"der flugleiter" im PDF-Format - GdF Gewerkschaft der ...
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4/2009<br />
Airports aktuell<br />
FRA – Der neue Tower und das Team<br />
BBI – Ein Überblick<br />
FRA Apron: In den Fuchsbau?<br />
TCAS<br />
Der neueste Stand<br />
Fortschritte erzielt<br />
Missed aproach nach Swing over<br />
Abschied von einer Legende<br />
Der A300 und die „Space Cowboys“<br />
Safety<br />
Bericht vom 7. Deutschen Forum
Das gallische Dorf Südbaden <strong>im</strong> Kampf<br />
gegen „skyguide“ S. 15<br />
Fluglärm und Gesundheit –<br />
eine Studie aus Frankfurt. S. 27<br />
Wer war <strong>der</strong> Erste?<br />
Erster Atlantik-Nonstopfl ug vor 90 Jahren S. 43<br />
Airbus A 300-600 – ein Flugzeug für Piloten S. 61<br />
Inhalt<br />
Editorial von Michael Schäfer ……………………………….…………….. 4<br />
<strong>GdF</strong> Aktuell<br />
In Hamburg sagt man tschüss ……………….........…………............. 6<br />
Bericht <strong>der</strong> <strong>Gewerkschaft</strong> ……………………………………………………... 7<br />
Bericht aus <strong>der</strong> Tarifkommission ……………...…...…...…...…...…... 8<br />
Joe‘s Corner .…………………..…....……………………..…....…..…....….... 11<br />
Recht<br />
Vorstellung Nastassja Fischer …………..…...…...…...…...…...…..... 12<br />
Aktuell<br />
Gesetzesinitiative zur Än<strong>der</strong>ung des Grundgesetzes …………... 13<br />
Das gallische Dorf Südbaden <strong>im</strong> Kampf gegen „skyguide“ …. 15<br />
Incidents<br />
Beinahe in <strong>der</strong> Baustelle gelandet …………..…………...…...…...….. 18<br />
Airplanes<br />
Eine Cessna 172 <strong>im</strong> Technik Museum .…………..…………...…...….. 49<br />
Satire<br />
Als Förster verkleidet: Der Zöllner ...…...…...…........…...….…..... 21<br />
Safety<br />
7. Deutsches Flight Safety Forum ……..............…...…...…...….... 22<br />
Luftfahrt<br />
Erster German Seaplane Day .......…...…...…...…...…...…...…...... 26<br />
Umwelt<br />
Fluglärm und Gesundheit – eine Studie aus Frankfurt ……...... 27<br />
Technik<br />
TCAS – aktuelle Entwicklungen aus Sicht<br />
von Lotsen und Piloten ……...…...…...…...…...…...…...…...…...…... 29<br />
ATC-Praxis<br />
„Swing over“ Pistenwechsel <strong>im</strong> Endanfl ug<br />
Abschließende Gespräche zwischen DFS und <strong>GdF</strong> FSBD …..... 33<br />
Fehlanfl ug nach Sichtanfl ug – wie geht’s weiter? …................ 37<br />
Off the Tape<br />
Hudson River Crash<br />
The true voice recor<strong>der</strong> transcript …....................................... 39<br />
ÜV<br />
Vertrag zur Übergangsversorgung ……...…...…...……...…...……... 41<br />
Glosse<br />
Stehplätze bei Ryanair ……...…...…...…...…...…...…...…...…...….... 42<br />
Historie<br />
Wer war <strong>der</strong> Erste?<br />
Erster Atlantik-Nonstopfl ug vor 90 Jahren ...…..…...…...…...…... 43<br />
Intern<br />
In Harmonie geht alles besser –<br />
Drachenbootrennen Berlin 2009 ……...…...…...…...…...…...…..... 46<br />
Airports ………………………………………….…………………………….......... 51<br />
Airlines ………………………………………….…………………………………...... 60<br />
Airplanes ………………………………………….…………………………………... 61<br />
Last Call ……………………………………….…………………………..……....... 65<br />
3 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
von Michael<br />
Schäfer,<br />
<strong>Gewerkschaft</strong>svorsitzen<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/03<br />
4<br />
Editorial<br />
Liebe Mitglie<strong>der</strong>,<br />
liebe Kolleginnen und Kollegen<br />
geneigte Leser!<br />
Am 26. September fi ndet in<br />
Darmstadt die diesjährige Bundesdelegiertenkonferenz<br />
<strong>der</strong> <strong>GdF</strong><br />
statt. Neben notwendigen Än<strong>der</strong>ungen<br />
und Anpassungen <strong>der</strong><br />
<strong>GdF</strong>-Satzung sowie Berichten<br />
über die Aktivitäten <strong>der</strong> vergangenen<br />
Monate soll auf <strong>der</strong><br />
diesjährigen Bundesdelegiertenkonferenz<br />
eine grundsätzliche Diskussion<br />
über die mittel- und langfristigen Ziele<br />
<strong>der</strong> <strong>GdF</strong> angestoßen werden.<br />
Trotz – o<strong>der</strong> gerade wegen – <strong>der</strong> sehr<br />
erfolgreichen Jahre seit Gründung<br />
<strong>der</strong> <strong>GdF</strong> ist eine solche Grundsatz-<br />
und Strategiediskussion notwendig,<br />
um durch entsprechend abzuleitende<br />
Maßnahmen aus den Ergebnissen<br />
nachhaltig die Grundlagen für ein<br />
weiterhin erfolgreiches Agieren <strong>der</strong><br />
<strong>GdF</strong> für die Zukunft sicherzustellen.<br />
Das Rad wird dabei sicherlich nicht<br />
neu erfunden werden, allerdings muss<br />
sich die <strong>GdF</strong> z. B. hinsichtlich <strong>der</strong><br />
europäischen Entwicklungen, die sich<br />
zwangsläufi g auf die nationale Ebene<br />
auswirken, positionieren.<br />
Über folgende Themen werden wir<br />
uns u. a. auseinan<strong>der</strong>setzen:<br />
Wie stellen wir langfristig und nachhaltig<br />
eine erfolgreiche tarifl iche Ausrichtung<br />
sicher, auch unter dem Aspekt <strong>der</strong><br />
aufkommenden Diskussion über die<br />
Zukunft <strong>der</strong> Spartengewerkschaften?<br />
Wie gehen wir mit Finanz- und<br />
Wirtschaftskrisen um, die <strong>im</strong> stark<br />
zyklischem Luftfahrtgeschäft zunächst<br />
<strong>im</strong> Gesamtsystem Luftfahrt die Fluggesellschaften<br />
trifft, in <strong>der</strong> weiteren<br />
Entwicklung die Flugsicherungsorganisationen<br />
und ihre Mitarbeiter und<br />
damit selbstverständlich auch die <strong>GdF</strong><br />
vor neue Herausfor<strong>der</strong>ungen stellt?<br />
Wie stellen wir fachlich und organisatorisch<br />
sicher, dass wir den Service,<br />
die Unterstützung für unsere Mitglie<strong>der</strong><br />
kontinuierlich verbessern und<br />
ausbauen? Erste Maßnahmen hierzu<br />
wurden bereits vom Bundesvorstand<br />
umgesetzt. Nastassja Fischer, Juristin,<br />
wurde zum Aufbau einer Rechtsabteilung<br />
und als Ansprechpartnerin für<br />
die Mitglie<strong>der</strong>, von <strong>der</strong> <strong>GdF</strong> eingestellt<br />
(Vorstellung in diesem Flugleiter).
Wie geht die <strong>GdF</strong> mit <strong>der</strong> eigenen Darstellung<br />
nach innen und außen um; ist<br />
ein „Re Launch“ <strong>der</strong> <strong>GdF</strong> langfristig<br />
notwendig?<br />
Dies sind einige Aspekte, die uns bewegen<br />
eine Grundsatzdiskussion, die uns<br />
notwendig erscheint, anzustoßen.<br />
Wobei aber sicherlich erst <strong>im</strong> nächsten<br />
Jahr entsprechende Beschlussempfehlungen<br />
erörtert werden können.<br />
Diese Strategiediskussion soll auf<br />
breiter Basis, unter Einbeziehung aller<br />
Mitglie<strong>der</strong> über die Organe <strong>der</strong> <strong>GdF</strong>,<br />
erfolgen.<br />
Ich erwarte und freue mich auf eine<br />
anregende Diskussion auf unserer<br />
Bundesdelegiertenkonferenz.<br />
Aktuell, kurz vor Redaktionsschluss<br />
dieser Ausgabe, erreichte uns die Meldung,<br />
dass <strong>der</strong> Bundespräsident <strong>der</strong><br />
Än<strong>der</strong>ung des Grundgesetzes <strong>im</strong> Artikel<br />
87d, zugest<strong>im</strong>mt und die entsprechende<br />
Gesetzesvorlage unterzeichnet<br />
hat. Nach <strong>der</strong> Grundgesetzän<strong>der</strong>ung<br />
1991 ist dies die wichtigste Struktur-<br />
und Rechtsreform in <strong>der</strong> Flugsi-<br />
cherung und ermöglicht <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland und <strong>der</strong> DFS<br />
die Verän<strong>der</strong>ungen auf europäischer<br />
Ebene rechtssicher mit gestalten zu<br />
können.<br />
Ich wünsche Ihnen allen schöne Sommer-<br />
und Urlaubstage.<br />
Michael Schäfer<br />
Bundesvorsitzen<strong>der</strong><br />
5 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/03
Gesetzesinitiative zur Än<strong>der</strong>ung des Grundgesetzes,<br />
luftverkehrsrechtlicher Vorschriften und zur Errichtung<br />
eines Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung –<br />
Versuch einer Bewertung<br />
Für eine Bewertung <strong>der</strong> am 10. Juli vom Bundesrat<br />
bestätigten Gesetzentwürfe bedarf es eines Blickes<br />
zurück.<br />
Ende Februar 2009 erreichte den <strong>GdF</strong> Vorstand die<br />
Information, dass <strong>im</strong> BMVBS Entwürfe zur Än<strong>der</strong>ung<br />
des Grundgesetzes, weiterer Luftverkehrsrechtlicher<br />
Vorschriften (insbeson<strong>der</strong>e des LuftVG) und zur<br />
Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung<br />
erarbeitet worden sind und sich in <strong>der</strong> Abst<strong>im</strong>mung<br />
zwischen den Ministerien befänden. Wenig später<br />
lagen diese Entwürfe <strong>der</strong> Arbeitsgruppe Lobby zur<br />
Analyse vor.<br />
Diese ergab:<br />
1. Der Vorschlag für die Än<strong>der</strong>ung des Grundgesetzes,<br />
ist <strong>im</strong> großen Ganzen akzeptabel.<br />
2. Die Än<strong>der</strong>ungen des Luftverkehrsgesetzes<br />
sind inakzeptabel, hier insbeson<strong>der</strong>e<br />
· die geplante Abschaffung des Erlaubnis- und<br />
Berechtigungswesens für alle „Nicht-Lotsen“,<br />
Photos: bundesrat.de<br />
· die Beschränkung <strong>der</strong> hoheitlichen Aufgabe auf<br />
den Betriebsdienst <strong>der</strong> Flugverkehrskontrolle,<br />
· die Deklassierung <strong>der</strong> gesamten Flugsicherungstechnik<br />
als Unterstützungsdienst und<br />
· die Einführung einer Arbeitnehmerüberlassung<br />
an Regionalfl ughäfen.<br />
Aktuell<br />
3. Der Entwurf zum BAF Errichtungsgesetz ist nicht<br />
akzeptabel, da die Fachaufsicht wie bisher auf den<br />
Betriebsdienst <strong>der</strong> Flugverkehrskontrolldienste<br />
beschränkt bleibt.<br />
Die zeitgleich eingeleiteten Bemühungen die <strong>GdF</strong><br />
Positionen in den Abst<strong>im</strong>mungsprozess <strong>der</strong> Entwürfe<br />
einfl ießen zu lassen, erhielten zunächst recht schnell<br />
einen Dämpfer. Wie sich herausstellte, wurden die<br />
Gesetzentwürfe vom BMBVS <strong>im</strong> Auftrag des Parlamentes<br />
erstellt. Eine formale Beteiligung u.a. <strong>der</strong><br />
Verbände sah das BMVBS vor diesem Hintergrund<br />
nicht vor. Außerdem war die Abst<strong>im</strong>mung zwischen<br />
Ministerien bereits gelaufen und die Entwürfe als<br />
Kabinettsvorlage übermittelt. Wie bereits be<strong>im</strong> Flugsi-<br />
von<br />
Dirk<br />
Wendland<br />
13 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
Aktuell<br />
14<br />
cherungsgesetz zwei Jahre zuvor, wurde die <strong>GdF</strong> überrumpelt,<br />
doch diesmal war sie besser aufgestellt. Es<br />
folgten Termine mit Vertretern aller Parteien und die<br />
Anhörung <strong>im</strong> Bundestag, in welcher die <strong>GdF</strong> auf Einladung<br />
<strong>der</strong> SPD durch Dirk Wendland vertreten wurde.<br />
Im Ergebnis all dieser Bemühungen wurden die<br />
Gesetzentwürfe in für die <strong>GdF</strong> in wesentlichen Punkten<br />
verän<strong>der</strong>t und vom Bundestag am 28. Mai 2009<br />
wie auch vom Bundesrat am 10. Juli 2009 so geän<strong>der</strong>t<br />
beschlossen:<br />
1. Die geplante Abschaffung des Erlaubnis- und<br />
Berechtigungswesens für „Nicht-Lotsen“ wurde aus<br />
den Entwürfen herausgenommen.<br />
2. Der § 27 c wurde an die SES Verordnungen angepasst.<br />
Im Ergebnis sind zukünftig Flugverkehrskontrolldienste<br />
und damit auch die Technik die-<br />
ser Dienste als hoheitliche Aufgabe zu erbringen.<br />
Außerdem wurde klargestellt, dass die CNS Dienste<br />
Flugsicherungsdienste sind und sich damit von den<br />
Unterstützungsdiensten deutlich abgrenzen.<br />
3. Die Fachaufsicht wurde auf die gesamten Flugverkehrsdienste<br />
und damit erstmals auch auf die Technik<br />
dieser Dienste ausgedehnt.<br />
Mit Ausnahme <strong>der</strong> Arbeitnehmerüberlassung wurden<br />
damit alle wesentlichen Punkte <strong>im</strong> Sinne <strong>der</strong><br />
<strong>GdF</strong> geregelt. Dieses Ergebnis ist nicht hoch genug<br />
einzuschätzen.<br />
Die „Tinte <strong>der</strong> Dokumente“ ist noch nicht trocken, da<br />
versuchen – von wem auch <strong>im</strong>mer angehaltene DFS<br />
Führungskräfte – diese Ergebnisse auszuhöhlen.<br />
Allen, die da behaupten, die ATS Technik von Tower<br />
und Center sei nicht als hoheitliche Aufgabe zu<br />
erbringen (da die Technik nicht Bestandteil <strong>der</strong><br />
ATS Dienste sei) ist nachfolgendes Zitat aus dem<br />
Begründungstext für die Än<strong>der</strong>ungen am Entwurf des<br />
Luftverkehrsgesetzes gewidmet:<br />
„Die Anpassung bedingt zugleich eine Neustrukturierung<br />
<strong>der</strong> bislang <strong>im</strong> § 27 c Absatz 2 Nummer 2 Luftverkehrsgesetz<br />
separat genannten fl ugsicherungstechnischen<br />
Dienste, die – an<strong>der</strong>s als bisher – aufgrund<br />
europäischer Vorgaben nicht mehr als eigenständige<br />
Dienste geregelt werden sollten. Da sie künftig als<br />
Bestandteil des jeweiligen Flugsicherungsdienstes<br />
behandelt werden, unterfallen sie damit den für den<br />
jeweiligen Dienst geltenden Rechtsregelungen. Flugsicherungstechnische<br />
Leistungen, die als Teil <strong>der</strong><br />
hoheitlichen Flugverkehrsdienste des § 27c Absatz<br />
2 Satz 1 Nummer 1 LuftVG sind, unterfallen insoweit<br />
auch – <strong>im</strong> Unterschied zur geltenden Rechtslage – <strong>der</strong><br />
Fachaufsicht des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung<br />
nach § 31d Absatz 2 Satz 2 LuftVG.“<br />
quad erat demonstrandum !!!<br />
Bleibt zu hoffen, dass diese Wahrheit irgendwann in<br />
<strong>der</strong> DFS Führungsriege ankommt und sich das Unternehmen,<br />
wie von den Arbeitnehmervertretern <strong>im</strong>mer<br />
wie<strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>t, endlich um eine für die Technikprozesse<br />
opt<strong>im</strong>ale Ablauforganisation bemüht.<br />
Bis dahin wird es weiterhin bei den Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern liegen, <strong>im</strong> Rahmen ihrer selbstverantwortlichen<br />
Tätigkeit dafür zu sorgen, dass<br />
auch zukünftig Sicherheit vor Wirtschaftlichkeit und<br />
Expertenentscheidung vor Managemententscheidung<br />
geht.
