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Gruß Ausgabe 123 - Großheppacher Schwesternschaft

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„Spuren und Zeichen“ – Der Künstler Rolf Nikel zu Gast imUnterricht der Evang. FachschuleWolfgang Kienle„Die Entwicklung der Kinderzeichnung“ istein thematischer Schwerpunkt im Unterkurs.Hierzu ein paar Worte:Kinder beginnen mit ca. 2 Jahren mit demsog. „Kritzeln“. Das Kritzeln ist körperbetont,rein motorisch und hat mit der sog. „Kinderzeichnung“noch nichts zu tun. Es handelt sichzunächst nur um sichtbar gemachte, festgehalteneBewegungsspuren, die sich innerhalbeines Jahres immer weiter verfeinern – vonder Grobmotorik zur Feinmotorik. Ab dem drittenLebensjahr hat das Kind mit der Hand einegewisse Feinmotorik erübt und damit handwerklicheVoraussetzungen für das Anfertigeneiner Kinderzeichnung erlangt. Aus denanfangs rein körperbetonten Bewegungsspurenwerden schließlich geistige Spuren in derGestalt von „Zeichen“. Die Kinderzeichnungist eine Zeichensprache. Das Kind zeichnet,was es weiß und was es denkt. Die sog. Kinderzeichnungbeginnt genau dann, wenn umdas dritte Lebensjahr aus dem rotierenden20 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>Knäulkritzel letztlich eine einfache, geschlosseneUmrisslinie wird. Genau dann kapseltsich eine eigenständige „Form“ ab, die ein„Ding“ zu repräsentieren vermag. Aus diesemrundlichen Ding – aus dieser Urzelle –können schließlich sehr unterschiedliche,gegenständliche Dinge hervorgehen: ein Ball,eine Sonne, ein Mensch (den wir Erwachseneanfangs Kopffüßler nennen).Zeichnen mit den FüßenDer Gastkünstler Rolf Nikel:Sein Interesse gehört dem Thema „Spurenund Zeichen“. Er arbeitet bevorzugt im XXL-Großformat und gestaltet ganze Raumkomplexe.Er hat einen Lehrauftrag an der HallerAkademie der Künste und war bereits Gastkünstlerbei der Documenta in Kassel.Rolf Nikel interessiert sich für ganz unmittelbare,authentische Spuren. Deshalb entstehenviele seiner Bilder oft mit dem Fuß.Als Erwachsener vermeidet er damit Automatismender eingeübten, geschulten Schreibhand.Er steht mit nackten Füßen auf demBoden, mitten in der Leinwand und „ist damitim Bilde“. Seine Zehen umfassen ein StückZeichenkohle. Der Blick geht senkrecht nachunten. Sein nichtzeichnender zweiter Fußassistiert dem ersten und hilft, mit unzähligenkleinen Zwischenschritten einen Impulsvorzubereiten. Es geht dabei ständig darum,den richtigen „Standpunkt“ zu finden und dasGleichgewicht zu halten. Diese Art des Zeichnensverlangt äußerste Konzentration und diePräsenz und Wachheit des ganzen Körpers.Der Künstler im Unterricht:Die praktische Gestaltungsaufgabe für dieKlasse lautete: mit einem Zeichenfuß undeiner Zeichenkohle zeichnerisch einen TischZeichenfuß und Zeichenkohlezu decken. Rolf Nikel führte in das Thema unddie Besonderheit der Technik ein und gabdiverse Starthilfen.Verschiedene Ziele wurden mit dieserungewöhnlichen Aufgabe verknüpft:Die Schüler konnten „schrittweise“ den Entstehungsprozessverfolgen, wie aus SpurenZeichen werden und wie sinnhafte Zeichengeistige Schritte anregen und zwischenmenschlicheDialoge ermöglichen. DerSpuren-Weg der Füße, der unzählige Standortwechselerfordert, ist durch viele kleineUnterbrechungen gekennzeichnet. Undgerade diese unscheinbaren, kleinen Pausenwerden in dieser Technik zu Denkpausen undletztlich zur Quelle von Flexibilität, Inspirationund Kreativität. Ganz nebenbei konnten dieSchüler in gewisser Weise nachvollziehen,wie anstrengend es für Dreijährige sein kann,mit ungeübten, körperlichen Bewegungeneigene Ideen auf dem Papier zu organisieren.Die Schüler arbeiteten beim zeichnerischenTischdecken in kleinen Gruppen und übtenpraxisnah Soziales Lernen im Rahmen einerGemeinschaftsaufgabe. Schließlich entstand,wie bei Drei- und Vierjährigen, ganzvon alleine ein sogenanntes „Streubild“, dasdie erste Stufe räumlicher Ordnung in frühenKinderzeichnungen veranschaulichte.Zum Abschluss der Unterrichtseinheit gabRolf Nikel einen Einblick in sein eigenes künstlerischesWerk im Rahmen einer Beamerpräsentation.Viel Verständnis und Interesse fürsein Schaffen ergab sich aus den verschiedenen,vorausgegangenen Selbsterfahrungen.Wolfgang Kienle, Fachbereich Bildung undEntwicklung fördern (BEF II)„Einen letzten, vielleicht naiven Wunsch habe ich für die Schulgebäude unserer Enkelkinder:sie sollen schön sein. … Räume sprechen, Räume bilden Menschen, ihre Erwartungen undihre Lebenssichten. Man könnte von den Schulgebäuden unserer Kinder erwarten dürfen,dass sie nicht weniger erzählen, nicht weniger Aussagekraft haben als die Banken und dieBahnhöfe. Rein funktionalistische Gebäude und Einrichtungen lehren funktionieren, mehrnicht. … Die Schönheit unserer Schulen verlocken zum Leben in ihr und zu ihrem Geist. Undumgekehrt: in hässlichen Schulen lebt und lernt man widerwillig.“ (195)<strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 21

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