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Anthropology goes public! - Die Maske

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Unternehmen erst Ende der 1990er Jahre von globalen<br />

Werbekampagnen abgerückt. Heute bemüht man sich,<br />

Amerikanität herunterzuspielen.<br />

Nationalistische Abwehrreaktionen und<br />

Anti-Amerikanismus<br />

Coca-Colonialisierung wurde in Frankreich bereits Ende<br />

der 1940er Jahre als ein Kampfbegriff in antiamerikanischen<br />

Kreisen geprägt (Kuisel 1991). <strong>Die</strong> Expansion<br />

von Coca Cola erfolgte im Zweiten Weltkrieg und in der<br />

Nachkriegszeit, als das Getränk primär US-amerikanischen<br />

Soldaten zur Verfügung stand, und daher nicht<br />

von ungefähr zu einem nationalen Symbol US-Amerikas<br />

wurde (Pendergrast 1993). Auch in Österreich bildete<br />

sich eine ähnliche Allianz aus Kommunisten und lokalen<br />

Unternehmern, welche gegen das „braune Amerikawasser“<br />

mobil machte (Bandhauer-Schöffmann 1994). Es<br />

wurden irrationale Ängste geschürt, Coca Cola würde zu<br />

Sucht und Wahnsinn führen oder die Eingeweide zerfressen.<br />

Letztlich taten derlei Gerüchte der Faszination, die<br />

Coca Cola und alles Amerikanische in dieser Zeit auf<br />

Europäer ausübten, keinen Abbruch. Als Cokelore,<br />

populäre Erzählungen, wurde Widerstand ebenso zum<br />

Bestandteil des Marken-Mythos, und wird als kulturelles<br />

Erbe (Heritage) in die offizielle Präsentation des Unternehmens<br />

integriert.<br />

In der Zeit des Kalten Krieges wurde Coca Cola zum<br />

Symbol des Westens. Mit der „neuen Weltordnung“<br />

setzte sich erneut die alte Dichotomie Orient-Okzident<br />

durch. In Folge des Irak-Konfliktes wird Coca Cola neuerlich<br />

als ein Symbol des aggressiven Amerikanismus<br />

identifiziert und zu dessen Boykott aufgerufen. <strong>Die</strong> kritische<br />

Position der Cola-Getränke ist nichts Neues im<br />

Nahost-Konflikt. Das Worldwide Web trug wesentlich<br />

zur Beschleunigung der Ausbreitung der Cola-Mythen<br />

bei, sowie zu deren Beharrung. Zur Abschreckung wird<br />

gern behauptet, Coca Cola sei haram, weil es Alkohol,<br />

Schweinefett oder gar -blut enthalte.<br />

„Cola-Islamismus“<br />

Ein in semiotischer Hinsicht faszinierendes Beispiel ist<br />

die These, das Logo von Coca Cola enthalte eine versteckte<br />

antiislamische Botschaft: Man müsse den bekannten<br />

Schriftzug nur spiegelverkehrt betrachten, um ihn als<br />

arabische Schriftzeichen zu lesen. So könne der blaphemische<br />

Aufruf „Nein zu Mekka, nein zu Mohammed!“<br />

entlarvt werden. Coca Cola wird nicht nur als der<br />

Inbegriff der USA sondern als die heimtückische Inversion<br />

des Islam hingestellt. <strong>Die</strong>ser Vorwurf wurde zwar<br />

von islamischen Gelehrten als irrational zurückgewiesen<br />

(schließlich wurde das Design 1886 von einem Ameri-<br />

<strong>Die</strong> <strong>Maske</strong> – Zeitschrift für Kultur- und Sozialanthropologie<br />

kaner in Atlanta entwickelt), doch damit ist dem<br />

Vorurteil keineswegs beizukommen: Im Internet zirkuliert<br />

der Hinweis weiter und wird nach wie vor als<br />

einleuchtende Erkenntnis entdeckt.<br />

Das Neue an der Anti-Cola-Welle des Jahres 2003 aber<br />

bestand darin, dass nun nicht bloß ein Konsum-Boykott<br />

gefordert wurde, sondern gleichzeitig „islamische“<br />

Alternativprodukte auf den Markt gebracht wurden.<br />

<strong>Die</strong>s entspricht der in modernen Konsumgesellschaften<br />

verbreiteten Ideologie des kritischen Konsumenten,<br />

welcher durch seine Kaufentscheidung politische<br />

Zeichen setzt; was sich umgekehrt in der postmodernironischen<br />

Integration revolutionärer Ikonographie in<br />

das Warenangebot ausdrückt: „Aufgeklärter Konsum“<br />

ersetzt Boykott und Revolution. Identität definiert sich<br />

primär über Konsum. Genau dieser Logik entsprechen<br />

muslimische Unternehmer, welche islamische Cola-<br />

Sorten auf den Markt brachten. Der Slogan von Mecca<br />

Cola forderte auf: „Trinke nicht sinnlos, trinke bewusst!“<br />

Mecca Cola, Qibla Cola, Arab Cola, Muslim Up und Salam<br />

Cola drängten auf den Markt, so dass die Medien schon<br />

von einem Cola Jihad kündeten.<br />

Es muss betont werden, dass die realen Cola-Sorten<br />

jedoch Ausdruck von Modernisierung und einer<br />

„islamischen Renaissance“, nicht aber von „Fundamentalismus“<br />

sind (vgl. Ammann 2004). „Islamismus“ stellt<br />

sich in der modernen Welt zunehmend als eine<br />

ökonomische Alternative, als ein kulturspezifisches<br />

Konsumangebot dar. Darüber hinaus versprechen<br />

islamische Colas auch soziales Engagement, indem 10%<br />

des Verkaufspreises für palästinensische Kinder und<br />

weitere 10% für lokale muslimische Sozialinitiativen<br />

verwendet werden. Damit folgen die Unternehmer<br />

einem Ideal der islamischen Ökonomie, institutionalisiert<br />

in der Armensteuer Zakat. Allerdings führt<br />

Glokalisierung, das „Assimilationsstreben“ von Coca<br />

Cola gleichfalls zu dessen „Islamisierung“ im regionalen<br />

Kontext. In Pakistan leistet das Unternehmen eine<br />

Abgabe für Arme (was auch dem westlichen Wohlfahrtskapitalismus<br />

entspricht) und finanziert ausgewählten<br />

Mitarbeitern die Hajj. Kulturelle Konvergenz betrifft<br />

daher Prozesse der „Islamisierung“ ebenso wie Zeichen<br />

der „Verwestlichung“.<br />

Cola-Kulturtransfer, Mimesis und Alterität<br />

<strong>Die</strong> neuen islamischen Alternativen waren vorrangig<br />

Produkte der Diaspora, Mecca Cola wurde von einem in<br />

Tunesien geborenen französischen Unternehmer gegründet.<br />

Das britisch-asiatische Produkt heißt nach der<br />

Gebetsrichtung der Muslime Qibla Cola, die Gründerin<br />

wurde in England geboren, mit pakistanischem Hintergrund.<br />

Salon – Globalisierung<br />

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