✈ Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Betriebsabwicklung<br />
billigend in Kauf nehmen? A340 kurz vor <strong>der</strong><br />
Landung in Zürich. Photo: Florian Trojer<br />
Das gallische Dorf Südbaden<br />
<strong>im</strong> Kampf gegen „skyguide“<br />
Mit <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Mehrheit hat <strong>der</strong> Bundestag für eine Än<strong>der</strong>ung des<br />
Grundgesetzartikels 87d und damit gegen eine Kapitalprivatisierung <strong>der</strong> DFS<br />
gest<strong>im</strong>mt. Die Reaktionen darauf sind überwiegend positiv. Nur <strong>der</strong> Südwesten<br />
ist geschlossen dagegen und zeigt sich kämpferisch. Fast wie das kleine gallische<br />
Dorf, das – mit seinen Helden Asterix und Obelix an <strong>der</strong> Spitze – dem<br />
mächtigen Römischen Reich wi<strong>der</strong>steht.<br />
Verfolgt man die Diskussion, so scheint die Ablehnung<br />
<strong>der</strong> Grundgesetzän<strong>der</strong>ung lediglich als Vehikel<br />
für den Kampf gegen den Schweizer Flugsicherungsdienstleister<br />
„skyguide“ zu dienen. Denn schließlich<br />
scheint <strong>der</strong> für nahezu alles, was die südbadische<br />
Bevölkerung stört, verantwortlich zu sein. Weil die<br />
Züricher Controller für die Kontrolle des südbadischen<br />
Luftraum zuständig sind, die Anfl üge nach Zürich-<br />
Kloten über badisches Territorium lenken und die<br />
Anwohner des deutsch-schweizerischen Grenzgebiets<br />
mit dem damit verbundenen Fluglärm terrorisieren.<br />
Dazu kommt, dass „skyguide“ für die Katastrophe von<br />
Überlingen verantwortlich ist und deshalb als ganz<br />
beson<strong>der</strong>s unzuverlässig angesehen wird.<br />
Inzwischen scheinen die Fronten so verhärtet zu sein,<br />
dass alles, was mit Luftverkehr und <strong>der</strong> Schweiz zu<br />
tun, refl exartig auf Wi<strong>der</strong>stand stößt. Der Pawlowsche<br />
Refl ex <strong>der</strong> Südbadener gewissermaßen. Selbst<br />
<strong>der</strong> Warteraum RILAX, <strong>der</strong> am 18. Mai 2000 eingeführt<br />
wurde, bietet Anlass, Unmut zu äußern. Und dies ist<br />
ausgerechnet Dieter Kaden zu verdanken. Der hatte<br />
bei einer Anhörung <strong>im</strong> Verkehrsausschuss des Bundestages<br />
folgendes geäußert: „Wir haben damals<br />
Aktuell<br />
✈ Anfl üge nach Zürich werden überwiegend<br />
über Südbaden geführt – Radarbild Zürich<br />
Approach Photo: skyguide<br />
gemeinsam in Europa, nicht die DFS, nicht die Bundesrepublik<br />
alleine, einen Warteraum in Süddeutschland<br />
eingerichtet, <strong>der</strong> heißt RILAX – ich habe das Vergnügen<br />
unter RILAX zu wohnen, in Donaueschingen, <strong>der</strong> natürlich<br />
letztlich Zürich dann bei An- und Abfl ug bedient,<br />
<strong>der</strong> München bedient und <strong>der</strong> auch einige an<strong>der</strong>e auf<br />
dem Weg Richtung Genf ja bedient.“ Ganz abgesehen<br />
davon, dass diese Äußerung aus dem Zusammenhang<br />
gerissen ist – an Dieter Kadens Aussage ist eigentlich<br />
nichts auszusetzen. Dennoch nahm es <strong>der</strong> Initiator<br />
einer Bürgerinitiative zum Anlass, „eine neue intensive<br />
Nutzung des RILAX-Warteraumes“ zu beklagen.<br />
Geht´s vielleicht auch ´ne Nummer kleiner?<br />
Wer nicht gerne nachdenkt, sollte wenigstens von Zeit<br />
zu Zeit seine Vorurteile neu zurechtlegen. In diesem<br />
Fall darlegen, was an RILAX so störend sein soll. Die<br />
Mindestwartehöhe von RILAX liegt normalerweise<br />
bei Flugfl äche (FL) 130. Zu best<strong>im</strong>mten Zeiten darf<br />
die deutsch-schweizerische Grenze nicht unter FL 100<br />
überfl ogen werden (an Werktagen zwischen 21:00<br />
und 07:00, am Wochenende und an Feiertagen zwischen<br />
20:00 und 09:00) liegt sie bei FL180. Zu diesen,<br />
von Deutschland durch eine entsprechende Durch-<br />
von<br />
Werner<br />
Fischbach<br />
15 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
Aktuell<br />
16<br />
✈ Lärmbelästigung aus FL130<br />
Photo: Crossair<br />
führungsverordnung festgelegten Zeiten (von den<br />
Züricher Controllern als DVO-Zeiten bezeichnet) dient<br />
RILAX lediglich als „Overfl ow-Holding“. Der Verkehr<br />
wird dann von RILAX nach AKIMI, eine auf Schweizer<br />
Territorium liegende Kurskreuzung, geführt.<br />
Darüber hinaus fragt sich, in welchem Ausmaß die südbadische<br />
Bevölkerung vom Fluglärm des Warteraums<br />
RILAX betroffen sein mag. Die höchste Erhebung Südbadens<br />
ist <strong>der</strong> Feldberg. Seine Höhe beträgt 1 493<br />
Meter über Meereshöhe, was ca. 4 500 Fuß entspricht.<br />
Ein Flugzeug in <strong>der</strong> RILAX-Mindestwartehöhe befi ndet<br />
sich also <strong>im</strong>mer noch 8 500 Fuß (ca. 2 800 m) über<br />
dem höchsten Berg des Schwarzwalds. Die Lärmbelästigung<br />
<strong>der</strong> südbadischen Bevölkerung dürfte sich bei<br />
<strong>der</strong> Nutzung von RILAX ebenso in Grenzen halten wie<br />
die vom Sprecher <strong>der</strong> Bürgerinitiative beklagte intensive<br />
Nutzung des Warteraums. Die hängt natürlich<br />
von verschiedenen Faktoren ab; aber nach Meinung<br />
<strong>der</strong> Züricher Controller sind dies normalerweise nicht<br />
mehr als zwei Stunden am Tag! So fühlt man sich bei<br />
dem Protest <strong>der</strong> Bürgerbewegung irgendwie an Kurt<br />
Tucholsky erinnert, nach dem <strong>der</strong> Mensch neben dem<br />
Trieb <strong>der</strong> Fortpfl anzung und dem zu essen und zu trinken<br />
zwei Leidenschaften hat: Krach zu machen und<br />
nicht zuzuhören!<br />
Der Wi<strong>der</strong>stand gegen die Grundgesetzän<strong>der</strong>ung<br />
Nun kann mit gutem Grund gefragt werden, ob die<br />
am 28. Mai vom Bundestag verabschiedete Än<strong>der</strong>ung<br />
des Art. 87d GG wirklich das Gelbe vom Ei ist o<strong>der</strong> ob<br />
durch die Än<strong>der</strong>ung, nach welcher Flugsicherung in<br />
Bundesverwaltung und nicht mehr als bundeseigene<br />
Verwaltung ausgeführt werden müsse, eine Kapitalprivatisierung<br />
<strong>der</strong> DFS wirklich verhin<strong>der</strong>t wird.<br />
Die verkehrspolitische Sprecherin <strong>der</strong> Linksfraktion,<br />
Dorothée Menzner, hat bei <strong>der</strong> Debatte zu <strong>der</strong> Grundgesetzän<strong>der</strong>ung<br />
diese Problematik angesprochen.<br />
Eine ausführliche Diskussion darüber ist durchaus<br />
erstrebenswert, würde aber den Umfang dieses Beitrags<br />
sprengen. Ebenso muss gefragt werden, ob die<br />
vom Bundestag zusätzlich beschlossenen luftverkehrsrechtlichen<br />
Än<strong>der</strong>ungen wirklich <strong>der</strong> Sicherheit<br />
<strong>im</strong> Luftverkehr dienen. Thorsten Wehe hat diese Problematik<br />
bereits in <strong>der</strong> letzen Ausgabe aufgegriffen.<br />
Im Vergleich zu <strong>der</strong> Abst<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Bundestag, bei<br />
welcher es Befürworter und Gegner <strong>der</strong> Grundgesetzän<strong>der</strong>ung<br />
gegeben hat, gibt es in Südbaden einen<br />
parteiübergreifenden Wi<strong>der</strong>stand, <strong>der</strong> ein wenig an<br />
das unbeugsame gallische Dorf <strong>im</strong> Machtbereich des<br />
Römischen Reiches erinnert. Die Koalition <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>ständigen<br />
beginnt bei <strong>der</strong> baden-württembergischen
Landesregierung, geht weiter über Abgeordnete <strong>der</strong><br />
CDU, SPD und FDP und endet schließlich bei den<br />
Landräten. Deren wichtigstes Argument ist, dass die<br />
Grundgesetzän<strong>der</strong>ung eigentlich verfassungswidrig<br />
ist. Weil, so das Argument, Flugsicherung eine<br />
hoheitliche Aufgabe ist. O<strong>der</strong> wie es die CDU-Bundestagsabgeordneten<br />
Thomas Dörfl inger, Andreas Jung<br />
und Siegfried Kau<strong>der</strong> ausdrücken, „zum Kernbereich<br />
staatlicher Aufgabenwahrnehmung ... auch die Aufgaben<br />
<strong>der</strong> Flugsicherung als ´Luftpolizei` zählen. Und die<br />
dürften auf keinen Fall an ein privates Unternehmen<br />
übertragen werden. Und schon gar nicht an eines,<br />
das sich wie „skyguide“ <strong>im</strong> Ausland befi ndet und <strong>der</strong><br />
Staat, also in diesem Fall die Bundesregierung, keine<br />
ausreichende Kontrollmöglichkeiten habe. Die FDP-<br />
Landesvorsitzende Birgit Homburger sprach sich aus<br />
ähnlichen Gründen gegen die Grundgesetzän<strong>der</strong>ung<br />
aus. Ausschlaggebend für ihre Ablehnung ist die Tatsache,<br />
dass die Bundesregierung nicht in <strong>der</strong> Lage<br />
war, die von <strong>der</strong> FDP gestellten Fragen rechtzeitig zu<br />
beantworten.<br />
Auch die SPD-Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter<br />
und Peter Friedrich lehnen die Übertragung von<br />
hoheitlichen Aufgaben an die privatrechtliche Aktiengesellschaft<br />
„skyguide“ ab. Dabei scheint irgendwie<br />
in den Hintergrund zu treten, dass sich „skyguide“<br />
zu mehr als 99% <strong>im</strong> Besitz <strong>der</strong> Eidgenossenschaft<br />
befi ndet und <strong>der</strong> Bundesrat, sprich die Schweizer<br />
Regierung, je<strong>der</strong>zeit Zugriff auf das Unternehmen<br />
hat. Zwischen „skyguide“ und <strong>der</strong> DFS bestehen also,<br />
zumindest was die Besitzverhältnisse betrifft, keine<br />
großen Unterschiede. Letztlich geht es weniger um die<br />
Gesellschaftsform eines Flugsicherungsdienstleisters,<br />
son<strong>der</strong>n um die Tatsache, dass hoheitliche Aufgaben<br />
und die Sicherheit des Luftverkehrs nicht privaten<br />
Kapitalinteressen anhe<strong>im</strong> gestellt werden dürfen.<br />
Nun behauptet die Regierung einen Weg gefunden<br />
zu haben, auf <strong>der</strong> einen Seite die Flugsicherung als<br />
staatliche Aufgabe zu defi nieren und auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Seite den Weg für die Teilnahme am Projekt des „Single<br />
European Sky“ freizumachen. Die südbadischen<br />
Politiker scheinen dies an<strong>der</strong>s zu sehen und begründen<br />
ihren Wi<strong>der</strong>stand mit den hoheitlichen Aufgaben<br />
<strong>der</strong> Flugsicherung. Das ist erstaunlich, gehören sie<br />
doch jenen Parteien an, die vor nicht allzu langer Zeit<br />
in einer Kapitalprivatisierung <strong>der</strong> DFS den einzig selig<br />
machenden Weg sahen, <strong>im</strong> europäischen Wettbewerb<br />
zu bestehen. Ob dies ihre wahren Argumente sind, sei<br />
dahin gestellt. Vielmehr scheint es darum zu gehen,<br />
ihren Wi<strong>der</strong>stand gegen den Flughafen Zürich und<br />
gegen das Schweizer Flugsicherungsunternehmen<br />
„skyguide“ zu artikulieren und dieses als unsicher darzustellen.<br />
Selbst <strong>der</strong> Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten<br />
des Landes Baden-Württemberg, <strong>der</strong><br />
eine „Grundgesetzän<strong>der</strong>ung <strong>im</strong> Hau-Ruck-Verfahren“<br />
sah und sie als „vorauseilenden Gehorsam gegenüber<br />
noch nicht existenten EU-Vorschriften“ bezeichnete,<br />
verwies auf „die schlechten Erfahrungen, die mit <strong>der</strong><br />
bereits privatisierten schweizerischen Luftsicherheit<br />
Aktuell<br />
gemacht worden seien.“ Natürlich meinte er die damit<br />
die Katastrophe von Überlingen.<br />
Allerdings sollten sich die politisch Verantwortlichen<br />
einmal fragen, ob dieses Unglück nicht dem Bemühen<br />
<strong>der</strong> „skyguide“-Geschäftsführung, ihr Unternehmen<br />
auf den zu erwartenden Wettbewerb vorzubereiten und<br />
ihren Kunden ein möglichst preiswertes Produkt anzubieten,<br />
geschuldet war. Sich also <strong>im</strong> neoliberalen Sinn<br />
für den herbeigesehnten Wettbewerb unter den europäischen<br />
Flugsicherungsdienstleistern fi t zu machen.<br />
Deshalb ist nicht auszuschließen, dass das Management<br />
einer kapitalprivatisierten DFS eben auch diesen<br />
Weg eingeschlagen hätte. Weil es gezwungen gewesen<br />
wäre, die Kapitalinteressen ihrer Anteilseigner zu<br />
bedienen. Zudem sollten die südbadischen Politiker<br />
ehrlicherweise zur Kenntnis nehmen, dass „skyguide“<br />
eben aus diesen Fehlern gelernt hat. Darüber hinaus<br />
sollten sie sich auch bewusst sein, dass ihr Verhalten<br />
für die Züricher Controller einen Affront darstellt, weil<br />
sie <strong>der</strong>en Arbeit gering schätzen. Schließlich sehen<br />
diese ihre Aufgabe in <strong>der</strong> Sicherheit des Luftverkehrs.<br />
Egal, ob sie ihren Job <strong>im</strong> deutschen o<strong>der</strong> <strong>im</strong> Schweizer<br />
Luftraum verrichten. We<strong>der</strong> deutsche noch schweizer<br />
Controller gehen zur Arbeit, um einen Zusammenstoß<br />
herbeizuführen.<br />
Fragt sich, was die politischen Führer des „wi<strong>der</strong>spenstigen<br />
gallischen Dorfes“ <strong>im</strong> Südwesten Deutschlands<br />
bewirken wollen. Vielleicht geht es ihnen darum, dass<br />
die Delegation des südwestdeutschen Luftraums an<br />
„skyguide“ zurückgenommen wird. Dass dies ernsthafte<br />
Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Betriebsabwicklung hervorrufen<br />
und zu Kapazitätseinbußen für den Flughafen<br />
Zürich-Kloten führen würde, nehmen sie offensichtlich<br />
billigend in Kauf. Ob die Grenzbewohner dadurch vom<br />
Fluglärm entlastet würden, darf hingegen bezweifelt<br />
werden. Schließlich produzieren Airbusse und Boeing<br />
nicht weniger Lärm, wenn sie von deutschen anstatt<br />
von Schweizer Lotsen kontrolliert werden. Aber welcher<br />
Politiker denkt schon so weit, wenn es darum<br />
geht, be<strong>im</strong> Wähler punkten zu können?<br />
Eine an<strong>der</strong>e Frage ist, ob sich die südbadischen<br />
Politiker mit ihren For<strong>der</strong>ungen auch durchsetzen<br />
können. Bekanntlich waren Asterix und Obelix nur<br />
erfolgreich, weil ihnen <strong>der</strong> Druide Miraculix den<br />
berühmten Zaubertrank zusammenbraute und ihnen<br />
dadurch zu übermenschlichen Kräften verhalf, so<br />
dass sie den römischen Legionären vernichtende<br />
Nie<strong>der</strong>lagen bereiten konnten. Von einem Druiden<br />
und einem politischen Zaubertrank ist in Südbaden<br />
nichts zu sehen. Aber wer weiß – schließlich stirbt<br />
die Hoffnung zuletzt und vielleicht gibt es <strong>im</strong> Bundesrat<br />
noch ein Wun<strong>der</strong>. Zum Beispiel, wenn sich die<br />
Län<strong>der</strong>, in welchen die Linkspartei mitregiert, bei <strong>der</strong><br />
Abst<strong>im</strong>mung über die Än<strong>der</strong>ung des Artikels 87d GG<br />
<strong>der</strong> St<strong>im</strong>me enthalten. Oskar Lafontaine dürfte sich<br />
vor Freude die Hände reiben, konnte er dann aber<br />
doch nicht, s. S. 13.<br />
17 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
von<br />
Alexan<strong>der</strong><br />
Schwassmann<br />
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
Safety<br />
22<br />
7. Deutsches<br />
Flight Safety Forum<br />
Das Deutsche Flight Safety Forum, <strong>im</strong> jährlichen Wechsel veranstaltet<br />
von <strong>der</strong> Vereinigung Cockpit (VC), <strong>der</strong> Bundesanstalt für<br />
Flugunfalluntersuchung (BFU), <strong>der</strong> DFS und dem General Flugsicherheit<br />
<strong>der</strong> Bundeswehr, ist inzwischen eine etablierte zweitägige<br />
Vortrags- und Diskussionsplattform für die mit Flugsicherheit<br />
befassten Organisationen in <strong>der</strong> deutschen Luftfahrt und auch eins<br />
<strong>der</strong> persönlichen Highlights <strong>im</strong> Kalen<strong>der</strong> des Verfassers. Dieses<br />
Jahr konnte die Vereinigung Cockpit als Tagungsort die Elbe Flugzeugwerke<br />
(EFW) direkt am Flughafen Dresden gewinnen.<br />
Hier wurde vor über 50 Jahren das erste deutsche<br />
Düsenfl ugzeug, die Baade 152, entwickelt. Lei<strong>der</strong><br />
kam es aufgrund mangeln<strong>der</strong> Nachfrage nie zu einer<br />
Serienfertigung, und <strong>der</strong> einzige Prototyp stürzte bei<br />
einem Testfl ug ab. Zu DDR-Zeiten wurden <strong>im</strong> damaligen<br />
„VEB Flugzeugwerft Dresden“ Flugzeuge <strong>der</strong><br />
Nationalen Volksarmee und des Warschauer Paktes<br />
instand gehalten. Im Frühjahr 1989 gab es <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit dem Kauf von drei Airbus-A310-Flugzeugen<br />
durch Interfl ug erste Kontakte mit Airbus. Diese<br />
verstärkten sich gleich nach dem Fall <strong>der</strong> Mauer.<br />
Heute ist die „Elbe Flugzeugwerke GmbH“ eine einhun<strong>der</strong>tprozentige<br />
Tochter von EADS und rüstet ausrangierte<br />
Passagiermaschinen <strong>der</strong> Typen A300 und<br />
A310 für Kunden wie Fedex zu Frachtfl ugzeugen um,<br />
die dann nach bis zu dreißig Jahren <strong>im</strong> Passagierbe-<br />
trieb für nochmals bis zu zwanzig Jahre<br />
bei Luftfrachtunternehmen ein zweites<br />
Leben erhalten. Zukünftig plant EFW<br />
auch die Bereitstellung von Umrüstlösungen<br />
für die Airbus-Varianten A320<br />
und A330 (siehe auch unsere Fotos).<br />
Neben den Veranstaltern nahmen<br />
wie <strong>im</strong>mer die Sicherheitspiloten <strong>der</strong><br />
großen deutschen Airlines und Mitglie<strong>der</strong><br />
des Fachbereichsvorstandes Betrieb <strong>der</strong> <strong>GdF</strong><br />
teil, und wie <strong>im</strong>mer standen interessante Vorträge<br />
auf <strong>der</strong> Tagesordnung. Den Anfang machte in diesem<br />
Jahr <strong>der</strong> General Flugsicherheit <strong>der</strong> Bundeswehr, Brigadegeneral<br />
Lothar Schmidt. Er berichtete über die<br />
<strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> bemerkenswert niedrige Unfallrate <strong>im</strong><br />
Flugbetrieb <strong>der</strong> Bundeswehr, insbeson<strong>der</strong>e in Anbetracht<br />
<strong>der</strong> Einsatzgebiete und -profi le. Er beschrieb<br />
die Sicherheitsmanagement-Strategien <strong>der</strong> Bundeswehr<br />
mit regelmäßigen Inspektionen aller fl iegenden<br />
Verbände und Einsatzgebiete. Unter dem Beifall <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Anwesenden gab General Schmidt außerdem<br />
bekannt, dass die Bundeswehr über die Einführung<br />
eines nicht-punitiven Meldewesens nachdenkt, ein<br />
Schritt, <strong>der</strong> auch durch die Teilnahme an den Flight<br />
Safety Foren angeregt worden sein könnte.
