VDV Das Magazin Ausgabe Juli 2015
Das Verbandsmagazin des VDV ist die redaktionelle Plattform für Unternehmen des Öffentlichen Personen- und Schienengüterverkehrs in Deutschland. Konzept und Realisierung: AD HOC PR, Gütersloh.
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TITELSTORY<br />
schaftliche Perspektiven, steigende<br />
Touristenzahlen und nicht zuletzt der<br />
Zuzug von Fachkräften: Diese Effekte<br />
verspricht sich die Region von der<br />
neuen Bahnverbindung. „Die Bahnhöfe<br />
werden Drehscheiben der Mobilität und<br />
zentrale Punkte der Stadtentwicklung“,<br />
verdeutlicht Michael Kiehl. Einen ersten<br />
Impuls gibt es bereits: Vor wenigen<br />
Wochen verkündete ein Investor, dass<br />
er in der Nähe des Bahnhofs Nordhorn<br />
ein Multiplexkino bauen will.<br />
„<strong>Das</strong> Kinocenter wird die Auslastung<br />
der Züge insbesondere in den Abendstunden<br />
und am Wochenende weiter<br />
erhöhen“, sagt Joachim Berends, Vorstand<br />
der Bentheimer Eisenbahn AG,<br />
deren Mehrheitsgesellschafter der<br />
Landkreis ist. <strong>Das</strong> Unternehmen transportiert<br />
auf der Strecke jährlich 1,5<br />
Millionen Tonnen Güter – Baustoffe,<br />
Stahl- und Agrarprodukte – und<br />
schultert den ÖPNV in der Grafschaft<br />
Bentheim per Bus. „Den Personenverkehr<br />
auf der Schiene zu übernehmen,<br />
wäre für uns ein enormer Wachstumsschub“,<br />
so Berends. „Und wir trauen das<br />
der Bentheimer Eisenbahn zu“, betont<br />
Kiehl mit freundlichem Understatement.<br />
Selbstverständlich also, dass das<br />
Unternehmen als Lokalmatador die<br />
300.000 Zugkilometer selbst erbringen<br />
möchte. Unabhängig vom Ausgang des<br />
1,62<br />
Euro<br />
würden laut Gutachten<br />
für jeden in die Strecke<br />
zwischen Bad Bentheim und<br />
Neuenhaus investierten Euro<br />
in die Volkswirtschaft<br />
zurückfließen.<br />
Vergabeverfahrens wird die Bentheimer<br />
Eisenbahn ihre Infrastruktur zur Verfügung<br />
stellen.<br />
Einige Vorarbeiten für die Wiederaufnahme<br />
des Personenverkehrs hat<br />
sie bereits erledigt: 15 Bahnübergänge<br />
wurden beseitigt und sieben technisch<br />
gesichert. Damit die Züge demnächst<br />
mit 80 Stundenkilometern und im<br />
60-Minuten-Takt fahren können,<br />
Bahnhof Neuenhaus: Wie in dieser Animation<br />
sollen hier in wenigen Jahren Regionalzüge halten.<br />
Interview mit Olaf Lies (Foto), Niedersachsens Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr<br />
» Herr Lies, welchen Zweck beziehungsweise<br />
welche Ziele verfolgt das Land Niedersachsen<br />
mit den Reaktivierungen – vor allem mit Blick<br />
auf die Co-Finanzierung?<br />
Olaf Lies: Ziel der Landesregierung ist es, mit<br />
wirtschaftlicher Vernunft die umweltfreundliche<br />
Mobilität auf der Schiene zu stärken. Um<br />
mehr Menschen in der Fläche zu erreichen,<br />
wurden in einem dreistufigen Verfahren<br />
drei Strecken ermittelt, deren Reaktivierung<br />
weiterverfolgt wird: Bad Bentheim – Neuenhaus, Salzgitter-Lebenstedt<br />
– Salzgitter-Fredenberg, Einbeck-Salzderhelden – Einbeck-Mitte. <strong>Das</strong><br />
Land fördert diese Vorhaben mit 75 Prozent der zuwendungsfähigen<br />
Kosten. Die Co-Finanzierung in Höhe von 25 Prozent erfolgt durch die Eisenbahninfrastrukturunternehmen<br />
beziehungsweise die Kommunen.<br />
» Über Gutachter und einen Lenkungskreis sind die Strecken ausgewählt<br />
worden: ein Weg, der zunächst sehr komplex erscheint und der viel Zeit in<br />
Anspruch genommen hat. Warum hat sich das Land für dieses Verfahren<br />
entschieden?<br />
Wichtig war mir, dass der Prozess der Streckenreaktivierung absolut<br />
transparent gestaltet wurde. Der Lenkungskreis ist ein sinnvolles Gremium,<br />
da fachkundige Experten mit eingebunden werden können und<br />
mit den Teilnehmern das Bewertungsverfahren abgestimmt wurde. Die<br />
Kosten-Nutzen-Untersuchung durch die Gutachter war erforderlich,<br />
um sicherzustellen, dass nur Projekte weiterverfolgt werden, die einen<br />
höheren Nutzen aufweisen, als sie an Kosten verursachen. Insgesamt ist<br />
mir Gründlichkeit bei diesem Projekt wichtiger als Schnelligkeit.<br />
» Niedersachsen hat die bundesweit dichteste Infrastruktur nicht-bundeseigener<br />
Bahnen. In den letzten Jahrzehnten gab es einen schleichenden<br />
Abbau. Kommt jetzt die Trendwende?<br />
Für den Erhalt von nicht-bundeseigenen Eisenbahn-Infrastrukturen<br />
stehen in Niedersachsen mit Landesmitteln finanzierte Förderinstrumente<br />
bereit, und die wurden seit 2013 noch ausgebaut. Ein Trend zum<br />
schleichenden Abbau von Strecken ist in Niedersachsen nicht festzustellen.<br />
Auch wenn einzelne nicht-bundeseigene Eisenbahnstrecken<br />
aufgrund ihrer peripheren Lage und der damit verbundenen mangelnden<br />
Verkehrsnachfrage seit 1994 stillgelegt wurden, ist der Bestand an diesen<br />
Strecken seit 1994 nahezu unverändert. Durch die zwei Reaktivierungen<br />
von nicht-bundeseigenen Strecken gibt es in diesen Fällen eine deutliche<br />
Aufwertung der Infrastruktur.<br />
» Wie geht es bei den Strecken, die reaktiviert werden sollen, jetzt weiter?<br />
Die Aufgabenträger, der Zweckverband Großraum Braunschweig und<br />
die Landesnahverkehrsgesellschaft, führen Auftaktgespräche mit den<br />
betroffenen Eisenbahninfrastrukturunternehmen und den Kommunen.<br />
Anschließend werden Planungsvereinbarungen abgeschlossen. Diese stehen<br />
teilweise schon kurz vor dem Abschluss. Danach wird die Planung in<br />
Auftrag gegeben, bevor anschließend die Finanzierungsvereinbarung abgeschlossen<br />
werden kann. Sobald dann das Baurecht auch vorliegt, kann<br />
die Realisierung erfolgen.<br />
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