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Gruß Ausgabe 123 - Großheppacher Schwesternschaft

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gesellschaftlichen Bedingungen. Wir müssendaher immer wieder neu danach fragen,was die Bibel uns heute für unser Handelnund unser Zusammenleben, im privaten wieim öffentlichen Leben, sagen kann. Zwei Beispieledazu:• In der Bibel finden wir das Verbot, Blut zuessen. Dieses Verbot zählt zu jenen altenSpeisevorschriften Israels, die in derApostelgeschichte auch für die christlichenGemeinden ausdrücklich beibehaltenwurden. Im Laufe der Kirchengeschichtehat man diese Vorschrift aberaufgegeben. Heute essen Christen in allerRegel – und mit Genuss – Schwarzwurst,Rumpsteak oder Zwiebelrostbraten.• Im Juni veröffentlichte die EvangelischeKirche in Deutschland (EKD) eineOrientierungshilfe dazu, wie „Familie“aus kirchlicher Sicht unter den heutigenLebensumständen und Lebensformenangemessen verstanden und gelebt werdenkann. 4 Der Text hat eine heftige Diskussionausgelöst, deren Ausgang heutenoch offen ist. Das traditionelle Familienbildwackelt.Die beiden Beispiele – und weitere ließensich finden – machen auf einen Grundzugchristlichen Lebens aufmerksam: Die Frage,wie christliches Leben überzeugend undangemessen gestaltet werden kann, mussimmer wieder neu gestellt werden. Immerwieder neu muss um angemessene Antwortenauf diese Frage gerungen werden. DemBeispiel Jesu gemäß zu leben, verlangt nichtnach bloßer Nachahmung, sondern nachNachfolge. 54 8 | <strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong>Vom Nachahmen zur NachfolgeWorin liegt der Unterschied? Wer nachahmt,orientiert sich nicht an eigenen Einsichten,sondern an dem, was andere vorgeben. –Jesus Christus will mehr. Er ruft uns Menschenauf einen Weg der Liebe, der mehrverlangt als bloßen religiösen Gehorsam.Hier ist der Einzelne dazu herausgefordert,immer wieder über sich selbst hinauszugehen– so wie Jesus es uns vorgelebt hat.Nachfolge bedeutet, am Vorbild Jesu Maßzu nehmen, immer wieder neu danach zu fragen,wie sein Beispiel in der heutigen Situationüberzeugend und authentisch gelebtwerden kann. Christliche Ethik ist lebendigeNachfolge, nicht einfach ein bestimmterKatalog moralischer Forderungen. Dahersind Christen niemals „Kopien“ oder „billigeAbziehbilder“, sondern stets „Originale“:Originale, die Jesus als moralisches Vorbildbegreifen, bei ihrer Urteilsbildung anseiner Person Maß nehmen und – bei allerUnzulänglichkeit – sein Vorbild eigenständigumsetzen.Gelingen kann das nur, wenn Glaube undBildung zusammengehören. Ein Glaube, derauf Bildung verzichten wollte, wäre bloßeNachahmung, die bloße Bindung an Konvention,an Überlieferung oder an höhereMächte. Zwar lernt jeder Mensch die erstenethischen Regeln von klein auf durchNachahmung – daher sollten sich Erzieheroder Erzieherinnen immer bewusst bleiben,dass sie als Modell auf die Kinder wirken!–, der Mensch darf aber in seiner moralischenEntwicklung nicht dabei stehenbleiben.In der Werterziehung kommt es daraufZwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken. Eine Orientierungshilfe des Ratesder Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland herausgegebenvom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 2013.Zum Folgenden vgl. Dieter Witschen: Nicht Nachahmung, sondern Nachfolge. Kants Reflexionen zum ethischen Exempel, in:Zeitschrift für Katholische Theologie (2008), S. 323 – 333; vgl. hierzu auch: Axel Bernd Kunze: Aufruf zur Nachfolge, nicht zurNachahmung, in: Marianne Heimbach-Steins/Georg Steins (Hgg.) in Verbindung mit