Lothar Müller von <strong>der</strong> BFU gab dann einen Überblick<br />
über Unfälle und so genannte Schwere Störungen<br />
in <strong>der</strong> deutschen Zivilluftfahrt des Jahres 2008. Bei<br />
diesen Schweren Störungen stachen wie<strong>der</strong> einmal<br />
gefährliche Annäherungen zwischen Luftfahrzeugen<br />
<strong>im</strong> Flug hervor, dazu mehrere Vorkommnisse, bei<br />
denen Luftfahrzeuge von <strong>der</strong> Piste abkamen. Aus<br />
Flugsicherungssicht interessant waren auch einige<br />
Runway Incursions sowie die Bodenberührung eines<br />
Canadair Regionaljets, <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Landung in die Wirbelschleppen<br />
eines fünf Meilen voraus fl iegenden Airbus<br />
320 (!) geraten war.<br />
Ebenfalls untersucht wurden die beiden medienwirksamen<br />
Vorfälle des Lufthansa Airbus 320 in Hamburg<br />
sowie einer ATR 72 in München, bei <strong>der</strong> nach einem<br />
Startabbruch eine Bremse des Hauptfahrwerkes zu<br />
brennen begann. Beide Vorfälle landeten sehr schnell<br />
als (Handy-)Filme <strong>im</strong> Internet, ein Umstand, <strong>der</strong> in<br />
Zeiten des Web 2.0 weiter zunehmen dürfte.<br />
Hans-Jürgen Morscheck berichtete <strong>im</strong> Anschluss<br />
über die Probleme <strong>der</strong> DFS mit <strong>der</strong> zum Zeitpunkt <strong>der</strong><br />
Veranstaltung formell <strong>im</strong>mer noch nicht errichteten<br />
Nationalen Aufsichtsbehörde für Flugsicherung. Er<br />
beklagte die unzureichende personelle Ausstattung<br />
<strong>der</strong> als BAF-Ersatz fungierenden Außenstelle des<br />
Referats 23 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau<br />
und Stadtentwicklung in Langen. Außerdem legte<br />
Herr Morscheck die Bemühungen <strong>der</strong> DFS be<strong>im</strong> Aufbau<br />
eines europaweiten Sicherheitsmanagements<br />
<strong>der</strong> Flugsicherungsanbieter dar. Die DFS propagiert<br />
vor allem die Schaffung von einheitlichen Kriterien zur<br />
Risikoanalyse.<br />
Auch für die Vereinigung Cockpit stellte die Schaffung<br />
einer zentralen Datenbasis ein wichtiges Thema<br />
<strong>im</strong> abgelaufenen Jahr dar, allerdings geht es bei den<br />
Safety<br />
betroffenen Daten um Pilotenmeldungen ungewöhnlicher<br />
Vorkommnisse und automatische Datenauswertung<br />
aus Flugschreibern. Bei vielen kleineren<br />
Flugbetrieben reicht das Datenaufkommen nicht aus,<br />
um eigenständige Risikoanalysen zu erstellen. Hier<br />
möchte die VC als anonyme Sammelstelle von Daten<br />
aller Flugbetriebe dienen. In einem Vortrag am zweiten<br />
Veranstaltungstag bekundeten Verantwortliche<br />
von Lufthansa Cargo ebenfalls ihr Interesse am Aufbau<br />
einer airlineübergreifenden Datensammlung und<br />
-analyse.<br />
Weiterhin kündigte Hans-Joach<strong>im</strong> Ebermann, Leiter<br />
<strong>der</strong> Arbeitsgruppe Flight Safety <strong>der</strong> VC, an, dass<br />
das VC-Human Factors-Konzept 2010 neu aufgelegt<br />
werden soll. Möglicherweise lassen sich aus diesem<br />
Konzept auch Anregungen für die Flugsicherung<br />
gewinnen.<br />
Jens Friedemann von <strong>der</strong> BFU legte in einem sehr ausführlichen<br />
Vortrag die Grundzüge <strong>der</strong> zwischenstaatlichen<br />
Rechtsgrundlagen bei Flugunfällen <strong>im</strong> Ausland<br />
dar. Grundsätzlich fi nden parallel <strong>im</strong>mer zwei Untersuchungen<br />
statt, die juristische sowie die Ursachenforschung<br />
gemäß ICAO Annex 17. Untersuchungsführer<br />
ist <strong>der</strong> sogenannte State of Occurrence. Dieser<br />
wie<strong>der</strong>um benachrichtigt die States of Registry, of<br />
Operator, of Design und of Manufacture. Je<strong>der</strong> dieser<br />
Staaten hat dann das Recht, einen so genannten<br />
Accredited Representative (AccRep) zu benennen, das<br />
ist in Deutschland <strong>im</strong>mer ein Mitarbeiter <strong>der</strong> BFU. Dieser<br />
AccRep wie<strong>der</strong>um kann Berater zur Unterstützung<br />
nominieren. Interessant aus Flugsicherungssicht: Dies<br />
könnte theoretisch auch ein Lotse o<strong>der</strong> Techniker sein,<br />
wenn beispielsweise ein deutsches Luftfahrzeug <strong>im</strong><br />
Ausland in einen fl ugsicherungsverursachten Unfall<br />
verwickelt ist. „Deutsch“ wäre in diesem Zusammenhang<br />
übrigens auch ein unter Flagge <strong>der</strong> Fiji-Inseln<br />
23 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
Safety<br />
24<br />
betriebener A319, <strong>der</strong> <strong>im</strong> Anfl ug auf T<strong>im</strong>buktu verunfallt,<br />
weil er in Hamburg endmontiert wurde.<br />
Christoph Ammann von Swiss erläuterte anschließend,<br />
wie dort CRM („Crew Resource Management“) inzwischen<br />
praktisch alle Fortbildungsveranstaltungen und<br />
Training Sessions bei Swiss durchdrungen hat. „Immer<br />
wenn bei uns trainiert wird, wird auch CRM trainiert.“<br />
CRM als abgesetzte Fortbildungsveranstaltung verschwende<br />
nur unnötig Zeit und Ressourcen. Dies<br />
ergebe sich auch aus <strong>der</strong> Tatsache, dass in gewissen<br />
Tätigkeitsbereichen Defi zite bei <strong>der</strong> Sozialkompetenz<br />
genauso schwer wiegen wie fachliche Mängel. Die<br />
Swiss bewertet daher jeden Piloten bei jedem Check<br />
<strong>im</strong>mer nach drei gleichwertigen Bereichen: „Personal<br />
Behaviour, Working and Lea<strong>der</strong>ship Behaviour, Operation<br />
and Knowledge.“ Wie man unschwer erkennen<br />
kann, sind die ersten beiden Bereiche CRM-relevant.<br />
Außerdem for<strong>der</strong>te Christoph Ammann die strikte<br />
Trennung von Training und Checking. Die Effektivität<br />
von Training steigt nachweislich, wenn nichts aus<br />
<strong>der</strong> Session dokumentiert und bewertet wird, außer<br />
natürlich den Trainierten gegenüber selbst.<br />
Als Abschluss des ersten Tages referierte Max Butter<br />
von CF, dem Lufthansa-Gegenstück zum DFS-VY, ausführlich<br />
über die neue TCAS-Spezifi kation 7.1, gefolgt<br />
von Benjamin Herrmann von CC/FC, dem Sicherheitsmanagement<br />
des Geschäftsbereichs Center <strong>der</strong> DFS,<br />
<strong>der</strong> die Aktivitäten des TCAS/ACAS-Forums von DFS,<br />
DLH, Germanwings, tuifl y und BFU erläuterte. Dieses<br />
Forum entstand übrigens als Folge des 5. Deutschen<br />
Flight Safety Forums, über das <strong>im</strong> „fl ugleiter“ ebenfalls<br />
ausführlich berichtet wurde. Das TCAS/ACAS-<br />
Forum versucht in einem ersten Schritt zu best<strong>im</strong>men,<br />
welche typischen Szenarien wie „IFR gegen VFR<br />
<strong>im</strong> Luftraum E“, „IFR-Abfl ug gegen IFR-Anfl ug in <strong>der</strong><br />
TMA“, „IFR gegen VFR <strong>im</strong> Luftraum D“ beson<strong>der</strong>s häufi<br />
g auftreten. Dazu werden Daten aus Flugschreibern<br />
und über das neue DFS-Programm zur bodenseitigen<br />
Auswertung von TCAS-RAs („AMOR“) gesammelt und<br />
ausgewertet. Nach Best<strong>im</strong>mung <strong>der</strong> zahlenmäßig häufi<br />
gsten Konstellationen will das TCAS/ACAS-Forum<br />
dann nach Lösungen für diese Szenarien suchen.<br />
Bei einem sehr eindrucksvollen und sachkundig ge -<br />
führten Rundgang durch die Fertigungshallen <strong>der</strong> Elbe<br />
Flugzeugwerke und dem anschließenden gemeinsamen<br />
Abendessen in <strong>der</strong> schönen Dresdner Altstadt<br />
konnten dann die gesammelten Informationen <strong>im</strong><br />
gemütlichen Rahmen weiter vertieft werden. Dieses<br />
Jahr waren die Teilnehmer Gäste <strong>der</strong> Vereinigung<br />
Cockpit, die aus Anlass ihres vierzigjährigen Jubiläums<br />
eingeladen hatte. Dem Geburtstagskind auch an<br />
dieser Stelle unseren herzlichen Glückwunsch!<br />
Den zweiten Tag eröffneten Jens Piotter und Dr. Olaf<br />
Pester von Lufthansa Cargo mit einem Vortrag über<br />
die Qualitätssicherungsmaßnahmen bei Subunternehmern.<br />
Wenn man Leistungen an an<strong>der</strong>e Flugbetriebe<br />
auslagert, muss man natürlich sicherstellen,<br />
dass bei denen auch die Qualität st<strong>im</strong>mt. Sicher ein<br />
Ansatz, <strong>der</strong> auch in <strong>der</strong> Flugsicherung gelten muss!<br />
Ein Problem bei dieser Aufgabe stellt die Festlegung<br />
von objektiven Safety-Management-Parametern dar:<br />
„Wie nahe an einem Unfall sind wir eigentlich?“ Um<br />
hier einen belastbaren Katalog zu erhalten, hat die<br />
Lufthansa ein Projekt mit vier deutschen Universitäten<br />
gestartet. Vielleicht stellt sich dabei dann aber auch<br />
nur heraus, dass solche messbaren Größen schlicht<br />
nicht existieren.<br />
Anschließend berichtete Thierry Thoreau von Airbus<br />
Industries über Unfallraten von Jets westlicher Bauart,<br />
ausgenommen beson<strong>der</strong>e Ereignisse wie Test- und<br />
Trainingsfl üge, Terrorismus o<strong>der</strong> Krieg. Generell gilt:<br />
Je neuer die Flugzeuggeneration, desto geringer die<br />
Unfallzahlen. Jets <strong>der</strong> ersten Generation verunfallten<br />
in einer Rate von vier pro eine Million Starts; um die<br />
gleiche Anzahl von Unfällen zu „erreichen“, müssen<br />
mo<strong>der</strong>ne Jets <strong>der</strong> vierten Generation 20 Millionen mal<br />
abheben. Einige Unfallarten kommen heute dank technischer<br />
Verbesserungen praktisch nicht mehr vor, wurden<br />
aber lei<strong>der</strong> durch neue Szenarien abgelöst. Thierry
Thoreau konzentrierte sich <strong>im</strong> Folgenden beson<strong>der</strong>s<br />
auf Runway Excursions und High Altitude Upsets.<br />
Erste resultieren <strong>im</strong> Allgemeinen nicht aus Design-<br />
o<strong>der</strong> Konstruktionsfehlern <strong>der</strong> Flugzeuge, son<strong>der</strong>n<br />
aus Defi ziten <strong>im</strong> Flugbetrieb: „Wer rechtzeitig durchstartet,<br />
kann keinen Landeunfall haben!“ Er for<strong>der</strong>te<br />
eine Kampagne bei den Flugbetrieben, die Piloten<br />
dazu ermuntert, <strong>im</strong> Zweifelsfall lieber durchzustarten<br />
als einen riskanten Anfl ug zu versuchen. Bei entsprechendem<br />
Erfolg einer solchen Kampage könnte dies<br />
natürlich auch Auswirkungen auf die Lotsentätigkeit<br />
haben. Außerdem stellte Thoreau eine neue Systemlösung<br />
für Airbus-Flugzeuge vor. Hier könnte <strong>der</strong> Pilot<br />
<strong>im</strong> Landeanfl ug gewarnt werden, dass aufgrund verschiedener<br />
Parameter wie Landebahnzustand, Windrichtung<br />
und –stärke sowie Anfl uggeschwindigkeit<br />
ein Überschießen möglich sein könnte. Das System<br />
könnte beispielsweise per akustischer Warnung<br />
einen Go-Around vorschlagen, o<strong>der</strong> auch bei bereits<br />
erfolgtem Aufsetzen auf <strong>der</strong> Piste selbstständig „Max<br />
Autobrake“ setzen und Callouts wie „Select/Keep<br />
Max Reverse“ ausgeben.<br />
Zum Thema „High Altitude Upsets“ erläuterte Thierry<br />
Thoreau verschiedene Ursachen wie Wirbelschleppen,<br />
starke Turbulenz und übertriebene Ru<strong>der</strong>ausschläge<br />
<strong>der</strong> Besatzung. Während gegen die ersten beiden<br />
Ursachen kaum etwas zu machen ist, mahnte Thoreau,<br />
dass Besatzungen auf den sensiblen Umgang mit dem<br />
Seitenru<strong>der</strong>, das ja <strong>im</strong> „normalen“ Reisefl ug nicht<br />
benutzt wird, achten sollten. Die meisten S<strong>im</strong>ulatoren<br />
seien lei<strong>der</strong> zum Training solcher Extremszenarien<br />
nicht geeignet. Benutze man sie dennoch, bestehe<br />
die Gefahr, dass sich Piloten Techniken aneignen, die<br />
zwar <strong>im</strong> S<strong>im</strong>ulator das gewünschte Ergebnis erzielen,<br />
<strong>im</strong> „echten“ Flugzeug jedoch katastrophale Folgen<br />
haben könnten.<br />
Quasi das Gegenstück zu Runway Excursions beleuchtete<br />
anschließend Johann Reuß von <strong>der</strong> BFU. Er referierte<br />
über die Komplexität <strong>der</strong> Untersuchung von<br />
Runway Incursions. Hier sind meist eine Vielzahl von<br />
Parteien beteiligt, nämlich ein o<strong>der</strong> zwei Flugzeuge,<br />
Besatzungen und Flugbetriebe, die Flugsicherung, <strong>der</strong><br />
Flughafenbetreiber sowie das Flughafenlayout, dazu<br />
Safety<br />
möglicherweise auch Fahrer von Kraftfahrzeugen.<br />
Erstaunlich ist, dass Runway Incursions systematisch<br />
erst seit dem Unfall von Mailand-Malpensa in 2001<br />
untersucht werden. Zwar gab es schon vorher Unfälle,<br />
beson<strong>der</strong>s den von Teneriffa 1977, aber diese wurden<br />
einfach als Unfälle untersucht, ohne sie speziell als<br />
Runway Incursion zu klassifi zieren. Am konkreten Beispiel<br />
des Vorfalles in München 2004 erläuterte Johann<br />
Reuß den Zusammenhang zwischen unmittelbaren<br />
und systemischen Ursachen. Markus Wassmer vom<br />
Sicherheitsmanagement <strong>der</strong> DFS ergänzte, dass die<br />
DFS das ihre dazu getan hat, eine <strong>der</strong> systemischen<br />
Ursachen, nämlich die ungenau gefasste Vorschrift<br />
über konditionelle Freigaben, zu beseitigen.<br />
Johann Reuß zitierte Eurocontrol mit <strong>der</strong> Aussage:<br />
„Der Anteil <strong>der</strong> am Flughafen verursachten Verspätungen<br />
steigt <strong>im</strong>mer weiter.“ Der operationelle Druck,<br />
solche Verspätungen zu vermin<strong>der</strong>n und auch aus subopt<strong>im</strong>alen<br />
Flughafensystemen noch mehr Kapazität zu<br />
quetschen, dürfte sicher dafür sorgen, dass uns Runway<br />
Incursions auch zukünftig beschäftigen werden.<br />
Der Autor selbst eröffnete anschließend in seiner<br />
Eigenschaft als Vorstand Fachliches des Fachbereiches<br />
Betriebsdienst einen Einblick in die Aktivitäten<br />
<strong>der</strong> <strong>GdF</strong> zum Thema „Fehlanfl ug nach Swing<br />
Over“ seit Erscheinen eines Artikels <strong>im</strong> „Flugleiter“<br />
Ende 2007. Er erläuterte die interne Struktur <strong>der</strong><br />
<strong>GdF</strong> sowie die auf <strong>der</strong> Fachbereichskonferenz 2008<br />
gefassten Beschlüsse und Ergebnisse eines Workshops<br />
zwischen Fachbereichsvorstand und Vertretern<br />
<strong>der</strong> DFS. Die versammelten Sicherheitspiloten waren<br />
mit <strong>der</strong> angestrebten Vorgehensweise einverstanden.<br />
(Anm.: Lei<strong>der</strong> hat sich die DFS nach dem Flight Safety<br />
Forum dafür entschieden, eine rein interne Lösung für<br />
einzelne Flughäfen umzusetzen. Im Gegenzug wurde<br />
auf <strong>der</strong> IFATCA-Konferenz Ende April ein Arbeitspapier<br />
von Israel verabschiedet, dass genau auf <strong>der</strong> Linie <strong>der</strong><br />
<strong>GdF</strong>-Vorschläge liegt.)<br />
25 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
Safety / Luftfahrt<br />
26<br />
Mit diesem ersten eigenen Vortrag löste die <strong>GdF</strong> <strong>im</strong><br />
Übrigen ein schon 2007 gegebenes Versprechen ein<br />
und beteiligte sich auch aktiv an <strong>der</strong> Gestaltung des<br />
Deutschen Flight Safety Forums. Sicher ein guter Weg,<br />
sich einmal mehr als kompetenter Partner für Flugsicherheit<br />
zu präsentieren.<br />
Den Abschluss machten Ulf Kramer von <strong>der</strong> BFU und<br />
einmal mehr Hans-Jürgen Morscheck mit Vorträgen<br />
über den zunehmend schwierigeren Spagat zwischen<br />
non-punitivem Meldewesen zu Vor- und Unfällen in<br />
<strong>der</strong> Luftfahrt und strafrechtlichen Ermittlungen durch<br />
deutsche Justizbehörden („Just Culture“).<br />
Die BFU ist sich <strong>der</strong> Tatsache sehr bewusst, dass<br />
deutsche Staatsanwälte auf Untersuchungsunterlagen<br />
und Ergebnisse <strong>der</strong> BFU Zugriff nehmen dürfen,<br />
allerdings versucht man dort bei je<strong>der</strong> sich bietenden<br />
Gelegenheit Überzeugungsarbeit in Juristenkreisen<br />
zu leisten, dass eine solche – in den Augen <strong>der</strong> Meldenden<br />
oft missbräuchliche – Verwendung das nonpunitive<br />
Meldewesen nachhaltig beschädigen könnte.<br />
Hans-Jürgen Morscheck berichtete von ähnlichen<br />
Bemühungen seitens <strong>der</strong> DFS. Hier bedarf es konsolidierter<br />
