Anthropology goes public! - Die Maske
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Ein Überblick zu Geschichte, Konzepten, Methoden und Feldern<br />
der Medienanthropologie<br />
von PHILIPP BUDKA<br />
Anthropologie der Medien<br />
Ein aktuelles Forschungsgebiet<br />
<strong>Die</strong> Anthropologie der Medien kann<br />
zu jenen Forschungszweigen der<br />
Kultur- und Sozialanthropologie<br />
(KSA) gezählt werden, die im 21.<br />
Jahrhundert massiv an Bedeutung<br />
und Relevanz gewonnen haben.<br />
Indikator für diesen Aufschwung ist<br />
die steigende Zahl an fachrelevanten<br />
Publikation, Veranstaltungen,<br />
Organisationen, Netzwerken sowie<br />
Studiengängen und -schwerpunkten.<br />
Motivation für die KSA, sich nun<br />
endlich auch an den interdisziplinär<br />
geführten medientheoretischen<br />
Debatten zu beteiligen, scheint die<br />
Ignoranz anderer Disziplinen<br />
gegenüber nicht-westlichen<br />
Medientechnologien und -nutzungen<br />
zu sein (vgl. Ginsburg et al.: 2002). <strong>Die</strong><br />
in der KSA übliche Einbeziehung<br />
einer kulturvergleichenden<br />
Dimension erscheint jedoch sinnvoll,<br />
um etwa Fragen nach der Produktion<br />
von individueller und kollektiver<br />
Identität, der Konstruktion von<br />
Gemeinschaften oder der<br />
Verschiebung von Machtverhältnissen<br />
im Kontext von Medien befriedigend<br />
beantworten zu können. So treten<br />
Kultur- und SozialanthropologInnen<br />
auch verbreiteten Tendenzen<br />
entgegen, Medien getrennt vom<br />
soziokulturellen Leben der Menschen<br />
zu behandeln (vgl. Askew: 2002).<br />
Abgesehen von einigen Ausnahmen, wie die<br />
ethnographische Untersuchung von Hortense<br />
Powdermaker zur Filmindustrie in Hollywood in den<br />
1940er Jahren oder den zeitgleichen Filmdokumentanalysen<br />
von Margaret Mead und Gregory Bateson, wurden<br />
Medien erst ab Ende der 1980er Jahre systematisch von einigen<br />
Kultur- und SozialanthropologInnen untersucht (Ginsburg et al. 2002).<br />
Da dies zumeist im Rahmen eines nicht medienspezifischen<br />
Feldforschungkontextes geschah, schrieb Spitulnik noch 1993 „there is<br />
yet no ‚anthropology of mass media‘“ (Spitulnik 1993: 293).<br />
<strong>Die</strong> Gründe für das Desinteresse vieler Kultur- und SozialanthropologInnen<br />
besonders an den Massenmedien lassen sich bis in<br />
die 1940er Jahre zurückverfolgen. Während des Zweiten Weltkrieges<br />
wurden, etwa von den in die USA emigrierten Vertretern der Frankfurter<br />
Schule Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, elektronischen<br />
Massenmedien vor allem gefährliche Eigenschaften, wie die<br />
„Totalisierung“ der Gesellschaft und die „Massifizierung“ des Individuums<br />
zugeschrieben (vgl. Dracklé 1999). <strong>Die</strong>se Annahme führte<br />
letztlich zu einem Kulturpessimismus, der sich erst durch den<br />
Wechsel des analytischen Fokus von der bloßen Wirkung von Medien<br />
auf deren Rezeption abschwächte. Eine entscheidende Rolle bei<br />
diesem Paradigmenwechsel spielten die Cultural Studies, die sich in<br />
den frühen 1970er Jahren in Großbritannien zu etablieren begannen.<br />
Theoretiker wie Marx, Gramsci und Althusser, die sich mit Macht,<br />
dominanten Ideologien und Strukturen befassten, beeinflussten<br />
Vertreter der Cultural Studies wie Stuart Hall und David Morley und<br />
trugen wesentlich dazu bei, dass die Menschen nicht mehr<br />
ausschließlich als passive MedienkonsumentInnen gesehen wurden,<br />
sondern vielmehr als aktive RezipientInnen, die die Medien und deren<br />
Botschaften mit unterschiedlichen Bedeutungen versehen und so auch<br />
in der Lage sind „Widerstand gegen dominante Ideologien“ zu leisten<br />
(Askew 2002, Dracklé 1999: 266). <strong>Die</strong>se optimistischere Darstellung<br />
vom sich frei entscheidenden Medienrezipienten wurde später, vor<br />
allem nach Einbeziehung von empirischem Forschungsmaterial,<br />
kritisiert, da sie den tatsächlichen Machtverhältnissen zwischen<br />
MedienproduzentInnen und -konsumentInnen zu wenig Bedeutung<br />
beimessen würde (vgl. Rojek 2003).<br />
Der Einfluss der „modernen“ Cultural Studies auf die KSA resultierte<br />
in einer verstärkten Beachtung von „Populärkulturen“ und deren<br />
Inhalten, wie eben Massenmedien, als Forschungsfelder (vgl. Dracklé<br />
1999). <strong>Die</strong> Gründe für das steigende Interesse der KSA an Medien<br />
können also mit einem Wechsel sowohl des theoretischen als auch des<br />
geographischen Fokus innerhalb der Disziplin erklärt werden. <strong>Die</strong><br />
Fachgebiet – Medienanthropologie<br />
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