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Anthropology goes public! - Die Maske

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Betrachtungen über Selbst- und Fremdzuschreibungen<br />

im österreichischen Fußballsport<br />

von NIKO REINBERG<br />

Wir und die Anderen<br />

Mentalitätskonstrukte im Männerfußball<br />

Mit seinen regional verschiedenen<br />

Spielweisen und den ebenso<br />

unterschiedlichen sportlichen Erfolgen<br />

einzelner Nationen bietet der<br />

Fußballsport ideale Vorrausetzungen<br />

für die Zuschreibung von Fremdem<br />

und Eigenem. In diesem Sinne ist der<br />

Fußballsport an der Entstehung<br />

bestimmter Bilder nationaler sowie<br />

regionaler kollektiver Identitäten<br />

beteiligt. Geht man allerdings nach<br />

den Spielregeln, so ist das<br />

Fußballspielen auf der ganzen Welt<br />

gleich. Trotzdem existieren<br />

verschiedene Stile und es treffen<br />

Menschen unterschiedlichster<br />

Herkunft, Sprache, sozialer Schicht<br />

und Hautfarbe in einem Team<br />

zusammen. Dabei werden Ansichten<br />

über die Menschen, mit denen oder<br />

gegen die gespielt wird, verfestigt,<br />

neu geformt oder revidiert. <strong>Die</strong><br />

vorliegende Kolumne beschäftigt sich<br />

mit eben diesen Ansichten und den<br />

damit verbundenen Erfahrungen von<br />

Männern, die, so wie der Autor selbst,<br />

in kleinen Vereinen Fußball spielen.<br />

„<strong>Die</strong> ausländischen Kinder turnen, uns’re<br />

österreichischen Kinder sitzen mit´m<br />

Fresspackl auf der Bank.“ (Zitat eines<br />

österreichischen Hobbyfußballers).<br />

22 Kolumne<br />

Im Zusammenhang mit dem argentinischen Fußball beschreibt<br />

der Sozialanthropologe Eduardo Archetti zwei große<br />

idealtypische Richtungen des Sportes. Zum einen den englischen<br />

Stil, der auf Attributen wie kollektive Disziplin, Mut und<br />

Willenskraft aufbaut, zum anderen einen criollo-Stil, der das<br />

Künstlerische und Improvisierende in den Vordergrund stellt. Der<br />

Autor beschreibt den argentinischen Fußball als eine Mischung dieser<br />

zwei Richtungen. <strong>Die</strong> Vermischung entstand laut Archetti durch die<br />

Hybridität der argentinischen Gesellschaft, die aus MigrantInnen aus<br />

Nord- und Südeuropa, indigener Bevölkerung und den Nachfahren<br />

ehemaliger SklavInnenen aus Schwarzafrika besteht. <strong>Die</strong> zwei von<br />

Archetti beschriebenen Richtungen sind, so meine ich, selbst auf<br />

lokaler Ebene die Grundlage vieler Fremd- und Eigenbilder im Fußball.<br />

Auf diese Bilder wird immer wieder Bezug genommen. In Analogie<br />

zu Archetti unterscheiden viele österreichische Hobbyfußballer<br />

zwei verschiedene Stile als entweder südländisch oder englisch.<br />

<strong>Die</strong> Gefahr der Verallgemeinerung und Stereotypisierung im Rahmen<br />

solcher dichotomen Zuschreibungen ist mir bewusst und ich weise an<br />

dieser Stelle darauf hin, dass Begriffe wie südländisch, jugoslawisch,<br />

türkisch, brasilianisch, österreichisch und englisch vor allem im<br />

Zusammenhang mit Mentalitätskonstrukten zumeist stark reduzierte<br />

Verallgemeinerungen und Rassismen darstellen. Trotzdem komme ich<br />

nicht umhin, mit diesen Begriffen zu arbeiten, denn sie sind ein<br />

essentieller Bestandteil der Diskurse um das Fußballspiel. Österreichisches<br />

wird im Fußball tendenziell als minderwertig angesehen.<br />

Grund dafür sind wohl die schwachen Leistungen österreichischer<br />

Vereine, mangelnde Begeisterung der Fans bzw. mangelnde Fans und<br />

die traurigen Darbietungen der Nationalmannschaft. Südländischer<br />

Fußball wird meist mit Ex-Jugoslawien, der Türkei, Afrika oder<br />

Brasilien in Zusammenhang gebracht.<br />

Im Rahmen eines Forschungsprojektes interviewte ich mehrere Spieler<br />

und Funktionäre des FC-Purkersdorf. <strong>Die</strong>se beschrieben den südländischen<br />

Spielertyp durchwegs als „temperamentvoller, technisch<br />

besser, heißsporniger“ aber auch als „ballgierig, schwer verspielt und<br />

eigensinnig“. Auffallend ist hier, dass positive Zuschreibungen als<br />

Komparativ und negative Zuschreibungen als für sich stehende Eigenschaftswörter<br />

genannt wurden. Ein Fußballer, der Türken und Spieler<br />

aus dem ehemaligen Jugoslawien als eigensinnig beschrieb, meinte,<br />

„die lassen sich nix dreinreden, das fehlt uns manchmal“, was die<br />

ambivalenten Interpretationsmöglichkeiten dieser Zuschreibungen<br />

illustriert.

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