Überzeugungsarbeit aller an <strong>der</strong> Flugsicherheit<br />
interessierten Parteien bei den zuständigen Ministerien.<br />
Schon 2007 hat das 5. Deutsche Flight Safety<br />
Forum eine entsprechende Resolution verabschiedet.<br />
Photo: Wikipedia<br />
Erster German<br />
Seaplane Day<br />
Deutschland wird seinen ersten German Seaplane Day am ersten<br />
Septemberwochenende (4. – 6.) in Trier an <strong>der</strong> Mosel feiern: mit viel<br />
Info, interessanten Piloten zum Wissensaustausch, traumhaft schönen<br />
Wasserfl ugzeugen, fesselnden Filmen und Vorträgen. (mehr<br />
unter: www.german-seaplane-day.com)<br />
Abgesehen von den Teilnehmern, die sich bereits mit<br />
ihrem Wasserfl ugzeug registriert haben, werden auch<br />
viele Wasserfl ugpiloten (vorort ohne Wasserfl ieger)<br />
aus den USA und an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n Europas teilnehmen<br />
und gerne über Ihre Erlebnisse Auskunft geben.<br />
Das Event wird u.a. von <strong>der</strong> AOPA (Aircraft Owners and<br />
Pilots Assoc) USA, <strong>der</strong> US Seaplane Association geför-<br />
Auch auf <strong>der</strong> FSBD-Konferenz Ende März in Karlsruhe<br />
und <strong>im</strong> letzten „Flugleiter“ spielte das Thema „Just<br />
Culture“ eine zentrale Rolle.<br />
Im Anschluss an das eigentliche Flight Safety Forum<br />
verabschiedeten die Teilnehmer noch eine Resolution<br />
zu TACS 7.1. Hintergrund ist, dass <strong>der</strong> neue Standard<br />
zwar einen sicherheitsrelevanten Bug <strong>der</strong> aktuellen<br />
Version 7.0 beheben wird, dennoch aber nicht verbindlich<br />
vorgeschrieben werden soll. Ohne eine solche<br />
verbindliche Vorgabe durch den Gesetzgeber will<br />
aber kein Hersteller tatsächlich ein Gerät nach TCAS<br />
Standard 7.1 entwickeln. Siehe auch den ausführlichen<br />
Artikel zu TCAS auf Seite 29.<br />
Abschließend gilt <strong>der</strong> Dank des Verfassers <strong>der</strong> hervorragenden<br />
Organisation des Flight Safety Forums<br />
durch die Vereinigung Cockpit und <strong>der</strong> großzügigen<br />
und sehr unkomplizierten Gastfreundschaft <strong>der</strong> Elbe<br />
Flugzeugwerke, die einen würdigen Rahmen für eine<br />
konstruktive und wichtige Veranstaltung geschaffen<br />
haben.<br />
Resolution des 7. Deutschen Flight Safety Forums<br />
Die Safety Pilots deutscher Airlines, das Safetymanagement<br />
<strong>der</strong> DFS , die VC, die <strong>GdF</strong> und die BFU empfehlen<br />
dringend die verbindliche Einführung von TCAS<br />
7.1.<br />
<strong>der</strong>t. Die Unterstützung hierzulande<br />
hält sich stark in Grenzen. Stellt sich<br />
die Frage, warum es bisher gerade<br />
in Deutschland keine Veranstaltung<br />
gegeben hat, die sich mit <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />
des Wasserfl ugs auseinan<strong>der</strong>setzt.<br />
Denn es gibt einige hun<strong>der</strong>t Piloten mit Deutschem<br />
Wasserfl ugrating. Die fl iegen allerdings in den<br />
USA o<strong>der</strong> in an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n, wenn sie<br />
denn mehr tun als ihre Berechtigung mit einem Flug<br />
alle zwei Jahre zu erhalten. Trauriges Deutschand.<br />
Exportweltmeister?<br />
Quelle: Helga Kleisny
TCAS –<br />
aktuelle Entwicklungen<br />
aus Sicht von Lotsen und Piloten<br />
Anmerkung: Der nachfolgende Artikel entstand mit äußerst<br />
umfangreicher und konstruktiver Unterstützung durch den Bereich<br />
„Forschung und Entwicklung“ (TE) <strong>der</strong> DFS. Beson<strong>der</strong>s bedanken<br />
wir uns bei Steffen Marquard und Dr. Roland Mallwitz. Unser Dank<br />
gilt außerdem Christoph Gilgen, dem IFATCA-Repräsentanten <strong>im</strong><br />
Aeronautical Surveillance Panel (ASP) <strong>der</strong> ICAO.<br />
Das Thema „TCAS“ steht nicht erst seit <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />
<strong>der</strong> auch <strong>im</strong> „fl ugleiter“ 01/2009 bereits<br />
ausführlich kommentierten Pressemeldung <strong>der</strong> TU<br />
Braunschweig von Ende 2008 einmal mehr <strong>im</strong> Fokus<br />
<strong>der</strong> Luftfahrt. Seit aufgrund zweier schwerer Flugzeugunglücke<br />
in den USA 1976 und 1982 (beide Male stießen<br />
bei bestem Sichtfl ugwetter kommerzielle Jets mit<br />
kleinen Flugzeugen <strong>der</strong> Allgemeinen Luftfahrt zusammen)<br />
die Entwicklung eines bordseitigen Kollisionswarn-<br />
und Ausweichsystems forciert und sein Einsatz<br />
schließlich auch gesetzlich vorgeschrieben wurde,<br />
hat das unter dem Markennamen „TCAS“ bekannte<br />
System schon einige Zusammenstöße verhin<strong>der</strong>t.<br />
Lei<strong>der</strong> wurden aber auch <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> durch falsche<br />
Anwendung, mängelbehaftete Flugzeuginstallation<br />
o<strong>der</strong> auch (zum Teil durch diese Mängel bedingten)<br />
erkannten Opt<strong>im</strong>ierungsbedarf gefährliche Annäherungen<br />
begünstigt.<br />
Zur Historie: Nach den beiden bereits erwähnten<br />
Zusammenstößen in den USA for<strong>der</strong>te die dortige<br />
Politik die Entwicklung und Einführung eines Antikollisionssystems.<br />
1993 wurde dann schließlich TCAS<br />
Version 6.04A als erste offi zielle Version in den USA<br />
gesetzlich vorgeschrieben. So waren auch zahlreiche<br />
ausländische Fluglinien gezwungen, ihre USA-Flotte<br />
mit TCAS auszurüsten, wenn sie weiter dort operieren<br />
wollten. Die daraus resultierenden positiven Erfahrungen,<br />
insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> elektronische Blick auf<br />
die Umgebung, führten dazu, dass auch solche Flugzeuge<br />
mit TCAS ausgerüstet wurden, die nie in die<br />
USA fl iegen würden. Die Version 6.04A hatte nach den<br />
vorangegangenen Weiterentwicklungen und „Bug<br />
fi xes“ als Hauptziel die Verringerung von sogenannten<br />
Nuisance Warnings. Sie ist bis heute in den USA<br />
als Min<strong>im</strong>alausrüstung vorgeschrieben, weil nach <strong>der</strong><br />
kurzfristigen Erweiterung <strong>der</strong> amerikanischen Ausrüstungsverordnung<br />
(von 6.02 über 6.04 bis 6.04A in<br />
<strong>der</strong> ersten Hälfte <strong>der</strong> neunziger Jahre) die weltweit<br />
von <strong>der</strong> ICAO 1996 standardisierte Version 7.0 politisch<br />
nicht mehr durchsetzbar war. Allerdings werden<br />
neue Flugzeuge auch in den USA seit Inkrafttreten <strong>der</strong><br />
Technik<br />
weltweiten Ausrüstungsverpfl ichtung<br />
nur noch mit <strong>der</strong> Version 7.0 ausgeliefert.<br />
Für die Version 6.04A besteht<br />
nur für die zuvor installierten Geräte<br />
Bestandsschutz.<br />
In Europa wurde für das Jahr 2000 TCAS<br />
Version 7.0 verbindlich für alle Flugzeuge mit mehr als<br />
15t MTOW und 30 Sitzen (ab 2005 auch für Flugzeuge<br />
mit MTOW größer 5,7t und mehr als 19 Sitzen) vorgeschrieben<br />
(weltweit gelten diese Verpfl ichtungen mit<br />
den Daten 2003 und ebenfalls 2005). Diese Weiterentwicklung<br />
hatte, getrieben durch die europäischen<br />
Flugsicherungen, als ein Ziel eine bessere Anpassung<br />
<strong>der</strong> auf den amerikanischen Luftraum zugeschnittenen<br />
Systemeigenschaften an die weltweit sehr unterschiedlichen<br />
Luftraumstrukturen zu gewährleisten.<br />
Insgesamt wurden mehr als 250 Än<strong>der</strong>ungen vorgenommen,<br />
die vor allem den Bereichen<br />
• (air-air) Surveillance (einschließlich <strong>der</strong><br />
Reduzierung <strong>der</strong> Funkfeldbelastung),<br />
• Vertikales Tracking,<br />
• Generierung von Traffi c Advisories,<br />
• Erkennung von potenziellen Konfl ikten,<br />
• Logik für die Auswahl <strong>der</strong> Ausweichempfehlung,<br />
• Displays und Audio-Warnung,<br />
• Kommunikation und<br />
Manöverkoordination, und<br />
• Performance Monitoring<br />
zuzuordnen sind.<br />
TCAS Version 7.0 ist auch die erste<br />
Version, die RVSM-kompatibel<br />
ist. Die Vorgängerversionen<br />
waren für 2000ft vertikale<br />
Staffelung ausgelegt und<br />
lösen deshalb auch bei<br />
geringer vertikaler AnnäherungsrateAusweichempfehlungen<br />
(Resolution Advisories,<br />
abgekürzt: RAs)<br />
in jedem Fall oberhalb<br />
1000ft vertikaler Staffelung<br />
Alarme aus, für<br />
die Version 7 beträgt<br />
<strong>der</strong> Schwellwert<br />
700ft.<br />
von<br />
Alexan<strong>der</strong><br />
Schwassmann<br />
29 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
Technik<br />
30<br />
Von europäischer Seite wurde schon damals darauf<br />
hingewiesen, dass Verbesserungen in <strong>der</strong> „Reversal<br />
Logic“ von TCAS 7.0 notwendig sind. „Reversal“<br />
bedeutet, dass unter verschiedenen unerwarteten<br />
Umständen, einschließlich dem Nichtbefolgen einer<br />
Resolution Advisory, aber auch bei Mehrfachkonfl<br />
ikten, durch eines <strong>der</strong> beteiligten Luftfahrzeuge<br />
(falls beispielsweise beide beteiligten Luftfahrzeuge<br />
sinken) eine neue, <strong>der</strong> ursprünglichen RA entgegen<br />
gesetzte Ausweichempfehlung generiert wird. Neben<br />
verschiedenen an<strong>der</strong>en Kriterien, wie z.B. einer min<strong>im</strong>alen<br />
Höhendifferenz von 100ft zwischen den Flugzeugen,<br />
wurde <strong>im</strong> Standard für TCAS Version 7.0 als<br />
letztes (weil in jedem Fall unterschiedliches) Kriterium<br />
festgelegt, dass das Luftfahrzeug mit <strong>der</strong> niedrigeren<br />
ICAO 24-bit-Flugzeugadresse, die weltweit eindeutig<br />
ist, einen solche RA-Reversal durchführen kann.<br />
In einem Konfl ikt zweier sinken<strong>der</strong> o<strong>der</strong> steigen<strong>der</strong><br />
Luftfahrzeuge ist, kann diese Implementierung <strong>der</strong><br />
Reversal RA abhängig von <strong>der</strong> Geometrie das Risiko<br />
erhöhen, anstatt es zu senken. Wer be<strong>im</strong> Szenario<br />
„zwei sinkende Luftfahrzeuge“ an Überlingen denkt,<br />
liegt richtig. Hier war diese Reversal-Implementierung<br />
einer <strong>der</strong> vielen Bausteine, die zur Katastrophe beigetragen<br />
haben. Ein Teilnehmer formulierte es auf dem<br />
7. Deutschen Flight Safety Forum in Dresden so: „Es<br />
gibt Konfl ikte, die TCAS 7.0 nicht lösen kann“. Laut<br />
seiner Aussage führt ein Szenario wie in Überlingen<br />
zu einer Unfallwahrscheinlichkeit von „einmal alle<br />
vier Jahre“.<br />
Das zweite Problem von TCAS 7.0 sind die <strong>im</strong> Cockpitjargon<br />
so genannten „negativen RAs“. Damit bezeichnet<br />
Piloten RAs, bei denen sich die Bewegungsrichtung<br />
des Luftfahrzeuges nicht än<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n die<br />
Besatzung aufgefor<strong>der</strong>t wird, die Steig- o<strong>der</strong> Sinkgeschwindigkeit<br />
zu verringern. Solche RAs müssen<br />
seit kurzem <strong>der</strong> Flugsicherung nicht mehr gemeldet<br />
werden, da sie bei korrekter Ausführung durch die<br />
Piloten keine Auswirkung auf die Staffelung <strong>der</strong> Lotsen<br />
haben. Negative RAs werden <strong>im</strong> Cockpit durch die<br />
Worte „Adjust vertical Speed! Adjust!“ angesagt. Aus<br />
dieser Ansage allein kann <strong>der</strong> Pilot jedoch nicht erkennen,<br />
auf welche Rate er die Vertikalgeschwindigkeit<br />
reduzieren soll. Dazu später mehr.<br />
Vermutlich resultiert aus diesen zahlenmäßig relativ<br />
häufi g vorkommenden „Negativen RAs“ (laut Eurocontrol<br />
etwa 75% aller RAs) die schon erwähnte recht<br />
reißerische Pressemeldung <strong>der</strong> TU Braunschweig.<br />
Dabei zeigen die von <strong>der</strong> TU Braunschweig in verschiedenen<br />
Vorträgen gezeigten Beispiele deutlich,<br />
dass entwe<strong>der</strong> ausreichende vertikale o<strong>der</strong> horizontale<br />
Staffelung bestand. In vielen Fällen ist einfach<br />
die hohe Vertikalgeschwindigkeit <strong>der</strong> Auslöser einer<br />
RA, obwohl das vertikal manövrierende Flugzeug z.B.<br />
noch deutlich mehr als 1000ft von einem an<strong>der</strong>en <strong>im</strong><br />
Levelfl ug separiert ist. Deshalb folgen inzwischen<br />
einige Luftfahrtgesellschaften dem ICAO-Vorschlag,<br />
auf den letzten 1000ft vor Erreichen des zugewiesenen<br />
Levels die Vertikalgeschwindigkeit auf unter 1500ft/<br />
min zu begrenzen. Bei Vertikalgeschwindigkeiten von<br />
3000ft/min o<strong>der</strong> mehr hat TCAS dann aber schon den<br />
Alarm generiert.<br />
Die „Lösung aller Probleme“ soll <strong>der</strong> neue Standard<br />
7.1 darstellen. Ziel ist vor allem die Opt<strong>im</strong>ierung <strong>der</strong><br />
Mensch-Maschine-Schnittstelle. Wie<strong>der</strong>um ein Zitat<br />
vom Deutschen Flight Safety Forum: „TCAS als System<br />
funktioniert <strong>im</strong> Grund technisch einwandfrei, aber<br />
die Mensch-Maschine-Schnittstelle versagt häufi g.“<br />
Damit ist nicht – wie in Überlingen – gemeint, dass die<br />
Besatzung bewusst gegen die TCAS-Ausweichempfehlung<br />
handelt (weil sie beispielsweise stattdessen<br />
einer Anweisung <strong>der</strong> Flugsicherung folgt). Vielmehr ist<br />
damit gemeint, dass ein Pilot anhand <strong>der</strong> akustischen<br />
Warnung „Adjust Vertical Speed! Adjust!“ allein nicht<br />
erkennen kann, was genau das System von ihm verlangt.<br />
Das war natürlich auch denjenigen klar, die<br />
die akustische Warnung seinerzeit festgelegt hatten.<br />
Daher wurde ebenfalls festgelegt, dass ein grüner<br />
Bereich <strong>im</strong> Variometer (englisch: Vertical Speed Indicator<br />
– VSI) <strong>im</strong> Cockpit signalisiert, welche Rate aktuell<br />
empfohlen wird.<br />
Ein Beispiel: Aktuelle Steigrate ist 3300 ft, <strong>der</strong> Zeiger<br />
steht also bei 3300 ft/min, <strong>der</strong> grüne TCAS-Bereich<br />
liegt bei 1000 ft/min. Durch Drücken (Verringern <strong>der</strong><br />
Steigrate) wird <strong>der</strong> Pilot also den Zeiger von 3300 ft/<br />
min nach 1000 ft/min „bewegen“. So weit, so einleuchtend.<br />
Der Teufel liegt jedoch <strong>im</strong> Detail.<br />
Beispiel für eine neu initierte<br />
“Adjust Vertical Speed” RA<br />
In den unten angeführten Anzeigebeispielen steigt<br />
das Luftfahrzeug mit einer Rate von 3300 ft/min und<br />
die ausgelöste RA verlangt eine Reduzierung <strong>der</strong><br />
Steigrate auf 1000 ft/min.<br />
✈ Traditioneller<br />
Vertical Speed<br />
Indicator (VSI)<br />
✈ EADI<br />
✈ Vertical<br />
Speed Tape
RAs werden oft auf dem Vertical Speed Indicators<br />
(VSI) angezeigt. Es gibt 3 VSI-Typen, von denen zwei<br />
hier dargestellt sind, das ursprünglich in allen Luftfahrzeugen<br />
genutzte VSI-Display (links) und das seit<br />
einiger Zeit in einigen Airbustypen verwendete „vertical<br />
speed tape” am Pr<strong>im</strong>ary Flight Display (PFD). In<br />
rot dargestellte Steig-/Sinkraten müssen vermieden<br />
werden, grün markierte Bereiche zeigen die Steig-/<br />
Sinkrate <strong>der</strong> Ausweichempfehlung an. In diesem Fall<br />
bringt die Reduktion <strong>der</strong> Steigrate die „Nadel“ in den<br />
grünen Bereich.<br />
In einigen Luftfahrzeugen wird die RA mit einem<br />
pitch cue angezeigt, welches mit <strong>der</strong> zu erzielenden<br />
Vertikalgeschwindigkeit auf dem Electronic Attitude<br />
Display Indicator (EADI) korrespondiert (rechts). Nur<br />
solche Neigungen, die vermieden werden müssen,<br />
werden markiert, und zwar in rot. Grüne Bereiche gibt<br />
es in dieser Anzeige nicht. Durch eine Reduzierung <strong>der</strong><br />
Steigrate wird in diesem Beispiel die Pitch-Markierung<br />
außerhalb des roten Trapezes verlagert<br />
Deutlich wird, dass nicht alle diese Implementierungen<br />
eingängig und selbsterklärend sind. Daher<br />
sind schon mehrfach Piloten – angesichts des Stresses,<br />
<strong>der</strong> entsteht, wenn man trotz Vorwarnung durch<br />
eine Traffi c Advisory (Vorstufe <strong>der</strong> RA) doch überraschend<br />
von einer Maschine angebrüllt wird, sicher nur<br />
menschlich – dazu verleitet worden, zu ziehen (also<br />
die Steigrate noch zu erhöhen), was natürlich kontraproduktiv<br />
ist und dann oft zu einer Positiven RA be<strong>im</strong><br />
