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"der flugleiter" im PDF-Format - GdF Gewerkschaft der ...

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4/2009<br />

Airports aktuell<br />

FRA – Der neue Tower und das Team<br />

BBI – Ein Überblick<br />

FRA Apron: In den Fuchsbau?<br />

TCAS<br />

Der neueste Stand<br />

Fortschritte erzielt<br />

Missed aproach nach Swing over<br />

Abschied von einer Legende<br />

Der A300 und die „Space Cowboys“<br />

Safety<br />

Bericht vom 7. Deutschen Forum


Das gallische Dorf Südbaden <strong>im</strong> Kampf<br />

gegen „skyguide“ S. 15<br />

Fluglärm und Gesundheit –<br />

eine Studie aus Frankfurt. S. 27<br />

Wer war <strong>der</strong> Erste?<br />

Erster Atlantik-Nonstopfl ug vor 90 Jahren S. 43<br />

Airbus A 300-600 – ein Flugzeug für Piloten S. 61<br />

Inhalt<br />

Editorial von Michael Schäfer ……………………………….…………….. 4<br />

<strong>GdF</strong> Aktuell<br />

In Hamburg sagt man tschüss ……………….........…………............. 6<br />

Bericht <strong>der</strong> <strong>Gewerkschaft</strong> ……………………………………………………... 7<br />

Bericht aus <strong>der</strong> Tarifkommission ……………...…...…...…...…...…... 8<br />

Joe‘s Corner .…………………..…....……………………..…....…..…....….... 11<br />

Recht<br />

Vorstellung Nastassja Fischer …………..…...…...…...…...…...…..... 12<br />

Aktuell<br />

Gesetzesinitiative zur Än<strong>der</strong>ung des Grundgesetzes …………... 13<br />

Das gallische Dorf Südbaden <strong>im</strong> Kampf gegen „skyguide“ …. 15<br />

Incidents<br />

Beinahe in <strong>der</strong> Baustelle gelandet …………..…………...…...…...….. 18<br />

Airplanes<br />

Eine Cessna 172 <strong>im</strong> Technik Museum .…………..…………...…...….. 49<br />

Satire<br />

Als Förster verkleidet: Der Zöllner ...…...…...…........…...….…..... 21<br />

Safety<br />

7. Deutsches Flight Safety Forum ……..............…...…...…...….... 22<br />

Luftfahrt<br />

Erster German Seaplane Day .......…...…...…...…...…...…...…...... 26<br />

Umwelt<br />

Fluglärm und Gesundheit – eine Studie aus Frankfurt ……...... 27<br />

Technik<br />

TCAS – aktuelle Entwicklungen aus Sicht<br />

von Lotsen und Piloten ……...…...…...…...…...…...…...…...…...…... 29<br />

ATC-Praxis<br />

„Swing over“ Pistenwechsel <strong>im</strong> Endanfl ug<br />

Abschließende Gespräche zwischen DFS und <strong>GdF</strong> FSBD …..... 33<br />

Fehlanfl ug nach Sichtanfl ug – wie geht’s weiter? …................ 37<br />

Off the Tape<br />

Hudson River Crash<br />

The true voice recor<strong>der</strong> transcript …....................................... 39<br />

ÜV<br />

Vertrag zur Übergangsversorgung ……...…...…...……...…...……... 41<br />

Glosse<br />

Stehplätze bei Ryanair ……...…...…...…...…...…...…...…...…...….... 42<br />

Historie<br />

Wer war <strong>der</strong> Erste?<br />

Erster Atlantik-Nonstopfl ug vor 90 Jahren ...…..…...…...…...…... 43<br />

Intern<br />

In Harmonie geht alles besser –<br />

Drachenbootrennen Berlin 2009 ……...…...…...…...…...…...…..... 46<br />

Airports ………………………………………….…………………………….......... 51<br />

Airlines ………………………………………….…………………………………...... 60<br />

Airplanes ………………………………………….…………………………………... 61<br />

Last Call ……………………………………….…………………………..……....... 65<br />

3 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


von Michael<br />

Schäfer,<br />

<strong>Gewerkschaft</strong>svorsitzen<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/03<br />

4<br />

Editorial<br />

Liebe Mitglie<strong>der</strong>,<br />

liebe Kolleginnen und Kollegen<br />

geneigte Leser!<br />

Am 26. September fi ndet in<br />

Darmstadt die diesjährige Bundesdelegiertenkonferenz<br />

<strong>der</strong> <strong>GdF</strong><br />

statt. Neben notwendigen Än<strong>der</strong>ungen<br />

und Anpassungen <strong>der</strong><br />

<strong>GdF</strong>-Satzung sowie Berichten<br />

über die Aktivitäten <strong>der</strong> vergangenen<br />

Monate soll auf <strong>der</strong><br />

diesjährigen Bundesdelegiertenkonferenz<br />

eine grundsätzliche Diskussion<br />

über die mittel- und langfristigen Ziele<br />

<strong>der</strong> <strong>GdF</strong> angestoßen werden.<br />

Trotz – o<strong>der</strong> gerade wegen – <strong>der</strong> sehr<br />

erfolgreichen Jahre seit Gründung<br />

<strong>der</strong> <strong>GdF</strong> ist eine solche Grundsatz-<br />

und Strategiediskussion notwendig,<br />

um durch entsprechend abzuleitende<br />

Maßnahmen aus den Ergebnissen<br />

nachhaltig die Grundlagen für ein<br />

weiterhin erfolgreiches Agieren <strong>der</strong><br />

<strong>GdF</strong> für die Zukunft sicherzustellen.<br />

Das Rad wird dabei sicherlich nicht<br />

neu erfunden werden, allerdings muss<br />

sich die <strong>GdF</strong> z. B. hinsichtlich <strong>der</strong><br />

europäischen Entwicklungen, die sich<br />

zwangsläufi g auf die nationale Ebene<br />

auswirken, positionieren.<br />

Über folgende Themen werden wir<br />

uns u. a. auseinan<strong>der</strong>setzen:<br />

Wie stellen wir langfristig und nachhaltig<br />

eine erfolgreiche tarifl iche Ausrichtung<br />

sicher, auch unter dem Aspekt <strong>der</strong><br />

aufkommenden Diskussion über die<br />

Zukunft <strong>der</strong> Spartengewerkschaften?<br />

Wie gehen wir mit Finanz- und<br />

Wirtschaftskrisen um, die <strong>im</strong> stark<br />

zyklischem Luftfahrtgeschäft zunächst<br />

<strong>im</strong> Gesamtsystem Luftfahrt die Fluggesellschaften<br />

trifft, in <strong>der</strong> weiteren<br />

Entwicklung die Flugsicherungsorganisationen<br />

und ihre Mitarbeiter und<br />

damit selbstverständlich auch die <strong>GdF</strong><br />

vor neue Herausfor<strong>der</strong>ungen stellt?<br />

Wie stellen wir fachlich und organisatorisch<br />

sicher, dass wir den Service,<br />

die Unterstützung für unsere Mitglie<strong>der</strong><br />

kontinuierlich verbessern und<br />

ausbauen? Erste Maßnahmen hierzu<br />

wurden bereits vom Bundesvorstand<br />

umgesetzt. Nastassja Fischer, Juristin,<br />

wurde zum Aufbau einer Rechtsabteilung<br />

und als Ansprechpartnerin für<br />

die Mitglie<strong>der</strong>, von <strong>der</strong> <strong>GdF</strong> eingestellt<br />

(Vorstellung in diesem Flugleiter).


Wie geht die <strong>GdF</strong> mit <strong>der</strong> eigenen Darstellung<br />

nach innen und außen um; ist<br />

ein „Re Launch“ <strong>der</strong> <strong>GdF</strong> langfristig<br />

notwendig?<br />

Dies sind einige Aspekte, die uns bewegen<br />

eine Grundsatzdiskussion, die uns<br />

notwendig erscheint, anzustoßen.<br />

Wobei aber sicherlich erst <strong>im</strong> nächsten<br />

Jahr entsprechende Beschlussempfehlungen<br />

erörtert werden können.<br />

Diese Strategiediskussion soll auf<br />

breiter Basis, unter Einbeziehung aller<br />

Mitglie<strong>der</strong> über die Organe <strong>der</strong> <strong>GdF</strong>,<br />

erfolgen.<br />

Ich erwarte und freue mich auf eine<br />

anregende Diskussion auf unserer<br />

Bundesdelegiertenkonferenz.<br />

Aktuell, kurz vor Redaktionsschluss<br />

dieser Ausgabe, erreichte uns die Meldung,<br />

dass <strong>der</strong> Bundespräsident <strong>der</strong><br />

Än<strong>der</strong>ung des Grundgesetzes <strong>im</strong> Artikel<br />

87d, zugest<strong>im</strong>mt und die entsprechende<br />

Gesetzesvorlage unterzeichnet<br />

hat. Nach <strong>der</strong> Grundgesetzän<strong>der</strong>ung<br />

1991 ist dies die wichtigste Struktur-<br />

und Rechtsreform in <strong>der</strong> Flugsi-<br />

cherung und ermöglicht <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

Deutschland und <strong>der</strong> DFS<br />

die Verän<strong>der</strong>ungen auf europäischer<br />

Ebene rechtssicher mit gestalten zu<br />

können.<br />

Ich wünsche Ihnen allen schöne Sommer-<br />

und Urlaubstage.<br />

Michael Schäfer<br />

Bundesvorsitzen<strong>der</strong><br />

5 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/03


Gesetzesinitiative zur Än<strong>der</strong>ung des Grundgesetzes,<br />

luftverkehrsrechtlicher Vorschriften und zur Errichtung<br />

eines Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung –<br />

Versuch einer Bewertung<br />

Für eine Bewertung <strong>der</strong> am 10. Juli vom Bundesrat<br />

bestätigten Gesetzentwürfe bedarf es eines Blickes<br />

zurück.<br />

Ende Februar 2009 erreichte den <strong>GdF</strong> Vorstand die<br />

Information, dass <strong>im</strong> BMVBS Entwürfe zur Än<strong>der</strong>ung<br />

des Grundgesetzes, weiterer Luftverkehrsrechtlicher<br />

Vorschriften (insbeson<strong>der</strong>e des LuftVG) und zur<br />

Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung<br />

erarbeitet worden sind und sich in <strong>der</strong> Abst<strong>im</strong>mung<br />

zwischen den Ministerien befänden. Wenig später<br />

lagen diese Entwürfe <strong>der</strong> Arbeitsgruppe Lobby zur<br />

Analyse vor.<br />

Diese ergab:<br />

1. Der Vorschlag für die Än<strong>der</strong>ung des Grundgesetzes,<br />

ist <strong>im</strong> großen Ganzen akzeptabel.<br />

2. Die Än<strong>der</strong>ungen des Luftverkehrsgesetzes<br />

sind inakzeptabel, hier insbeson<strong>der</strong>e<br />

· die geplante Abschaffung des Erlaubnis- und<br />

Berechtigungswesens für alle „Nicht-Lotsen“,<br />

Photos: bundesrat.de<br />

· die Beschränkung <strong>der</strong> hoheitlichen Aufgabe auf<br />

den Betriebsdienst <strong>der</strong> Flugverkehrskontrolle,<br />

· die Deklassierung <strong>der</strong> gesamten Flugsicherungstechnik<br />

als Unterstützungsdienst und<br />

· die Einführung einer Arbeitnehmerüberlassung<br />

an Regionalfl ughäfen.<br />

Aktuell<br />

3. Der Entwurf zum BAF Errichtungsgesetz ist nicht<br />

akzeptabel, da die Fachaufsicht wie bisher auf den<br />

Betriebsdienst <strong>der</strong> Flugverkehrskontrolldienste<br />

beschränkt bleibt.<br />

Die zeitgleich eingeleiteten Bemühungen die <strong>GdF</strong><br />

Positionen in den Abst<strong>im</strong>mungsprozess <strong>der</strong> Entwürfe<br />

einfl ießen zu lassen, erhielten zunächst recht schnell<br />

einen Dämpfer. Wie sich herausstellte, wurden die<br />

Gesetzentwürfe vom BMBVS <strong>im</strong> Auftrag des Parlamentes<br />

erstellt. Eine formale Beteiligung u.a. <strong>der</strong><br />

Verbände sah das BMVBS vor diesem Hintergrund<br />

nicht vor. Außerdem war die Abst<strong>im</strong>mung zwischen<br />

Ministerien bereits gelaufen und die Entwürfe als<br />

Kabinettsvorlage übermittelt. Wie bereits be<strong>im</strong> Flugsi-<br />

von<br />

Dirk<br />

Wendland<br />

13 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

Aktuell<br />

14<br />

cherungsgesetz zwei Jahre zuvor, wurde die <strong>GdF</strong> überrumpelt,<br />

doch diesmal war sie besser aufgestellt. Es<br />

folgten Termine mit Vertretern aller Parteien und die<br />

Anhörung <strong>im</strong> Bundestag, in welcher die <strong>GdF</strong> auf Einladung<br />

<strong>der</strong> SPD durch Dirk Wendland vertreten wurde.<br />

Im Ergebnis all dieser Bemühungen wurden die<br />

Gesetzentwürfe in für die <strong>GdF</strong> in wesentlichen Punkten<br />

verän<strong>der</strong>t und vom Bundestag am 28. Mai 2009<br />

wie auch vom Bundesrat am 10. Juli 2009 so geän<strong>der</strong>t<br />

beschlossen:<br />

1. Die geplante Abschaffung des Erlaubnis- und<br />

Berechtigungswesens für „Nicht-Lotsen“ wurde aus<br />

den Entwürfen herausgenommen.<br />

2. Der § 27 c wurde an die SES Verordnungen angepasst.<br />

Im Ergebnis sind zukünftig Flugverkehrskontrolldienste<br />

und damit auch die Technik die-<br />

ser Dienste als hoheitliche Aufgabe zu erbringen.<br />

Außerdem wurde klargestellt, dass die CNS Dienste<br />

Flugsicherungsdienste sind und sich damit von den<br />

Unterstützungsdiensten deutlich abgrenzen.<br />

3. Die Fachaufsicht wurde auf die gesamten Flugverkehrsdienste<br />

und damit erstmals auch auf die Technik<br />

dieser Dienste ausgedehnt.<br />

Mit Ausnahme <strong>der</strong> Arbeitnehmerüberlassung wurden<br />

damit alle wesentlichen Punkte <strong>im</strong> Sinne <strong>der</strong><br />

<strong>GdF</strong> geregelt. Dieses Ergebnis ist nicht hoch genug<br />

einzuschätzen.<br />

Die „Tinte <strong>der</strong> Dokumente“ ist noch nicht trocken, da<br />

versuchen – von wem auch <strong>im</strong>mer angehaltene DFS<br />

Führungskräfte – diese Ergebnisse auszuhöhlen.<br />

Allen, die da behaupten, die ATS Technik von Tower<br />

und Center sei nicht als hoheitliche Aufgabe zu<br />

erbringen (da die Technik nicht Bestandteil <strong>der</strong><br />

ATS Dienste sei) ist nachfolgendes Zitat aus dem<br />

Begründungstext für die Än<strong>der</strong>ungen am Entwurf des<br />

Luftverkehrsgesetzes gewidmet:<br />

„Die Anpassung bedingt zugleich eine Neustrukturierung<br />

<strong>der</strong> bislang <strong>im</strong> § 27 c Absatz 2 Nummer 2 Luftverkehrsgesetz<br />

separat genannten fl ugsicherungstechnischen<br />

Dienste, die – an<strong>der</strong>s als bisher – aufgrund<br />

europäischer Vorgaben nicht mehr als eigenständige<br />

Dienste geregelt werden sollten. Da sie künftig als<br />

Bestandteil des jeweiligen Flugsicherungsdienstes<br />

behandelt werden, unterfallen sie damit den für den<br />

jeweiligen Dienst geltenden Rechtsregelungen. Flugsicherungstechnische<br />

Leistungen, die als Teil <strong>der</strong><br />

hoheitlichen Flugverkehrsdienste des § 27c Absatz<br />

2 Satz 1 Nummer 1 LuftVG sind, unterfallen insoweit<br />

auch – <strong>im</strong> Unterschied zur geltenden Rechtslage – <strong>der</strong><br />

Fachaufsicht des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung<br />

nach § 31d Absatz 2 Satz 2 LuftVG.“<br />

quad erat demonstrandum !!!<br />

Bleibt zu hoffen, dass diese Wahrheit irgendwann in<br />

<strong>der</strong> DFS Führungsriege ankommt und sich das Unternehmen,<br />

wie von den Arbeitnehmervertretern <strong>im</strong>mer<br />

wie<strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>t, endlich um eine für die Technikprozesse<br />

opt<strong>im</strong>ale Ablauforganisation bemüht.<br />

Bis dahin wird es weiterhin bei den Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern liegen, <strong>im</strong> Rahmen ihrer selbstverantwortlichen<br />

Tätigkeit dafür zu sorgen, dass<br />

auch zukünftig Sicherheit vor Wirtschaftlichkeit und<br />

Expertenentscheidung vor Managemententscheidung<br />

geht.


✈ Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Betriebsabwicklung<br />

billigend in Kauf nehmen? A340 kurz vor <strong>der</strong><br />

Landung in Zürich. Photo: Florian Trojer<br />

Das gallische Dorf Südbaden<br />

<strong>im</strong> Kampf gegen „skyguide“<br />

Mit <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Mehrheit hat <strong>der</strong> Bundestag für eine Än<strong>der</strong>ung des<br />

Grundgesetzartikels 87d und damit gegen eine Kapitalprivatisierung <strong>der</strong> DFS<br />

gest<strong>im</strong>mt. Die Reaktionen darauf sind überwiegend positiv. Nur <strong>der</strong> Südwesten<br />

ist geschlossen dagegen und zeigt sich kämpferisch. Fast wie das kleine gallische<br />

Dorf, das – mit seinen Helden Asterix und Obelix an <strong>der</strong> Spitze – dem<br />

mächtigen Römischen Reich wi<strong>der</strong>steht.<br />

Verfolgt man die Diskussion, so scheint die Ablehnung<br />

<strong>der</strong> Grundgesetzän<strong>der</strong>ung lediglich als Vehikel<br />

für den Kampf gegen den Schweizer Flugsicherungsdienstleister<br />

„skyguide“ zu dienen. Denn schließlich<br />

scheint <strong>der</strong> für nahezu alles, was die südbadische<br />

Bevölkerung stört, verantwortlich zu sein. Weil die<br />

Züricher Controller für die Kontrolle des südbadischen<br />

Luftraum zuständig sind, die Anfl üge nach Zürich-<br />

Kloten über badisches Territorium lenken und die<br />

Anwohner des deutsch-schweizerischen Grenzgebiets<br />

mit dem damit verbundenen Fluglärm terrorisieren.<br />

Dazu kommt, dass „skyguide“ für die Katastrophe von<br />

Überlingen verantwortlich ist und deshalb als ganz<br />

beson<strong>der</strong>s unzuverlässig angesehen wird.<br />

Inzwischen scheinen die Fronten so verhärtet zu sein,<br />

dass alles, was mit Luftverkehr und <strong>der</strong> Schweiz zu<br />

tun, refl exartig auf Wi<strong>der</strong>stand stößt. Der Pawlowsche<br />

Refl ex <strong>der</strong> Südbadener gewissermaßen. Selbst<br />

<strong>der</strong> Warteraum RILAX, <strong>der</strong> am 18. Mai 2000 eingeführt<br />

wurde, bietet Anlass, Unmut zu äußern. Und dies ist<br />

ausgerechnet Dieter Kaden zu verdanken. Der hatte<br />

bei einer Anhörung <strong>im</strong> Verkehrsausschuss des Bundestages<br />

folgendes geäußert: „Wir haben damals<br />

Aktuell<br />

✈ Anfl üge nach Zürich werden überwiegend<br />

über Südbaden geführt – Radarbild Zürich<br />

Approach Photo: skyguide<br />

gemeinsam in Europa, nicht die DFS, nicht die Bundesrepublik<br />

alleine, einen Warteraum in Süddeutschland<br />

eingerichtet, <strong>der</strong> heißt RILAX – ich habe das Vergnügen<br />

unter RILAX zu wohnen, in Donaueschingen, <strong>der</strong> natürlich<br />

letztlich Zürich dann bei An- und Abfl ug bedient,<br />

<strong>der</strong> München bedient und <strong>der</strong> auch einige an<strong>der</strong>e auf<br />

dem Weg Richtung Genf ja bedient.“ Ganz abgesehen<br />

davon, dass diese Äußerung aus dem Zusammenhang<br />

gerissen ist – an Dieter Kadens Aussage ist eigentlich<br />

nichts auszusetzen. Dennoch nahm es <strong>der</strong> Initiator<br />

einer Bürgerinitiative zum Anlass, „eine neue intensive<br />

Nutzung des RILAX-Warteraumes“ zu beklagen.<br />

Geht´s vielleicht auch ´ne Nummer kleiner?<br />

Wer nicht gerne nachdenkt, sollte wenigstens von Zeit<br />

zu Zeit seine Vorurteile neu zurechtlegen. In diesem<br />

Fall darlegen, was an RILAX so störend sein soll. Die<br />

Mindestwartehöhe von RILAX liegt normalerweise<br />

bei Flugfl äche (FL) 130. Zu best<strong>im</strong>mten Zeiten darf<br />

die deutsch-schweizerische Grenze nicht unter FL 100<br />

überfl ogen werden (an Werktagen zwischen 21:00<br />

und 07:00, am Wochenende und an Feiertagen zwischen<br />

20:00 und 09:00) liegt sie bei FL180. Zu diesen,<br />

von Deutschland durch eine entsprechende Durch-<br />

von<br />

Werner<br />

Fischbach<br />

15 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

Aktuell<br />

16<br />

✈ Lärmbelästigung aus FL130<br />

Photo: Crossair<br />

führungsverordnung festgelegten Zeiten (von den<br />

Züricher Controllern als DVO-Zeiten bezeichnet) dient<br />

RILAX lediglich als „Overfl ow-Holding“. Der Verkehr<br />

wird dann von RILAX nach AKIMI, eine auf Schweizer<br />

Territorium liegende Kurskreuzung, geführt.<br />

Darüber hinaus fragt sich, in welchem Ausmaß die südbadische<br />

Bevölkerung vom Fluglärm des Warteraums<br />

RILAX betroffen sein mag. Die höchste Erhebung Südbadens<br />

ist <strong>der</strong> Feldberg. Seine Höhe beträgt 1 493<br />

Meter über Meereshöhe, was ca. 4 500 Fuß entspricht.<br />

Ein Flugzeug in <strong>der</strong> RILAX-Mindestwartehöhe befi ndet<br />

sich also <strong>im</strong>mer noch 8 500 Fuß (ca. 2 800 m) über<br />

dem höchsten Berg des Schwarzwalds. Die Lärmbelästigung<br />

<strong>der</strong> südbadischen Bevölkerung dürfte sich bei<br />

<strong>der</strong> Nutzung von RILAX ebenso in Grenzen halten wie<br />

die vom Sprecher <strong>der</strong> Bürgerinitiative beklagte intensive<br />

Nutzung des Warteraums. Die hängt natürlich<br />

von verschiedenen Faktoren ab; aber nach Meinung<br />

<strong>der</strong> Züricher Controller sind dies normalerweise nicht<br />

mehr als zwei Stunden am Tag! So fühlt man sich bei<br />

dem Protest <strong>der</strong> Bürgerbewegung irgendwie an Kurt<br />

Tucholsky erinnert, nach dem <strong>der</strong> Mensch neben dem<br />

Trieb <strong>der</strong> Fortpfl anzung und dem zu essen und zu trinken<br />

zwei Leidenschaften hat: Krach zu machen und<br />

nicht zuzuhören!<br />

Der Wi<strong>der</strong>stand gegen die Grundgesetzän<strong>der</strong>ung<br />

Nun kann mit gutem Grund gefragt werden, ob die<br />

am 28. Mai vom Bundestag verabschiedete Än<strong>der</strong>ung<br />

des Art. 87d GG wirklich das Gelbe vom Ei ist o<strong>der</strong> ob<br />

durch die Än<strong>der</strong>ung, nach welcher Flugsicherung in<br />

Bundesverwaltung und nicht mehr als bundeseigene<br />

Verwaltung ausgeführt werden müsse, eine Kapitalprivatisierung<br />

<strong>der</strong> DFS wirklich verhin<strong>der</strong>t wird.<br />

Die verkehrspolitische Sprecherin <strong>der</strong> Linksfraktion,<br />

Dorothée Menzner, hat bei <strong>der</strong> Debatte zu <strong>der</strong> Grundgesetzän<strong>der</strong>ung<br />

diese Problematik angesprochen.<br />

Eine ausführliche Diskussion darüber ist durchaus<br />

erstrebenswert, würde aber den Umfang dieses Beitrags<br />

sprengen. Ebenso muss gefragt werden, ob die<br />

vom Bundestag zusätzlich beschlossenen luftverkehrsrechtlichen<br />

Än<strong>der</strong>ungen wirklich <strong>der</strong> Sicherheit<br />

<strong>im</strong> Luftverkehr dienen. Thorsten Wehe hat diese Problematik<br />

bereits in <strong>der</strong> letzen Ausgabe aufgegriffen.<br />

Im Vergleich zu <strong>der</strong> Abst<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Bundestag, bei<br />

welcher es Befürworter und Gegner <strong>der</strong> Grundgesetzän<strong>der</strong>ung<br />

gegeben hat, gibt es in Südbaden einen<br />

parteiübergreifenden Wi<strong>der</strong>stand, <strong>der</strong> ein wenig an<br />

das unbeugsame gallische Dorf <strong>im</strong> Machtbereich des<br />

Römischen Reiches erinnert. Die Koalition <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>ständigen<br />

beginnt bei <strong>der</strong> baden-württembergischen


Landesregierung, geht weiter über Abgeordnete <strong>der</strong><br />

CDU, SPD und FDP und endet schließlich bei den<br />

Landräten. Deren wichtigstes Argument ist, dass die<br />

Grundgesetzän<strong>der</strong>ung eigentlich verfassungswidrig<br />

ist. Weil, so das Argument, Flugsicherung eine<br />

hoheitliche Aufgabe ist. O<strong>der</strong> wie es die CDU-Bundestagsabgeordneten<br />

Thomas Dörfl inger, Andreas Jung<br />

und Siegfried Kau<strong>der</strong> ausdrücken, „zum Kernbereich<br />

staatlicher Aufgabenwahrnehmung ... auch die Aufgaben<br />

<strong>der</strong> Flugsicherung als ´Luftpolizei` zählen. Und die<br />

dürften auf keinen Fall an ein privates Unternehmen<br />

übertragen werden. Und schon gar nicht an eines,<br />

das sich wie „skyguide“ <strong>im</strong> Ausland befi ndet und <strong>der</strong><br />

Staat, also in diesem Fall die Bundesregierung, keine<br />

ausreichende Kontrollmöglichkeiten habe. Die FDP-<br />

Landesvorsitzende Birgit Homburger sprach sich aus<br />

ähnlichen Gründen gegen die Grundgesetzän<strong>der</strong>ung<br />

aus. Ausschlaggebend für ihre Ablehnung ist die Tatsache,<br />

dass die Bundesregierung nicht in <strong>der</strong> Lage<br />

war, die von <strong>der</strong> FDP gestellten Fragen rechtzeitig zu<br />

beantworten.<br />

Auch die SPD-Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter<br />

und Peter Friedrich lehnen die Übertragung von<br />

hoheitlichen Aufgaben an die privatrechtliche Aktiengesellschaft<br />

„skyguide“ ab. Dabei scheint irgendwie<br />

in den Hintergrund zu treten, dass sich „skyguide“<br />

zu mehr als 99% <strong>im</strong> Besitz <strong>der</strong> Eidgenossenschaft<br />

befi ndet und <strong>der</strong> Bundesrat, sprich die Schweizer<br />

Regierung, je<strong>der</strong>zeit Zugriff auf das Unternehmen<br />

hat. Zwischen „skyguide“ und <strong>der</strong> DFS bestehen also,<br />

zumindest was die Besitzverhältnisse betrifft, keine<br />

großen Unterschiede. Letztlich geht es weniger um die<br />

Gesellschaftsform eines Flugsicherungsdienstleisters,<br />

son<strong>der</strong>n um die Tatsache, dass hoheitliche Aufgaben<br />

und die Sicherheit des Luftverkehrs nicht privaten<br />

Kapitalinteressen anhe<strong>im</strong> gestellt werden dürfen.<br />

Nun behauptet die Regierung einen Weg gefunden<br />

zu haben, auf <strong>der</strong> einen Seite die Flugsicherung als<br />

staatliche Aufgabe zu defi nieren und auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite den Weg für die Teilnahme am Projekt des „Single<br />

European Sky“ freizumachen. Die südbadischen<br />

Politiker scheinen dies an<strong>der</strong>s zu sehen und begründen<br />

ihren Wi<strong>der</strong>stand mit den hoheitlichen Aufgaben<br />

<strong>der</strong> Flugsicherung. Das ist erstaunlich, gehören sie<br />

doch jenen Parteien an, die vor nicht allzu langer Zeit<br />

in einer Kapitalprivatisierung <strong>der</strong> DFS den einzig selig<br />

machenden Weg sahen, <strong>im</strong> europäischen Wettbewerb<br />

zu bestehen. Ob dies ihre wahren Argumente sind, sei<br />

dahin gestellt. Vielmehr scheint es darum zu gehen,<br />

ihren Wi<strong>der</strong>stand gegen den Flughafen Zürich und<br />

gegen das Schweizer Flugsicherungsunternehmen<br />

„skyguide“ zu artikulieren und dieses als unsicher darzustellen.<br />

Selbst <strong>der</strong> Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten<br />

des Landes Baden-Württemberg, <strong>der</strong><br />

eine „Grundgesetzän<strong>der</strong>ung <strong>im</strong> Hau-Ruck-Verfahren“<br />

sah und sie als „vorauseilenden Gehorsam gegenüber<br />

noch nicht existenten EU-Vorschriften“ bezeichnete,<br />

verwies auf „die schlechten Erfahrungen, die mit <strong>der</strong><br />

bereits privatisierten schweizerischen Luftsicherheit<br />

Aktuell<br />

gemacht worden seien.“ Natürlich meinte er die damit<br />

die Katastrophe von Überlingen.<br />

Allerdings sollten sich die politisch Verantwortlichen<br />

einmal fragen, ob dieses Unglück nicht dem Bemühen<br />

<strong>der</strong> „skyguide“-Geschäftsführung, ihr Unternehmen<br />

auf den zu erwartenden Wettbewerb vorzubereiten und<br />

ihren Kunden ein möglichst preiswertes Produkt anzubieten,<br />

geschuldet war. Sich also <strong>im</strong> neoliberalen Sinn<br />

für den herbeigesehnten Wettbewerb unter den europäischen<br />

Flugsicherungsdienstleistern fi t zu machen.<br />

Deshalb ist nicht auszuschließen, dass das Management<br />

einer kapitalprivatisierten DFS eben auch diesen<br />

Weg eingeschlagen hätte. Weil es gezwungen gewesen<br />

wäre, die Kapitalinteressen ihrer Anteilseigner zu<br />

bedienen. Zudem sollten die südbadischen Politiker<br />

ehrlicherweise zur Kenntnis nehmen, dass „skyguide“<br />

eben aus diesen Fehlern gelernt hat. Darüber hinaus<br />

sollten sie sich auch bewusst sein, dass ihr Verhalten<br />

für die Züricher Controller einen Affront darstellt, weil<br />

sie <strong>der</strong>en Arbeit gering schätzen. Schließlich sehen<br />

diese ihre Aufgabe in <strong>der</strong> Sicherheit des Luftverkehrs.<br />

Egal, ob sie ihren Job <strong>im</strong> deutschen o<strong>der</strong> <strong>im</strong> Schweizer<br />

Luftraum verrichten. We<strong>der</strong> deutsche noch schweizer<br />

Controller gehen zur Arbeit, um einen Zusammenstoß<br />

herbeizuführen.<br />

Fragt sich, was die politischen Führer des „wi<strong>der</strong>spenstigen<br />

gallischen Dorfes“ <strong>im</strong> Südwesten Deutschlands<br />

bewirken wollen. Vielleicht geht es ihnen darum, dass<br />

die Delegation des südwestdeutschen Luftraums an<br />

„skyguide“ zurückgenommen wird. Dass dies ernsthafte<br />

Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Betriebsabwicklung hervorrufen<br />

und zu Kapazitätseinbußen für den Flughafen<br />

Zürich-Kloten führen würde, nehmen sie offensichtlich<br />

billigend in Kauf. Ob die Grenzbewohner dadurch vom<br />

Fluglärm entlastet würden, darf hingegen bezweifelt<br />

werden. Schließlich produzieren Airbusse und Boeing<br />

nicht weniger Lärm, wenn sie von deutschen anstatt<br />

von Schweizer Lotsen kontrolliert werden. Aber welcher<br />

Politiker denkt schon so weit, wenn es darum<br />

geht, be<strong>im</strong> Wähler punkten zu können?<br />

Eine an<strong>der</strong>e Frage ist, ob sich die südbadischen<br />

Politiker mit ihren For<strong>der</strong>ungen auch durchsetzen<br />

können. Bekanntlich waren Asterix und Obelix nur<br />

erfolgreich, weil ihnen <strong>der</strong> Druide Miraculix den<br />

berühmten Zaubertrank zusammenbraute und ihnen<br />

dadurch zu übermenschlichen Kräften verhalf, so<br />

dass sie den römischen Legionären vernichtende<br />

Nie<strong>der</strong>lagen bereiten konnten. Von einem Druiden<br />

und einem politischen Zaubertrank ist in Südbaden<br />

nichts zu sehen. Aber wer weiß – schließlich stirbt<br />

die Hoffnung zuletzt und vielleicht gibt es <strong>im</strong> Bundesrat<br />

noch ein Wun<strong>der</strong>. Zum Beispiel, wenn sich die<br />

Län<strong>der</strong>, in welchen die Linkspartei mitregiert, bei <strong>der</strong><br />

Abst<strong>im</strong>mung über die Än<strong>der</strong>ung des Artikels 87d GG<br />

<strong>der</strong> St<strong>im</strong>me enthalten. Oskar Lafontaine dürfte sich<br />

vor Freude die Hände reiben, konnte er dann aber<br />

doch nicht, s. S. 13.<br />

17 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


von<br />

Alexan<strong>der</strong><br />

Schwassmann<br />

<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

Safety<br />

22<br />

7. Deutsches<br />

Flight Safety Forum<br />

Das Deutsche Flight Safety Forum, <strong>im</strong> jährlichen Wechsel veranstaltet<br />

von <strong>der</strong> Vereinigung Cockpit (VC), <strong>der</strong> Bundesanstalt für<br />

Flugunfalluntersuchung (BFU), <strong>der</strong> DFS und dem General Flugsicherheit<br />

<strong>der</strong> Bundeswehr, ist inzwischen eine etablierte zweitägige<br />

Vortrags- und Diskussionsplattform für die mit Flugsicherheit<br />

befassten Organisationen in <strong>der</strong> deutschen Luftfahrt und auch eins<br />

<strong>der</strong> persönlichen Highlights <strong>im</strong> Kalen<strong>der</strong> des Verfassers. Dieses<br />

Jahr konnte die Vereinigung Cockpit als Tagungsort die Elbe Flugzeugwerke<br />

(EFW) direkt am Flughafen Dresden gewinnen.<br />

Hier wurde vor über 50 Jahren das erste deutsche<br />

Düsenfl ugzeug, die Baade 152, entwickelt. Lei<strong>der</strong><br />

kam es aufgrund mangeln<strong>der</strong> Nachfrage nie zu einer<br />

Serienfertigung, und <strong>der</strong> einzige Prototyp stürzte bei<br />

einem Testfl ug ab. Zu DDR-Zeiten wurden <strong>im</strong> damaligen<br />

„VEB Flugzeugwerft Dresden“ Flugzeuge <strong>der</strong><br />

Nationalen Volksarmee und des Warschauer Paktes<br />

instand gehalten. Im Frühjahr 1989 gab es <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit dem Kauf von drei Airbus-A310-Flugzeugen<br />

durch Interfl ug erste Kontakte mit Airbus. Diese<br />

verstärkten sich gleich nach dem Fall <strong>der</strong> Mauer.<br />

Heute ist die „Elbe Flugzeugwerke GmbH“ eine einhun<strong>der</strong>tprozentige<br />

Tochter von EADS und rüstet ausrangierte<br />

Passagiermaschinen <strong>der</strong> Typen A300 und<br />

A310 für Kunden wie Fedex zu Frachtfl ugzeugen um,<br />

die dann nach bis zu dreißig Jahren <strong>im</strong> Passagierbe-<br />

trieb für nochmals bis zu zwanzig Jahre<br />

bei Luftfrachtunternehmen ein zweites<br />

Leben erhalten. Zukünftig plant EFW<br />

auch die Bereitstellung von Umrüstlösungen<br />

für die Airbus-Varianten A320<br />

und A330 (siehe auch unsere Fotos).<br />

Neben den Veranstaltern nahmen<br />

wie <strong>im</strong>mer die Sicherheitspiloten <strong>der</strong><br />

großen deutschen Airlines und Mitglie<strong>der</strong><br />

des Fachbereichsvorstandes Betrieb <strong>der</strong> <strong>GdF</strong><br />

teil, und wie <strong>im</strong>mer standen interessante Vorträge<br />

auf <strong>der</strong> Tagesordnung. Den Anfang machte in diesem<br />

Jahr <strong>der</strong> General Flugsicherheit <strong>der</strong> Bundeswehr, Brigadegeneral<br />

Lothar Schmidt. Er berichtete über die<br />

<strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> bemerkenswert niedrige Unfallrate <strong>im</strong><br />

Flugbetrieb <strong>der</strong> Bundeswehr, insbeson<strong>der</strong>e in Anbetracht<br />

<strong>der</strong> Einsatzgebiete und -profi le. Er beschrieb<br />

die Sicherheitsmanagement-Strategien <strong>der</strong> Bundeswehr<br />

mit regelmäßigen Inspektionen aller fl iegenden<br />

Verbände und Einsatzgebiete. Unter dem Beifall <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Anwesenden gab General Schmidt außerdem<br />

bekannt, dass die Bundeswehr über die Einführung<br />

eines nicht-punitiven Meldewesens nachdenkt, ein<br />

Schritt, <strong>der</strong> auch durch die Teilnahme an den Flight<br />

Safety Foren angeregt worden sein könnte.


