestalten.<br />
Neoliberalismus ist für alle da<br />
Rasante technologische Fortschritte in der Computer- und<br />
Informationstechnik haben die weltweiten Kommunikati-<br />
ons- und Kooperationsmöglichkeiten drastisch verändert<br />
und der Zusammenbruch des sozialistischen Systems in<br />
Osteuropa hat zu einem Wandel von einem politischen Sys-<br />
temwettbewerb zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu<br />
einem ökonomischen Standortwettbewerb nahezu aller Staa-<br />
ten miteinander geführt. Auch dahinter steckt eine Ideologie:<br />
der Neoliberalismus. Die Idee ist, dass die Staaten sich mög-<br />
lichst raushalten aus dem Kreislauf der Wirtschaft, sie nicht<br />
einschränken durch Zölle oder Importquoten. Ganz automa-<br />
tisch suchen sich die Investoren dann arme Länder, in denen<br />
es Rohstoffe und billige Arbeitskräfte gibt. In den reichen<br />
LRB 2’04<br />
Ländern konzentriert man sich auf Spezialgebiete, die armen<br />
Länder sollen durch die Investitionen einen wirtschaftlichen<br />
Aufschwung erfahren, Geld und Technologie sollen ins <strong>Land</strong><br />
kommen, es soll bergauf gehen. Dieser globale Wettbewerb<br />
erzeugt einen ungeheuren Druck auf Länder und Regionen.<br />
Ausgabefreudige Regierungen werden diszipliniert und be-<br />
schränken sich auf das Notwendigste: Es wird gekürzt. Bei<br />
allem, was nicht primär dem wirtschaftlichen Wettbewerb<br />
dient. Es ist weniger Geld in den Kassen, es geht den Sozial-<br />
leistungen an den Kragen, der Kinder- und Jugendhilfe.<br />
Viele Länder sind so arm, dass sie auf fremde Hilfe ange-<br />
wiesen sind. Die sollen sie bekommen können, die Industrie-<br />
nationen der Welt haben für diese Zwecke den internationa-<br />
len Währungsfond (IWF) eingerichtet. Er vergibt Kredite an<br />
diese Länder, die dafür bestimmte politische Auf lagen erfül-<br />
len müssen. Damit sie von der neoliberalen Globalisierung<br />
profitieren können, müssen sie ihre Märkte öffnen, öffentli-<br />
che Ausgaben zurückfahren, ihre Exporte erhöhen, westlich<br />
geprägte Sozial-, Rechts- und Staatssysteme fördern und<br />
einführen. So hat der IWF, dessen ehemaliger Chef Horst<br />
Köhler bei diesem Zeitgeist vielleicht nicht zufällig Bundes-<br />
präsident geworden ist, die Sozial- und Wirtschaftspolitik<br />
vieler Länder zentral gestaltet.<br />
<strong>Das</strong> Gegenteil zur Marktöffnung, die Abschottung des<br />
Markts, nennt sich Protektionismus. Genau das machen<br />
die Industrienationen sehr gerne: Die Europäische Union<br />
beschützt ihre Bauern vor den Bauern anderer Länder, die<br />
ihre Produkte billiger anbieten können. Sonst würden die<br />
europäischen Bauern abhängig vom Weltmarkt, sie müssten<br />
sich dem internationalen Wettbewerb stellen. Und würden<br />
verlieren: Ihre Produkte sind zu teuer. Die armen Länder<br />
stehen vor dem Problem, dass sie keine andere Wahl haben.<br />
Haben sie Pech, können die eigenen Bauern im Wettbewerb<br />
nicht mithalten. Andere Bauern schicken ihre Waren in das<br />
<strong>Land</strong>, die Bauern werden arbeitslos, in den ganz armen Län-<br />
dern sind aber die meisten Menschen noch Bauern, oder<br />
vielmehr: dann arbeitslos. Natürlich gilt Ähnliches auch für<br />
einfache Fabrikarbeiter. Eine schier endlose Kette von Ver-<br />
knüpfungen: Auch das ist Globalisierung.<br />
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