an<strong>der</strong>en Luftfahrzeug führt.<br />
Dieses Szenario betrifft übrigens Boeing-Flugzeuge<br />
nicht, da dieser Hersteller die traditionelle TCAS-<br />
Anzeige einsetzt. Nur an<strong>der</strong>e Hersteller, die von dieser<br />
in mehreren Jahren HMI-Forschung entwickelten<br />
Umsetzung abweichen, haben das Problem. Airbus<br />
versucht dies in Zukunft dadurch zu lösen, dass<br />
man demnächst einen Flight Director Mode anbieten<br />
wird (<strong>der</strong> „Flight Director“ generiert aus den <strong>im</strong> FMS<br />
abgelegten Strecken- und Profi linformationen auf<br />
dem künstlichen Horizont ein Kreuz, dem man als<br />
Pilot manuell hinterfl iegen kann, ähnlich den beiden<br />
Nadeln <strong>der</strong> ILS-Anzeige), auf dem die TCAS-Ausweichempfehlung<br />
angezeigt wird. Der Pilot kann also dem<br />
Flight Director „nachfl iegen“ und wird automatisch<br />
die Rate richtig verringern. Auch eine Übernahme <strong>der</strong><br />
TCAS-Empfehlung direkt in den Autopiloten wird bei<br />
Airbus erprobt und soll für den A380 erstmals angeboten<br />
werden. Aber auch in dieser Implementierung wird<br />
<strong>der</strong> Mensch die letzte Entscheidung behalten.<br />
TCAS 7.1 wird mindestens<br />
zwei Än<strong>der</strong>ungen bringen:<br />
• In Zukunft wird das „adjust vertical speed, adjust“<br />
durch die einfache Ansage „Level Off!“ an den<br />
Piloten ersetzt. Ob diese Lösung bei mehr als zwei<br />
beteiligten Luftfahrzeugen funktioniert, muss sich<br />
zeigen. Ebenso gibt es noch Fragen bezüglich <strong>der</strong><br />
Auswirkungen auf heute gängige Verfahren.<br />
Technik<br />
• die Durchführung <strong>der</strong> Reversal RA wird nicht mehr<br />
unbedingt an die niedrigere 24-bit-Adresse gebunden<br />
sein. Zwar wird weiterhin das Flugzeug mit <strong>der</strong><br />
niedrigeren 24-bit-Adresse <strong>der</strong> Master sein. Gleichzeitig<br />
wird aber auch überprüft, ob <strong>der</strong> Master <strong>der</strong><br />
RA folgt. Sollte das nicht <strong>der</strong> Fall sein, wird <strong>der</strong> Slave<br />
zum neuen Master und weist dann unverzüglich eine<br />
Reversal RA an.<br />
Nach <strong>der</strong>zeitigem Stand ist unklar, wann FAA und /<br />
o<strong>der</strong> EASA TCAS 7.1 verbindlich vorschreiben werden.<br />
Allerdings sehen beide Organisationen den<br />
Sicherheitsgewinn und arbeiten gemeinsam an einer<br />
Technical Standard Or<strong>der</strong> (TSO), die die Zertifi zierung<br />
und damit erst den Einbau <strong>der</strong> neuen Geräte ermöglicht.<br />
Das hat allerdings zur Folge, dass die Hersteller<br />
aktuell „keinen Markt für Geräte nach diesem Standard<br />
sehen“ (und auf den ersten Kunden warten, <strong>der</strong><br />
nicht nur das Gerät kauft, son<strong>der</strong>n auch die Entwicklungskosten<br />
zahlt). Das wie<strong>der</strong>um bedeutet, dass die<br />
identifi zierten Risiken von TCAS 7.0 bis auf weiteres<br />
bestehen bleiben. Das Deutsche Flight Safety Forum<br />
hat daher in seiner aktuellen Resolution die Gesetzgeber<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, die Ausrüstung vom TCAS 7.1 verbindlich<br />
vorzuschreiben.<br />
Doch zurück zur Pressemeldung <strong>der</strong> TU Braunschweig.<br />
Neben <strong>der</strong> hohen Anzahl von TCAS RAs – positiven<br />
wie negativen – insgesamt wird dort von zahlreichen<br />
Fehlreaktionen seitens <strong>der</strong> Piloten gesprochen. Dass<br />
es Fehlreaktionen gibt, ist unbestritten, und zwei <strong>der</strong><br />
möglichen Gründe wurden weiter oben bereits dargelegt.<br />
Nur – um welche Größenordnung geht es eigentlich?<br />
Dazu existieren <strong>der</strong>zeit kaum belastbare Daten.<br />
Die in den großen Verkehrsfl ugzeugen installierten<br />
Flugschreiber archivieren einlaufende RAs nämlich<br />
nicht. Einige Hersteller haben die TCAS-Einheit selbst<br />
mit einem „Gedächtnis“ ausgestattet, aber halt nicht<br />
alle. Dazu kommt, dass die Airlines ihre Daten nicht<br />
untereinan<strong>der</strong> teilen. Wie kommt man also an eine<br />
ausreichend große Datenbasis? Hier setzt das Projekt<br />
„ACAS Monitoring“ (kurz: AMOR) <strong>der</strong> DFS an. Seit<br />
Mai 2007 wird vom Bereich „Forschung und Entwicklung“<br />
bereits ein erster mobiler Prototyp betrieben,<br />
<strong>der</strong> ACAS-Meldungen <strong>der</strong> Luftfahrzeuge bis in ca. 120<br />
nautischen Meilen um das Forschungszentrum in Langen<br />
bei Frankfurt herum empfängt und in Echtzeit auf<br />
einem angeschlossenen Monitor zur Anzeige bringt.<br />
Diese Daten wie<strong>der</strong>um können bei Bedarf mit an<strong>der</strong>en<br />
Daten wie Radartracks kombiniert und in Vorfallanalysesystemen<br />
verarbeitet werden.<br />
AMOR geht nun einen Schritt weiter. Neben dem<br />
mobilen System (links) wird die DFS an bundesweit<br />
sechs Standorten stationäre Empfänger errichten und<br />
betreiben, mit denen praktisch das gesamte Gebiet<br />
<strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland oberhalb FL 100<br />
abgedeckt werden kann, und selbst auf 5000 ft Höhe<br />
werden noch etwa 80% des Bundesgebietes erfasst.<br />
Damit wird zum ersten Mal eine umfassende und<br />
objektive Datenbasis für ACAS-Analysen geschaffen.<br />
31 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
Technik<br />
32<br />
In Kombination mit Radar- und Flugplandaten lässt<br />
sich somit auswerten, ob z.B. in best<strong>im</strong>mten Lufträumen<br />
in Deutschland vermehrt ACAS-Ereignisse<br />
auftreten, um was für RAs es sich handelt und unter<br />
welchen Umständen diese zustande kommen. Auch<br />
technisches Fehlverhalten des TCAS selbst lässt sich<br />
so identifi zieren. Ergebnisse dieser Analysen können<br />
unter an<strong>der</strong>em in Safety Briefi ngs genutzt werden<br />
o<strong>der</strong> auch in die Luftraum- und Verfahrensplanung<br />
mit einfl ießen, um z.B. so genannte „RA-Hotspots“ zu<br />
entschärfen.<br />
✈ Ab FL100 vorgesehene Abdeckung<br />
und AMOR-Standorte<br />
Auch wenn die Besatzungen naturgemäß Bedenken<br />
bezüglich des Datenschutzes haben, so besteht<br />
doch in den Flugsicherheitsabteilungen <strong>der</strong> Airlines<br />
bislang größtenteils Konsens darüber, dass bei entsprechen<strong>der</strong><br />
Anonymisierung <strong>der</strong> Daten <strong>der</strong> Sicherheitsgewinn<br />
höher zu bewerten ist als datenschutzrechtliche<br />
Bedenken. Auch die <strong>GdF</strong> wird hier nicht um<br />
eine Positionierung herumkommen, denn schließlich<br />
werden auch RAs als Folge von Flugsicherungsfehlern<br />
ausgewertet.<br />
Eine weitere Anwendung eines fl ächendeckenden<br />
bodenseitigen ACAS-Monitoring könnte die Darstellung<br />
von TCAS-RAs an Lotsenarbeitsplätzen sein.<br />
Die Voraussetzung dafür ist, dass die Reaktionszeit<br />
zwischen ACAS-Ereignis und Anzeige nicht mehr als<br />
2 Sekunden beträgt. Im Bereich Forschung und Entwicklung<br />
<strong>der</strong> DFS wird <strong>im</strong> AMOR-Projekt mit unter-<br />
sucht werden, ob diese Anfor<strong>der</strong>ung erfüllbar ist und<br />
dem ATM-System und somit auch dem Lotsen sinnvolle<br />
und verlässliche Daten mit einer geringen Falschalarmrate<br />
zur Verfügung gestellt werden können.<br />
Die von Eurocontrol <strong>der</strong>zeit auf <strong>der</strong> Basis von Mode<br />
S Radardaten propagierte Lösung eignet sich hierfür<br />
nicht, weil we<strong>der</strong> eine nicht zu große Verzögerung<br />
noch die Vollständigkeit <strong>der</strong> Daten gewährleistet werden<br />
kann.<br />
Sollte eine solche Lösung einmal technisch ausgereift<br />
sein, werden sich Fluglotsenverbände weltweit überlegen<br />
müssen, ob sie die Anzeige von TCAS-RAs am<br />
Boden für sinnvoll halten o<strong>der</strong> nicht. Bislang vertritt<br />
die IFATCA den Standpunkt, dass es sich bei TCAS<br />
um ein bodenunabhängiges Sicherheitsnetz handelt,<br />
dass vor allem nicht dazu missbraucht werden darf,<br />
bodenseitige Defi zite auszugleichen.<br />
Allerdings müssen nach Ansicht <strong>der</strong> IFATCA auch noch<br />
weitere von <strong>der</strong> technischen Machbarkeit unabhängige<br />
Bedenken ausgeräumt werden, insbeson<strong>der</strong>e die mögliche<br />
Überlastung <strong>der</strong> Lotsen durch ständige Anzeige<br />
negativer RAs, sowie die Frage, was man denn als<br />
Lotse eigentlich mit einer solchen Information anfangen<br />
soll. Natürlich hilft es, wenn man als Lotse nicht<br />
mehr in Gefahr ist, zu einer aktuellen TCAS-RA konträre<br />
Anweisungen zu erteilen, nur weil noch kein Pilot<br />
die TCAS-RA gemeldet hat. Was aber, wenn Piloten die<br />
RA nicht befolgen? Soll man dann als Lotse darauf hinweisen?<br />
Inwieweit ist man rechtlich mit <strong>im</strong> Boot, wenn<br />
man eine zu einer TCAS-RA konträre Anweisung gibt<br />
und es möglicherweise hätte sehen können?<br />
Abschließend die passenden Beschlüsse <strong>der</strong> IFATCA<br />
zu ACAS und ACAS-Downlinking:<br />
„IFATCA recognises that the development of airborne<br />
collision avoidance systems should be encouraged.<br />
However it must be accepted that the pr<strong>im</strong>ary means<br />
of collision avoidance within a controlled airspace<br />
environment must continue to be the air traffi c control<br />
system which should be totally independent of airborne<br />
emergency devices such as ACAS. TCAS devices<br />
should not be a consi<strong>der</strong>ation in the provision of adequate<br />
air traffi c services .<br />
IFATCA is opposed to downlinking of any advisories<br />
generated by ACAS. If downlinking of ACAS Resolution<br />
Advisories becomes mandated, then IFATCA can<br />
only accept this provided that the following criteria<br />
are met:<br />
• Clear and unambiguous controller legal<br />
responsibilities;<br />
• Downlink without delay;<br />
• ATC system to be able to receive, process<br />
and display the down link to the appropriate<br />
control positions;<br />
• Compatibility with all ground based safety nets;<br />
• Nuisance and false alerts must be kept<br />
to an absolute min<strong>im</strong>um.<br />
ACAS should only be consi<strong>der</strong>ed as a safety net.“
Photos: Wikipedia<br />
„Swing over“<br />
Pistenwechsel <strong>im</strong> Endanfl ug<br />
Abschließende Gespräche<br />
zwischen DFS und <strong>GdF</strong> FSBD<br />
Zur Erinnerung:<br />
In Ausgabe 5/2007 berichtete Jens Lehmann über die<br />
Ergebnisse unseres Treffens mit <strong>der</strong> DFS zum Thema<br />
Circling Approach. Der Fehlanfl ug nach „swing over“<br />
sollte damit auch geklärt worden sein, was sich aber<br />
als Trugschluss herausstellte. Auf Initiative des FSBD-<br />
Vorstandes fanden deshalb nochmals Gespräche mit<br />
den Fachabteilungen <strong>der</strong> DFS-Geschäftsbereiche Center<br />
und TWR statt. Dazu können wir an dieser Stelle<br />
nun einen abschließenden Sachstandsbericht geben.<br />
Grundsätzliches zu „Swing over“<br />
1. Für Flughäfen mit mehr als einer aktiven Landepiste,<br />
die jedoch nicht zwingend parallel in <strong>der</strong> Landschaft<br />
liegen müssen.<br />
2. „swing over“ ist kein ICAO-Verfahren.<br />
3. Terminologie statt dessen: Sichtanfl ug bzw. IFR-<br />
Sichtanfl ug mit Pistenwechsel <strong>im</strong> Endanfl ug.<br />
Defi nition Sichtanfl ug:<br />
A Visual approach is an approach by an IFR fl ight when<br />
either part or all of an instrument approach procedure<br />
is not completed and the approach is executed in<br />
visual reference to terrain.<br />
Kein Regelungsbedarf, wenn:<br />
1. Die Anfl ugkontrolle <strong>im</strong> langen Endanfl ug von <strong>der</strong><br />
Möglichkeit eines Pistenwechsels Gebrauch macht.<br />
ATC-Praxis<br />
Dafür wird keine IFR-Sichtanfl ugfreigabe son<strong>der</strong>n<br />
eine neue ILS- o<strong>der</strong> NPA- (Nichtpräzisionsanfl ug)<br />
Freigabe erteilt. Das daran angedockte, veröffentlichte<br />
Fehlanfl ugverfahren ist automatisch mit freigegeben.<br />
2. Die Piste nicht gewechselt wird.<br />
Wird z. B. ein ILS-Anfl ug RWY 25R mit <strong>der</strong> Freigabe<br />
RECLEARED VISUAL APCH RWY 25R geän<strong>der</strong>t, würde<br />
bei einem anschließend eingeleiteten Fehlanfl ugverfahren<br />
das ursprüngliche und bereits gebriefte<br />
Standardfehlanfl ugverfahren; hier ILS RWY 25R,<br />
weiterhin gelten. Es handelt sich quasi um die Fortführung<br />
des freigegebenen IFR-Anfl uges „mit an<strong>der</strong>en<br />
Mitteln“.<br />
Regelungen allein für IFR-Sichtanfl ug mit Pistenwechsel<br />
<strong>im</strong> Endanfl ug notwendig<br />
Abweichend von obigem Beispiel gilt hier das Fehlanfl<br />
ugverfahren <strong>der</strong> alten Piste nicht mehr. Die Frage<br />
nach allgemein verbindlichen Verhaltensregeln <strong>im</strong><br />
Falle eines Durchstartmanövers ist also sehr berechtigt.<br />
Die sichere Abwicklung des Luftverkehrs setzt<br />
schließlich voraus, keinen <strong>der</strong> unmittelbar Beteiligten<br />
Piloten und Lotsen hinsichtlich des weiteren Flugverlaufs<br />
<strong>im</strong> Unklaren zu lassen.<br />
von<br />
Jörg<br />
Biermann<br />
33 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
ATC-Praxis<br />
34<br />
Grundsätzlich stehen IFR-Sichtanfl ugverfahren hierzulande<br />
lei<strong>der</strong> nicht zur Verfügung. Sie werden (zu<br />
unrecht) als zu lärmkritisch angesehen. Ausnahmen<br />
gelten wie <strong>im</strong>mer in Notfällen und für Ambulanzfl üge.<br />
Die veröffentlichten An- und Abfl ugstrecken (STAR,<br />
SID) tragen dagegen das Prädikat Min<strong>im</strong>um Noise<br />
Routing, obwohl sie bei weitem nicht in allen Wohngebieten<br />
auch als solche wahrgenommen werden.<br />
Eine weitere Ausnahme, die nun von DFS und <strong>GdF</strong> <strong>im</strong><br />
Speziellen betrachtet worden ist, betraf den Pistenwechsel<br />
<strong>im</strong> Endanfl ug. Wenn ein bereits freigegebener<br />
IFR-Anfl ug aufgehoben werden soll/muss, es für eine<br />
neue ILS- o<strong>der</strong> NPA-Freigabe zu einer an<strong>der</strong>en Piste<br />
aber aus welchen Gründen auch <strong>im</strong>mer bereits zu spät<br />
ist, darf an manchen Flughäfen ein IFR-Sichtanfl ug<br />
freigegeben werden, vorausgesetzt:<br />
• Das LFZ befi ndet sich auf einem Endanfl ugkurs<br />
• Die Verkehrslage lässt dies zu<br />
• Der Pilot hat den Platz in Sicht<br />
• Der Pilot beantragt den Pistenwechsel<br />
o<strong>der</strong> st<strong>im</strong>mt ihm zu<br />
Mit so einem Pistenwechsel <strong>im</strong> Endanfl ug kann häufi g<br />
ein Durchstartmanöver vermieden werden, wenn z.B.<br />
die Landepiste noch von einem an<strong>der</strong>en LFZ blockiert,<br />
o<strong>der</strong> z.B. durch Vogelschlag kurzfristig unsicher geworden<br />
ist. Daneben kann das Manöver auch die Rollzeit<br />
am Boden reduzieren und so die Sicherheit verbessern,<br />
wenn anschließend keine aktive Start- und Landepiste<br />
mehr überquert werden muss. Dagegen verursacht<br />
jedes Durchstartmanöver gefolgt von einem erneuten<br />
Anfl ug <strong>im</strong>mer zusätzlichen Lärm und Emissionen. Die<br />
Bilanz fällt deshalb <strong>im</strong>mer pro Pistenwechsel aus – und<br />
zwar für alle Beteiligten, inklusive <strong>der</strong> Bevölkerung in<br />
Flughafennähe. Dadurch verursachte Durchstartmanöver<br />
nach einem Pistenwechsel sind in <strong>der</strong> Praxis sehr<br />
selten, sollten aber dennoch geregelt sein.<br />
Keep it s<strong>im</strong>ple!<br />
Gerade deshalb und weil i. d. R. recht wenig Vorbereitungszeit<br />
verbleibt, waren wir <strong>der</strong> Meinung, ein<br />
möglichst einheitliches und vor allem einfaches<br />
Fehlanfl ugverfahren nach Pistenwechsel müsse auf<br />
den ILS- und NPA-Anfl ugkarten veröffentlicht werden.<br />
(Straight ahead, Alt xft).<br />
Eine <strong>im</strong> Vorfeld durchgeführte örtliche Bestandsaufnahme<br />
durch die DFS ergab:<br />
• EDDL, EDDK, EDDP: Sichtanfl üge nicht gestattet.<br />
(Anm. <strong>GdF</strong>: Gem. AIP in EDDL und EDDK erlaubt für LFZ bis 5,7 to.)
• EDDM: Pisten liegen sehr weit auseinan<strong>der</strong> und<br />
haben Schwellenversatz. Deshalb Pistenwechsel<br />
durch APP mit neuem IFR-Anfl ugverfahren.<br />
ATC-Praxis<br />
(Anm. <strong>GdF</strong>. Es gibt keine offi ziellen „swing-over“-Verfahren. Bei einem<br />
Sichtanfl ug mit o<strong>der</strong> ohne Pistenwechsel muss <strong>der</strong> Pilot die Piste(n)<br />
in Sicht haben und bis zur Landung Erdsicht einhalten können. Die<br />
Verantwortung zur Gewährleistung <strong>der</strong> Hin<strong>der</strong>nisfreiheit geht auf ihn<br />
über. Nicht die Lage <strong>der</strong> neuen Piste son<strong>der</strong>n die Zust<strong>im</strong>mung des<br />
Piloten ist das entscheidende Kriterium.)<br />
• An an<strong>der</strong>en Plätzen mit mehreren Landepisten wird<br />
ein Sichtanfl ug <strong>im</strong> Konsens mit den regionalen Lärmschutzkommissionen<br />
per Selbstbeschränkung nicht<br />
angewendet.<br />
• Nur in EDDB, EDDL, EDDK, EDDV gibt es einen SRA-<br />
Anfl ug, welcher die Geradeausvorgaben für einen<br />
vermessenen, einfachen und hin<strong>der</strong>nisfreien Fehlanfl<br />
ug erfüllen würde.<br />
• Die Erweiterung des NfL I 106/04 (Sichtanfl üge) um<br />
eine pauschale Fehlanfl ugregelung sei nicht möglich,<br />
da <strong>im</strong>mer die lokale Hin<strong>der</strong>nis- und Luftraumsituation<br />
zu betrachten ist.<br />
In <strong>der</strong> Schnittmenge blieben aus Sicht <strong>der</strong> DFS nur<br />
EDDF und EDDV übrig. EDDF hat zwar keinen veröffentlichten<br />
SRA, hier führen jedoch die Standfehlanfl<br />
ugverfahren auch so zunächst einmal geradeaus.<br />
Örtliche Regelung<br />
Die Verfahren müssen an den in Frage kommenden<br />
örtlichen TWR-Nie<strong>der</strong>lassungen individuell geregelt<br />
werden. Der Begriff „swing over“ darf wegen fehlen<strong>der</strong><br />
ICAO-Konformität we<strong>der</strong> in einer Betriebsanordnung<br />
noch <strong>im</strong> Sprechfunkverkehr Verwendung<br />
fi nden. Einen ILS-Anfl ug RWY 25L bringt <strong>der</strong> TWR nur<br />
mit <strong>der</strong> Freigabe: „CLEARED VISUAL APCH RWY 25R<br />
…“ korrekt zur benachbarten Piste.<br />
35 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
ATC-Praxis<br />
36<br />
In gleichem Atemzug muss <strong>der</strong> Lotse nun auch gleich<br />
sein selbstentwickeltes Fehlanfl ugverfahren mit übermitteln.<br />
Wir befi nden uns nur noch wenige Meilen von<br />
<strong>der</strong> Schwelle entfernt, das Cockpit konnte sich diesbezüglich<br />
auf nichts vorbereiten, wir sollten also auf<br />
Vektoren um sämtliche Milchkannen <strong>der</strong> umliegenden<br />
Gehöfte herum verzichten. Praxistaugliche Beispiele<br />
wären: „… IN CASE OF MA CLIMB STRAIGHT AHEAD<br />
5000 FT“, o<strong>der</strong> „... IMMEDIATE RT HDG 340 CLIMB<br />
4000 FT.“ Im Idealfall schmiegt sich unsere Freigabe<br />
zumindest in seinem Anfangsstadium sehr eng an ein<br />
bereits für die neue Landepiste existierendes, beispielsweise<br />
dem ILS-Fehlanfl ugverfahren an.<br />
Kritiker verweisen hier zu Recht auf eine fehlende Freigabegrenze<br />
<strong>im</strong> Falle eines Funkausfalls. Das ist letztlich<br />
Ansichtssache und eine Einzelfallabwägung: Längere<br />
Freigaben, dadurch erhöhte Frequenzbelastung<br />
und ein Mehr an zu verarbeitenden Informationen vs.<br />
eines aus Erfahrung sehr seltenen Fehlanfl uges nach<br />
Pistenwechsel in Verbindung mit einem noch unwahrscheinlicherem<br />
gleichzeitigem Funkausfall <strong>im</strong> Umfeld<br />
von internationalen Funkausfallverfahren.<br />
BA-FVK<br />
Die DFS sieht in ihrer BA-FVK unter Fehlanfl üge Punkt<br />
465ff diesen Pistenwechsel als ausreichend geregelt<br />
an, wenngleich er nicht explizit Erwähnung fi ndet.<br />
Diese Auslegung teilen wir. Sinngemäß heißt es dort:<br />
Wenn <strong>der</strong> Pilot einen vom Standard abweichenden<br />
MA fl iegen muss, o<strong>der</strong> mit dem Verfahren nicht vertraut<br />
ist, hat ihm <strong>der</strong> Lotse genaue Informationen zu<br />
übermitteln; mindestens jedoch einen Steuerkurs<br />
o<strong>der</strong> Kurs über Grund und eine Höhe.<br />
Eigenkreation Fehlanfl ug?<br />
Debattiert wurde auch die Frage, ob sich ein TWR-<br />
Lotse überhaupt ein individuelles Fehlanfl ugverfahren<br />
selber „stricken“ darf. Schließlich wäre <strong>der</strong> ja<br />
nicht hin<strong>der</strong>nisvermessen. Dies kann mit einem eindeutigen<br />
„Ja, es liegt in seinem Ermessensspielraum“<br />
beantwortet werden. An<strong>der</strong>s könnten in dringenden<br />
Fällen auch gar keine sofortigen Staffelungsmaßnahmen<br />
ergriffen werden.<br />
Fazit<br />
Dass IFR-Sichtanfl üge am Luftfahrtstandort Deutschland<br />
nahezu ausgeschlossen sind, ist genau so bedauerlich<br />
wie wohl auf absehbare Zeit in politischen Stein<br />
Photo: Fraport<br />
gemeißelt. Dort, wo in Nischen etwas Gestaltungsraum<br />
geblieben ist, haben wir zusammen mit den<br />
DFS-Fachabteilungen eine gute interne Lösung gefunden.<br />
Die DFS informiert ihre Nie<strong>der</strong>lassungen entsprechend,<br />
sodass vor Ort saubere Betriebsanordnungen<br />
verfasst werden können.<br />
Lei<strong>der</strong> konnten wir die DFS nicht davon überzeugen,<br />
mit uns über eine interne Lösung hinaus zu gehen.<br />
Die Luftfahrzeugführer werden auch weiterhin <strong>im</strong><br />
Unklaren darüber gelassen, wie sie sich in diesem Fall<br />
verhalten sollen – es sei denn, sie lesen diese Ausgabe<br />
des „<strong>der</strong> fl ugleiter“.<br />
Wir akzeptieren, dass es aufgrund <strong>der</strong> jeweils örtlich<br />
speziellen Luftraum- und Hin<strong>der</strong>nissituationen ein<br />
pauschales Fehlanfl ugverfahren schwerlich geben<br />
kann. Aber was spräche gegen die Bekanntmachung,<br />
dass <strong>im</strong> Falle eines Fehlanfl uges bei Sichtanfl ug nach<br />
Pistenwechsel eine individuelle Fehlanfl ugfreigabe<br />
von ATC erfolgen wird? Damit wäre zwar <strong>der</strong> Funkausfall<br />
noch nicht allumfassend geregelt, aber <strong>im</strong>merhin<br />
die restlichen 99,9%.<br />
Das Thema Fehlanfl ug bei IFR-Sichtanfl ug (sowohl<br />
nach Pistenwechsel <strong>im</strong> Endanfl ug als auch generell<br />
nach Sichtanfl ügen ohne vorherige Freigabe für ein<br />
instrumentengestütztes Anfl ugverfahren) wird uns<br />
auf internationaler Bühne und in Zusammenarbeit mit<br />
den Pilotenverbänden weiter beschäftigen. Die IFATCA<br />
hat auf ihrer Jahreskonferenz bereits eine „Provisional<br />
Policy“ zu diesem Thema verabschiedet. Hier <strong>im</strong> „<strong>der</strong><br />
fl ugleiter“ wird Alexan<strong>der</strong> Schwaßmann für den FSBD-<br />
Vorstand diese DFS-externen Entwicklungen in einem<br />
separaten Artikel darstellen.<br />
Zusammenfassung<br />
• Regelung nur für IFR-Sichtanfl ug mit Pistenwechsel<br />
<strong>im</strong> Endanfl ug<br />
• Inoffi ziellen Begriff „swing over“ nicht verwenden<br />
• Nicht an allen in Frage kommenden Plätzen erlaubt<br />
• Neue Freigabe für Sichtanfl ug mit eigenem Fehlanfl<br />
ugverfahren übermitteln<br />
• Ggf. örtliche Betriebsanweisungen überarbeiten<br />
• Keine Veröffentlichung eines Fehlanfl ugverfahrens<br />
für IFR-Sichtanfl ug mit Pistenwechsel <strong>im</strong> Endanfl ug<br />
• Thema DFS/<strong>GdF</strong>-intern abgeschlossen, Weiterarbeit<br />
international und mit VC
Fehlanfl ug nach Sichtanfl ug –<br />
wie geht’s weiter?<br />
Jörg Biermann hat ja bereits in seinem Artikel die Bemühungen des<br />
FSBD aufgezeigt, in Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> DFS eine einheitliche<br />
Regelung zu Fehlanfl ugverfahren nach Pistenwechsel <strong>im</strong> Endanfl ug<br />
festzulegen.<br />
Eine entscheidende gemeinsame Feststellung ist – wie<br />
berichtet – , dass <strong>der</strong> Begriff „Swing Over“ in Zukunft<br />
verschwinden und durch „Visual Approach“ ersetzt<br />
werden wird. Der FSBD hat dann konsequenterweise<br />
versucht, mit <strong>der</strong> DFS zusammen eine generelle Regelung<br />
für alle Arten von Sichtanfl ügen zu erreichen (die<br />
dann logischerweise auch für Pistenwechsel nach<br />
Sicht <strong>im</strong> Endanfl ug gegolten hätte). Dazu war die DFS<br />
lei<strong>der</strong> nicht bereit.<br />
Parallel dazu hat die <strong>GdF</strong> allerdings auf verschiedenen<br />
an<strong>der</strong>en nationalen und internationalen Ebenen für<br />
Aufmerksamkeit für das Thema gesorgt, so dass unter<br />
an<strong>der</strong>em die Vereinigung Cockpit ein Arbeitspapier<br />
in die AG ATS <strong>der</strong> IFALPA eingebracht hat. Der israelische<br />
Fluglotsenverband hat parallel dazu ein ent-<br />
ATC-Praxis<br />
sprechendes Arbeitspapier auf <strong>der</strong><br />
letzten Jahreskonferenz <strong>der</strong> IFATCA in<br />
Dubrovnik vorgestellt.<br />
Nochmals ein kurzer Abriss <strong>der</strong><br />
Problematik: Was macht ein Pilot, <strong>der</strong> nach einem<br />
Sichtanfl ug während eines IFR-Fluges durchstarten<br />
muss? Für an<strong>der</strong>e Arten von IFR-Anfl ügen ist explizit<br />
ein Fehlanfl ugverfahren defi niert, so dass in diesen<br />
Fällen erstens <strong>der</strong> Pilot davon ausgehen kann, dass<br />
<strong>der</strong> Lotse den gesamten Anfl ug inklusive des Fehlanfl<br />
ugverfahrens schützt, also auch während eines<br />
möglichen Fehlanfl uges die Staffelung sicherstellt.<br />
Zweitens weiß aber auch <strong>der</strong> Lotse, was <strong>der</strong> Pilot <strong>im</strong><br />
Falle eines Fehlanfl uges machen wird und kann seine<br />
weitere Verkehrplanung daran orientieren.<br />
ICAO<br />
An dieser Stelle muss nun lei<strong>der</strong> ein kurzer Exkurs in<br />
die Vorschriftenlage erfolgen. ICAO Doc 4444 PANS-<br />
ATM defi niert einen Visual Approach wie folgt: „An<br />
von<br />
Alexan<strong>der</strong><br />
Schwassmann<br />
in Kooperation<br />
mit Vereinigung<br />
Cockpit<br />
37 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
ATC-Praxis<br />
38<br />
approach by an IFR fl ight when either part or all of<br />
an instrument approach procedure is not completed<br />
and the approach is executed in visual reference to<br />
terrain“.<br />
Im ICAO Annex 4 (Aeronautical Charts), gibt es <strong>im</strong><br />
Kapitel 12 eine Beschreibung einer Visual Approach<br />
Chart, <strong>der</strong>en Funktion es ist „to provide fl ight crews<br />
with information which will enable them to transit<br />
from the en-route/descent to approach phases of<br />
fl ight to the runway of intended landing by means of<br />
visual reference.“ Daran anschließend wird nochmals<br />
eine „Visual Approach Procedure“ defi niert: „A series<br />
of predetermined manoeuvres by visual reference,<br />
from the initial approach fi x, or where applicable, from<br />
the beginning of a defi ned arrival route to a point from<br />
which a landing can be completed and thereafter, if<br />
a landing is not completed, a go-around procedure<br />
can be carried-out.“ Lei<strong>der</strong> schweigt sich die ICAO<br />
dazu aus, welche „Go-around Procedure“ hier genau<br />
gemeint sein könnte.<br />
Einige Staaten haben erkannt, dass die ICAO in ihren<br />
Regelungen eine Menge Spielraum gelassen hat, und<br />
folgerichtig versucht, diesen Spielraum mit nationalen<br />
Regelungen zu füllen. Das mag <strong>im</strong> Einzelfall sicher den<br />
gewünschten Erfolg haben, führt allerdings dazu, dass<br />
sich Piloten auf eine Vielzahl von nationalen Alleingängen<br />
einstellen müssen. Für den in Deutschland<br />
tätigen Lotsen kann sich <strong>im</strong> Umkehrschluss die Situation<br />
ergeben, dass ein ausländischer Pilot bewusst<br />
o<strong>der</strong> unbewusst die Regelung seines He<strong>im</strong>atlandes<br />
auch in Deutschland anwendet, obwohl sie hier nicht<br />
gilt und den Lotsen möglicherweise völlig überrascht.<br />
Ein international harmonisierter Ansatz liegt daher auf<br />
<strong>der</strong> Hand.<br />
IFATCA<br />
Wie schon erwähnt, hat <strong>der</strong> israelische Fluglotsenverband<br />
auf <strong>der</strong> diesjährigen Jahreskonferenz ein<br />
Arbeitspapier eingebracht. Nach durchaus kontroverser<br />
Diskussion wurde die folgende IFATCA-Policy<br />
beschlossen:<br />
• Missed approach procedures for visual approaches<br />
should be published in the AIP.<br />
• Member Associations should urge their local authority<br />
to create a visual approach chart including a<br />
missed approach procedure.<br />
• IFATCA should approach ICAO to set Standards on<br />
the requirements for such a go around procedure.<br />
Wie genau die Veröffentlichung <strong>der</strong> Fehlanfl ugverfahren<br />
aussehen soll, geht aus den Beschlüssen nicht<br />
hervor. Möglich wäre eine tabellarische Veröffentlichung,<br />
ähnlich <strong>der</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> SRE-Anfl üge<br />
in <strong>der</strong> AIP Deutschland. Noch besser allerdings fi nde<br />
ich persönlich eigene Sichtanfl ugkarten, auf denen<br />
das jeweils passende Fehlanfl ugverfahren dargestellt<br />
und beschrieben ist, am besten gestützt durch RNAV-<br />
Wegpunkte.<br />
IFALPA<br />
Die AG ATS <strong>der</strong> VC hatte dazu ein Arbeitspapier für die<br />
AG ATS <strong>der</strong> IFALPA erarbeitet. Mittlerweile wurde <strong>der</strong><br />
VC-Vorschlag auf dem ATS Committee Meeting diskutiert<br />
und weiterentwickelt. Unter an<strong>der</strong>em wurde<br />
<strong>der</strong> Vorschlag <strong>der</strong> IFATCA, zu jedem Charted Visual<br />
Approach einen Missed Approach zu veröffentlichen,<br />
begrüßt und mit aufgenommen. Die überarbeitete<br />
Fassung wurde an die nationalen Verbände zur Diskussion<br />
zurückgegeben und soll <strong>im</strong> Herbst auf dem<br />
nächsten ATS Committee Meeting zum Policy Proposal<br />
werden.<br />
Für Oktober ist ein gemeinsames Treffen <strong>der</strong> AG ATS<br />
<strong>der</strong> IFALPA und des Technical and Operations Committee<br />
(TOC) <strong>der</strong> IFALPA geplant. Auf diesem Treffen<br />
soll eine gemeinsame Lösung erarbeitet und anschließend<br />
<strong>der</strong> ICAO vorgestellt werden.<br />
Wie sieht die Lage bis dahin aus?<br />
Zusammengefasst:<br />
• Anweisungen für den Fall eines Fehlanfl uges sollten<br />
zwischen Lotse und Pilot so früh wie möglich koordiniert<br />
werden,<br />
• falls nichts abgesprochen wird, ist damit zu rechnen,<br />
dass das Luftfahrzeug möglicherweise in <strong>der</strong><br />
Platzrunde verbleibt.<br />
Der zweite Punkt ist fl ugsicherungsseitig unproblematisch<br />
und an Flughäfen, wo alle Arten von Sichtanfl<br />
ugverfahren auf best<strong>im</strong>mte Arten von Luftfahrzeugen<br />
beschränkt sind, die dann auch problemlos in <strong>der</strong><br />
Platzrunde verbleiben können, auch lärmtechnisch<br />
unbedenklich.<br />
In Düsseldorf beispielsweise sind Sichtanfl üge und<br />
auch Swing-Overs auf propellergetriebene Luftfahrzeuge<br />
bis 5.7t MPTOW beschränkt, in Frankfurt jedoch<br />
stelle ich mir eine Boeing 747, die nach einem Swing-<br />
Over in Platzrundenhöhe die Türme <strong>der</strong> Frankfurter<br />
Skyline umkurvt, durchaus spektakulär vor. Ein solches<br />
Verfahren wird aber <strong>im</strong> S<strong>im</strong>ulator tatsächlich<br />
geübt. Und Punkt 1 stellt den Lotsen vor das Problem,<br />
entwe<strong>der</strong> ein s<strong>im</strong>ples Fehlanfl ugverfahren ad-hoc zu<br />
„stricken“, bei dem Kriterien wie Hin<strong>der</strong>nisfreiheit<br />
verfahrenstechnisch nicht betrachtet werden können<br />
(allerdings auch nicht müssen!), o<strong>der</strong> dem Piloten<br />
mit hoher Frequenzbelastung ein veröffentlichtes,<br />
aber komplexes IFR-Fehlanfl ugverfahren an den Kopf<br />
zu werfen, während <strong>der</strong> gerade auf <strong>der</strong> Suche nach<br />
dem Flugplatz ist. Für diesen ersten Punkt sollte also<br />
schnellstmöglich eine international harmonisierte<br />
Lö sung gefunden werden.<br />
Wir werden weiter berichten.