Lothar Müller von <strong>der</strong> BFU gab dann einen Überblick<br />

über Unfälle und so genannte Schwere Störungen<br />

in <strong>der</strong> deutschen Zivilluftfahrt des Jahres 2008. Bei<br />

diesen Schweren Störungen stachen wie<strong>der</strong> einmal<br />

gefährliche Annäherungen zwischen Luftfahrzeugen<br />

<strong>im</strong> Flug hervor, dazu mehrere Vorkommnisse, bei<br />

denen Luftfahrzeuge von <strong>der</strong> Piste abkamen. Aus<br />

Flugsicherungssicht interessant waren auch einige<br />

Runway Incursions sowie die Bodenberührung eines<br />

Canadair Regionaljets, <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Landung in die Wirbelschleppen<br />

eines fünf Meilen voraus fl iegenden Airbus<br />

320 (!) geraten war.<br />

Ebenfalls untersucht wurden die beiden medienwirksamen<br />

Vorfälle des Lufthansa Airbus 320 in Hamburg<br />

sowie einer ATR 72 in München, bei <strong>der</strong> nach einem<br />

Startabbruch eine Bremse des Hauptfahrwerkes zu<br />

brennen begann. Beide Vorfälle landeten sehr schnell<br />

als (Handy-)Filme <strong>im</strong> Internet, ein Umstand, <strong>der</strong> in<br />

Zeiten des Web 2.0 weiter zunehmen dürfte.<br />

Hans-Jürgen Morscheck berichtete <strong>im</strong> Anschluss<br />

über die Probleme <strong>der</strong> DFS mit <strong>der</strong> zum Zeitpunkt <strong>der</strong><br />

Veranstaltung formell <strong>im</strong>mer noch nicht errichteten<br />

Nationalen Aufsichtsbehörde für Flugsicherung. Er<br />

beklagte die unzureichende personelle Ausstattung<br />

<strong>der</strong> als BAF-Ersatz fungierenden Außenstelle des<br />

Referats 23 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau<br />

und Stadtentwicklung in Langen. Außerdem legte<br />

Herr Morscheck die Bemühungen <strong>der</strong> DFS be<strong>im</strong> Aufbau<br />

eines europaweiten Sicherheitsmanagements<br />

<strong>der</strong> Flugsicherungsanbieter dar. Die DFS propagiert<br />

vor allem die Schaffung von einheitlichen Kriterien zur<br />

Risikoanalyse.<br />

Auch für die Vereinigung Cockpit stellte die Schaffung<br />

einer zentralen Datenbasis ein wichtiges Thema<br />

<strong>im</strong> abgelaufenen Jahr dar, allerdings geht es bei den<br />

Safety<br />

betroffenen Daten um Pilotenmeldungen ungewöhnlicher<br />

Vorkommnisse und automatische Datenauswertung<br />

aus Flugschreibern. Bei vielen kleineren<br />

Flugbetrieben reicht das Datenaufkommen nicht aus,<br />

um eigenständige Risikoanalysen zu erstellen. Hier<br />

möchte die VC als anonyme Sammelstelle von Daten<br />

aller Flugbetriebe dienen. In einem Vortrag am zweiten<br />

Veranstaltungstag bekundeten Verantwortliche<br />

von Lufthansa Cargo ebenfalls ihr Interesse am Aufbau<br />

einer airlineübergreifenden Datensammlung und<br />

-analyse.<br />

Weiterhin kündigte Hans-Joach<strong>im</strong> Ebermann, Leiter<br />

<strong>der</strong> Arbeitsgruppe Flight Safety <strong>der</strong> VC, an, dass<br />

das VC-Human Factors-Konzept 2010 neu aufgelegt<br />

werden soll. Möglicherweise lassen sich aus diesem<br />

Konzept auch Anregungen für die Flugsicherung<br />

gewinnen.<br />

Jens Friedemann von <strong>der</strong> BFU legte in einem sehr ausführlichen<br />

Vortrag die Grundzüge <strong>der</strong> zwischenstaatlichen<br />

Rechtsgrundlagen bei Flugunfällen <strong>im</strong> Ausland<br />

dar. Grundsätzlich fi nden parallel <strong>im</strong>mer zwei Untersuchungen<br />

statt, die juristische sowie die Ursachenforschung<br />

gemäß ICAO Annex 17. Untersuchungsführer<br />

ist <strong>der</strong> sogenannte State of Occurrence. Dieser<br />

wie<strong>der</strong>um benachrichtigt die States of Registry, of<br />

Operator, of Design und of Manufacture. Je<strong>der</strong> dieser<br />

Staaten hat dann das Recht, einen so genannten<br />

Accredited Representative (AccRep) zu benennen, das<br />

ist in Deutschland <strong>im</strong>mer ein Mitarbeiter <strong>der</strong> BFU. Dieser<br />

AccRep wie<strong>der</strong>um kann Berater zur Unterstützung<br />

nominieren. Interessant aus Flugsicherungssicht: Dies<br />

könnte theoretisch auch ein Lotse o<strong>der</strong> Techniker sein,<br />

wenn beispielsweise ein deutsches Luftfahrzeug <strong>im</strong><br />

Ausland in einen fl ugsicherungsverursachten Unfall<br />

verwickelt ist. „Deutsch“ wäre in diesem Zusammenhang<br />

übrigens auch ein unter Flagge <strong>der</strong> Fiji-Inseln<br />

23 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

Safety<br />

24<br />

betriebener A319, <strong>der</strong> <strong>im</strong> Anfl ug auf T<strong>im</strong>buktu verunfallt,<br />

weil er in Hamburg endmontiert wurde.<br />

Christoph Ammann von Swiss erläuterte anschließend,<br />

wie dort CRM („Crew Resource Management“) inzwischen<br />

praktisch alle Fortbildungsveranstaltungen und<br />

Training Sessions bei Swiss durchdrungen hat. „Immer<br />

wenn bei uns trainiert wird, wird auch CRM trainiert.“<br />

CRM als abgesetzte Fortbildungsveranstaltung verschwende<br />

nur unnötig Zeit und Ressourcen. Dies<br />

ergebe sich auch aus <strong>der</strong> Tatsache, dass in gewissen<br />

Tätigkeitsbereichen Defi zite bei <strong>der</strong> Sozialkompetenz<br />

genauso schwer wiegen wie fachliche Mängel. Die<br />

Swiss bewertet daher jeden Piloten bei jedem Check<br />

<strong>im</strong>mer nach drei gleichwertigen Bereichen: „Personal<br />

Behaviour, Working and Lea<strong>der</strong>ship Behaviour, Operation<br />

and Knowledge.“ Wie man unschwer erkennen<br />

kann, sind die ersten beiden Bereiche CRM-relevant.<br />

Außerdem for<strong>der</strong>te Christoph Ammann die strikte<br />

Trennung von Training und Checking. Die Effektivität<br />

von Training steigt nachweislich, wenn nichts aus<br />

<strong>der</strong> Session dokumentiert und bewertet wird, außer<br />

natürlich den Trainierten gegenüber selbst.<br />

Als Abschluss des ersten Tages referierte Max Butter<br />

von CF, dem Lufthansa-Gegenstück zum DFS-VY, ausführlich<br />

über die neue TCAS-Spezifi kation 7.1, gefolgt<br />

von Benjamin Herrmann von CC/FC, dem Sicherheitsmanagement<br />

des Geschäftsbereichs Center <strong>der</strong> DFS,<br />

<strong>der</strong> die Aktivitäten des TCAS/ACAS-Forums von DFS,<br />

DLH, Germanwings, tuifl y und BFU erläuterte. Dieses<br />

Forum entstand übrigens als Folge des 5. Deutschen<br />

Flight Safety Forums, über das <strong>im</strong> „fl ugleiter“ ebenfalls<br />

ausführlich berichtet wurde. Das TCAS/ACAS-<br />

Forum versucht in einem ersten Schritt zu best<strong>im</strong>men,<br />

welche typischen Szenarien wie „IFR gegen VFR<br />

<strong>im</strong> Luftraum E“, „IFR-Abfl ug gegen IFR-Anfl ug in <strong>der</strong><br />

TMA“, „IFR gegen VFR <strong>im</strong> Luftraum D“ beson<strong>der</strong>s häufi<br />

g auftreten. Dazu werden Daten aus Flugschreibern<br />

und über das neue DFS-Programm zur bodenseitigen<br />

Auswertung von TCAS-RAs („AMOR“) gesammelt und<br />

ausgewertet. Nach Best<strong>im</strong>mung <strong>der</strong> zahlenmäßig häufi<br />

gsten Konstellationen will das TCAS/ACAS-Forum<br />

dann nach Lösungen für diese Szenarien suchen.<br />

Bei einem sehr eindrucksvollen und sachkundig ge -<br />

führten Rundgang durch die Fertigungshallen <strong>der</strong> Elbe<br />

Flugzeugwerke und dem anschließenden gemeinsamen<br />

Abendessen in <strong>der</strong> schönen Dresdner Altstadt<br />

konnten dann die gesammelten Informationen <strong>im</strong><br />

gemütlichen Rahmen weiter vertieft werden. Dieses<br />

Jahr waren die Teilnehmer Gäste <strong>der</strong> Vereinigung<br />

Cockpit, die aus Anlass ihres vierzigjährigen Jubiläums<br />

eingeladen hatte. Dem Geburtstagskind auch an<br />

dieser Stelle unseren herzlichen Glückwunsch!<br />

Den zweiten Tag eröffneten Jens Piotter und Dr. Olaf<br />

Pester von Lufthansa Cargo mit einem Vortrag über<br />

die Qualitätssicherungsmaßnahmen bei Subunternehmern.<br />

Wenn man Leistungen an an<strong>der</strong>e Flugbetriebe<br />

auslagert, muss man natürlich sicherstellen,<br />

dass bei denen auch die Qualität st<strong>im</strong>mt. Sicher ein<br />

Ansatz, <strong>der</strong> auch in <strong>der</strong> Flugsicherung gelten muss!<br />

Ein Problem bei dieser Aufgabe stellt die Festlegung<br />

von objektiven Safety-Management-Parametern dar:<br />

„Wie nahe an einem Unfall sind wir eigentlich?“ Um<br />

hier einen belastbaren Katalog zu erhalten, hat die<br />

Lufthansa ein Projekt mit vier deutschen Universitäten<br />

gestartet. Vielleicht stellt sich dabei dann aber auch<br />

nur heraus, dass solche messbaren Größen schlicht<br />

nicht existieren.<br />

Anschließend berichtete Thierry Thoreau von Airbus<br />

Industries über Unfallraten von Jets westlicher Bauart,<br />

ausgenommen beson<strong>der</strong>e Ereignisse wie Test- und<br />

Trainingsfl üge, Terrorismus o<strong>der</strong> Krieg. Generell gilt:<br />

Je neuer die Flugzeuggeneration, desto geringer die<br />

Unfallzahlen. Jets <strong>der</strong> ersten Generation verunfallten<br />

in einer Rate von vier pro eine Million Starts; um die<br />

gleiche Anzahl von Unfällen zu „erreichen“, müssen<br />

mo<strong>der</strong>ne Jets <strong>der</strong> vierten Generation 20 Millionen mal<br />

abheben. Einige Unfallarten kommen heute dank technischer<br />

Verbesserungen praktisch nicht mehr vor, wurden<br />

aber lei<strong>der</strong> durch neue Szenarien abgelöst. Thierry


Thoreau konzentrierte sich <strong>im</strong> Folgenden beson<strong>der</strong>s<br />

auf Runway Excursions und High Altitude Upsets.<br />

Erste resultieren <strong>im</strong> Allgemeinen nicht aus Design-<br />

o<strong>der</strong> Konstruktionsfehlern <strong>der</strong> Flugzeuge, son<strong>der</strong>n<br />

aus Defi ziten <strong>im</strong> Flugbetrieb: „Wer rechtzeitig durchstartet,<br />

kann keinen Landeunfall haben!“ Er for<strong>der</strong>te<br />

eine Kampagne bei den Flugbetrieben, die Piloten<br />

dazu ermuntert, <strong>im</strong> Zweifelsfall lieber durchzustarten<br />

als einen riskanten Anfl ug zu versuchen. Bei entsprechendem<br />

Erfolg einer solchen Kampage könnte dies<br />

natürlich auch Auswirkungen auf die Lotsentätigkeit<br />

haben. Außerdem stellte Thoreau eine neue Systemlösung<br />

für Airbus-Flugzeuge vor. Hier könnte <strong>der</strong> Pilot<br />

<strong>im</strong> Landeanfl ug gewarnt werden, dass aufgrund verschiedener<br />

Parameter wie Landebahnzustand, Windrichtung<br />

und –stärke sowie Anfl uggeschwindigkeit<br />

ein Überschießen möglich sein könnte. Das System<br />

könnte beispielsweise per akustischer Warnung<br />

einen Go-Around vorschlagen, o<strong>der</strong> auch bei bereits<br />

erfolgtem Aufsetzen auf <strong>der</strong> Piste selbstständig „Max<br />

Autobrake“ setzen und Callouts wie „Select/Keep<br />

Max Reverse“ ausgeben.<br />

Zum Thema „High Altitude Upsets“ erläuterte Thierry<br />

Thoreau verschiedene Ursachen wie Wirbelschleppen,<br />

starke Turbulenz und übertriebene Ru<strong>der</strong>ausschläge<br />

<strong>der</strong> Besatzung. Während gegen die ersten beiden<br />

Ursachen kaum etwas zu machen ist, mahnte Thoreau,<br />

dass Besatzungen auf den sensiblen Umgang mit dem<br />

Seitenru<strong>der</strong>, das ja <strong>im</strong> „normalen“ Reisefl ug nicht<br />

benutzt wird, achten sollten. Die meisten S<strong>im</strong>ulatoren<br />

seien lei<strong>der</strong> zum Training solcher Extremszenarien<br />

nicht geeignet. Benutze man sie dennoch, bestehe<br />

die Gefahr, dass sich Piloten Techniken aneignen, die<br />

zwar <strong>im</strong> S<strong>im</strong>ulator das gewünschte Ergebnis erzielen,<br />

<strong>im</strong> „echten“ Flugzeug jedoch katastrophale Folgen<br />

haben könnten.<br />

Quasi das Gegenstück zu Runway Excursions beleuchtete<br />

anschließend Johann Reuß von <strong>der</strong> BFU. Er referierte<br />

über die Komplexität <strong>der</strong> Untersuchung von<br />

Runway Incursions. Hier sind meist eine Vielzahl von<br />

Parteien beteiligt, nämlich ein o<strong>der</strong> zwei Flugzeuge,<br />

Besatzungen und Flugbetriebe, die Flugsicherung, <strong>der</strong><br />

Flughafenbetreiber sowie das Flughafenlayout, dazu<br />

Safety<br />

möglicherweise auch Fahrer von Kraftfahrzeugen.<br />

Erstaunlich ist, dass Runway Incursions systematisch<br />

erst seit dem Unfall von Mailand-Malpensa in 2001<br />

untersucht werden. Zwar gab es schon vorher Unfälle,<br />

beson<strong>der</strong>s den von Teneriffa 1977, aber diese wurden<br />

einfach als Unfälle untersucht, ohne sie speziell als<br />

Runway Incursion zu klassifi zieren. Am konkreten Beispiel<br />

des Vorfalles in München 2004 erläuterte Johann<br />

Reuß den Zusammenhang zwischen unmittelbaren<br />

und systemischen Ursachen. Markus Wassmer vom<br />

Sicherheitsmanagement <strong>der</strong> DFS ergänzte, dass die<br />

DFS das ihre dazu getan hat, eine <strong>der</strong> systemischen<br />

Ursachen, nämlich die ungenau gefasste Vorschrift<br />

über konditionelle Freigaben, zu beseitigen.<br />

Johann Reuß zitierte Eurocontrol mit <strong>der</strong> Aussage:<br />

„Der Anteil <strong>der</strong> am Flughafen verursachten Verspätungen<br />

steigt <strong>im</strong>mer weiter.“ Der operationelle Druck,<br />

solche Verspätungen zu vermin<strong>der</strong>n und auch aus subopt<strong>im</strong>alen<br />

Flughafensystemen noch mehr Kapazität zu<br />

quetschen, dürfte sicher dafür sorgen, dass uns Runway<br />

Incursions auch zukünftig beschäftigen werden.<br />

Der Autor selbst eröffnete anschließend in seiner<br />

Eigenschaft als Vorstand Fachliches des Fachbereiches<br />

Betriebsdienst einen Einblick in die Aktivitäten<br />

<strong>der</strong> <strong>GdF</strong> zum Thema „Fehlanfl ug nach Swing<br />

Over“ seit Erscheinen eines Artikels <strong>im</strong> „Flugleiter“<br />

Ende 2007. Er erläuterte die interne Struktur <strong>der</strong><br />

<strong>GdF</strong> sowie die auf <strong>der</strong> Fachbereichskonferenz 2008<br />

gefassten Beschlüsse und Ergebnisse eines Workshops<br />

zwischen Fachbereichsvorstand und Vertretern<br />

<strong>der</strong> DFS. Die versammelten Sicherheitspiloten waren<br />

mit <strong>der</strong> angestrebten Vorgehensweise einverstanden.<br />

(Anm.: Lei<strong>der</strong> hat sich die DFS nach dem Flight Safety<br />

Forum dafür entschieden, eine rein interne Lösung für<br />

einzelne Flughäfen umzusetzen. Im Gegenzug wurde<br />

auf <strong>der</strong> IFATCA-Konferenz Ende April ein Arbeitspapier<br />

von Israel verabschiedet, dass genau auf <strong>der</strong> Linie <strong>der</strong><br />

<strong>GdF</strong>-Vorschläge liegt.)<br />

25 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

Safety / Luftfahrt<br />

26<br />

Mit diesem ersten eigenen Vortrag löste die <strong>GdF</strong> <strong>im</strong><br />

Übrigen ein schon 2007 gegebenes Versprechen ein<br />

und beteiligte sich auch aktiv an <strong>der</strong> Gestaltung des<br />

Deutschen Flight Safety Forums. Sicher ein guter Weg,<br />

sich einmal mehr als kompetenter Partner für Flugsicherheit<br />

zu präsentieren.<br />

Den Abschluss machten Ulf Kramer von <strong>der</strong> BFU und<br />

einmal mehr Hans-Jürgen Morscheck mit Vorträgen<br />

über den zunehmend schwierigeren Spagat zwischen<br />

non-punitivem Meldewesen zu Vor- und Unfällen in<br />

<strong>der</strong> Luftfahrt und strafrechtlichen Ermittlungen durch<br />

deutsche Justizbehörden („Just Culture“).<br />

Die BFU ist sich <strong>der</strong> Tatsache sehr bewusst, dass<br />

deutsche Staatsanwälte auf Untersuchungsunterlagen<br />

und Ergebnisse <strong>der</strong> BFU Zugriff nehmen dürfen,<br />

allerdings versucht man dort bei je<strong>der</strong> sich bietenden<br />

Gelegenheit Überzeugungsarbeit in Juristenkreisen<br />

zu leisten, dass eine solche – in den Augen <strong>der</strong> Meldenden<br />

oft missbräuchliche – Verwendung das nonpunitive<br />

Meldewesen nachhaltig beschädigen könnte.<br />

Hans-Jürgen Morscheck berichtete von ähnlichen<br />

Bemühungen seitens <strong>der</strong> DFS. Hier bedarf es konsolidierter<br />

Überzeugungsarbeit aller an <strong>der</strong> Flugsicherheit<br />

interessierten Parteien bei den zuständigen Ministerien.<br />

Schon 2007 hat das 5. Deutsche Flight Safety<br />

Forum eine entsprechende Resolution verabschiedet.<br />

Photo: Wikipedia<br />

Erster German<br />

Seaplane Day<br />

Deutschland wird seinen ersten German Seaplane Day am ersten<br />

Septemberwochenende (4. – 6.) in Trier an <strong>der</strong> Mosel feiern: mit viel<br />

Info, interessanten Piloten zum Wissensaustausch, traumhaft schönen<br />

Wasserfl ugzeugen, fesselnden Filmen und Vorträgen. (mehr<br />

unter: www.german-seaplane-day.com)<br />

Abgesehen von den Teilnehmern, die sich bereits mit<br />

ihrem Wasserfl ugzeug registriert haben, werden auch<br />

viele Wasserfl ugpiloten (vorort ohne Wasserfl ieger)<br />

aus den USA und an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n Europas teilnehmen<br />

und gerne über Ihre Erlebnisse Auskunft geben.<br />

Das Event wird u.a. von <strong>der</strong> AOPA (Aircraft Owners and<br />

Pilots Assoc) USA, <strong>der</strong> US Seaplane Association geför-<br />

Auch auf <strong>der</strong> FSBD-Konferenz Ende März in Karlsruhe<br />

und <strong>im</strong> letzten „Flugleiter“ spielte das Thema „Just<br />

Culture“ eine zentrale Rolle.<br />

Im Anschluss an das eigentliche Flight Safety Forum<br />

verabschiedeten die Teilnehmer noch eine Resolution<br />

zu TACS 7.1. Hintergrund ist, dass <strong>der</strong> neue Standard<br />

zwar einen sicherheitsrelevanten Bug <strong>der</strong> aktuellen<br />

Version 7.0 beheben wird, dennoch aber nicht verbindlich<br />

vorgeschrieben werden soll. Ohne eine solche<br />

verbindliche Vorgabe durch den Gesetzgeber will<br />

aber kein Hersteller tatsächlich ein Gerät nach TCAS<br />

Standard 7.1 entwickeln. Siehe auch den ausführlichen<br />

Artikel zu TCAS auf Seite 29.<br />

Abschließend gilt <strong>der</strong> Dank des Verfassers <strong>der</strong> hervorragenden<br />