Alexander Filipovic und Kerstin Rödiger:Bibelhermeneutik und Christliche Sozialethik, Stuttgart 2012, S. 134 – 153.5 an, den Einzelnen herauszufordern, über dieeigenen Entscheidungen nachzudenken,diese zu reflektieren und so die Fähigkeitzur eigenständigen sittlichen Urteilsbildungzunehmend weiter zu entwickeln. Nur dannwird der Einzelne auch in neuen, noch vollkommenunbekannten Situationen sittlichverantwortlich entscheiden können.Wir sind von Anfang an auf EntwicklungangelegtAus christlicher Sicht glauben wir, dass derMensch von Gott dazu geschaffen wordenist, seine Freiheit, seine Vernunft und seinenSprachgebrauch zunehmend zu kultivierenund zu verfeinern. Im Unterkurs der Fachschulausbildungnimmt beispielsweise dasThema Sprachförderung breiten Raum ein.Dies ist ein Bildungs-, Erziehungs- und Entwicklungsprozess,der von klein auf begleitetund unterstützt werden muss. Und hier habendie Erzieherinnen und Erzieher eine ganzwichtige und entscheidende Aufgabe. Siekönnen nicht entscheiden, wie die Kinder undJugendlichen, die ihnen anvertraut sind, späterleben, denken und handeln werden. Abersie werden den späteren Weg der Kinder undJugendlichen beeinflussen durch das, was sieihnen durch ihr eigenes Vorbild und durch ihreerzieherische Praxis mit auf den Lebensweggeben – oder eben auch nicht.Dies gilt auch in religiöser Hinsicht. Auchreligiöse Sprachfähigkeit muss sich entwickelnund muss pädagogisch gefördert werden,ebenfalls von klein auf. Ohne Bildung wird diesnicht gelingen. Sich der Frage nach Gott undnach dem Sinn unseres Lebens zu stellen, wirdnur demjenigen gelingen, der der Aufgabe –und auch der Anstrengung! – der Bildung nichtausweicht. Religion bedarf daher der Bildung.Wie aber sieht es umgekehrt aus?2. Braucht Bildung Religion?In einer pluralen Gesellschaft stehen verschiedenereligiöse Bekenntnisse nebeneinander.Der Einzelne ist dabei herausgefordert, einepersönliche Entscheidung zu treffen. ReligiöseBildung ist aus zwei Gründen wichtig:• Wenn Lebensverhältnisse unübersichtlich,brüchig oder riskant werden, stelltsich uns auch die Sinnfrage immer wiederneu. Wer nicht gelernt hat, sich inder angebotenen Vielfalt von Lebenskonzepten,Wertorientierungen und Sinnangebotenfür das Mögliche und Passendezu entscheiden, über den wird sehr leichtentschieden – aber eben von anderen.• Unser Zusammenleben braucht auch dieVerpflichtung auf bestimmte soziale Tugendenund Rahmenbedingungen. Bürgersinnund öffentliche Moral stehen uns nicht einfachals selbstverständliche Ressource zurVerfügung. Staat und Gesellschaft werdenauch unter der Bedingung gesellschaftlicherPluralität weiterhin religiös beeinflusst,das ist nicht zu übersehen.Religiöse Sprachfähigkeit und interkulturellesVerstehenReligiöse Bildung ist erzieherisch zunächstvom Einzelnen her zu denken. Von umfassenderPersönlichkeitsbildung kann nur danngesprochen werden, wenn der Einzelne auchin der Lage ist, sich selbst und die Welt, die ihnumgibt, mit Bezug auf religiöse Sprachformenwahrzunehmen und zu beurteilen. ReligiöseLernprozesse gehören unverzichtbar zum allgemeinenBildungsauftrag dazu, unabhängigob der Einzelne selbst gläubig ist oder nicht.Die Befähigung, über Religion reden undreflektieren zu können, bleibt für jeden wichtig.6 Wir könnten sonst ein Erziehungskonzeptwie das von Maria Montessori, das in starkem6Vgl. Bernhard Dressler: Religiöse Bildung und Schule, in: Handbuch Interreligiöses Lernen, Gütersloh 2005, S. 85 – 100, hier:92 – 95.<strong>Großheppacher</strong> <strong>Schwesternschaft</strong> | 9

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