UNIon - Europa-Universität Viadrina Frankfurt
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16<br />
Ein Hausbrand in Jena, zwei Selbstmorde in einem<br />
Wohnwagen – diese beiden Ereignisse<br />
brachten bundesdeutsche Ermittler im November<br />
2011 auf die Spuren eines rechtsextremen<br />
dreiköpfigen Terror-Trios, das in den vergangenen<br />
Jahren zahlreiche Menschen getötet hatte.<br />
Die Erkenntnis, dass die Gruppe unter dem Namen<br />
„Nationalsozialistischer Untergrund“<br />
(NSU) über zehn Jahre lang aus der Illegalität<br />
unerkannt morden konnte, erschütterte im<br />
Herbst 2011 die Republik.<br />
Vor diesem Hintergrund lud der Rechtsradikalismus-Experte<br />
und <strong>Viadrina</strong>-Politikwissenschaftler<br />
Prof. Dr. Michael Minkenberg (links im<br />
[<strong>UNIon</strong>]<br />
Podium) die Leiterin des Brandenburgischen<br />
Landesamtes für Verfassungsschutz, Winfriede<br />
Schreiber, und den Rechtsextremismus-Experten<br />
und Gründer von „EXIT Deutschland“,<br />
Bernd Wagner, zu einer Podiumsdiskussion an<br />
die <strong>Europa</strong>-<strong>Universität</strong> ein. Im gut gefüllten Senatssaal<br />
diskutierten sie am 12. Dezember<br />
2011 die Lage der deutschen radikalen Rechten<br />
zwischen Verbot, Verharmlosung und Verstaatlichung.<br />
Zum Einstieg gab Prof. Dr. Michael Minkenberg<br />
einen Überblick über die Stärke und Ausprägung<br />
der radikalen Rechten im europäischen<br />
Vergleich. Deutlich wurde dabei, dass eine Per-<br />
Tagungen<br />
Verfassungsschützerin und Politikwissenschaftler diskutierten<br />
nach der Aufdeckung des Rechtsterrorismus: „Gefahr von rechts?“<br />
FOTOS: HEIDE FEST<br />
spektive, die den Rechtsradikalismus lediglich<br />
in Parteiform in den Blick nimmt, soziale Bewegungen<br />
und kulturelle Milieus übersieht, obwohl<br />
diese in einigen Ländern – wie etwa<br />
Deutschland – einen wesentlichen, mitunter<br />
gefährlichen Teil der radikalen Rechten ausmachen.<br />
Wie soll man aber umgehen mit diesen unterschiedlichen<br />
Erscheinungsformen des Rechtsradikalismus?<br />
Verbote würden, so Minkenberg, die Szene nur<br />
stärker in Richtung subkultureller Milieus mit<br />
fluiden Strukturen treiben, die erheblich<br />
schwerer als offizielle Parteistrukturen zu beobachten<br />
und zu kontrollieren seien. Bernd<br />
Wagner, der bereits in der DDR als Kriminaloberrat<br />
den offiziell nicht vorhandenen Rechtsextremismus<br />
für die Staatsführung beobachtet<br />
hatte und im Jahr 2000 das Aussteigerprogramm<br />
„EXIT“ gründete, entgegnete, dass keine<br />
Verbote aber auch keine Lösung seien. Erste<br />
Untersuchungen zeigten doch, wie verwoben<br />
das dreiköpfige Terror-Trio nicht nur in Thüringen<br />
mit den Parteistrukturen der NPD gewesen<br />
sei. Es sei daher dringend notwendig, erneut<br />
ein Verbotsverfahren gegen die NPD einzuleiten.<br />
Ein ebensolches Verbotsverfahren sei aber<br />
doch, so Minkenberg, vor zwölf Jahren gescheitert<br />
– und zwar an der Durchdringung der NPD-<br />
Parteistrukturen mit V-Männern des Verfassungsschutzes.<br />
Statt eines Verbotes habe das<br />
Verfahren gezeigt, dass nicht mehr eindeutig<br />
zwischen dem Handeln der NPD und dem des<br />
Verfassungsschutzes unterschieden werden<br />
könne. Hier habe man, entgegnete die Leiterin<br />
des Brandenburgischen Landesamtes für Verfassungsschutz,<br />
Winfriede Schreiber, in den<br />
letzten Jahren Korrekturen vorgenommen. Ein<br />
völliger Verzicht auf staatliche Beobachtung<br />
durch V-Männer sei jedoch auch keine Lösung,<br />
sondern käme einer Verharmlosung der radikalen<br />
Rechten gleich. MICHAELA GRÜN