Organisation des Flight Safety Forums<br />

durch die Vereinigung Cockpit und <strong>der</strong> großzügigen<br />

und sehr unkomplizierten Gastfreundschaft <strong>der</strong> Elbe<br />

Flugzeugwerke, die einen würdigen Rahmen für eine<br />

konstruktive und wichtige Veranstaltung geschaffen<br />

haben.<br />

Resolution des 7. Deutschen Flight Safety Forums<br />

Die Safety Pilots deutscher Airlines, das Safetymanagement<br />

<strong>der</strong> DFS , die VC, die <strong>GdF</strong> und die BFU empfehlen<br />

dringend die verbindliche Einführung von TCAS<br />

7.1.<br />

<strong>der</strong>t. Die Unterstützung hierzulande<br />

hält sich stark in Grenzen. Stellt sich<br />

die Frage, warum es bisher gerade<br />

in Deutschland keine Veranstaltung<br />

gegeben hat, die sich mit <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />

des Wasserfl ugs auseinan<strong>der</strong>setzt.<br />

Denn es gibt einige hun<strong>der</strong>t Piloten mit Deutschem<br />

Wasserfl ugrating. Die fl iegen allerdings in den<br />

USA o<strong>der</strong> in an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n, wenn sie<br />

denn mehr tun als ihre Berechtigung mit einem Flug<br />

alle zwei Jahre zu erhalten. Trauriges Deutschand.<br />

Exportweltmeister?<br />

Quelle: Helga Kleisny


TCAS –<br />

aktuelle Entwicklungen<br />

aus Sicht von Lotsen und Piloten<br />

Anmerkung: Der nachfolgende Artikel entstand mit äußerst<br />

umfangreicher und konstruktiver Unterstützung durch den Bereich<br />

„Forschung und Entwicklung“ (TE) <strong>der</strong> DFS. Beson<strong>der</strong>s bedanken<br />

wir uns bei Steffen Marquard und Dr. Roland Mallwitz. Unser Dank<br />

gilt außerdem Christoph Gilgen, dem IFATCA-Repräsentanten <strong>im</strong><br />

Aeronautical Surveillance Panel (ASP) <strong>der</strong> ICAO.<br />

Das Thema „TCAS“ steht nicht erst seit <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />

<strong>der</strong> auch <strong>im</strong> „fl ugleiter“ 01/2009 bereits<br />

ausführlich kommentierten Pressemeldung <strong>der</strong> TU<br />

Braunschweig von Ende 2008 einmal mehr <strong>im</strong> Fokus<br />

<strong>der</strong> Luftfahrt. Seit aufgrund zweier schwerer Flugzeugunglücke<br />

in den USA 1976 und 1982 (beide Male stießen<br />

bei bestem Sichtfl ugwetter kommerzielle Jets mit<br />

kleinen Flugzeugen <strong>der</strong> Allgemeinen Luftfahrt zusammen)<br />

die Entwicklung eines bordseitigen Kollisionswarn-<br />

und Ausweichsystems forciert und sein Einsatz<br />

schließlich auch gesetzlich vorgeschrieben wurde,<br />

hat das unter dem Markennamen „TCAS“ bekannte<br />

System schon einige Zusammenstöße verhin<strong>der</strong>t.<br />

Lei<strong>der</strong> wurden aber auch <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> durch falsche<br />

Anwendung, mängelbehaftete Flugzeuginstallation<br />

o<strong>der</strong> auch (zum Teil durch diese Mängel bedingten)<br />

erkannten Opt<strong>im</strong>ierungsbedarf gefährliche Annäherungen<br />

begünstigt.<br />

Zur Historie: Nach den beiden bereits erwähnten<br />

Zusammenstößen in den USA for<strong>der</strong>te die dortige<br />

Politik die Entwicklung und Einführung eines Antikollisionssystems.<br />

1993 wurde dann schließlich TCAS<br />

Version 6.04A als erste offi zielle Version in den USA<br />

gesetzlich vorgeschrieben. So waren auch zahlreiche<br />

ausländische Fluglinien gezwungen, ihre USA-Flotte<br />

mit TCAS auszurüsten, wenn sie weiter dort operieren<br />

wollten. Die daraus resultierenden positiven Erfahrungen,<br />

insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> elektronische Blick auf<br />

die Umgebung, führten dazu, dass auch solche Flugzeuge<br />

mit TCAS ausgerüstet wurden, die nie in die<br />

USA fl iegen würden. Die Version 6.04A hatte nach den<br />

vorangegangenen Weiterentwicklungen und „Bug<br />

fi xes“ als Hauptziel die Verringerung von sogenannten<br />

Nuisance Warnings. Sie ist bis heute in den USA<br />

als Min<strong>im</strong>alausrüstung vorgeschrieben, weil nach <strong>der</strong><br />

kurzfristigen Erweiterung <strong>der</strong> amerikanischen Ausrüstungsverordnung<br />

(von 6.02 über 6.04 bis 6.04A in<br />

<strong>der</strong> ersten Hälfte <strong>der</strong> neunziger Jahre) die weltweit<br />

von <strong>der</strong> ICAO 1996 standardisierte Version 7.0 politisch<br />

nicht mehr durchsetzbar war. Allerdings werden<br />

neue Flugzeuge auch in den USA seit Inkrafttreten <strong>der</strong><br />

Technik<br />

weltweiten Ausrüstungsverpfl ichtung<br />

nur noch mit <strong>der</strong> Version 7.0 ausgeliefert.<br />

Für die Version 6.04A besteht<br />

nur für die zuvor installierten Geräte<br />

Bestandsschutz.<br />

In Europa wurde für das Jahr 2000 TCAS<br />

Version 7.0 verbindlich für alle Flugzeuge mit mehr als<br />

15t MTOW und 30 Sitzen (ab 2005 auch für Flugzeuge<br />

mit MTOW größer 5,7t und mehr als 19 Sitzen) vorgeschrieben<br />

(weltweit gelten diese Verpfl ichtungen mit<br />

den Daten 2003 und ebenfalls 2005). Diese Weiterentwicklung<br />

hatte, getrieben durch die europäischen<br />

Flugsicherungen, als ein Ziel eine bessere Anpassung<br />

<strong>der</strong> auf den amerikanischen Luftraum zugeschnittenen<br />

Systemeigenschaften an die weltweit sehr unterschiedlichen<br />

Luftraumstrukturen zu gewährleisten.<br />

Insgesamt wurden mehr als 250 Än<strong>der</strong>ungen vorgenommen,<br />

die vor allem den Bereichen<br />

• (air-air) Surveillance (einschließlich <strong>der</strong><br />

Reduzierung <strong>der</strong> Funkfeldbelastung),<br />

• Vertikales Tracking,<br />

• Generierung von Traffi c Advisories,<br />

• Erkennung von potenziellen Konfl ikten,<br />

• Logik für die Auswahl <strong>der</strong> Ausweichempfehlung,<br />

• Displays und Audio-Warnung,<br />

• Kommunikation und<br />

Manöverkoordination, und<br />

• Performance Monitoring<br />

zuzuordnen sind.<br />

TCAS Version 7.0 ist auch die erste<br />

Version, die RVSM-kompatibel<br />

ist. Die Vorgängerversionen<br />

waren für 2000ft vertikale<br />

Staffelung ausgelegt und<br />

lösen deshalb auch bei<br />

geringer vertikaler AnnäherungsrateAusweichempfehlungen<br />

(Resolution Advisories,<br />

abgekürzt: RAs)<br />

in jedem Fall oberhalb<br />

1000ft vertikaler Staffelung<br />

Alarme aus, für<br />

die Version 7 beträgt<br />

<strong>der</strong> Schwellwert<br />

700ft.<br />

von<br />

Alexan<strong>der</strong><br />

Schwassmann<br />

29 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

Technik<br />

30<br />

Von europäischer Seite wurde schon damals darauf<br />

hingewiesen, dass Verbesserungen in <strong>der</strong> „Reversal<br />

Logic“ von TCAS 7.0 notwendig sind. „Reversal“<br />

bedeutet, dass unter verschiedenen unerwarteten<br />

Umständen, einschließlich dem Nichtbefolgen einer<br />

Resolution Advisory, aber auch bei Mehrfachkonfl<br />

ikten, durch eines <strong>der</strong> beteiligten Luftfahrzeuge<br />

(falls beispielsweise beide beteiligten Luftfahrzeuge<br />

sinken) eine neue, <strong>der</strong> ursprünglichen RA entgegen<br />

gesetzte Ausweichempfehlung generiert wird. Neben<br />

verschiedenen an<strong>der</strong>en Kriterien, wie z.B. einer min<strong>im</strong>alen<br />

Höhendifferenz von 100ft zwischen den Flugzeugen,<br />

wurde <strong>im</strong> Standard für TCAS Version 7.0 als<br />

letztes (weil in jedem Fall unterschiedliches) Kriterium<br />

festgelegt, dass das Luftfahrzeug mit <strong>der</strong> niedrigeren<br />

ICAO 24-bit-Flugzeugadresse, die weltweit eindeutig<br />

ist, einen solche RA-Reversal durchführen kann.<br />

In einem Konfl ikt zweier sinken<strong>der</strong> o<strong>der</strong> steigen<strong>der</strong><br />

Luftfahrzeuge ist, kann diese Implementierung <strong>der</strong><br />

Reversal RA abhängig von <strong>der</strong> Geometrie das Risiko<br />

erhöhen, anstatt es zu senken. Wer be<strong>im</strong> Szenario<br />

„zwei sinkende Luftfahrzeuge“ an Überlingen denkt,<br />

liegt richtig. Hier war diese Reversal-Implementierung<br />

einer <strong>der</strong> vielen Bausteine, die zur Katastrophe beigetragen<br />

haben. Ein Teilnehmer formulierte es auf dem<br />

7. Deutschen Flight Safety Forum in Dresden so: „Es<br />

gibt Konfl ikte, die TCAS 7.0 nicht lösen kann“. Laut<br />

seiner Aussage führt ein Szenario wie in Überlingen<br />

zu einer Unfallwahrscheinlichkeit von „einmal alle<br />

vier Jahre“.<br />

Das zweite Problem von TCAS 7.0 sind die <strong>im</strong> Cockpitjargon<br />

so genannten „negativen RAs“. Damit bezeichnet<br />

Piloten RAs, bei denen sich die Bewegungsrichtung<br />

des Luftfahrzeuges nicht än<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n die<br />

Besatzung aufgefor<strong>der</strong>t wird, die Steig- o<strong>der</strong> Sinkgeschwindigkeit<br />

zu verringern. Solche RAs müssen<br />

seit kurzem <strong>der</strong> Flugsicherung nicht mehr gemeldet<br />

werden, da sie bei korrekter Ausführung durch die<br />

Piloten keine Auswirkung auf die Staffelung <strong>der</strong> Lotsen<br />

haben. Negative RAs werden <strong>im</strong> Cockpit durch die<br />

Worte „Adjust vertical Speed! Adjust!“ angesagt. Aus<br />

dieser Ansage allein kann <strong>der</strong> Pilot jedoch nicht erkennen,<br />

auf welche Rate er die Vertikalgeschwindigkeit<br />

reduzieren soll. Dazu später mehr.<br />

Vermutlich resultiert aus diesen zahlenmäßig relativ<br />

häufi g vorkommenden „Negativen RAs“ (laut Eurocontrol<br />

etwa 75% aller RAs) die schon erwähnte recht<br />

reißerische Pressemeldung <strong>der</strong> TU Braunschweig.<br />

Dabei zeigen die von <strong>der</strong> TU Braunschweig in verschiedenen<br />

Vorträgen gezeigten Beispiele deutlich,<br />

dass entwe<strong>der</strong> ausreichende vertikale o<strong>der</strong> horizontale<br />

Staffelung bestand. In vielen Fällen ist einfach<br />

die hohe Vertikalgeschwindigkeit <strong>der</strong> Auslöser einer<br />

RA, obwohl das vertikal manövrierende Flugzeug z.B.<br />

noch deutlich mehr als 1000ft von einem an<strong>der</strong>en <strong>im</strong><br />

Levelfl ug separiert ist. Deshalb folgen inzwischen<br />

einige Luftfahrtgesellschaften dem ICAO-Vorschlag,<br />

auf den letzten 1000ft vor Erreichen des zugewiesenen<br />

Levels die Vertikalgeschwindigkeit auf unter 1500ft/<br />

min zu begrenzen. Bei Vertikalgeschwindigkeiten von<br />

3000ft/min o<strong>der</strong> mehr hat TCAS dann aber schon den<br />

Alarm generiert.<br />

Die „Lösung aller Probleme“ soll <strong>der</strong> neue Standard<br />

7.1 darstellen. Ziel ist vor allem die Opt<strong>im</strong>ierung <strong>der</strong><br />

Mensch-Maschine-Schnittstelle. Wie<strong>der</strong>um ein Zitat<br />

vom Deutschen Flight Safety Forum: „TCAS als System<br />

funktioniert <strong>im</strong> Grund technisch einwandfrei, aber<br />

die Mensch-Maschine-Schnittstelle versagt häufi g.“<br />

Damit ist nicht – wie in Überlingen – gemeint, dass die<br />

Besatzung bewusst gegen die TCAS-Ausweichempfehlung<br />

handelt (weil sie beispielsweise stattdessen<br />

einer Anweisung <strong>der</strong> Flugsicherung folgt). Vielmehr ist<br />

damit gemeint, dass ein Pilot anhand <strong>der</strong> akustischen<br />

Warnung „Adjust Vertical Speed! Adjust!“ allein nicht<br />

erkennen kann, was genau das System von ihm verlangt.<br />

Das war natürlich auch denjenigen klar, die<br />

die akustische Warnung seinerzeit festgelegt hatten.<br />

Daher wurde ebenfalls festgelegt, dass ein grüner<br />

Bereich <strong>im</strong> Variometer (englisch: Vertical Speed Indicator<br />

– VSI) <strong>im</strong> Cockpit signalisiert, welche Rate aktuell<br />

empfohlen wird.<br />

Ein Beispiel: Aktuelle Steigrate ist 3300 ft, <strong>der</strong> Zeiger<br />

steht also bei 3300 ft/min, <strong>der</strong> grüne TCAS-Bereich<br />

liegt bei 1000 ft/min. Durch Drücken (Verringern <strong>der</strong><br />

Steigrate) wird <strong>der</strong> Pilot also den Zeiger von 3300 ft/<br />

min nach 1000 ft/min „bewegen“. So weit, so einleuchtend.<br />

Der Teufel liegt jedoch <strong>im</strong> Detail.<br />

Beispiel für eine neu initierte<br />

“Adjust Vertical Speed” RA<br />

In den unten angeführten Anzeigebeispielen steigt<br />

das Luftfahrzeug mit einer Rate von 3300 ft/min und<br />

die ausgelöste RA verlangt eine Reduzierung <strong>der</strong><br />

Steigrate auf 1000 ft/min.<br />

✈ Traditioneller<br />

Vertical Speed<br />

Indicator (VSI)<br />

✈ EADI<br />

✈ Vertical<br />

Speed Tape


RAs werden oft auf dem Vertical Speed Indicators<br />

(VSI) angezeigt. Es gibt 3 VSI-Typen, von denen zwei<br />

hier dargestellt sind, das ursprünglich in allen Luftfahrzeugen<br />

genutzte VSI-Display (links) und das seit<br />

einiger Zeit in einigen Airbustypen verwendete „vertical<br />

speed tape” am Pr<strong>im</strong>ary Flight Display (PFD). In<br />

rot dargestellte Steig-/Sinkraten müssen vermieden<br />

werden, grün markierte Bereiche zeigen die Steig-/<br />

Sinkrate <strong>der</strong> Ausweichempfehlung an. In diesem Fall<br />

bringt die Reduktion <strong>der</strong> Steigrate die „Nadel“ in den<br />

grünen Bereich.<br />

In einigen Luftfahrzeugen wird die RA mit einem<br />

pitch cue angezeigt, welches mit <strong>der</strong> zu erzielenden<br />

Vertikalgeschwindigkeit auf dem Electronic Attitude<br />

Display Indicator (EADI) korrespondiert (rechts). Nur<br />

solche Neigungen, die vermieden werden müssen,<br />

werden markiert, und zwar in rot. Grüne Bereiche gibt<br />

es in dieser Anzeige nicht. Durch eine Reduzierung <strong>der</strong><br />

Steigrate wird in diesem Beispiel die Pitch-Markierung<br />

außerhalb des roten Trapezes verlagert<br />

Deutlich wird, dass nicht alle diese Implementierungen<br />

eingängig und selbsterklärend sind. Daher<br />

sind schon mehrfach Piloten – angesichts des Stresses,<br />

<strong>der</strong> entsteht, wenn man trotz Vorwarnung durch<br />

eine Traffi c Advisory (Vorstufe <strong>der</strong> RA) doch überraschend<br />

von einer Maschine angebrüllt wird, sicher nur<br />

menschlich – dazu verleitet worden, zu ziehen (also<br />

die Steigrate noch zu erhöhen), was natürlich kontraproduktiv<br />

ist und dann oft zu einer Positiven RA be<strong>im</strong><br />

an<strong>der</strong>en Luftfahrzeug führt.<br />

Dieses Szenario betrifft übrigens Boeing-Flugzeuge<br />

nicht, da dieser Hersteller die traditionelle TCAS-<br />

Anzeige einsetzt. Nur an<strong>der</strong>e Hersteller, die von dieser<br />

in mehreren Jahren HMI-Forschung entwickelten<br />

Umsetzung abweichen, haben das Problem. Airbus<br />

versucht dies in Zukunft dadurch zu lösen, dass<br />

man demnächst einen Flight Director Mode anbieten<br />

wird (<strong>der</strong> „Flight Director“ generiert aus den <strong>im</strong> FMS<br />

abgelegten Strecken- und Profi linformationen auf<br />

dem künstlichen Horizont ein Kreuz, dem man als<br />

Pilot manuell hinterfl iegen kann, ähnlich den beiden<br />

Nadeln <strong>der</strong> ILS-Anzeige), auf dem die TCAS-Ausweichempfehlung<br />

angezeigt wird. Der Pilot kann also dem<br />

Flight Director „nachfl iegen“ und wird automatisch<br />

die Rate richtig verringern. Auch eine Übernahme <strong>der</strong><br />

TCAS-Empfehlung direkt in den Autopiloten wird bei<br />

Airbus erprobt und soll für den A380 erstmals angeboten<br />

werden. Aber auch in dieser Implementierung wird<br />

<strong>der</strong> Mensch die letzte Entscheidung behalten.<br />

TCAS 7.1 wird mindestens<br />

zwei Än<strong>der</strong>ungen bringen:<br />

• In Zukunft wird das „adjust vertical speed, adjust“<br />

durch die einfache Ansage „Level Off!“ an den<br />

Piloten ersetzt. Ob diese Lösung bei mehr als zwei<br />

beteiligten Luftfahrzeugen funktioniert, muss sich<br />

zeigen. Ebenso gibt es noch Fragen bezüglich <strong>der</strong><br />

Auswirkungen auf heute gängige Verfahren.<br />

Technik<br />

• die Durchführung <strong>der</strong> Reversal RA wird nicht mehr<br />

unbedingt an die niedrigere 24-bit-Adresse gebunden<br />

sein. Zwar wird weiterhin das Flugzeug mit <strong>der</strong><br />

niedrigeren 24-bit-Adresse <strong>der</strong> Master sein. Gleichzeitig<br />

wird aber auch überprüft, ob <strong>der</strong> Master <strong>der</strong><br />

RA folgt. Sollte das nicht <strong>der</strong> Fall sein, wird <strong>der</strong> Slave<br />

zum neuen Master und weist dann unverzüglich eine<br />

Reversal RA an.<br />

Nach <strong>der</strong>zeitigem Stand ist unklar, wann FAA und /<br />

o<strong>der</strong> EASA TCAS 7.1 verbindlich vorschreiben werden.<br />

Allerdings sehen beide Organisationen den<br />

Sicherheitsgewinn und arbeiten gemeinsam an einer<br />

Technical Standard Or<strong>der</strong> (TSO), die die Zertifi zierung<br />

und damit erst den Einbau <strong>der</strong> neuen Geräte ermöglicht.<br />

Das hat allerdings zur Folge, dass die Hersteller<br />

aktuell „keinen Markt für Geräte nach diesem Standard<br />

sehen“ (und auf den ersten Kunden warten, <strong>der</strong><br />

nicht nur das Gerät kauft, son<strong>der</strong>n auch die Entwicklungskosten<br />

zahlt). Das wie<strong>der</strong>um bedeutet, dass die<br />

identifi zierten Risiken von TCAS 7.0 bis auf weiteres<br />

bestehen bleiben. Das Deutsche Flight Safety Forum<br />

hat daher in seiner aktuellen Resolution die Gesetzgeber<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, die Ausrüstung vom TCAS 7.1 verbindlich<br />

vorzuschreiben.<br />

Doch zurück zur Pressemeldung <strong>der</strong> TU Braunschweig.<br />

Neben <strong>der</strong> hohen Anzahl von TCAS RAs – positiven<br />

wie negativen – insgesamt wird dort von zahlreichen<br />

Fehlreaktionen seitens <strong>der</strong> Piloten gesprochen. Dass<br />

es Fehlreaktionen gibt, ist unbestritten, und zwei <strong>der</strong><br />

möglichen Gründe wurden weiter oben bereits dargelegt.<br />

Nur – um welche Größenordnung geht es eigentlich?<br />

Dazu existieren <strong>der</strong>zeit kaum belastbare Daten.<br />

Die in den großen Verkehrsfl ugzeugen installierten<br />

Flugschreiber archivieren einlaufende RAs nämlich<br />

nicht. Einige Hersteller haben die TCAS-Einheit selbst<br />

mit einem „Gedächtnis“ ausgestattet, aber halt nicht<br />

alle. Dazu kommt, dass die Airlines ihre Daten nicht<br />

untereinan<strong>der</strong> teilen. Wie kommt man also an eine<br />

ausreichend große Datenbasis? Hier setzt das Projekt<br />

„ACAS Monitoring“ (kurz: AMOR) <strong>der</strong> DFS an. Seit<br />

Mai 2007 wird vom Bereich „Forschung und Entwicklung“<br />

bereits ein erster mobiler Prototyp betrieben,<br />

<strong>der</strong> ACAS-Meldungen <strong>der</strong> Luftfahrzeuge bis in ca. 120<br />

nautischen Meilen um das Forschungszentrum in Langen<br />

bei Frankfurt herum empfängt und in Echtzeit auf<br />

einem angeschlossenen Monitor zur Anzeige bringt.<br />

Diese Daten wie<strong>der</strong>um können bei Bedarf mit an<strong>der</strong>en<br />

Daten wie Radartracks kombiniert und in Vorfallanalysesystemen<br />

verarbeitet werden.<br />

AMOR geht nun einen Schritt weiter. Neben dem<br />

mobilen System (links) wird die DFS an bundesweit<br />

sechs Standorten stationäre Empfänger errichten und<br />

betreiben, mit denen praktisch das gesamte Gebiet<br />

<strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland oberhalb FL 100<br />

abgedeckt werden kann, und selbst auf 5000 ft Höhe<br />

werden noch etwa 80% des Bundesgebietes erfasst.<br />

Damit wird zum ersten Mal eine umfassende und<br />

objektive Datenbasis für ACAS-Analysen geschaffen.<br />

31 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

Technik<br />

32<br />

In Kombination mit Radar- und Flugplandaten lässt<br />

sich somit auswerten, ob z.B. in best<strong>im</strong>mten Lufträumen<br />

in Deutschland vermehrt ACAS-Ereignisse<br />

auftreten, um was für RAs es sich handelt und unter<br />

welchen Umständen diese zustande kommen. Auch<br />

technisches Fehlverhalten des TCAS selbst lässt sich<br />

so identifi zieren. Ergebnisse dieser Analysen können<br />

unter an<strong>der</strong>em in Safety Briefi ngs genutzt werden<br />

o<strong>der</strong> auch in die Luftraum- und Verfahrensplanung<br />

mit einfl ießen, um z.B. so genannte „RA-Hotspots“ zu<br />

entschärfen.<br />

✈ Ab FL100 vorgesehene Abdeckung<br />

und AMOR-Standorte<br />

Auch wenn die Besatzungen naturgemäß Bedenken<br />

bezüglich des Datenschutzes haben, so besteht<br />

doch in den Flugsicherheitsabteilungen <strong>der</strong> Airlines<br />

bislang größtenteils Konsens darüber, dass bei entsprechen<strong>der</strong><br />

Anonymisierung <strong>der</strong> Daten <strong>der</strong> Sicherheitsgewinn<br />

höher zu bewerten ist als datenschutzrechtliche<br />

Bedenken. Auch die <strong>GdF</strong> wird hier nicht um<br />

eine Positionierung herumkommen, denn schließlich<br />

werden auch RAs als Folge von Flugsicherungsfehlern<br />

ausgewertet.<br />

Eine weitere Anwendung eines fl ächendeckenden<br />

bodenseitigen ACAS-Monitoring könnte die Darstellung<br />

von TCAS-RAs an Lotsenarbeitsplätzen sein.<br />

Die Voraussetzung dafür ist, dass die Reaktionszeit<br />

zwischen ACAS-Ereignis und Anzeige nicht mehr als<br />

2 Sekunden beträgt. Im Bereich Forschung und Entwicklung<br />

<strong>der</strong> DFS wird <strong>im</strong> AMOR-Projekt mit unter-<br />

sucht werden, ob diese Anfor<strong>der</strong>ung erfüllbar ist und<br />

dem ATM-System und somit auch dem Lotsen sinnvolle<br />

und verlässliche Daten mit einer geringen Falschalarmrate<br />

zur Verfügung gestellt werden können.<br />

Die von Eurocontrol <strong>der</strong>zeit auf <strong>der</strong> Basis von Mode<br />

S Radardaten propagierte Lösung eignet sich hierfür<br />

nicht, weil we<strong>der</strong> eine nicht zu große Verzögerung<br />

noch die Vollständigkeit <strong>der</strong> Daten gewährleistet werden<br />

kann.<br />

Sollte eine solche Lösung einmal technisch ausgereift<br />

sein, werden sich Fluglotsenverbände weltweit überlegen<br />

müssen, ob sie die Anzeige von TCAS-RAs am<br />

Boden für sinnvoll halten o<strong>der</strong> nicht. Bislang vertritt<br />

die IFATCA den Standpunkt, dass es sich bei TCAS<br />

um ein bodenunabhängiges Sicherheitsnetz handelt,<br />

dass vor allem nicht dazu missbraucht werden darf,<br />

bodenseitige Defi zite auszugleichen.<br />

Allerdings müssen nach Ansicht <strong>der</strong> IFATCA auch noch<br />

weitere von <strong>der</strong> technischen Machbarkeit unabhängige<br />

Bedenken ausgeräumt werden, insbeson<strong>der</strong>e die mögliche<br />

Überlastung <strong>der</strong> Lotsen durch ständige Anzeige<br />

negativer RAs, sowie die Frage, was man denn als<br />

Lotse eigentlich mit einer solchen Information anfangen<br />

soll. Natürlich hilft es, wenn man als Lotse nicht<br />

mehr in Gefahr ist, zu einer aktuellen TCAS-RA konträre<br />

Anweisungen zu erteilen, nur weil noch kein Pilot<br />

die TCAS-RA gemeldet hat. Was aber, wenn Piloten die<br />

RA nicht befolgen? Soll man dann als Lotse darauf hinweisen?<br />

Inwieweit ist man rechtlich mit <strong>im</strong> Boot, wenn<br />

man eine zu einer TCAS-RA konträre Anweisung gibt<br />

und es möglicherweise hätte sehen können?<br />

Abschließend die passenden Beschlüsse <strong>der</strong> IFATCA<br />

zu ACAS und ACAS-Downlinking:<br />

„IFATCA recognises that the development of airborne<br />

collision avoidance systems should be encouraged.<br />

However it must be accepted that the pr<strong>im</strong>ary means<br />

of collision avoidance within a controlled airspace<br />

environment must continue to be the air traffi c control<br />

system which should be totally independent of airborne<br />

emergency devices such as ACAS. TCAS devices<br />

should not be a consi<strong>der</strong>ation in the provision of adequate<br />

air traffi c services .<br />

IFATCA is opposed to downlinking of any advisories<br />

generated by ACAS. If downlinking of ACAS Resolution<br />

Advisories becomes mandated, then IFATCA can<br />

only accept this provided that the following criteria<br />

are met:<br />

• Clear and unambiguous controller legal<br />

responsibilities;<br />

• Downlink without delay;<br />

• ATC system to be able to receive, process<br />

and display the down link to the appropriate<br />

control positions;<br />

• Compatibility with all ground based safety nets;<br />

• Nuisance and false alerts must be kept<br />

to an absolute min<strong>im</strong>um.<br />

ACAS should only be consi<strong>der</strong>ed as a safety net.“


Photos: Wikipedia<br />

„Swing over“<br />

Pistenwechsel <strong>im</strong> Endanfl ug<br />

Abschließende Gespräche<br />

zwischen DFS und <strong>GdF</strong> FSBD<br />

Zur Erinnerung:<br />

In Ausgabe 5/2007 berichtete Jens Lehmann über die<br />

Ergebnisse unseres Treffens mit <strong>der</strong> DFS zum Thema<br />

Circling Approach. Der Fehlanfl ug nach „swing over“<br />

sollte damit auch geklärt worden sein, was sich aber<br />

als Trugschluss herausstellte. Auf Initiative des FSBD-<br />

Vorstandes fanden deshalb nochmals Gespräche mit<br />

den Fachabteilungen <strong>der</strong> DFS-Geschäftsbereiche Center<br />

und TWR statt. Dazu können wir an dieser Stelle<br />

nun einen abschließenden Sachstandsbericht geben.<br />

Grundsätzliches zu „Swing over“<br />

1. Für Flughäfen mit mehr als einer aktiven Landepiste,<br />

die jedoch nicht zwingend parallel in <strong>der</strong> Landschaft<br />

liegen müssen.<br />

2. „swing over“ ist kein ICAO-Verfahren.<br />

3. Terminologie statt dessen: Sichtanfl ug bzw. IFR-<br />

Sichtanfl ug mit Pistenwechsel <strong>im</strong> Endanfl ug.<br />

Defi nition Sichtanfl ug:<br />

A Visual approach is an approach by an IFR fl ight when<br />

either part or all of an instrument approach procedure<br />

is not completed and the approach is executed in<br />

visual reference to terrain.<br />

Kein Regelungsbedarf, wenn:<br />

1. Die Anfl ugkontrolle <strong>im</strong> langen Endanfl ug von <strong>der</strong><br />

Möglichkeit eines Pistenwechsels Gebrauch macht.<br />

ATC-Praxis<br />

Dafür wird keine IFR-Sichtanfl ugfreigabe son<strong>der</strong>n<br />

eine neue ILS- o<strong>der</strong> NPA- (Nichtpräzisionsanfl ug)<br />

Freigabe erteilt. Das daran angedockte, veröffentlichte<br />

Fehlanfl ugverfahren ist automatisch mit freigegeben.<br />

2. Die Piste nicht gewechselt wird.<br />

Wird z. B. ein ILS-Anfl ug RWY 25R mit <strong>der</strong> Freigabe<br />

RECLEARED VISUAL APCH RWY 25R geän<strong>der</strong>t, würde<br />

bei einem anschließend eingeleiteten Fehlanfl ugverfahren<br />

das ursprüngliche und bereits gebriefte<br />

Standardfehlanfl ugverfahren; hier ILS RWY 25R,<br />

weiterhin gelten. Es handelt sich quasi um die Fortführung<br />

des freigegebenen IFR-Anfl uges „mit an<strong>der</strong>en<br />

Mitteln“.<br />

Regelungen allein für IFR-Sichtanfl ug mit Pistenwechsel<br />

<strong>im</strong> Endanfl ug notwendig<br />

Abweichend von obigem Beispiel gilt hier das Fehlanfl<br />

ugverfahren <strong>der</strong> alten Piste nicht mehr. Die Frage<br />

nach allgemein verbindlichen Verhaltensregeln <strong>im</strong><br />

Falle eines Durchstartmanövers ist also sehr berechtigt.<br />

Die sichere Abwicklung des Luftverkehrs setzt<br />

schließlich voraus, keinen <strong>der</strong> unmittelbar Beteiligten<br />

Piloten und Lotsen hinsichtlich des weiteren Flugverlaufs<br />

<strong>im</strong> Unklaren zu lassen.<br />

von<br />

Jörg<br />

Biermann<br />

33 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

ATC-Praxis<br />

34<br />

Grundsätzlich stehen IFR-Sichtanfl ugverfahren hierzulande<br />

lei<strong>der</strong> nicht zur Verfügung. Sie werden (zu<br />

unrecht) als zu lärmkritisch angesehen. Ausnahmen<br />

gelten wie <strong>im</strong>mer in Notfällen und für Ambulanzfl üge.<br />

Die veröffentlichten An- und Abfl ugstrecken (STAR,<br />

SID) tragen dagegen das Prädikat Min<strong>im</strong>um Noise<br />

Routing, obwohl sie bei weitem nicht in allen Wohngebieten<br />

auch als solche wahrgenommen werden.<br />

Eine weitere Ausnahme, die nun von DFS und <strong>GdF</strong> <strong>im</strong><br />

Speziellen betrachtet worden ist, betraf den Pistenwechsel<br />

<strong>im</strong> Endanfl ug. Wenn ein bereits freigegebener<br />

IFR-Anfl ug aufgehoben werden soll/muss, es für eine<br />

neue ILS- o<strong>der</strong> NPA-Freigabe zu einer an<strong>der</strong>en Piste<br />

aber aus welchen Gründen auch <strong>im</strong>mer bereits zu spät<br />

ist, darf an manchen Flughäfen ein IFR-Sichtanfl ug<br />

freigegeben werden, vorausgesetzt:<br />

• Das LFZ befi ndet sich auf einem Endanfl ugkurs<br />

• Die Verkehrslage lässt dies zu<br />

• Der Pilot hat den Platz in Sicht<br />

• Der Pilot beantragt den Pistenwechsel<br />

o<strong>der</strong> st<strong>im</strong>mt ihm zu<br />

Mit so einem Pistenwechsel <strong>im</strong> Endanfl ug kann häufi g<br />

ein Durchstartmanöver vermieden werden, wenn z.B.<br />

die Landepiste noch von einem an<strong>der</strong>en LFZ blockiert,<br />

o<strong>der</strong> z.B. durch Vogelschlag kurzfristig unsicher geworden<br />

ist. Daneben kann das Manöver auch die Rollzeit<br />

am Boden reduzieren und so die Sicherheit verbessern,<br />

wenn anschließend keine aktive Start- und Landepiste<br />

mehr überquert werden muss. Dagegen verursacht<br />

jedes Durchstartmanöver gefolgt von einem erneuten<br />

Anfl ug <strong>im</strong>mer zusätzlichen Lärm und Emissionen. Die<br />

Bilanz fällt deshalb <strong>im</strong>mer pro Pistenwechsel aus – und<br />

zwar für alle Beteiligten, inklusive <strong>der</strong> Bevölkerung in<br />

Flughafennähe. Dadurch verursachte Durchstartmanöver<br />

nach einem Pistenwechsel sind in <strong>der</strong> Praxis sehr<br />

selten, sollten aber dennoch geregelt sein.<br />

Keep it s<strong>im</strong>ple!<br />

Gerade deshalb und weil i. d. R. recht wenig Vorbereitungszeit<br />

verbleibt, waren wir <strong>der</strong> Meinung, ein<br />

möglichst einheitliches und vor allem einfaches<br />

Fehlanfl ugverfahren nach Pistenwechsel müsse auf<br />

den ILS- und NPA-Anfl ugkarten veröffentlicht werden.<br />

(Straight ahead, Alt xft).<br />

Eine <strong>im</strong> Vorfeld durchgeführte örtliche Bestandsaufnahme<br />

durch die DFS ergab:<br />

• EDDL, EDDK, EDDP: Sichtanfl üge nicht gestattet.<br />

(Anm. <strong>GdF</strong>: Gem. AIP in EDDL und EDDK erlaubt für LFZ bis 5,7 to.)


• EDDM: Pisten liegen sehr weit auseinan<strong>der</strong> und<br />

haben Schwellenversatz. Deshalb Pistenwechsel<br />

durch APP mit neuem IFR-Anfl ugverfahren.<br />

ATC-Praxis<br />

(Anm. <strong>GdF</strong>. Es gibt keine offi ziellen „swing-over“-Verfahren. Bei einem<br />

Sichtanfl ug mit o<strong>der</strong> ohne Pistenwechsel muss <strong>der</strong> Pilot die Piste(n)<br />

in Sicht haben und bis zur Landung Erdsicht einhalten können. Die<br />

Verantwortung zur Gewährleistung <strong>der</strong> Hin<strong>der</strong>nisfreiheit geht auf ihn<br />

über. Nicht die Lage <strong>der</strong> neuen Piste son<strong>der</strong>n die Zust<strong>im</strong>mung des<br />

Piloten ist das entscheidende Kriterium.)<br />

• An an<strong>der</strong>en Plätzen mit mehreren Landepisten wird<br />

ein Sichtanfl ug <strong>im</strong> Konsens mit den regionalen Lärmschutzkommissionen<br />

per Selbstbeschränkung nicht<br />

angewendet.<br />

• Nur in EDDB, EDDL, EDDK, EDDV gibt es einen SRA-<br />

Anfl ug, welcher die Geradeausvorgaben für einen<br />

vermessenen, einfachen und hin<strong>der</strong>nisfreien Fehlanfl<br />

ug erfüllen würde.<br />

• Die Erweiterung des NfL I 106/04 (Sichtanfl üge) um<br />

eine pauschale Fehlanfl ugregelung sei nicht möglich,<br />

da <strong>im</strong>mer die lokale Hin<strong>der</strong>nis- und Luftraumsituation<br />

zu betrachten ist.<br />

In <strong>der</strong> Schnittmenge blieben aus Sicht <strong>der</strong> DFS nur<br />

EDDF und EDDV übrig. EDDF hat zwar keinen veröffentlichten<br />

SRA, hier führen jedoch die Standfehlanfl<br />

ugverfahren auch so zunächst einmal geradeaus.<br />

Örtliche Regelung<br />

Die Verfahren müssen an den in Frage kommenden<br />

örtlichen TWR-Nie<strong>der</strong>lassungen individuell geregelt<br />

werden. Der Begriff „swing over“ darf wegen fehlen<strong>der</strong><br />

ICAO-Konformität we<strong>der</strong> in einer Betriebsanordnung<br />

noch <strong>im</strong> Sprechfunkverkehr Verwendung<br />

fi nden. Einen ILS-Anfl ug RWY 25L bringt <strong>der</strong> TWR nur<br />

mit <strong>der</strong> Freigabe: „CLEARED VISUAL APCH RWY 25R<br />

…“ korrekt zur benachbarten Piste.<br />

35 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

ATC-Praxis<br />

36<br />

In gleichem Atemzug muss <strong>der</strong> Lotse nun auch gleich<br />

sein selbstentwickeltes Fehlanfl ugverfahren mit übermitteln.<br />

Wir befi nden uns nur noch wenige Meilen von<br />

<strong>der</strong> Schwelle entfernt, das Cockpit konnte sich diesbezüglich<br />

auf nichts vorbereiten, wir sollten also auf<br />

Vektoren um sämtliche Milchkannen <strong>der</strong> umliegenden<br />

Gehöfte herum verzichten. Praxistaugliche Beispiele<br />

wären: „… IN CASE OF MA CLIMB STRAIGHT AHEAD<br />

5000 FT“, o<strong>der</strong> „... IMMEDIATE RT HDG 340 CLIMB<br />

4000 FT.“ Im Idealfall schmiegt sich unsere Freigabe<br />

zumindest in seinem Anfangsstadium sehr eng an ein<br />

bereits für die neue Landepiste existierendes, beispielsweise<br />

dem ILS-Fehlanfl ugverfahren an.<br />

Kritiker verweisen hier zu Recht auf eine fehlende Freigabegrenze<br />

<strong>im</strong> Falle eines Funkausfalls. Das ist letztlich<br />

Ansichtssache und eine Einzelfallabwägung: Längere<br />

Freigaben, dadurch erhöhte Frequenzbelastung<br />

und ein Mehr an zu verarbeitenden Informationen vs.<br />

eines aus Erfahrung sehr seltenen Fehlanfl uges nach<br />

Pistenwechsel in Verbindung mit einem noch unwahrscheinlicherem<br />

gleichzeitigem Funkausfall <strong>im</strong> Umfeld<br />

von internationalen Funkausfallverfahren.<br />

BA-FVK<br />

Die DFS sieht in ihrer BA-FVK unter Fehlanfl üge Punkt<br />

465ff diesen Pistenwechsel als ausreichend geregelt<br />

an, wenngleich er nicht explizit Erwähnung fi ndet.<br />

Diese Auslegung teilen wir. Sinngemäß heißt es dort:<br />

Wenn <strong>der</strong> Pilot einen vom Standard abweichenden<br />

MA fl iegen muss, o<strong>der</strong> mit dem Verfahren nicht vertraut<br />

ist, hat ihm <strong>der</strong> Lotse genaue Informationen zu<br />

übermitteln; mindestens jedoch einen Steuerkurs<br />

o<strong>der</strong> Kurs über Grund und eine Höhe.<br />

Eigenkreation Fehlanfl ug?<br />

Debattiert wurde auch die Frage, ob sich ein TWR-<br />

Lotse überhaupt ein individuelles Fehlanfl ugverfahren<br />

selber „stricken“ darf. Schließlich wäre <strong>der</strong> ja<br />

nicht hin<strong>der</strong>nisvermessen. Dies kann mit einem eindeutigen<br />

„Ja, es liegt in seinem Ermessensspielraum“<br />

beantwortet werden. An<strong>der</strong>s könnten in dringenden<br />

Fällen auch gar keine sofortigen Staffelungsmaßnahmen<br />

ergriffen werden.<br />

Fazit<br />

Dass IFR-Sichtanfl üge am Luftfahrtstandort Deutschland<br />

nahezu ausgeschlossen sind, ist genau so bedauerlich<br />

wie wohl auf absehbare Zeit in politischen Stein<br />

Photo: Fraport<br />

gemeißelt. Dort, wo in Nischen etwas Gestaltungsraum<br />

geblieben ist, haben wir zusammen mit den<br />

DFS-Fachabteilungen eine gute interne Lösung gefunden.<br />

Die DFS informiert ihre Nie<strong>der</strong>lassungen entsprechend,<br />

sodass vor Ort saubere Betriebsanordnungen<br />

verfasst werden können.<br />

Lei<strong>der</strong> konnten wir die DFS nicht davon überzeugen,<br />

mit uns über eine interne Lösung hinaus zu gehen.<br />

Die Luftfahrzeugführer werden auch weiterhin <strong>im</strong><br />

Unklaren darüber gelassen, wie sie sich in diesem Fall<br />

verhalten sollen – es sei denn, sie lesen diese Ausgabe<br />

des „<strong>der</strong> fl ugleiter“.<br />

Wir akzeptieren, dass es aufgrund <strong>der</strong> jeweils örtlich<br />

speziellen Luftraum- und Hin<strong>der</strong>nissituationen ein<br />

pauschales Fehlanfl ugverfahren schwerlich geben<br />

kann. Aber was spräche gegen die Bekanntmachung,<br />

dass <strong>im</strong> Falle eines Fehlanfl uges bei Sichtanfl ug nach<br />

Pistenwechsel eine individuelle Fehlanfl ugfreigabe<br />

von ATC erfolgen wird? Damit wäre zwar <strong>der</strong> Funkausfall<br />

noch nicht allumfassend geregelt, aber <strong>im</strong>merhin<br />

die restlichen 99,9%.<br />

Das Thema Fehlanfl ug bei IFR-Sichtanfl ug (sowohl<br />

nach Pistenwechsel <strong>im</strong> Endanfl ug als auch generell<br />

nach Sichtanfl ügen ohne vorherige Freigabe für ein<br />

instrumentengestütztes Anfl ugverfahren) wird uns<br />

auf internationaler Bühne und in Zusammenarbeit mit<br />

den Pilotenverbänden weiter beschäftigen. Die IFATCA<br />

hat auf ihrer Jahreskonferenz bereits eine „Provisional<br />

Policy“ zu diesem Thema verabschiedet. Hier <strong>im</strong> „<strong>der</strong><br />

fl ugleiter“ wird Alexan<strong>der</strong> Schwaßmann für den FSBD-<br />

Vorstand diese DFS-externen Entwicklungen in einem<br />

separaten Artikel darstellen.<br />

Zusammenfassung<br />

• Regelung nur für IFR-Sichtanfl ug mit Pistenwechsel<br />

<strong>im</strong> Endanfl ug<br />

• Inoffi ziellen Begriff „swing over“ nicht verwenden<br />

• Nicht an allen in Frage kommenden Plätzen erlaubt<br />

• Neue Freigabe für Sichtanfl ug mit eigenem Fehlanfl<br />

ugverfahren übermitteln<br />

• Ggf. örtliche Betriebsanweisungen überarbeiten<br />

• Keine Veröffentlichung eines Fehlanfl ugverfahrens<br />

für IFR-Sichtanfl ug mit Pistenwechsel <strong>im</strong> Endanfl ug<br />

• Thema DFS/<strong>GdF</strong>-intern abgeschlossen, Weiterarbeit<br />

international und mit VC


Fehlanfl ug nach Sichtanfl ug –<br />

wie geht’s weiter?<br />

Jörg Biermann hat ja bereits in seinem Artikel die Bemühungen des<br />

FSBD aufgezeigt, in Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> DFS eine einheitliche<br />

Regelung zu Fehlanfl ugverfahren nach Pistenwechsel <strong>im</strong> Endanfl ug<br />

festzulegen.<br />

Eine entscheidende gemeinsame Feststellung ist – wie<br />

berichtet – , dass <strong>der</strong> Begriff „Swing Over“ in Zukunft<br />

verschwinden und durch „Visual Approach“ ersetzt<br />

werden wird. Der FSBD hat dann konsequenterweise<br />

versucht, mit <strong>der</strong> DFS zusammen eine generelle Regelung<br />

für alle Arten von Sichtanfl ügen zu erreichen (die<br />

dann logischerweise auch für Pistenwechsel nach<br />

Sicht <strong>im</strong> Endanfl ug gegolten hätte). Dazu war die DFS<br />

lei<strong>der</strong> nicht bereit.<br />

Parallel dazu hat die <strong>GdF</strong> allerdings auf verschiedenen<br />

an<strong>der</strong>en nationalen und internationalen Ebenen für<br />

Aufmerksamkeit für das Thema gesorgt, so dass unter<br />

an<strong>der</strong>em die Vereinigung Cockpit ein Arbeitspapier<br />

in die AG ATS <strong>der</strong> IFALPA eingebracht hat. Der israelische<br />

Fluglotsenverband hat parallel dazu ein ent-<br />

ATC-Praxis<br />

sprechendes Arbeitspapier auf <strong>der</strong><br />

letzten Jahreskonferenz <strong>der</strong> IFATCA in<br />

Dubrovnik vorgestellt.<br />

Nochmals ein kurzer Abriss <strong>der</strong><br />

Problematik: Was macht ein Pilot, <strong>der</strong> nach einem<br />

Sichtanfl ug während eines IFR-Fluges durchstarten<br />

muss? Für an<strong>der</strong>e Arten von IFR-Anfl ügen ist explizit<br />

ein Fehlanfl ugverfahren defi niert, so dass in diesen<br />

Fällen erstens <strong>der</strong> Pilot davon ausgehen kann, dass<br />

<strong>der</strong> Lotse den gesamten Anfl ug inklusive des Fehlanfl<br />

ugverfahrens schützt, also auch während eines<br />

möglichen Fehlanfl uges die Staffelung sicherstellt.<br />

Zweitens weiß aber auch <strong>der</strong> Lotse, was <strong>der</strong> Pilot <strong>im</strong><br />

Falle eines Fehlanfl uges machen wird und kann seine<br />

weitere Verkehrplanung daran orientieren.<br />

ICAO<br />

An dieser Stelle muss nun lei<strong>der</strong> ein kurzer Exkurs in<br />

die Vorschriftenlage erfolgen. ICAO Doc 4444 PANS-<br />

ATM defi niert einen Visual Approach wie folgt: „An<br />

von<br />

Alexan<strong>der</strong><br />

Schwassmann<br />

in Kooperation<br />

mit Vereinigung<br />

Cockpit<br />

37 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

ATC-Praxis<br />

38<br />

approach by an IFR fl ight when either part or all of<br />

an instrument approach procedure is not completed<br />

and the approach is executed in visual reference to<br />

terrain“.<br />

Im ICAO Annex 4 (Aeronautical Charts), gibt es <strong>im</strong><br />

Kapitel 12 eine Beschreibung einer Visual Approach<br />

Chart, <strong>der</strong>en Funktion es ist „to provide fl ight crews<br />

with information which will enable them to transit<br />

from the en-route/descent to approach phases of<br />

fl ight to the runway of intended landing by means of<br />

visual reference.“ Daran anschließend wird nochmals<br />

eine „Visual Approach Procedure“ defi niert: „A series<br />

of predetermined manoeuvres by visual reference,<br />

from the initial approach fi x, or where applicable, from<br />

the beginning of a defi ned arrival route to a point from<br />

which a landing can be completed and thereafter, if<br />

a landing is not completed, a go-around procedure<br />

can be carried-out.“ Lei<strong>der</strong> schweigt sich die ICAO<br />

dazu aus, welche „Go-around Procedure“ hier genau<br />

gemeint sein könnte.<br />

Einige Staaten haben erkannt, dass die ICAO in ihren<br />

Regelungen eine Menge Spielraum gelassen hat, und<br />

folgerichtig versucht, diesen Spielraum mit nationalen<br />

Regelungen zu füllen. Das mag <strong>im</strong> Einzelfall sicher den<br />

gewünschten Erfolg haben, führt allerdings dazu, dass<br />

sich Piloten auf eine Vielzahl von nationalen Alleingängen<br />

einstellen müssen. Für den in Deutschland<br />

tätigen Lotsen kann sich <strong>im</strong> Umkehrschluss die Situation<br />

ergeben, dass ein ausländischer Pilot bewusst<br />

o<strong>der</strong> unbewusst die Regelung seines He<strong>im</strong>atlandes<br />

auch in Deutschland anwendet, obwohl sie hier nicht<br />

gilt und den Lotsen möglicherweise völlig überrascht.<br />

Ein international harmonisierter Ansatz liegt daher auf<br />

<strong>der</strong> Hand.<br />

IFATCA<br />

Wie schon erwähnt, hat <strong>der</strong> israelische Fluglotsenverband<br />

auf <strong>der</strong> diesjährigen Jahreskonferenz ein<br />

Arbeitspapier eingebracht. Nach durchaus kontroverser<br />

Diskussion wurde die folgende IFATCA-Policy<br />

beschlossen:<br />

• Missed approach procedures for visual approaches<br />

should be published in the AIP.<br />

• Member Associations should urge their local authority<br />

to create a visual approach chart including a<br />

missed approach procedure.<br />

• IFATCA should approach ICAO to set Standards on<br />

the requirements for such a go around procedure.<br />

Wie genau die Veröffentlichung <strong>der</strong> Fehlanfl ugverfahren<br />

aussehen soll, geht aus den Beschlüssen nicht<br />

hervor. Möglich wäre eine tabellarische Veröffentlichung,<br />

ähnlich <strong>der</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> SRE-Anfl üge<br />

in <strong>der</strong> AIP Deutschland. Noch besser allerdings fi nde<br />

ich persönlich eigene Sichtanfl ugkarten, auf denen<br />

das jeweils passende Fehlanfl ugverfahren dargestellt<br />

und beschrieben ist, am besten gestützt durch RNAV-<br />

Wegpunkte.<br />

IFALPA<br />

Die AG ATS <strong>der</strong> VC hatte dazu ein Arbeitspapier für die<br />

AG ATS <strong>der</strong> IFALPA erarbeitet. Mittlerweile wurde <strong>der</strong><br />

VC-Vorschlag auf dem ATS Committee Meeting diskutiert<br />

und weiterentwickelt. Unter an<strong>der</strong>em wurde<br />

<strong>der</strong> Vorschlag <strong>der</strong> IFATCA, zu jedem Charted Visual<br />

Approach einen Missed Approach zu veröffentlichen,<br />

begrüßt und mit aufgenommen. Die überarbeitete<br />

Fassung wurde an die nationalen Verbände zur Diskussion<br />

zurückgegeben und soll <strong>im</strong> Herbst auf dem<br />

nächsten ATS Committee Meeting zum Policy Proposal<br />

werden.<br />

Für Oktober ist ein gemeinsames Treffen <strong>der</strong> AG ATS<br />

<strong>der</strong> IFALPA und des Technical and Operations Committee<br />

(TOC) <strong>der</strong> IFALPA geplant. Auf diesem Treffen<br />

soll eine gemeinsame Lösung erarbeitet und anschließend<br />

<strong>der</strong> ICAO vorgestellt werden.<br />

Wie sieht die Lage bis dahin aus?<br />

Zusammengefasst:<br />

• Anweisungen für den Fall eines Fehlanfl uges sollten<br />

zwischen Lotse und Pilot so früh wie möglich koordiniert<br />

werden,<br />

• falls nichts abgesprochen wird, ist damit zu rechnen,<br />

dass das Luftfahrzeug möglicherweise in <strong>der</strong><br />

Platzrunde verbleibt.<br />

Der zweite Punkt ist fl ugsicherungsseitig unproblematisch<br />

und an Flughäfen, wo alle Arten von Sichtanfl<br />

ugverfahren auf best<strong>im</strong>mte Arten von Luftfahrzeugen<br />

beschränkt sind, die dann auch problemlos in <strong>der</strong><br />

Platzrunde verbleiben können, auch lärmtechnisch<br />

unbedenklich.<br />

In Düsseldorf beispielsweise sind Sichtanfl üge und<br />

auch Swing-Overs auf propellergetriebene Luftfahrzeuge<br />

bis 5.7t MPTOW beschränkt, in Frankfurt jedoch<br />

stelle ich mir eine Boeing 747, die nach einem Swing-<br />

Over in Platzrundenhöhe die Türme <strong>der</strong> Frankfurter<br />

Skyline umkurvt, durchaus spektakulär vor. Ein solches<br />

Verfahren wird aber <strong>im</strong> S<strong>im</strong>ulator tatsächlich<br />

geübt. Und Punkt 1 stellt den Lotsen vor das Problem,<br />

entwe<strong>der</strong> ein s<strong>im</strong>ples Fehlanfl ugverfahren ad-hoc zu<br />

„stricken“, bei dem Kriterien wie Hin<strong>der</strong>nisfreiheit<br />

verfahrenstechnisch nicht betrachtet werden können<br />

(allerdings auch nicht müssen!), o<strong>der</strong> dem Piloten<br />

mit hoher Frequenzbelastung ein veröffentlichtes,<br />

aber komplexes IFR-Fehlanfl ugverfahren an den Kopf<br />

zu werfen, während <strong>der</strong> gerade auf <strong>der</strong> Suche nach<br />

dem Flugplatz ist. Für diesen ersten Punkt sollte also<br />

schnellstmöglich eine international harmonisierte<br />

Lö sung gefunden werden.<br />

Wir werden weiter berichten.


FRA Tower<br />

und das Team<br />

✈ Der neue Tower Frankfurt wächst rasant in den H<strong>im</strong>mel (erstes Bild 13.04.2009 bis Juli 2009)<br />

Der Flughafen Frankfurt wächst und mit ihm sein<br />

neues Wahrzeichen – <strong>der</strong> neue DFS-Tower<br />

Der rasante Baufortschritt des neuen Towers zwischen<br />

<strong>der</strong> heutigen Nordbahn und <strong>der</strong> künftigen Nordwestbahn<br />

am Flughafen Frankfurt ist deutlich zu erkennen.<br />

Der Stil <strong>im</strong> Corporate Design <strong>der</strong> DFS ist bereits vertraut,<br />

doch unser Focus liegt in diesem Beitrag beson<strong>der</strong>s<br />

auf den „Machern“ des Projektes und dem vielversprechenden<br />

geplanten Innenleben des Bauwerks.<br />

Mo<strong>der</strong>nste innovative und durchdachte Technologie<br />

erwarten die künftigen Nutzer und sollen die Umstellung<br />

auf die neue Situation erleichtern.<br />

So ein gewaltiges Projekt funktioniert nur, wenn Fachleute<br />

und Führungskräfte aus <strong>der</strong> Unternehmenszentrale<br />

und den Nie<strong>der</strong>lassungen Hand in Hand zusammenarbeiten.<br />

Die Redaktion des „fl ugleiter“ wollte<br />

deshalb wissen, wie das Projekt organisiert ist und<br />

welche Kolleginnen und Kollegen <strong>der</strong> DFS <strong>im</strong> Beson<strong>der</strong>en<br />

daran beteiligt sind. Viel Schweiß und Mühe<br />

waren und sind noch notwendig, damit <strong>der</strong> neue Tower<br />

pünktlich <strong>im</strong> Sommer 2011 in Betrieb gehen kann.<br />

Das Projekt startete 2006 und geht mit schnellen<br />

Schritten voran. Die Projektleitung liegt bei Wolfgang<br />

Breves, <strong>der</strong> mit seinem Team Elke Kaiser, Marco<br />

Weber, Hansjoerg Seipp, Jens Schnei<strong>der</strong>, Werner<br />

Breuer und weiterer, bereichsübergreifen<strong>der</strong> Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter ganze Arbeit leistet.<br />

Von Beginn an wurde darauf geachtet, dass „echte<br />

Betriebler“ wie beispielsweise Hans-Herrmann Gindra<br />

(ehemaliger Lotse und jetzt Anfor<strong>der</strong>ungsmanager),<br />

Oliver Wittenstein (Support Manager Technik) und<br />

Klaus Wehle (Supervisor Frankfurt) gemeinsam mit<br />

einer operativen Arbeitsgruppe die Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />

die Flugverkehrskontrolle systematisch, kritisch und<br />

Airports<br />

umfangreich eingebracht haben. Schließlich soll später<br />

alles reibungslos funktionieren!<br />

✈ Der neue Tower befindet sich an exponierten Lage<br />

des Flughafens direkt vor <strong>der</strong> Jumbowartungshalle<br />

Wie viele Puzzleteile müssen zusammengefügt werden,<br />

bis ein solches Großvorhaben zum Ziel gelangt?<br />

Innerhalb <strong>der</strong> DFS musste man sich gut organisieren,<br />

da dieses Projekt viele Bereiche tangiert. Die wichtigsten<br />

Gestalter des technischen Meisterwerks sind<br />

AIRPORTS<br />

von<br />

Daniela<br />

Franke (Text),<br />

und<br />

Elke<br />

Kaiser & DFS<br />

(Fotos)<br />

51 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


AIRPORTS<br />

<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

Airports<br />

52<br />

✈ Das Projektkernteam „Neubau Tower Frankfurt“<br />

vom Geschäftsbereich Tower: von links nach rechts:<br />

Wolfgang Breves (Projektleiter), Marco Weber<br />

(Projektplanung und Koordination) und Elke Kaiser<br />

(Teilprojektleiterin)<br />

✈ Arbeitsgruppe Lotsenarbeitstische (v. links nach<br />

rechts. Marco Weber, Oliver Wittenstein, Isaly Dietrich,<br />

Elke Kaiser, Hans-Hermann Gindra, Wolfgang<br />

Breves, Wolfgang Schmidt, Jörg Knodt, Meinhard<br />

Kolata, Hartmut Sack und Markus Dartsch, <strong>der</strong> auf<br />

dem Foto fehlt.)<br />

außer den Bereichen des Geschäftsbereichs Tower<br />

beispielsweise Kolleginnen und Kollegen von Facility<br />

Management, CNS – Communications, Navigation and<br />

Surveillance und dem Systemhaus. Allein ein neuer<br />

Tower reicht nicht aus, vielmehr müssen Navigationsanlagen,<br />

Radaranlagen o<strong>der</strong> Funkstellen verlagert<br />

o<strong>der</strong> neu geschaffen werden.<br />

Arbeitsgruppe Lotsenarbeitstische (v. links nach rechts.<br />

Marco Weber, Oliver Wittenstein, Isaly Dietrich, Elke<br />

Kaiser, Hans-Hermann Gindra, Wolfgang Breves, Wolfgang<br />

Schmidt, Jörg Knodt, Meinhard Kolata, Hartmut<br />

Sack und Markus Dartsch, <strong>der</strong> auf dem Foto fehlt.)<br />

Ein Beispiel innovativer Technik sind die <strong>im</strong> Hause<br />

DFS neu entwickelten und gefertigten Lotsenarbeitstische,<br />

welche mittels Prototyping erarbeitet wurden.<br />

Im Focus aller Aktivitäten stehen die künftigen Nutzer<br />

und Nutzerinnen, denen opt<strong>im</strong>ale Funktionalitäten zur<br />

Verfügung gestellt werden sollen. Dabei wurde bei <strong>der</strong><br />

Entwicklung Wert auf mo<strong>der</strong>nste, ergonomische Technik<br />

gelegt. Dazu zählen die fl exible Einstellung <strong>der</strong><br />

Monitore, Touch-Input-Technik und ein höhenverstell-<br />

✈ Der Lotsenarbeitstisch besticht durch seine Flexibilität<br />

und seine mo<strong>der</strong>ne Technik. Hier bei einer<br />

Ausstellung <strong>im</strong> Foyer <strong>der</strong> Unternehmenszentrale<br />

