Leser - Golf Dornseif
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Verleumder Roy betreibt Schwulenhetze<br />
Nun zeichneten sich die Fronten immer deutlicher ab im Kleinkrieg der Kolonialherren: Gouverneur<br />
von Rechenberg wollte weitblickend die private Landwirtschaft der Eingeborenen intensiv fördern,<br />
parallel dazu eine gemischt europäisch-indische Gesellschaftsordnung Gewerbetreibender. Rechenberg<br />
lehnt alle Bestrebungen zum Anlocken neuer Siedlerscharen aus Deutschland ab, weil eine<br />
„derartige Flut früher oder später Aufstände der Eingeborenen provozieren würde, die (zu Recht) dann<br />
um ihren Grundbesitz fürchten müssten“.<br />
Der Gouverneur präsentierte sein Niveau als umfassend gebildeter Mann: er beherrschte fließend die<br />
Sprachen Arabisch, Swaheli, Englisch, Französisch sowie indische Dialekte und schätzte die Kultur<br />
der indischen Kaufleute voller Respekt.<br />
Unterdessen schlug die Deutsch-Ostafrikanische Zeitung einen scharfen „Ausbeuterkurs“ ein im Sinn<br />
der Plantagenbesitzer, um sich in diesen Kreisen beliebt zu machen. Roy erklärte öffentlich, der Herr<br />
Gouverneur sei extrem „negrophil“ (negerfreundlich) eingestellt, um dessen Ruf zu schädigen. Es gab<br />
seinerzeit keine Pressegesetze, die dem Gouverneur ermöglicht hätten gegen Roy vorzugehen.<br />
In dieser Zwangslage gründete Rechenberg ein Konkurrenzblatt, die DEUTSCH-OSTAFRIKANISCHE<br />
RUNDSCHAU im August 1908. Prompt boykottierten die Pflanzer das neue Organ des Gouvernements,<br />
unterstützt durch Roy. Die Gemüter erhitzten dramatisch, und Roy ließ sich dazu hinreißen<br />
in der eigenen Zeitung die ungeheuerliche Behauptung bzw. Verleumdung zu kolportieren, Gouverneur<br />
von Rechenberg und mehrere seiner hochrangigen Beamten „seien homosexuell veranlagt und<br />
hätten sich untereinander sowie mit Eingeborenen auf sexuelle Beziehungen eingelassen“.<br />
Ein Beleidigungsprozess in mehreren Instanzen war die Folge. Roy wurde zu einer mehrmonatigen<br />
Haftstrafe verurteilt, musste sofort die Kolonie verlassen und nach Berlin heimkehren. Kaiser Wilhelm<br />
II. ließ Gnade vor Recht ergehen und verkürzte die Festungshaft teilweise, da Roy einflussreiche<br />
Hintermänner in der Umgebung des Monarchen zu nutzen verstand.<br />
Roy gab nicht auf und lenkte fortan die Geschicke der DOAZ aus der Ferne mit Hilfe des<br />
angesehenen Publizisten Dr. Zintgraff, der die Deutsch-Ostafrikanische Zeitungs-GmbH mit W.<br />
Vollmer als Vorsitzender des Aufsichtsrats ins Leben rief. Vollmer war nebenbei Vorsitzender des<br />
Deutsch-Nationalen Kolonialvereins, einer rechtskonservativen Gruppierung. Im Dezember 1912<br />
stellte das Organ DOAR sein Erscheinen ein mangels Käufern. Der Gouverneur nahm bereits im<br />
Oktober 1911 zermürbt seinen Abschied, weil er vor der Pflanzer Lobby kapitulieren musste.<br />
Nachfolger wurde Dr. Heinrich Schnee.<br />
Die Plantagenbesitzer höhnten weiter gegenüber allen Einflüssen zur humanen Behandlung der<br />
Eingeborenen und erfanden die Spottbezeichnung HOSEN-NEGER für Missionsschüler mit<br />
Abschlussprüfung sowie LENDENSCHURZ-NEGER für die Masse der farbigen Analphabeten, die<br />
sich vor der Arbeit auf den Pflanzungen drücken wollten. Der Zorn der Pflanzet richtete sich überdies<br />
gegen alle indischen Kaufleute. In einem Flugblatt mit dem Titel DER RUIN DES SCHWARZEN hieß<br />
es unter anderem: