Leser - Golf Dornseif

Der Kriegsausbruch lähmte die Kolonialpresse
Nachdem am 28. Juni 1914 der österreichisch-ungarische Thronfolger in Sarajevo ermordet worden
war und den (willkommenen) Anlass zum Beginn des Ersten Weltkriegs bot, elektrisierte dieses
Ereignis blitzartig auch die Menschen in den Kolonien Anschaulich hat Margarethe von Eckenbrecher
jene „Atmosphäre“ geschildert, als sie sich damals zufällig in Windhuk beim Redakteur Rudolf Kindt
aufhielt, der die Zeitung SÜDWEST herausbrachte.
„Ein Kaffer kam atemlos schwitzend mit einem druckfeuchten Zettel in der Hand ins Zimmer gestürzt.
Es war der Korrekturbogen des ersten Extrablatts. Inhalt: Das durch Funkspruch über Kamina (Togo)
vermittelte österreichische Ultimatum an Serbien. Nie in meinem Leben werde ich diesen Augenblick
vergessen…
Die Redaktionen der Zeitungen SÜDWEST und SÜDWEST BOTE wurden vom Publikum wegen
aktueller Nachrichten förmlich gestürmt und machten eine vernünftige journalistische Tätigkeit nahezu
unmöglich. Unter solchen Umständen verständigte man sich auf folgendes Arrangement:
Es stiegen auf dem Dach der beiden Gebäude, in denen die Zeitungen gedruckt wurden, jedesmal
eine gelbe Flagge für das SÜDWEST Blatt und eine grüne für den BOTEN an den Fahnenmasten
hoch. Die benachbarte Brauerei Felsenkeller mit ihren Dampfmaschinen ließ drei lang gezogene Pfiffe
in kurzen Abständen ertönen, um das Eintreffen weiterer Nachrichten in den Pressehäusern anzukündigen“.
Am 2. August 1914 konnte ein Telegramm des Reichskolonialamts aufgefangen werden mit der
beruhigenden Information, dass „die deutschen Kolonien außer Kriegsgefahr“ seien. Über Kamina war
am 5. August die Kriegserklärung des britischen Königreichs zu erfahren, und am 8. August befahl das
Gouvernement die Allgemeine Mobilmachung.
Ausgabe Nr. 1
DER KRIEGSBOTE
vom 22.7.1916,
Verlagsort Windhuk
unter Kontrolle der
südafrikanischen Besatzung.
Das Blatt erschien jeden
Dienstag, Donnerstag und Samstag.
Inhalt: Deutsche Übersetzungen
fremdsprachiger Publikationen.