✈ Der hintere Tischteil ist nur mit KVM Technologie<br />

bestückt.<br />

✈ Besprechung mit den Mitarbeitern <strong>der</strong> Werkstatt (von<br />

links nach rechts): Andreas Heller, Hartmut Sack,<br />

Meinhard Kolata, Wolfgang Breves, Marco Weber<br />

barer Arbeitsbereich. Eine fast störungsfreie Wartung<br />

wird durch „KVM (Keyboard, Video, Mouse) gewährleistet.<br />

Durch diese KVM-Lösung wird die Systemhardware<br />

nicht mehr in den Lotsenarbeitstischen<br />

eingebunden sein, son<strong>der</strong>n in die Serverräume ausgelagert.<br />

In den Lotsenarbeitstischen befi nden sich<br />

nur noch die KVM-Empfänger. Der Nutzen besteht aus<br />

weniger Geräuschentwicklung, reduzierter Wärme<br />

und mehr Platz.<br />

Die Konstruktion, Fertigung und die Inbetriebnahme<br />

<strong>der</strong> Tische erfolgt in <strong>der</strong> hauseigenen Werkstatt bei<br />

CNS/LA. Die Kollegen dort haben hervorragende<br />

Arbeit geleistet. Alle Teile <strong>der</strong> Tische werden in <strong>der</strong><br />

Werkstatt am Campus zugeschnitten, montiert und<br />

mit allen weiteren Komponenten verkabelt. Der Ein-


✈ Layout <strong>der</strong> Kanzel mit den Lotsenarbeitstischen<br />

bau <strong>der</strong> Arbeitsplätze in <strong>der</strong> Towerkanzel ist <strong>im</strong> Sommer<br />

2010 geplant.<br />

Die Kanzel ist leicht oval mit einer Größe von 100 m 2<br />

geplant. Hier entstehen elf Arbeitsplätze mit Sicht auf<br />

alle Bahnen und Rollwege. Bis zur geplanten Inbetriebnahme<br />

gibt es natürlich noch eine Menge zu tun.<br />

Wenn die Zusammenarbeit mit allen angrenzenden<br />

Abteilungen weiterhin so konstruktiv und partnerschaftlich<br />

funktioniert, wird <strong>der</strong> Tower Neubau sicher<br />

ein großer Erfolg. Dafür drückt das Redaktionsteam<br />

des „fl ugleiter“ fest die Daumen und wird weiter<br />

berichten!<br />

Landeplatz Aschaffenburg<br />

Flieger erfasst nach<br />

mißglücktem Looping Auto<br />

Es war ein spektakulärer Flugunfall mit vier Verletzten.<br />

Ein Kunstfl ieger erfasste bei einem Flugtag in<br />

Aschaffenburg/Großosthe<strong>im</strong> das Auto einer dreiköpfi<br />

gen Familie. Das Fahrwerk des Doppeldeckers wurde<br />

abgerissen und bohrte sich in den Wagen.<br />

Der spektakuläre Unfall ging für alle Beteiligten gl<strong>im</strong>pflich<br />

aus. Während das zehnjährige Mädchen <strong>im</strong> Auto<br />

mittelschwere Verletzungen erlitt, wurden die Eltern<br />

nur leicht verletzt. Der 45-jährige Pilot kam ebenfalls<br />

mit leichten Verletzungen davon.<br />

Der Unfall ereignete sich vor zahlreichen Zuschauern<br />

während des jährlichen Flugplatzfestes. Bei einem<br />

Looping kam die Kunstfl ugmaschine so tief, dass die<br />

✈ Die Mitarbeiter von CNS/LA (von links nach rechts:<br />

(Richard Stark, Wolfgang Schmidt, Roland Kaiser)<br />

Airports<br />

✈ sowie: Thomas Filipanics, Mark Klassen, Petr Hoza<br />

untere Reihe: Richard Stark, Michael Meister, Evangelos<br />

Goutsios<br />

Maschine zunächst ein Getreidefeld streifte. Dem<br />

Piloten glückte es, den Einsitzer wie<strong>der</strong> hochzuziehen.<br />

Dabei erfasste er auf <strong>der</strong> Zufahrtsstraße zum Flugplatz<br />

das Auto, in dem die beiden 46 Jahre alten Eltern mit<br />

ihrer Tochter saßen. Das Auto wurde in einen Acker<br />

geschleu<strong>der</strong>t.<br />

Das Flugzeug überschlug sich und kam auf dem Dach<br />

zum Liegen. Der aus Wiesbaden stammende Pilot<br />

konnte das Wrack nur leicht verletzt verlassen. Der<br />

Kunstfl ugdoppeldecker, Baujahr 1980, ist normalerweise<br />

in Mainz stationiert. Die Flugvorführungen wurden<br />

nach dem Unfall abgebrochen.<br />

Quelle: Aeroclub Großosthe<strong>im</strong><br />

AIRPORTS<br />

53 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


AIRPORTS<br />

von<br />

Frank<br />

Z<strong>im</strong>mermann<br />

<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

Airports<br />

54<br />

✈ In 72 Metern Höhe wird ein phantastischer Arbeitsplatz für bis zu 11 Lotsen gebaut.<br />

Tower BBI –<br />

Das Herz des neuen Flughafens<br />

Wenn die Lotsinnen und Lotsen des Towers Tegel am 30.10.2011 zur<br />

Spätschicht antreten, könnten sie gegen 23 Uhr erneut an einem<br />

historischen Moment teilhaben – die letztmalige Startfreigabe für<br />

ein Flugzeug von einem reinen Berliner Flughafen. Dann würde<br />

sich ein ähnliches Szenario wie<strong>der</strong>holen, welches schon <strong>im</strong> vergangenen<br />

Jahr (30.10.2008: Schließung des Flughafen Berlin Tempelhof)<br />

stattfand – die letzte Startfreigabe von einem innerstädtischen<br />

Flughafen in Berlin.<br />

Ob die Veranstaltungsmanager <strong>der</strong> Flughafengesellschaft<br />

schon ein „Drehbuch“ für die Inbetriebnahme<br />

des Flughafens Berlin Brandenburg International (BBI)<br />

und die damit einhergehende Außerbetriebnahme des<br />

Flughafens Tegel in <strong>der</strong> Schublade haben, ist mir nicht<br />

bekannt. Aber <strong>der</strong> 30.10.2011 als Eröffnungstermin für<br />

den BBI steht fest, wie in Stein gemeißelt – so zumindest<br />

die Verantwortlichen <strong>der</strong> Flughafengesellschaft.<br />

Damit gilt auch für unser Projekt <strong>der</strong> Termin, um den<br />

sich alles dreht.<br />

Für das neue Zuhause von rund 70 Fluglotsen, Flugdatenbearbeitern,<br />

Platzkoordinatoren, Technikern /<br />

Ingenieuren und den dann noch verbliebenen administrativen<br />

Kräften (früher: Verwaltung) haben wir am<br />

23.04. in Schönefeld den Grundstein<br />

gelegt.<br />

Was zeichnet nun unseren Tower<br />

beson<strong>der</strong>s aus?<br />

Das die obligatorischen “Kisten“ unterhalb<br />

<strong>der</strong> Towerkanzel angebracht werden,<br />

ist bekannt. Gleichwohl warten<br />

wir am BBI mit einigen Premieren auf:<br />

* Neuentwicklung einer elliptischen Kanzel in den<br />

Ausmaßen 12,5m (O-W) und 11m (N-S) mit nur 4<br />

Tragstützen<br />

* Neuentwicklung <strong>der</strong> Scheiben mit kleineren Randprofi<br />

len und aussteifen<strong>der</strong> Wirkung<br />

Denn mit einer neuen Glastechnik (maßgeblich mit<br />

und für den TWR FRA entwickelt) entsteht eine Kanzel<br />

mit einem nahezu uneingeschränkten 360° Rundblick.<br />

Keine tragenden Streben werden das Sichtfeld für die<br />

beiden unabhängig arbeitenden Crews <strong>der</strong> Nord- und<br />

Südbahn beeinträchtigen.


An völlig neuen Arbeitstischen (ebenfalls eine<br />

Gemeinschaftsentwicklung mit und für Frankfurt – An<br />

dieser Stelle mal ein großes Dankeschön an die Männer<br />

und Frauen um Hans-Hermann Gindra, Wolfgang<br />

Breves und Wolfgang Schmidt) mit 6 Monitoren und<br />

neuer Bedientechnik eröffnet sich ein neues Bedienmanagement<br />

für die Controller. Mit doppelseitigen<br />

„touchpens“ können geradezu unendlich viele Menüs<br />

geöffnet werden. Sie versorgen die Lotsen mit allen<br />

Informationen, die sie für die vielseitigen Aufgaben<br />

am BBI benötigen.<br />

Wie bereits erwähnt wird es zwei Crews geben. Das<br />

„Nordteam“ kontrolliert die jetzige Piste 25/07 mit<br />

ihren Parallelrollwegen C und D. Dort grenzt später<br />

<strong>der</strong> jetzige Nordteil an, welcher dann von <strong>der</strong> Flugbereitschaft<br />

genutzt wird. Dies gilt auch für das <strong>der</strong>zeitige<br />

GAT. Das „Südteam“ ist dementsprechend für die<br />

<strong>der</strong>zeitig in Bau befi ndliche Südpiste 25L/07R, wie<br />

auch die Rollwege A und B zuständig. Beide Crews<br />

bestehen aus je zwei Lotsen, die wie<strong>der</strong>um von zwei<br />

Platzkoordinatoren unterstützt werden.<br />

Die Teams vervollständigen ein Supervisor sowie<br />

sporadisch ein Kollege für möglichen VFR- o<strong>der</strong> Son<strong>der</strong>verkehr.<br />

Zu Spitzenzeiten (z.B. ILA), können dann<br />

bis zu 11 Mitarbeiter gleichzeitig den Verkehr in BBI<br />

kontrollieren.<br />

Neu für uns am BBI wird das Advanced Surface Movement<br />

Guidance and Control System (A-SMGCS) sein:<br />

Ebenfalls zur Inbetriebnahme einsetzbar wird es einen<br />

weiteren Beitrag zur Sicherheit leisten. Auch deshalb<br />

erhält <strong>der</strong> neue Flughafen vom ersten Tag an die CAT<br />

IIIb Schlechtwetterzulassung.<br />

1 1/2 Jahre wird es dauern, diese umfangreiche Technik<br />

einzubauen. Während <strong>der</strong> Rohbau schon <strong>im</strong> November<br />

dieses Jahres fertig sein wird, ist die Baufertigstel-<br />

Airports<br />

✈ Gegenüber dem neuen Terminal entsteht<br />

Deutschlands zweithöchster DFS Tower.<br />

Nur <strong>der</strong> Düsseldorfer Kontrollturm ist noch höher.<br />

AIRPORTS<br />

55 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


AIRPORTS<br />

<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

Airport<br />

56<br />

lung für September 2010 geplant. Zum 3. Quartal 2011<br />

geht <strong>der</strong> neue Tower dann ans Netz.<br />

Die ersten Lotsen werden bereits ein Jahr zuvor mit<br />

ihrem Training <strong>im</strong> Tower S<strong>im</strong>ulator (TOSIM) in Langen<br />

beginnen.<br />

Schließlich will <strong>der</strong> neue Betrieb trainiert sein. Abrollen<br />

von <strong>der</strong> Bahn, die Zuweisung <strong>der</strong> Positionen, Rollabläufe,<br />

<strong>der</strong> „Push-back“, das Ziehen <strong>der</strong> Flugzeuge von<br />

Schleppern o<strong>der</strong> <strong>der</strong> übrige Fahrzeugverkehr, sofern<br />

er das Rollfeld betrifft. Der S<strong>im</strong>ulator bot bereits in <strong>der</strong><br />

Vergangenheit enorme Hilfestellung bzw. Aufschluss<br />

über Situationen, in denen beispielsweise aufgrund<br />

verstopfter Rollwege nicht mehr alle landenden Flugzeuge<br />

abrollen konnten. Dies führte schon in <strong>der</strong><br />

Planungsphase zu notwendigen Än<strong>der</strong>ungen. In <strong>der</strong><br />

jetzigen Konfi guration <strong>der</strong> Rollwege sollten solche<br />

Situationen vermieden werden.<br />

2011 wird das Jahr <strong>der</strong> Testläufe – sowohl für den<br />

neuen Tower als auch für die neue Luftraumstruktur<br />

in und um Berlin. Fortsetzung folgt.<br />

Für die Statistiker unter uns noch<br />

einige Angaben zu den Baudetails:<br />

Bautechnische Rahmendaten<br />

* BRI (Brutto-Raum-Inhalt) rd. 16.660 m 3<br />

* BGF (Brutto-Geschoss-Fläche) rd. 4.040 m 2<br />

* Augenhöhe <strong>der</strong> Lotsen 111,30 m ü. NHN<br />

(68,70 m ü. Grund)<br />

* Turmhöhe mit Aufbauten rd. 72 m ü. Grund<br />

* Pfahlgründung des Turms 12 Bohrpfähle<br />

18 m tief, 90 cm<br />

Durchmesser<br />

* Kopfplatte <strong>der</strong> 12 Pfähle 12 m x 12 m;<br />

Höhe 1,80 m;<br />

* Betonmassen rd. 3.100 m 3<br />

entspricht<br />

8.000 t Gewicht<br />

Termine<br />

* Baubeginn Februar 2009<br />

* Fertigstellung Rohbau Oktober 2009<br />

* Fertigstellung Stahlbau Oktober 2009<br />

Turmkopf<br />

* Baufertigstellung August 2010<br />

* Ausrüstung September 2010<br />

* Beginn Transition Januar 2011<br />

* Begin Schulung Januar 2011<br />

* Inbetriebnahme 3. Q / 2011<br />

Platzkontrolle


Vom Adlerhorst zum<br />

Maulwurfshügel<br />

o<strong>der</strong>: die Suche nach<br />

einer neuen He<strong>im</strong>at!<br />

Im Rahmen einer Umstrukturierung <strong>der</strong> Zentralen Vorfeldkontrolle<br />

am Flughafen Frankfurt plant die Fraportführung erhebliche bauliche,<br />

räumliche und organisatorische Verän<strong>der</strong>ungen. Heute noch<br />

rundumblickende und vorausschauende Mitarbeiter <strong>der</strong> Verkehrszentrale<br />

disponieren ab 2012 ´blind`.<br />

Sowohl die operativen Einsatzbedingungen als auch<br />

die Arbeitsbedingungen <strong>der</strong> Positionsplaner in <strong>der</strong><br />

Abteilung FBA AF41 werden mit dem Projekt <strong>der</strong> Verortung<br />

in die Zweite Reihe grundlegend verän<strong>der</strong>t<br />

und, so die abteilungsweite Sorge, auch nachhaltig<br />

verschlechtert.<br />

Die heutige opt<strong>im</strong>ale Lage <strong>der</strong> Verkehrszentrale <strong>im</strong><br />

alten Tower an <strong>der</strong> Stirnseite oberhalb vom zentralen<br />

Terminalbereich B eröffnet den Mitarbeitern Rundumsicht<br />

auf nahezu den gesamten Standplatz -und<br />

dessen Rollwegbereich in Frankfurt/Main – ein nicht<br />

hoch genug zu schätzen<strong>der</strong> Vorteil für die Leute <strong>der</strong><br />

Positionsvergabe! Gilt es doch die knappe Ware Flugzeugstandplatz<br />

opt<strong>im</strong>al zu ´vermarkten`. Beson<strong>der</strong>s<br />

zu Verkehrsspitzen bedeuten verstopfte Parkpositionen<br />

zähfl ießenden An – und Abrollverkehr, somit<br />

auch mangelnde o<strong>der</strong> reduzierte Kapazitäten mit<br />

erheblichen Auswirkungen auf die Pünktlichkeit des<br />

Verkehrs – TIME IS MONEY!!?<br />

Fraport setzt hier an<strong>der</strong>e Akzente. Synergien und<br />

Einsparungen entstehen auf dem Reißbrett <strong>der</strong> Planer<br />

vielmehr durch die Kreation einer integrierten<br />

Airports<br />

Leitstelle für das operative Geschäft<br />

<strong>der</strong> Abteilung FLUGBETRIEB AF. Ein<br />

alter Planungshut von längst selbst<br />

verortetem Generalbevollmächtigten<br />

– eine Nummer, aus <strong>der</strong> die aktuelle<br />

Leitungsriege, auch wi<strong>der</strong> besseren<br />

Wissens, nicht mehr heraus zu fi nden bereit ist.<br />

Erkennbar wird hier ebenfalls ein mit Ansteigen <strong>der</strong><br />

Hierarchiestufe diametral gegenläufi ger Verständnisgrad<br />

für die betrieblichen Belange – vermeintliche<br />

Kosteneinsparungen werden zur pr<strong>im</strong>ären Richtschnur<br />

<strong>der</strong> Entscheidungsfi ndung.<br />

Laut aktuellem Planungsstand sitzt das neue ´Zentralorgan`<br />

dann in einem noch zu errichtenden Gebäude<br />

in einem eher boden -als luftraumnahen Geschoss in<br />

<strong>der</strong> zweiten Reihe – hinter dem ebenfalls neuen, östlichen<br />

Turm <strong>der</strong> Kollegen <strong>der</strong> Vorfeldkontrolle. Mit<br />

eben diesen bildet die Abteilung FBA AF41 Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale<br />

<strong>der</strong>zeit noch ein kongeniales<br />

Team für einen koordinierten, effi zienten und sicheren<br />

Rollverkehr zum/vom geplanten Standplatz. All dies<br />

soll nun an<strong>der</strong>s werden – Verkehrszentrale, Fluglärmstelle<br />

und Verkehrsdatenzentrale werden die neuen<br />

´matchmaker` <strong>im</strong> gemeinsamen Großraumbüro.<br />

Die positiven Effekte einer <strong>der</strong>artigen Zusammenlegung<br />

erschließen sich dem kundigen Verkehrsdisponenten<br />

jedoch nicht! Der direkte Austausch <strong>im</strong><br />

Abteilungsübergriff ist denkbar gering – Telefonate<br />

AIRPORTS<br />

57 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


AIRPORTS<br />

<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

Airports<br />

58<br />

mit den Kollegen <strong>der</strong> Verkehrsdatenzentrale sind<br />

selten, dienstliche Kommunikation mit denen <strong>der</strong><br />

Fluglärmstelle bis dato unbekannt. Die Nachteile<br />

dagegen liegen auf <strong>der</strong> Hand: In allen anwesenden<br />

Abteilungen wird ständig telefoniert und insgesamt<br />

etwa ein halbes Dutzend Flugfrequenzen gleichzeitig<br />

mitgehört – babylonisches Sprachgewirr mit schrillem<br />

Geräuschpegel kann man sich hier lebhaft vorstellen<br />

– konzentriertes Arbeiten hingegen nur schwer. Um so<br />

mehr erstaunt die mangelnde Einsicht <strong>der</strong> Planungsverantwortlichen,<br />

hier wenigstens für eine räumliche<br />

Trennung zu sorgen. Dass <strong>der</strong> bereits erwähnte Standort<br />

in <strong>der</strong> zweiten Reihe, wie auch nicht <strong>im</strong> höchsten<br />

von neun geplanten Geschossen, die Sicht <strong>der</strong> Positionierer<br />

verstellt, ist augenfällig. Verkehrsbeobachtung<br />

auf Vorfeld und Positionen wird somit beinahe<br />

unmöglich, schnelle Entscheidungsfi ndung für ad hoc<br />

Positionsän<strong>der</strong>ungen ausgebremst.<br />

Die Mitarbeiter <strong>der</strong> Verkehrszentrale sind sich einig,<br />

dass wenigstens die min<strong>im</strong>alsten Voraussetzungen<br />

für einen vernünftigen, effi zienten und sicheren Positionierungsbetrieb<br />

geschaffen werden müssen und<br />

Planungsän<strong>der</strong>ungen dafür dringend berücksichtigt<br />

werden sollen. Hier geht es pr<strong>im</strong>är um die Ansiedlung<br />

<strong>im</strong> obersten, 9. Stockwerk des neuen Gebäudes, die<br />

unerlässliche Fenstersicht sowie um die Anfor<strong>der</strong>ung<br />

technischer Hilfsinstrumente – hier die Bodenlagedarstellung<br />

<strong>der</strong> Vorfeldkontrolle und eine leistungsstarke,<br />

steuerbare Kameraüberwachung <strong>der</strong> Stellplätze.<br />

Selbst bei Planungsanpassungen <strong>im</strong> gefor<strong>der</strong>ten<br />