FRA Tower<br />
und das Team<br />
✈ Der neue Tower Frankfurt wächst rasant in den H<strong>im</strong>mel (erstes Bild 13.04.2009 bis Juli 2009)<br />
Der Flughafen Frankfurt wächst und mit ihm sein<br />
neues Wahrzeichen – <strong>der</strong> neue DFS-Tower<br />
Der rasante Baufortschritt des neuen Towers zwischen<br />
<strong>der</strong> heutigen Nordbahn und <strong>der</strong> künftigen Nordwestbahn<br />
am Flughafen Frankfurt ist deutlich zu erkennen.<br />
Der Stil <strong>im</strong> Corporate Design <strong>der</strong> DFS ist bereits vertraut,<br />
doch unser Focus liegt in diesem Beitrag beson<strong>der</strong>s<br />
auf den „Machern“ des Projektes und dem vielversprechenden<br />
geplanten Innenleben des Bauwerks.<br />
Mo<strong>der</strong>nste innovative und durchdachte Technologie<br />
erwarten die künftigen Nutzer und sollen die Umstellung<br />
auf die neue Situation erleichtern.<br />
So ein gewaltiges Projekt funktioniert nur, wenn Fachleute<br />
und Führungskräfte aus <strong>der</strong> Unternehmenszentrale<br />
und den Nie<strong>der</strong>lassungen Hand in Hand zusammenarbeiten.<br />
Die Redaktion des „fl ugleiter“ wollte<br />
deshalb wissen, wie das Projekt organisiert ist und<br />
welche Kolleginnen und Kollegen <strong>der</strong> DFS <strong>im</strong> Beson<strong>der</strong>en<br />
daran beteiligt sind. Viel Schweiß und Mühe<br />
waren und sind noch notwendig, damit <strong>der</strong> neue Tower<br />
pünktlich <strong>im</strong> Sommer 2011 in Betrieb gehen kann.<br />
Das Projekt startete 2006 und geht mit schnellen<br />
Schritten voran. Die Projektleitung liegt bei Wolfgang<br />
Breves, <strong>der</strong> mit seinem Team Elke Kaiser, Marco<br />
Weber, Hansjoerg Seipp, Jens Schnei<strong>der</strong>, Werner<br />
Breuer und weiterer, bereichsübergreifen<strong>der</strong> Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter ganze Arbeit leistet.<br />
Von Beginn an wurde darauf geachtet, dass „echte<br />
Betriebler“ wie beispielsweise Hans-Herrmann Gindra<br />
(ehemaliger Lotse und jetzt Anfor<strong>der</strong>ungsmanager),<br />
Oliver Wittenstein (Support Manager Technik) und<br />
Klaus Wehle (Supervisor Frankfurt) gemeinsam mit<br />
einer operativen Arbeitsgruppe die Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />
die Flugverkehrskontrolle systematisch, kritisch und<br />
Airports<br />
umfangreich eingebracht haben. Schließlich soll später<br />
alles reibungslos funktionieren!<br />
✈ Der neue Tower befindet sich an exponierten Lage<br />
des Flughafens direkt vor <strong>der</strong> Jumbowartungshalle<br />
Wie viele Puzzleteile müssen zusammengefügt werden,<br />
bis ein solches Großvorhaben zum Ziel gelangt?<br />
Innerhalb <strong>der</strong> DFS musste man sich gut organisieren,<br />
da dieses Projekt viele Bereiche tangiert. Die wichtigsten<br />
Gestalter des technischen Meisterwerks sind<br />
AIRPORTS<br />
von<br />
Daniela<br />
Franke (Text),<br />
und<br />
Elke<br />
Kaiser & DFS<br />
(Fotos)<br />
51 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
AIRPORTS<br />
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
Airports<br />
52<br />
✈ Das Projektkernteam „Neubau Tower Frankfurt“<br />
vom Geschäftsbereich Tower: von links nach rechts:<br />
Wolfgang Breves (Projektleiter), Marco Weber<br />
(Projektplanung und Koordination) und Elke Kaiser<br />
(Teilprojektleiterin)<br />
✈ Arbeitsgruppe Lotsenarbeitstische (v. links nach<br />
rechts. Marco Weber, Oliver Wittenstein, Isaly Dietrich,<br />
Elke Kaiser, Hans-Hermann Gindra, Wolfgang<br />
Breves, Wolfgang Schmidt, Jörg Knodt, Meinhard<br />
Kolata, Hartmut Sack und Markus Dartsch, <strong>der</strong> auf<br />
dem Foto fehlt.)<br />
außer den Bereichen des Geschäftsbereichs Tower<br />
beispielsweise Kolleginnen und Kollegen von Facility<br />
Management, CNS – Communications, Navigation and<br />
Surveillance und dem Systemhaus. Allein ein neuer<br />
Tower reicht nicht aus, vielmehr müssen Navigationsanlagen,<br />
Radaranlagen o<strong>der</strong> Funkstellen verlagert<br />
o<strong>der</strong> neu geschaffen werden.<br />
Arbeitsgruppe Lotsenarbeitstische (v. links nach rechts.<br />
Marco Weber, Oliver Wittenstein, Isaly Dietrich, Elke<br />
Kaiser, Hans-Hermann Gindra, Wolfgang Breves, Wolfgang<br />
Schmidt, Jörg Knodt, Meinhard Kolata, Hartmut<br />
Sack und Markus Dartsch, <strong>der</strong> auf dem Foto fehlt.)<br />
Ein Beispiel innovativer Technik sind die <strong>im</strong> Hause<br />
DFS neu entwickelten und gefertigten Lotsenarbeitstische,<br />
welche mittels Prototyping erarbeitet wurden.<br />
Im Focus aller Aktivitäten stehen die künftigen Nutzer<br />
und Nutzerinnen, denen opt<strong>im</strong>ale Funktionalitäten zur<br />
Verfügung gestellt werden sollen. Dabei wurde bei <strong>der</strong><br />
Entwicklung Wert auf mo<strong>der</strong>nste, ergonomische Technik<br />
gelegt. Dazu zählen die fl exible Einstellung <strong>der</strong><br />
Monitore, Touch-Input-Technik und ein höhenverstell-<br />
✈ Der Lotsenarbeitstisch besticht durch seine Flexibilität<br />
und seine mo<strong>der</strong>ne Technik. Hier bei einer<br />
Ausstellung <strong>im</strong> Foyer <strong>der</strong> Unternehmenszentrale<br />
✈ Der hintere Tischteil ist nur mit KVM Technologie<br />
bestückt.<br />
✈ Besprechung mit den Mitarbeitern <strong>der</strong> Werkstatt (von<br />
links nach rechts): Andreas Heller, Hartmut Sack,<br />
Meinhard Kolata, Wolfgang Breves, Marco Weber<br />
barer Arbeitsbereich. Eine fast störungsfreie Wartung<br />
wird durch „KVM (Keyboard, Video, Mouse) gewährleistet.<br />
Durch diese KVM-Lösung wird die Systemhardware<br />
nicht mehr in den Lotsenarbeitstischen<br />
eingebunden sein, son<strong>der</strong>n in die Serverräume ausgelagert.<br />
In den Lotsenarbeitstischen befi nden sich<br />
nur noch die KVM-Empfänger. Der Nutzen besteht aus<br />
weniger Geräuschentwicklung, reduzierter Wärme<br />
und mehr Platz.<br />
Die Konstruktion, Fertigung und die Inbetriebnahme<br />
<strong>der</strong> Tische erfolgt in <strong>der</strong> hauseigenen Werkstatt bei<br />
CNS/LA. Die Kollegen dort haben hervorragende<br />
Arbeit geleistet. Alle Teile <strong>der</strong> Tische werden in <strong>der</strong><br />
Werkstatt am Campus zugeschnitten, montiert und<br />
mit allen weiteren Komponenten verkabelt. Der Ein-
✈ Layout <strong>der</strong> Kanzel mit den Lotsenarbeitstischen<br />
bau <strong>der</strong> Arbeitsplätze in <strong>der</strong> Towerkanzel ist <strong>im</strong> Sommer<br />
2010 geplant.<br />
Die Kanzel ist leicht oval mit einer Größe von 100 m 2<br />
geplant. Hier entstehen elf Arbeitsplätze mit Sicht auf<br />
alle Bahnen und Rollwege. Bis zur geplanten Inbetriebnahme<br />
gibt es natürlich noch eine Menge zu tun.<br />
Wenn die Zusammenarbeit mit allen angrenzenden<br />
Abteilungen weiterhin so konstruktiv und partnerschaftlich<br />
funktioniert, wird <strong>der</strong> Tower Neubau sicher<br />
ein großer Erfolg. Dafür drückt das Redaktionsteam<br />
des „fl ugleiter“ fest die Daumen und wird weiter<br />
berichten!<br />
Landeplatz Aschaffenburg<br />
Flieger erfasst nach<br />
mißglücktem Looping Auto<br />
Es war ein spektakulärer Flugunfall mit vier Verletzten.<br />
Ein Kunstfl ieger erfasste bei einem Flugtag in<br />
Aschaffenburg/Großosthe<strong>im</strong> das Auto einer dreiköpfi<br />
gen Familie. Das Fahrwerk des Doppeldeckers wurde<br />
abgerissen und bohrte sich in den Wagen.<br />
Der spektakuläre Unfall ging für alle Beteiligten gl<strong>im</strong>pflich<br />
aus. Während das zehnjährige Mädchen <strong>im</strong> Auto<br />
mittelschwere Verletzungen erlitt, wurden die Eltern<br />
nur leicht verletzt. Der 45-jährige Pilot kam ebenfalls<br />
mit leichten Verletzungen davon.<br />
Der Unfall ereignete sich vor zahlreichen Zuschauern<br />
während des jährlichen Flugplatzfestes. Bei einem<br />
Looping kam die Kunstfl ugmaschine so tief, dass die<br />
✈ Die Mitarbeiter von CNS/LA (von links nach rechts:<br />
(Richard Stark, Wolfgang Schmidt, Roland Kaiser)<br />
Airports<br />
✈ sowie: Thomas Filipanics, Mark Klassen, Petr Hoza<br />
untere Reihe: Richard Stark, Michael Meister, Evangelos<br />
Goutsios<br />
Maschine zunächst ein Getreidefeld streifte. Dem<br />
Piloten glückte es, den Einsitzer wie<strong>der</strong> hochzuziehen.<br />
Dabei erfasste er auf <strong>der</strong> Zufahrtsstraße zum Flugplatz<br />
das Auto, in dem die beiden 46 Jahre alten Eltern mit<br />
ihrer Tochter saßen. Das Auto wurde in einen Acker<br />
geschleu<strong>der</strong>t.<br />
Das Flugzeug überschlug sich und kam auf dem Dach<br />
zum Liegen. Der aus Wiesbaden stammende Pilot<br />
konnte das Wrack nur leicht verletzt verlassen. Der<br />
Kunstfl ugdoppeldecker, Baujahr 1980, ist normalerweise<br />
in Mainz stationiert. Die Flugvorführungen wurden<br />
nach dem Unfall abgebrochen.<br />
Quelle: Aeroclub Großosthe<strong>im</strong><br />
AIRPORTS<br />
53 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
AIRPORTS<br />
von<br />
Frank<br />
Z<strong>im</strong>mermann<br />
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
Airports<br />
54<br />
✈ In 72 Metern Höhe wird ein phantastischer Arbeitsplatz für bis zu 11 Lotsen gebaut.<br />
Tower BBI –<br />
Das Herz des neuen Flughafens<br />
Wenn die Lotsinnen und Lotsen des Towers Tegel am 30.10.2011 zur<br />
Spätschicht antreten, könnten sie gegen 23 Uhr erneut an einem<br />
historischen Moment teilhaben – die letztmalige Startfreigabe für<br />
ein Flugzeug von einem reinen Berliner Flughafen. Dann würde<br />
sich ein ähnliches Szenario wie<strong>der</strong>holen, welches schon <strong>im</strong> vergangenen<br />
Jahr (30.10.2008: Schließung des Flughafen Berlin Tempelhof)<br />
stattfand – die letzte Startfreigabe von einem innerstädtischen<br />
Flughafen in Berlin.<br />
Ob die Veranstaltungsmanager <strong>der</strong> Flughafengesellschaft<br />
schon ein „Drehbuch“ für die Inbetriebnahme<br />
des Flughafens Berlin Brandenburg International (BBI)<br />
und die damit einhergehende Außerbetriebnahme des<br />
Flughafens Tegel in <strong>der</strong> Schublade haben, ist mir nicht<br />
bekannt. Aber <strong>der</strong> 30.10.2011 als Eröffnungstermin für<br />
den BBI steht fest, wie in Stein gemeißelt – so zumindest<br />
die Verantwortlichen <strong>der</strong> Flughafengesellschaft.<br />
Damit gilt auch für unser Projekt <strong>der</strong> Termin, um den<br />
sich alles dreht.<br />
Für das neue Zuhause von rund 70 Fluglotsen, Flugdatenbearbeitern,<br />
Platzkoordinatoren, Technikern /<br />
Ingenieuren und den dann noch verbliebenen administrativen<br />
Kräften (früher: Verwaltung) haben wir am<br />
23.04. in Schönefeld den Grundstein<br />
gelegt.<br />
Was zeichnet nun unseren Tower<br />
beson<strong>der</strong>s aus?<br />
Das die obligatorischen “Kisten“ unterhalb<br />
<strong>der</strong> Towerkanzel angebracht werden,<br />
ist bekannt. Gleichwohl warten<br />
wir am BBI mit einigen Premieren auf:<br />
* Neuentwicklung einer elliptischen Kanzel in den<br />
Ausmaßen 12,5m (O-W) und 11m (N-S) mit nur 4<br />
Tragstützen<br />
* Neuentwicklung <strong>der</strong> Scheiben mit kleineren Randprofi<br />
len und aussteifen<strong>der</strong> Wirkung<br />
Denn mit einer neuen Glastechnik (maßgeblich mit<br />
und für den TWR FRA entwickelt) entsteht eine Kanzel<br />
mit einem nahezu uneingeschränkten 360° Rundblick.<br />
Keine tragenden Streben werden das Sichtfeld für die<br />
beiden unabhängig arbeitenden Crews <strong>der</strong> Nord- und<br />
Südbahn beeinträchtigen.
An völlig neuen Arbeitstischen (ebenfalls eine<br />
Gemeinschaftsentwicklung mit und für Frankfurt – An<br />
dieser Stelle mal ein großes Dankeschön an die Männer<br />
und Frauen um Hans-Hermann Gindra, Wolfgang<br />
Breves und Wolfgang Schmidt) mit 6 Monitoren und<br />
neuer Bedientechnik eröffnet sich ein neues Bedienmanagement<br />
für die Controller. Mit doppelseitigen<br />
„touchpens“ können geradezu unendlich viele Menüs<br />
geöffnet werden. Sie versorgen die Lotsen mit allen<br />
Informationen, die sie für die vielseitigen Aufgaben<br />
am BBI benötigen.<br />
Wie bereits erwähnt wird es zwei Crews geben. Das<br />
„Nordteam“ kontrolliert die jetzige Piste 25/07 mit<br />
ihren Parallelrollwegen C und D. Dort grenzt später<br />
<strong>der</strong> jetzige Nordteil an, welcher dann von <strong>der</strong> Flugbereitschaft<br />
genutzt wird. Dies gilt auch für das <strong>der</strong>zeitige<br />
GAT. Das „Südteam“ ist dementsprechend für die<br />
<strong>der</strong>zeitig in Bau befi ndliche Südpiste 25L/07R, wie<br />
auch die Rollwege A und B zuständig. Beide Crews<br />
bestehen aus je zwei Lotsen, die wie<strong>der</strong>um von zwei<br />
Platzkoordinatoren unterstützt werden.<br />
Die Teams vervollständigen ein Supervisor sowie<br />
sporadisch ein Kollege für möglichen VFR- o<strong>der</strong> Son<strong>der</strong>verkehr.<br />
Zu Spitzenzeiten (z.B. ILA), können dann<br />
bis zu 11 Mitarbeiter gleichzeitig den Verkehr in BBI<br />
kontrollieren.<br />
Neu für uns am BBI wird das Advanced Surface Movement<br />
Guidance and Control System (A-SMGCS) sein:<br />
Ebenfalls zur Inbetriebnahme einsetzbar wird es einen<br />
weiteren Beitrag zur Sicherheit leisten. Auch deshalb<br />
erhält <strong>der</strong> neue Flughafen vom ersten Tag an die CAT<br />
IIIb Schlechtwetterzulassung.<br />
1 1/2 Jahre wird es dauern, diese umfangreiche Technik<br />
einzubauen. Während <strong>der</strong> Rohbau schon <strong>im</strong> November<br />
dieses Jahres fertig sein wird, ist die Baufertigstel-<br />
Airports<br />
✈ Gegenüber dem neuen Terminal entsteht<br />
Deutschlands zweithöchster DFS Tower.<br />
Nur <strong>der</strong> Düsseldorfer Kontrollturm ist noch höher.<br />
AIRPORTS<br />
55 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
AIRPORTS<br />
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
Airport<br />
56<br />
lung für September 2010 geplant. Zum 3. Quartal 2011<br />
geht <strong>der</strong> neue Tower dann ans Netz.<br />
Die ersten Lotsen werden bereits ein Jahr zuvor mit<br />
ihrem Training <strong>im</strong> Tower S<strong>im</strong>ulator (TOSIM) in Langen<br />
beginnen.<br />
Schließlich will <strong>der</strong> neue Betrieb trainiert sein. Abrollen<br />
von <strong>der</strong> Bahn, die Zuweisung <strong>der</strong> Positionen, Rollabläufe,<br />
<strong>der</strong> „Push-back“, das Ziehen <strong>der</strong> Flugzeuge von<br />
Schleppern o<strong>der</strong> <strong>der</strong> übrige Fahrzeugverkehr, sofern<br />
er das Rollfeld betrifft. Der S<strong>im</strong>ulator bot bereits in <strong>der</strong><br />
Vergangenheit enorme Hilfestellung bzw. Aufschluss<br />
über Situationen, in denen beispielsweise aufgrund<br />
verstopfter Rollwege nicht mehr alle landenden Flugzeuge<br />
abrollen konnten. Dies führte schon in <strong>der</strong><br />
Planungsphase zu notwendigen Än<strong>der</strong>ungen. In <strong>der</strong><br />
jetzigen Konfi guration <strong>der</strong> Rollwege sollten solche<br />
Situationen vermieden werden.<br />
2011 wird das Jahr <strong>der</strong> Testläufe – sowohl für den<br />
neuen Tower als auch für die neue Luftraumstruktur<br />
in und um Berlin. Fortsetzung folgt.<br />
Für die Statistiker unter uns noch<br />
einige Angaben zu den Baudetails:<br />
Bautechnische Rahmendaten<br />
* BRI (Brutto-Raum-Inhalt) rd. 16.660 m 3<br />
* BGF (Brutto-Geschoss-Fläche) rd. 4.040 m 2<br />
* Augenhöhe <strong>der</strong> Lotsen 111,30 m ü. NHN<br />
(68,70 m ü. Grund)<br />
* Turmhöhe mit Aufbauten rd. 72 m ü. Grund<br />
* Pfahlgründung des Turms 12 Bohrpfähle<br />
18 m tief, 90 cm<br />
Durchmesser<br />
* Kopfplatte <strong>der</strong> 12 Pfähle 12 m x 12 m;<br />
Höhe 1,80 m;<br />
* Betonmassen rd. 3.100 m 3<br />
entspricht<br />
8.000 t Gewicht<br />
Termine<br />
* Baubeginn Februar 2009<br />
* Fertigstellung Rohbau Oktober 2009<br />
* Fertigstellung Stahlbau Oktober 2009<br />
Turmkopf<br />
* Baufertigstellung August 2010<br />
* Ausrüstung September 2010<br />
* Beginn Transition Januar 2011<br />
* Begin Schulung Januar 2011<br />
* Inbetriebnahme 3. Q / 2011<br />
Platzkontrolle
Vom Adlerhorst zum<br />
Maulwurfshügel<br />
o<strong>der</strong>: die Suche nach<br />
einer neuen He<strong>im</strong>at!<br />
Im Rahmen einer Umstrukturierung <strong>der</strong> Zentralen Vorfeldkontrolle<br />
am Flughafen Frankfurt plant die Fraportführung erhebliche bauliche,<br />
räumliche und organisatorische Verän<strong>der</strong>ungen. Heute noch<br />
rundumblickende und vorausschauende Mitarbeiter <strong>der</strong> Verkehrszentrale<br />
disponieren ab 2012 ´blind`.<br />
Sowohl die operativen Einsatzbedingungen als auch<br />
die Arbeitsbedingungen <strong>der</strong> Positionsplaner in <strong>der</strong><br />
Abteilung FBA AF41 werden mit dem Projekt <strong>der</strong> Verortung<br />
in die Zweite Reihe grundlegend verän<strong>der</strong>t<br />
und, so die abteilungsweite Sorge, auch nachhaltig<br />
verschlechtert.<br />
Die heutige opt<strong>im</strong>ale Lage <strong>der</strong> Verkehrszentrale <strong>im</strong><br />
alten Tower an <strong>der</strong> Stirnseite oberhalb vom zentralen<br />
Terminalbereich B eröffnet den Mitarbeitern Rundumsicht<br />
auf nahezu den gesamten Standplatz -und<br />
dessen Rollwegbereich in Frankfurt/Main – ein nicht<br />
hoch genug zu schätzen<strong>der</strong> Vorteil für die Leute <strong>der</strong><br />
Positionsvergabe! Gilt es doch die knappe Ware Flugzeugstandplatz<br />
opt<strong>im</strong>al zu ´vermarkten`. Beson<strong>der</strong>s<br />
zu Verkehrsspitzen bedeuten verstopfte Parkpositionen<br />
zähfl ießenden An – und Abrollverkehr, somit<br />
auch mangelnde o<strong>der</strong> reduzierte Kapazitäten mit<br />
erheblichen Auswirkungen auf die Pünktlichkeit des<br />
Verkehrs – TIME IS MONEY!!?<br />
Fraport setzt hier an<strong>der</strong>e Akzente. Synergien und<br />
Einsparungen entstehen auf dem Reißbrett <strong>der</strong> Planer<br />
vielmehr durch die Kreation einer integrierten<br />
Airports<br />
Leitstelle für das operative Geschäft<br />
<strong>der</strong> Abteilung FLUGBETRIEB AF. Ein<br />
alter Planungshut von längst selbst<br />
verortetem Generalbevollmächtigten<br />
– eine Nummer, aus <strong>der</strong> die aktuelle<br />
Leitungsriege, auch wi<strong>der</strong> besseren<br />
Wissens, nicht mehr heraus zu fi nden bereit ist.<br />
Erkennbar wird hier ebenfalls ein mit Ansteigen <strong>der</strong><br />
Hierarchiestufe diametral gegenläufi ger Verständnisgrad<br />
für die betrieblichen Belange – vermeintliche<br />
Kosteneinsparungen werden zur pr<strong>im</strong>ären Richtschnur<br />
<strong>der</strong> Entscheidungsfi ndung.<br />
Laut aktuellem Planungsstand sitzt das neue ´Zentralorgan`<br />
dann in einem noch zu errichtenden Gebäude<br />
in einem eher boden -als luftraumnahen Geschoss in<br />
<strong>der</strong> zweiten Reihe – hinter dem ebenfalls neuen, östlichen<br />
Turm <strong>der</strong> Kollegen <strong>der</strong> Vorfeldkontrolle. Mit<br />
eben diesen bildet die Abteilung FBA AF41 Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale<br />
<strong>der</strong>zeit noch ein kongeniales<br />
Team für einen koordinierten, effi zienten und sicheren<br />
Rollverkehr zum/vom geplanten Standplatz. All dies<br />
soll nun an<strong>der</strong>s werden – Verkehrszentrale, Fluglärmstelle<br />
und Verkehrsdatenzentrale werden die neuen<br />
´matchmaker` <strong>im</strong> gemeinsamen Großraumbüro.<br />
Die positiven Effekte einer <strong>der</strong>artigen Zusammenlegung<br />
erschließen sich dem kundigen Verkehrsdisponenten<br />
jedoch nicht! Der direkte Austausch <strong>im</strong><br />
Abteilungsübergriff ist denkbar gering – Telefonate<br />
AIRPORTS<br />
57 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
AIRPORTS<br />
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
Airports<br />
58<br />
mit den Kollegen <strong>der</strong> Verkehrsdatenzentrale sind<br />
selten, dienstliche Kommunikation mit denen <strong>der</strong><br />
Fluglärmstelle bis dato unbekannt. Die Nachteile<br />
dagegen liegen auf <strong>der</strong> Hand: In allen anwesenden<br />
Abteilungen wird ständig telefoniert und insgesamt<br />
etwa ein halbes Dutzend Flugfrequenzen gleichzeitig<br />
mitgehört – babylonisches Sprachgewirr mit schrillem<br />
Geräuschpegel kann man sich hier lebhaft vorstellen<br />
– konzentriertes Arbeiten hingegen nur schwer. Um so<br />
mehr erstaunt die mangelnde Einsicht <strong>der</strong> Planungsverantwortlichen,<br />
hier wenigstens für eine räumliche<br />
Trennung zu sorgen. Dass <strong>der</strong> bereits erwähnte Standort<br />
in <strong>der</strong> zweiten Reihe, wie auch nicht <strong>im</strong> höchsten<br />
von neun geplanten Geschossen, die Sicht <strong>der</strong> Positionierer<br />
verstellt, ist augenfällig. Verkehrsbeobachtung<br />
auf Vorfeld und Positionen wird somit beinahe<br />
unmöglich, schnelle Entscheidungsfi ndung für ad hoc<br />
Positionsän<strong>der</strong>ungen ausgebremst.<br />
Die Mitarbeiter <strong>der</strong> Verkehrszentrale sind sich einig,<br />
dass wenigstens die min<strong>im</strong>alsten Voraussetzungen<br />
für einen vernünftigen, effi zienten und sicheren Positionierungsbetrieb<br />
geschaffen werden müssen und<br />
Planungsän<strong>der</strong>ungen dafür dringend berücksichtigt<br />
werden sollen. Hier geht es pr<strong>im</strong>är um die Ansiedlung<br />
<strong>im</strong> obersten, 9. Stockwerk des neuen Gebäudes, die<br />
unerlässliche Fenstersicht sowie um die Anfor<strong>der</strong>ung<br />
technischer Hilfsinstrumente – hier die Bodenlagedarstellung<br />
<strong>der</strong> Vorfeldkontrolle und eine leistungsstarke,<br />
steuerbare Kameraüberwachung <strong>der</strong> Stellplätze.<br />
Selbst bei Planungsanpassungen <strong>im</strong> gefor<strong>der</strong>ten<br />
Maß bleibt für die Mitarbeiter <strong>der</strong> Verkehrszentrale<br />
die stetig wachsende Komplexität <strong>der</strong> Aufgaben<br />
<strong>im</strong> Umfeld von Kapazitätsverlusten durch Aus- und<br />
Umbaumaßnahmen; einreise- und zollrechtlichen<br />
Best<strong>im</strong>mungen sowie unzähligen kundenspezifi schen<br />
Son<strong>der</strong>absprachen.<br />
Der geplante Umzug an verkehrsfernen Ort bedeutet<br />
eine weitere Erschwernis und unnötig steigende<br />
Belastung.<br />
Ohnehin bleibt zu erwarten, dass die räumliche Aufteilung<br />
<strong>der</strong> Organisationseinheit FBA AF41 Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale<br />
auf drei Standorte – zwei<br />
Vorfeldtower/ ein Großraumbüro – den bis dato tiefgreifenden<br />
und schnellen Informationsaustausch<br />
erheblich erschweren wird. Dafür gibt es in den Annalen<br />
<strong>der</strong> Abteilung prominente Beispiele.<br />
Nach nur rund sechs Monaten wurde <strong>im</strong> März 1989 die<br />
zwangsverordnete Trennung von Rollverkehrsführung<br />
und Positionierung wie<strong>der</strong> beendet; Mitarbeiter, die
sich eben noch auf die neugeschaffenen zwei! Dienststellen<br />
verteilen lassen mussten, bildeten wie<strong>der</strong> eine<br />
sinnstiftende Einheit. Die Erkenntnis, dass gegenseitiges<br />
Verständnis für die Arbeit des jeweils An<strong>der</strong>en<br />
essentiell wichtig für einen fl üssigen und sicheren<br />
Betriebsablauf sei, reifte, sogar bei den Entscheidungsträgern,<br />
ungewohnt zügig. Zwar blieb es bei einer<br />
räumlichen Trennung auf zwei übereinan<strong>der</strong>liegenden<br />
Ebenen <strong>im</strong> Vorfeldtower, die Mitarbeiter rotierten fortan<br />
jedoch wie<strong>der</strong> regelmäßig zwischen beiden Stockwerken<br />
– in einer Organisations – und Arbeitseinheit.<br />
Dass Geschichte sich auch in Unternehmen wie<strong>der</strong>holt,<br />
zeigt nun <strong>der</strong> abermalige Versuch des Frankfurter<br />
Flugplatzbetreibers, diese Einheit aufzubrechen<br />
und bewiesene kompetente Vernetzung von Wissen<br />
ohne Not aufzugeben. Im Rahmen <strong>der</strong> Evaluierung<br />
einer geplanten Verortung <strong>der</strong> Vorfeldkontrolle gab<br />
es durchaus Möglichkeiten zum Erhalt <strong>der</strong> räumlichen<br />
Nähe von Vorfeldkontrolleuren und Disponenten –<br />
unter <strong>der</strong> neuen Vorfeldkontrolle West. Dort siedelt<br />
jetzt jedoch die Spezies Premiumkunde <strong>der</strong> Kranichfl<br />
ieger in einer sogenannten Towerlounge mit exzellentem<br />
Blick auf Standplätze, Rollwege, Start- und<br />
Landebahnsystem. Nur fl iegen ist schöner!<br />
Pauli Grabowski<br />
Airports<br />
AIRPORTS<br />
59 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
Airbus A 300-600 –<br />
ein Flugzeug für Piloten<br />
Meine Zeit auf dem „Bus“ wäre beinahe zu Ende gewesen, noch<br />
bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Die Flottenplanung<br />
bei Hapag-Lloyd sah seit 1996 den Verkauf aller Airbus A 310 vor.<br />
Da <strong>der</strong> Flieger <strong>im</strong> Alltag aber so praktisch war, verschob sich dieser<br />
Termin von einem Sommerfl ugplan zum nächsten. Bis ins Jahr<br />
2005, da sollten <strong>im</strong> März endgültig alle Flugzeuge verkauft sein.<br />
Völlig unverhofft erfolgte <strong>im</strong> Herbst 2004 noch eine Ausschreibung<br />
zur Umschulung auf A 310. Gemeinsam mit fünf Kollegen begann<br />
ich <strong>im</strong> November mit dem Theorie-Unterricht. Nachdem das Type-<br />
Rating zur Hälfte hinter uns lag, wurden wir sechs letzten Mohikaner<br />
ebenfalls sehr unverhofft vom Chefpiloten aufgefor<strong>der</strong>t, doch<br />
bitte die Umschulung abzubrechen, Begründung siehe oben. Wir<br />
ließen uns nicht „überzeugen“ und beendeten unser Rating. Die<br />
Musterberechtigung gilt sowohl für A 310 als auch für den A 300-<br />
600, und so sind für mich am Ende doch noch vier Jahre „drei-zehn“<br />
und „dreihun<strong>der</strong>ter“ mit zweitausend Flugstunden bei Hapag-Lloyd,<br />
Air Transat, Swiss und Lufthansa zustande gekommen.<br />
Auf ein Jahr „Bus“ bei Hapag-Lloyd folgten fünf<br />
Wochen in Kanada, wo wir <strong>im</strong> Auftrag von Air Transat<br />
von Montreal aus in die Karibik und nach Mittelamerika<br />
fl ogen. Dann ging’s wie<strong>der</strong> zurück zu Hapag,<br />
um kurz darauf ein halbes Jahr lang für die Swiss mit<br />
A 300-600 nach Afrika zu fl iegen. Danach war tatsächlich<br />
die Ära Airbus bei Hapag-Lloyd zu Ende und es<br />
„drohte“ die Umschulung auf Boeing 737. Rettung<br />
in <strong>der</strong> Not kam von <strong>der</strong> Lufthansa, die A 300-Piloten<br />
zur Überbrückung eines personellen Engpasses benö-<br />
Airplanes<br />
tigte. Auch bei Lufthansa hätte <strong>der</strong><br />
A 300 eigentlich schon seit Jahren aus<br />
dem Flugzeugpark verschwunden sein<br />
sollen, aber auch dort war er einfach<br />
zu vielseitig, um auf ihn zu verzichten.<br />
Aus dem kurzfristigen Engpass wurden<br />
zwei sehr schöne Jahre mit dem<br />
Kranich am Leitwerk. Wir fünf Leiharbeiter<br />
von „<strong>der</strong> Hapag“ wurden herzlich<br />
von <strong>der</strong> „Space-Cowboy“-Flotte<br />
empfangen. Bereits nach wenigen Flügen<br />
war uns klar: Die Vorurteile gegen<br />
Lufthansa-Piloten, von wegen Erbsenzähler<br />
und Fliegen-neu-erfi nden, sind<br />
auf dem „drei-null-sechser“ völlig<br />
unbegründet!<br />
Der A 300-600 bewies seine Fähigkeiten<br />
bei Schnee, Eis und Kälte, bei glühen<strong>der</strong><br />
Hitze, Sandstürmen und sintfl utartigen Regenfällen.<br />
Und das ganze auf Strecken, für die dieses Flugzeug<br />
eigentlich nicht gebaut war, <strong>im</strong> Wettbewerb mit einer<br />
neuen Generation von Flugzeugen. Denn eines geben<br />
selbst eingefl eischte A 300-Liebhaber (wi<strong>der</strong>strebend)<br />
zu: Das Flugzeug, zu seiner Zeit zweifellos revolutionär,<br />
war nicht mehr so ganz auf dem neuesten<br />
Stand <strong>der</strong> Technik. Der Erstfl ug <strong>der</strong> Ur-Version A 300<br />
B2 fand 1972 statt, <strong>der</strong> letzte Flieger (ein Frachter mit<br />
AIRPLANES<br />
von<br />
Rudi<br />
Rödig<br />
61 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
AIRPLANES<br />
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
Airplanes<br />
62<br />
<strong>der</strong> Typenbezeichnung A 300 F4-600 R) wurde 2007<br />
ausgeliefert. In dieser Zeit hat die Firma Airbus – um<br />
es positiv zu formulieren – weitgehend an Bewährtem<br />
festgehalten.<br />
Im Cockpit blickte man auf einen Uhrenladen, künstlicher<br />
Horizont und Navigations-Display waren zwar<br />
schon „elektrisch“; aber <strong>im</strong> Mäuse-Kino-<strong>Format</strong>, und<br />
das FMS war langsam, umständlich zu programmieren<br />
und überraschte gerne mit gallisch angehauchten<br />
Meldungen, die von Germanen nur schwer nachzuvollziehen<br />
waren („BUTTON PUSH IGNORED“) – 300er-<br />
Piloten wissen, was gemeint ist.<br />
Dafür tat <strong>der</strong> 300er noch genau das, was <strong>der</strong> Pilot per<br />
Steuerausschlag von ihm verlangte – ohne wenn und<br />
aber. Mit einer Envelope Protection, die ihren Namen<br />
zu Recht trug und nicht schon <strong>im</strong> Normalbetrieb die<br />
Ru<strong>der</strong>ausschläge auf die Hälfte reduzierte. Und er<br />
hatte Power, und zwar <strong>im</strong> Überfl uss. Auf den Inlands-<br />
Rennstrecken Hamburg, München und Berlin konnte<br />
man Steigraten erreichen, die so manchen Controller<br />
in Verlegenheit brachten. Kurzum, ein Flugzeug für<br />
Piloten.<br />
Den Abschied des „drei-null-sechs“ bei Lufthansa<br />
Anfang Juli 2009 habe ich nicht mehr selbst miterlebt.<br />
Allen Berichten zufolge war es ein dem Flugzeug<br />
angemessenes Ereignis!<br />
✈ Ein seltenes Stück:<br />
Der Kontrollstreifen<br />
des Abschiedsflugs!<br />
Ganz zum Schluss eine kleine Anekdote, die sich zwar<br />
auf ein vor langer Zeit ausgemustertes Militärfl ugzeug<br />
bezieht, das Verhältnis <strong>der</strong> meisten 300er Piloten zu<br />
ihrem Airbus aber sehr schön beschreibt.<br />
Der für die Flottenplanung zuständige Offi zier wurde<br />
von einem Piloten gefragt, warum das beliebte Flugzeug<br />
denn ausgemustert werden müsste.<br />
Er sagte:<br />
„Die Maschine wiegt zu viel, trinkt zu viel<br />
und kostet zu viel.“<br />
Darauf erwi<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Pilot:<br />
„Herr General, sie haben gerade<br />
meine Frau be schrieben.<br />
Und trotzdem liebe ich sie von ganzem Herzen!“<br />
Wer sich für genauer für das Type-Rating und die Airbus-Erlebnisse<br />
interessiert, kann das alles und vieles<br />
mehr in dem Buch „H<strong>im</strong>mel, Arsch und Zwirn“, erschienen<br />
<strong>im</strong> Düsendruck Verlag, ausführlich nachlesen.<br />
Wie Lotsen den A300 und die Space<br />
Cowboys in Erinnerung haben:<br />
Die A300 Leute waren halt Klasse, weil sie fast alles<br />
mitgemacht gemacht haben, high speed und swingover<br />
very short fi nal usw. Von denen kam fast <strong>im</strong>mer<br />
so´n Spruch wie: äh TWR, by the way we are able for<br />
swing over any t<strong>im</strong>e. Ready an <strong>der</strong> RWY waren sei
sowieso <strong>im</strong>mer. Legendären Ruf hatte bei uns Kapitän<br />
„Sch“. Den hat man schon <strong>im</strong>mer an <strong>der</strong> St<strong>im</strong>me<br />
erkannt. 500m vor <strong>der</strong> RWY hat er als Nr. 2 schon <strong>im</strong>mer<br />
gesagt: Ready for visual Dep behind. Nachdem wir<br />
uns das ein paar mal angegeuckt hatten, wussten<br />
wir wie das noch zu toppen ist. Der erste hat cleared<br />
for take-off bekommen und Herr Sch gleich danach:<br />
Behind departing cleared for take-off. Es hatten somit<br />
2 LFZ gleichzeitig Startfreigabe von RWY 18, was<br />
ansonsten unüblich ist. Es ging aber darum Kapitän<br />
Sch seine Freiheiten zu lassen, die er dann auch zu<br />
unserer Freude redlich genutzt hat. Der hat dann<br />
schon die Gase reingeschoben, wenn <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>mann<br />
mal gerade das Bugrad in <strong>der</strong> Luft hatte. Und egal wie<br />
lahm <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>mann war, er hat´s <strong>im</strong>mer geschafft<br />
dahinter zu bleiben.<br />
Airplanes<br />
Es wird auch erzählt, dass er seine COs ordentlich ran<br />
genommen hat nach dem Motto: Be<strong>im</strong> line-up hat die<br />
Hand am Gas zu bleiben und wenn <strong>der</strong> TWR zum cleared<br />
for Take off auch nur ansetzt, haben die Hebel<br />
schon be<strong>im</strong> Callsign bis zum Anschlag nach vorne zu<br />
fl iegen.<br />
Be<strong>im</strong> Landen waren die Jungs auch eine große Hilfe.<br />
Wir warten mit Südbahnlandungen mit den Kreuzen<br />
<strong>im</strong>mer, bis die Nordbahnlandung auf taxi speed runter<br />
ist, dann wird auch schon während des ausrollens<br />
gekreuzt. Herr Sch hat <strong>im</strong>mer noch einen drauf<br />
gesetzt. Der hat bei RWY 07L schon <strong>im</strong> short fi nal über<br />
<strong>der</strong> RWY18 die wartenden Kollegen in TWY G gesehen<br />
und schon über <strong>der</strong> 18 gesagt: TWR we are vacating 7L<br />
via TWY M. Sollte für uns heissen: Kannst je<strong>der</strong>zeit in<br />
TWY G die 7L kreuzen. Das haben wir dann aber doch<br />
nicht ganz mit gemacht und noch etwas gewartet.<br />
Als die A300er noch Nachtpost gefl ogen haben, haben<br />
sie auch gerne einen max rate of cl<strong>im</strong>b after lift of<br />
requested, Wir haben dann schon mal einen höheren<br />
level von APP geholt und die haben dann die Gelegenheit<br />
genutzt und sind so richtig steil in den H<strong>im</strong>mel<br />
geschossen.<br />
Als DLH die Daumenschrauben etwas angezogen hatte,<br />
und vermehrt ein Auge auf die ACFT-Konfi gurationen<br />
gelegt hat, sind die A300er nach unserem Eindruck<br />
etwas ruhiger geworden. Es wurde irgendwann wohl<br />
auch vermehrt Ausbildung darauf gemacht. Trotzdem<br />
waren sie mit Abstand die Besten, weil sie am meisten<br />
mitgedacht haben und mit ihrem Flieger <strong>im</strong> Vergleich<br />
zu den an<strong>der</strong>en Computern mit Flügeln wohl auch<br />
am meisten veranstalten konnten. Gnadenlos überpowered<br />
waren sie ja allemal. Die wussten auch zu<br />
je<strong>der</strong> intersection, ob sie sie zum Start nehmen können,<br />
wenn sie gefragt wurden. Viele an<strong>der</strong>e müssen<br />
AIRPLANES<br />
63 <strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04
AIRPLANES<br />
<strong>der</strong> fl ugleiter 2009/04<br />
Airplanes<br />
64<br />
dann erst anfangen zu rechnen. Wenn sie kurzfristig<br />
eine an<strong>der</strong>e Startbahn zugewiesen bekamen, waren<br />
sie auch dafür schon ready, wenn sie noch gar nicht<br />
da waren.<br />
Wenn mich einer nach einem Synoym für DLH A300<br />
fragt würde ich spontan antworten: Always Ready<br />
o<strong>der</strong> auch: Yes we can.<br />
(Jörg Biermann, TWR FRA)<br />
Hatte als Düsseldorfer nicht oft 300er zu Gast, aber<br />
ich schließe mich allem, was Jogi gesagt hat, an. Bei<br />
denen merkte man deutlich, dass es kein Ausbildungsmuster<br />
war und die Jungs sich als Gallisches<br />
Dorf <strong>der</strong> Lufthansa sahen. Ähnliche Allüren gibts übrigens<br />
auch bei <strong>der</strong> Düsseldorfer Bobby-Blase (ein paar<br />
737-Crews, die in Düsseldorf stationiert sind). Die<br />
denken auch mehr mit als <strong>der</strong> Durchschnittspilot, und<br />
man erkennt auch viele an <strong>der</strong> St<strong>im</strong>me.<br />
(Alexan<strong>der</strong> Schwassmann)<br />
Ich (Ronald, FRA) erinnere mich da an einen Request.<br />
Wir hatten 07 in use und <strong>der</strong> Kapitän meinte „We<br />
are able to swing, even inside the „Baggersee“. Ich<br />
glaube, den Namen kennt je<strong>der</strong>. Er konnte bei jedem<br />
Wetter und <strong>im</strong>mer „visual hinterhertoben“ Für Nicht-<br />
Frankfurter: Der Baggersee liegt <strong>im</strong> short fi nal RWY 07<br />
(ca. 1,5 NM) gleich hinter <strong>der</strong> A67 südl. Kelsterbach.<br />
Es handelte sich natürlich um Kapitän Sch.<br />
Cpt. Alex Buchholz, mit<br />
zahlreichen Artikeln<br />
<strong>im</strong> „fl ugleiter“ vertreten<br />
und sein Team.<br />
Er schreibt: „Mein gefl ügelter Arbeitsplatz <strong>der</strong><br />
letzten 11 Jahre ist seit 30.6. weg.<br />
Mich wird man wie<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Boeing 737 sehen.<br />
Also ein Wechsel:<br />
Langstrecke- nein danke. Macht mich fertig.<br />
Elektronikwun<strong>der</strong> fl iegen- nein danke.<br />
Also 737 und das ist gut so!<br />
Die A300 Piloten haben in Privatinitiative zum<br />
Abschied ihres Fliegers Aufkleber, Anstecknadeln<br />
und Krawattennadeln fertigen lassen. Sie<br />
werden zum „no Profi t-Preis“ verkauft und mit<br />
jeweils einem EUR als Spende belegt. Diese<br />
geht 50/50 an 1. „Die Lebensgemeinschaft“<br />
und 2. an „Afrikaprojekt Schales“.<br />
Die Piloten verabschieden ihr treues Arbeitsgerät<br />
mit feuchten Augen. Die gute St<strong>im</strong>mung<br />
auf <strong>der</strong> Flotte war sprichwörtlich, gleichermassen<br />
unter den Piloten wie auch den Flugbegleitern,<br />
die hier eingesetzt waren.<br />
Auch die Lotsen wussten, dass die A300-<br />
Piloten eine „beson<strong>der</strong>e“ Truppe waren... Wir<br />
verabschieden uns auch von Euch mit besten<br />
Erinnerungen!<br />
Pins, Krawattennadeln und Aufkleber können<br />
bestellt werden bei: sebastian.zieren@gmx.de