Maß bleibt für die Mitarbeiter <strong>der</strong> Verkehrszentrale<br />

die stetig wachsende Komplexität <strong>der</strong> Aufgaben<br />

<strong>im</strong> Umfeld von Kapazitätsverlusten durch Aus- und<br />

Umbaumaßnahmen; einreise- und zollrechtlichen<br />

Best<strong>im</strong>mungen sowie unzähligen kundenspezifi schen<br />

Son<strong>der</strong>absprachen.<br />

Der geplante Umzug an verkehrsfernen Ort bedeutet<br />

eine weitere Erschwernis und unnötig steigende<br />

Belastung.<br />

Ohnehin bleibt zu erwarten, dass die räumliche Aufteilung<br />

<strong>der</strong> Organisationseinheit FBA AF41 Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale<br />

auf drei Standorte – zwei<br />

Vorfeldtower/ ein Großraumbüro – den bis dato tiefgreifenden<br />

und schnellen Informationsaustausch<br />

erheblich erschweren wird. Dafür gibt es in den Annalen<br />

<strong>der</strong> Abteilung prominente Beispiele.<br />

Nach nur rund sechs Monaten wurde <strong>im</strong> März 1989 die<br />

zwangsverordnete Trennung von Rollverkehrsführung<br />

und Positionierung wie<strong>der</strong> beendet; Mitarbeiter, die


sich eben noch auf die neugeschaffenen zwei! Dienststellen<br />

verteilen lassen mussten, bildeten wie<strong>der</strong> eine<br />

sinnstiftende Einheit. Die Erkenntnis, dass gegenseitiges<br />

Verständnis für die Arbeit des jeweils An<strong>der</strong>en<br />

essentiell wichtig für einen fl üssigen und sicheren<br />

Betriebsablauf sei, reifte, sogar bei den Entscheidungsträgern,<br />

ungewohnt zügig. Zwar blieb es bei einer<br />

räumlichen Trennung auf zwei übereinan<strong>der</strong>liegenden<br />

Ebenen <strong>im</strong> Vorfeldtower, die Mitarbeiter rotierten fortan<br />

jedoch wie<strong>der</strong> regelmäßig zwischen beiden Stockwerken<br />

– in einer Organisations – und Arbeitseinheit.<br />

Dass Geschichte sich auch in Unternehmen wie<strong>der</strong>holt,<br />

zeigt nun <strong>der</strong> abermalige Versuch des Frankfurter<br />

Flugplatzbetreibers, diese Einheit aufzubrechen<br />

und bewiesene kompetente Vernetzung von Wissen<br />

ohne Not aufzugeben. Im Rahmen <strong>der</strong> Evaluierung<br />

einer geplanten Verortung <strong>der</strong> Vorfeldkontrolle gab<br />

es durchaus Möglichkeiten zum Erhalt <strong>der</strong> räumlichen<br />

Nähe von Vorfeldkontrolleuren und Disponenten –<br />

unter <strong>der</strong> neuen Vorfeldkontrolle West. Dort siedelt<br />

jetzt jedoch die Spezies Premiumkunde <strong>der</strong> Kranichfl<br />

ieger in einer sogenannten Towerlounge mit exzellentem<br />

Blick auf Standplätze, Rollwege, Start- und<br />

Landebahnsystem. Nur fl iegen ist schöner!<br />

Pauli Grabowski<br />

Airports<br />

AIRPORTS<br />

59 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


Airbus A 300-600 –<br />

ein Flugzeug für Piloten<br />

Meine Zeit auf dem „Bus“ wäre beinahe zu Ende gewesen, noch<br />

bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Die Flottenplanung<br />

bei Hapag-Lloyd sah seit 1996 den Verkauf aller Airbus A 310 vor.<br />

Da <strong>der</strong> Flieger <strong>im</strong> Alltag aber so praktisch war, verschob sich dieser<br />

Termin von einem Sommerfl ugplan zum nächsten. Bis ins Jahr<br />

2005, da sollten <strong>im</strong> März endgültig alle Flugzeuge verkauft sein.<br />

Völlig unverhofft erfolgte <strong>im</strong> Herbst 2004 noch eine Ausschreibung<br />

zur Umschulung auf A 310. Gemeinsam mit fünf Kollegen begann<br />

ich <strong>im</strong> November mit dem Theorie-Unterricht. Nachdem das Type-<br />

Rating zur Hälfte hinter uns lag, wurden wir sechs letzten Mohikaner<br />

ebenfalls sehr unverhofft vom Chefpiloten aufgefor<strong>der</strong>t, doch<br />

bitte die Umschulung abzubrechen, Begründung siehe oben. Wir<br />

ließen uns nicht „überzeugen“ und beendeten unser Rating. Die<br />

Musterberechtigung gilt sowohl für A 310 als auch für den A 300-<br />

600, und so sind für mich am Ende doch noch vier Jahre „drei-zehn“<br />

und „dreihun<strong>der</strong>ter“ mit zweitausend Flugstunden bei Hapag-Lloyd,<br />

Air Transat, Swiss und Lufthansa zustande gekommen.<br />

Auf ein Jahr „Bus“ bei Hapag-Lloyd folgten fünf<br />

Wochen in Kanada, wo wir <strong>im</strong> Auftrag von Air Transat<br />

von Montreal aus in die Karibik und nach Mittelamerika<br />

fl ogen. Dann ging’s wie<strong>der</strong> zurück zu Hapag,<br />

um kurz darauf ein halbes Jahr lang für die Swiss mit<br />

A 300-600 nach Afrika zu fl iegen. Danach war tatsächlich<br />

die Ära Airbus bei Hapag-Lloyd zu Ende und es<br />

„drohte“ die Umschulung auf Boeing 737. Rettung<br />

in <strong>der</strong> Not kam von <strong>der</strong> Lufthansa, die A 300-Piloten<br />

zur Überbrückung eines personellen Engpasses benö-<br />

Airplanes<br />

tigte. Auch bei Lufthansa hätte <strong>der</strong><br />

A 300 eigentlich schon seit Jahren aus<br />

dem Flugzeugpark verschwunden sein<br />

sollen, aber auch dort war er einfach<br />

zu vielseitig, um auf ihn zu verzichten.<br />

Aus dem kurzfristigen Engpass wurden<br />

zwei sehr schöne Jahre mit dem<br />

Kranich am Leitwerk. Wir fünf Leiharbeiter<br />

von „<strong>der</strong> Hapag“ wurden herzlich<br />

von <strong>der</strong> „Space-Cowboy“-Flotte<br />

empfangen. Bereits nach wenigen Flügen<br />

war uns klar: Die Vorurteile gegen<br />

Lufthansa-Piloten, von wegen Erbsenzähler<br />

und Fliegen-neu-erfi nden, sind<br />

auf dem „drei-null-sechser“ völlig<br />

unbegründet!<br />

Der A 300-600 bewies seine Fähigkeiten<br />

bei Schnee, Eis und Kälte, bei glühen<strong>der</strong><br />

Hitze, Sandstürmen und sintfl utartigen Regenfällen.<br />

Und das ganze auf Strecken, für die dieses Flugzeug<br />

eigentlich nicht gebaut war, <strong>im</strong> Wettbewerb mit einer<br />

neuen Generation von Flugzeugen. Denn eines geben<br />

selbst eingefl eischte A 300-Liebhaber (wi<strong>der</strong>strebend)<br />

zu: Das Flugzeug, zu seiner Zeit zweifellos revolutionär,<br />

war nicht mehr so ganz auf dem neuesten<br />

Stand <strong>der</strong> Technik. Der Erstfl ug <strong>der</strong> Ur-Version A 300<br />

B2 fand 1972 statt, <strong>der</strong> letzte Flieger (ein Frachter mit<br />

AIRPLANES<br />

von<br />

Rudi<br />

Rödig<br />

61 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


AIRPLANES<br />

<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

Airplanes<br />

62<br />

<strong>der</strong> Typenbezeichnung A 300 F4-600 R) wurde 2007<br />

ausgeliefert. In dieser Zeit hat die Firma Airbus – um<br />

es positiv zu formulieren – weitgehend an Bewährtem<br />

festgehalten.<br />

Im Cockpit blickte man auf einen Uhrenladen, künstlicher<br />

Horizont und Navigations-Display waren zwar<br />

schon „elektrisch“; aber <strong>im</strong> Mäuse-Kino-<strong>Format</strong>, und<br />

das FMS war langsam, umständlich zu programmieren<br />

und überraschte gerne mit gallisch angehauchten<br />

Meldungen, die von Germanen nur schwer nachzuvollziehen<br />

waren („BUTTON PUSH IGNORED“) – 300er-<br />

Piloten wissen, was gemeint ist.<br />

Dafür tat <strong>der</strong> 300er noch genau das, was <strong>der</strong> Pilot per<br />

Steuerausschlag von ihm verlangte – ohne wenn und<br />

aber. Mit einer Envelope Protection, die ihren Namen<br />

zu Recht trug und nicht schon <strong>im</strong> Normalbetrieb die<br />

Ru<strong>der</strong>ausschläge auf die Hälfte reduzierte. Und er<br />

hatte Power, und zwar <strong>im</strong> Überfl uss. Auf den Inlands-<br />

Rennstrecken Hamburg, München und Berlin konnte<br />

man Steigraten erreichen, die so manchen Controller<br />

in Verlegenheit brachten. Kurzum, ein Flugzeug für<br />

Piloten.<br />

Den Abschied des „drei-null-sechs“ bei Lufthansa<br />

Anfang Juli 2009 habe ich nicht mehr selbst miterlebt.<br />

Allen Berichten zufolge war es ein dem Flugzeug<br />

angemessenes Ereignis!<br />

✈ Ein seltenes Stück:<br />

Der Kontrollstreifen<br />

des Abschiedsflugs!<br />

Ganz zum Schluss eine kleine Anekdote, die sich zwar<br />

auf ein vor langer Zeit ausgemustertes Militärfl ugzeug<br />

bezieht, das Verhältnis <strong>der</strong> meisten 300er Piloten zu<br />

ihrem Airbus aber sehr schön beschreibt.<br />

Der für die Flottenplanung zuständige Offi zier wurde<br />

von einem Piloten gefragt, warum das beliebte Flugzeug<br />

denn ausgemustert werden müsste.<br />

Er sagte:<br />

„Die Maschine wiegt zu viel, trinkt zu viel<br />

und kostet zu viel.“<br />

Darauf erwi<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Pilot:<br />

„Herr General, sie haben gerade<br />

meine Frau be schrieben.<br />

Und trotzdem liebe ich sie von ganzem Herzen!“<br />

Wer sich für genauer für das Type-Rating und die Airbus-Erlebnisse<br />

interessiert, kann das alles und vieles<br />

mehr in dem Buch „H<strong>im</strong>mel, Arsch und Zwirn“, erschienen<br />

<strong>im</strong> Düsendruck Verlag, ausführlich nachlesen.<br />

Wie Lotsen den A300 und die Space<br />

Cowboys in Erinnerung haben:<br />

Die A300 Leute waren halt Klasse, weil sie fast alles<br />

mitgemacht gemacht haben, high speed und swingover<br />

very short fi nal usw. Von denen kam fast <strong>im</strong>mer<br />

so´n Spruch wie: äh TWR, by the way we are able for<br />

swing over any t<strong>im</strong>e. Ready an <strong>der</strong> RWY waren sei


sowieso <strong>im</strong>mer. Legendären Ruf hatte bei uns Kapitän<br />

„Sch“. Den hat man schon <strong>im</strong>mer an <strong>der</strong> St<strong>im</strong>me<br />

erkannt. 500m vor <strong>der</strong> RWY hat er als Nr. 2 schon <strong>im</strong>mer<br />

gesagt: Ready for visual Dep behind. Nachdem wir<br />

uns das ein paar mal angegeuckt hatten, wussten<br />

wir wie das noch zu toppen ist. Der erste hat cleared<br />

for take-off bekommen und Herr Sch gleich danach:<br />

Behind departing cleared for take-off. Es hatten somit<br />

2 LFZ gleichzeitig Startfreigabe von RWY 18, was<br />

ansonsten unüblich ist. Es ging aber darum Kapitän<br />

Sch seine Freiheiten zu lassen, die er dann auch zu<br />

unserer Freude redlich genutzt hat. Der hat dann<br />

schon die Gase reingeschoben, wenn <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>mann<br />

mal gerade das Bugrad in <strong>der</strong> Luft hatte. Und egal wie<br />

lahm <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>mann war, er hat´s <strong>im</strong>mer geschafft<br />

dahinter zu bleiben.<br />

Airplanes<br />

Es wird auch erzählt, dass er seine COs ordentlich ran<br />

genommen hat nach dem Motto: Be<strong>im</strong> line-up hat die<br />

Hand am Gas zu bleiben und wenn <strong>der</strong> TWR zum cleared<br />

for Take off auch nur ansetzt, haben die Hebel<br />

schon be<strong>im</strong> Callsign bis zum Anschlag nach vorne zu<br />

fl iegen.<br />

Be<strong>im</strong> Landen waren die Jungs auch eine große Hilfe.<br />

Wir warten mit Südbahnlandungen mit den Kreuzen<br />

<strong>im</strong>mer, bis die Nordbahnlandung auf taxi speed runter<br />

ist, dann wird auch schon während des ausrollens<br />

gekreuzt. Herr Sch hat <strong>im</strong>mer noch einen drauf<br />

gesetzt. Der hat bei RWY 07L schon <strong>im</strong> short fi nal über<br />

<strong>der</strong> RWY18 die wartenden Kollegen in TWY G gesehen<br />

und schon über <strong>der</strong> 18 gesagt: TWR we are vacating 7L<br />

via TWY M. Sollte für uns heissen: Kannst je<strong>der</strong>zeit in<br />

TWY G die 7L kreuzen. Das haben wir dann aber doch<br />

nicht ganz mit gemacht und noch etwas gewartet.<br />

Als die A300er noch Nachtpost gefl ogen haben, haben<br />

sie auch gerne einen max rate of cl<strong>im</strong>b after lift of<br />

requested, Wir haben dann schon mal einen höheren<br />

level von APP geholt und die haben dann die Gelegenheit<br />

genutzt und sind so richtig steil in den H<strong>im</strong>mel<br />

geschossen.<br />

Als DLH die Daumenschrauben etwas angezogen hatte,<br />

und vermehrt ein Auge auf die ACFT-Konfi gurationen<br />

gelegt hat, sind die A300er nach unserem Eindruck<br />

etwas ruhiger geworden. Es wurde irgendwann wohl<br />

auch vermehrt Ausbildung darauf gemacht. Trotzdem<br />

waren sie mit Abstand die Besten, weil sie am meisten<br />

mitgedacht haben und mit ihrem Flieger <strong>im</strong> Vergleich<br />

zu den an<strong>der</strong>en Computern mit Flügeln wohl auch<br />

am meisten veranstalten konnten. Gnadenlos überpowered<br />

waren sie ja allemal. Die wussten auch zu<br />

je<strong>der</strong> intersection, ob sie sie zum Start nehmen können,<br />

wenn sie gefragt wurden. Viele an<strong>der</strong>e müssen<br />

AIRPLANES<br />

63 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04


AIRPLANES<br />

<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />

Airplanes<br />

64<br />

dann erst anfangen zu rechnen. Wenn sie kurzfristig<br />

eine an<strong>der</strong>e Startbahn zugewiesen bekamen, waren<br />

sie auch dafür schon ready, wenn sie noch gar nicht<br />

da waren.<br />

Wenn mich einer nach einem Synoym für DLH A300<br />

fragt würde ich spontan antworten: Always Ready<br />

o<strong>der</strong> auch: Yes we can.<br />

(Jörg Biermann, TWR FRA)<br />

Hatte als Düsseldorfer nicht oft 300er zu Gast, aber<br />

ich schließe mich allem, was Jogi gesagt hat, an. Bei<br />

denen merkte man deutlich, dass es kein Ausbildungsmuster<br />

war und die Jungs sich als Gallisches<br />

Dorf <strong>der</strong> Lufthansa sahen. Ähnliche Allüren gibts übrigens<br />

auch bei <strong>der</strong> Düsseldorfer Bobby-Blase (ein paar<br />

737-Crews, die in Düsseldorf stationiert sind). Die<br />

denken auch mehr mit als <strong>der</strong> Durchschnittspilot, und<br />

man erkennt auch viele an <strong>der</strong> St<strong>im</strong>me.<br />

(Alexan<strong>der</strong> Schwassmann)<br />

Ich (Ronald, FRA) erinnere mich da an einen Request.<br />

Wir hatten 07 in use und <strong>der</strong> Kapitän meinte „We<br />

are able to swing, even inside the „Baggersee“. Ich<br />

glaube, den Namen kennt je<strong>der</strong>. Er konnte bei jedem<br />

Wetter und <strong>im</strong>mer „visual hinterhertoben“ Für Nicht-<br />

Frankfurter: Der Baggersee liegt <strong>im</strong> short fi nal RWY 07<br />

(ca. 1,5 NM) gleich hinter <strong>der</strong> A67 südl. Kelsterbach.<br />

Es handelte sich natürlich um Kapitän Sch.<br />

Cpt. Alex Buchholz, mit<br />

zahlreichen Artikeln<br />

<strong>im</strong> „fl ugleiter“ vertreten<br />

und sein Team.<br />

Er schreibt: „Mein gefl ügelter Arbeitsplatz <strong>der</strong><br />

letzten 11 Jahre ist seit 30.6. weg.<br />

Mich wird man wie<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Boeing 737 sehen.<br />

Also ein Wechsel:<br />

Langstrecke- nein danke. Macht mich fertig.<br />

Elektronikwun<strong>der</strong> fl iegen- nein danke.<br />

Also 737 und das ist gut so!<br />

Die A300 Piloten haben in Privatinitiative zum<br />

Abschied ihres Fliegers Aufkleber, Anstecknadeln<br />

und Krawattennadeln fertigen lassen. Sie<br />

werden zum „no Profi t-Preis“ verkauft und mit<br />

jeweils einem EUR als Spende belegt. Diese<br />

geht 50/50 an 1. „Die Lebensgemeinschaft“<br />

und 2. an „Afrikaprojekt Schales“.<br />

Die Piloten verabschieden ihr treues Arbeitsgerät<br />

mit feuchten Augen. Die gute St<strong>im</strong>mung<br />

auf <strong>der</strong> Flotte war sprichwörtlich, gleichermassen<br />

unter den Piloten wie auch den Flugbegleitern,<br />

die hier eingesetzt waren.<br />

Auch die Lotsen wussten, dass die A300-<br />

Piloten eine „beson<strong>der</strong>e“ Truppe waren... Wir<br />

verabschieden uns auch von Euch mit besten<br />

Erinnerungen!<br />

Pins, Krawattennadeln und Aufkleber können<br />

bestellt werden bei: sebastian.zieren@gmx.de

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