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Männer-Gewalt gegen Frauen: gesellschaftlich, grenzenlos ...

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OLYMPE 12/00Jael BuenoDer 25. November in Lateinamerika: Tag <strong>gegen</strong><strong>Gewalt</strong> an <strong>Frauen</strong> und MädchenEin Blick in die Geschichte der Institutionalisierung von <strong>Gewalt</strong>«Die umgekehrte Welt oder die Erschütterung des Weltalls» («Pachakuti» in derKechua-Sprache), die die Völker in der Neuen Welt mit den europäischen Kolonialisierungen(1494) erlebten, zerstörte das Gleichgewicht der Beziehung zwischen derMutter Erde und den Menschen. Massaker und <strong>Gewalt</strong> beherrschten beharrlich denAlltag während Hunderten von Jahren. Erst um 1800 konnten die Völker Lateinamerikas und der Karibik die Kolonisatoren besiegen und neue Republiken gründen:nach langem Kampf und Widerstand nicht nur von <strong>Männer</strong>n, wie die offizielleGeschichte erzählt, sondern auch von <strong>Frauen</strong>. Sie besassen wichtige Informationen,sie konzipierten entscheidende Strategien und kämpften bis zum Tod. In dieser«umgekehrten Welt» verloren sie alles, sie hatten nicht einmal mehr den sozialenStatus von Personen.Auch in den neuen Republiken Lateinamerikas hatten <strong>Frauen</strong> keinen Platz. DieLänderverfassungen erkannten bis 1900 als Personen und Bürger nur diejenigen an,die Vermögen besassen, die männlich und weiss waren. Die Forderung nach demStimmrecht für <strong>Frauen</strong> bewirkte, dass <strong>Frauen</strong> in allen Ländern Lateinamerikas undder Karibik zwischen 1930 und 1960 dieses Recht zugestanden bekamen.Durch das Interesse der ehemaligen Metropolen an Gold, Zink, Kupfer, Zucker,Kaffee, Baumwolle usw. wurden die Ressourcen der neuen Republiken in industriellemAbbau ausgebeutet. Mit den neuen Arbeits- und Produktionsformen kamenauch SozialistInnen, MarxistInnen und AnarchistInnen nach Lateinamerika, um denInternationalismus zu fördern. Zwischen 1910 und 1940 entstanden in Bolivien, Argentinien,Chile, Brasilien und anderen Ländern anarchistische und sozialistischeGewerkschaften. 1In Bolivien waren die Hälfte der Mitglieder der «Befreiten Föderation» (FederacionLibertaria) <strong>Frauen</strong>, kleine Händlerinnen, Hausangestellte und Handwerkerinnen. Siegründeten ihren eigenen <strong>Frauen</strong>verband, die «Föderation der Arbeiterinnen»(Federacion Obrera Femenina). Die Grundsätze des <strong>Frauen</strong>verbandes waren gewerkschaftlicheAutonomie im Sinne der Unabhängigkeit von Staat, Parteien undStand, Rechte am Arbeitsplatz, 8-Stunden-Tag, der Kampf <strong>gegen</strong> soziale Diskriminierungund für die Gleichstellung von Genossinnen und Genossen innerhalb derGewerkschaft. Sie organisierten für alle <strong>Frauen</strong> Kurse zu Alphabetisierung, Lektüre,Maschinenschreiben, Redekunst. Viele Anarchistinnen wollten nicht heiraten. DieEhe bedeutete für sie eine patriarchale Institution des Kapitalismus. Sie fordertenhin<strong>gegen</strong> von ihren Partnern und ihren Genossen eine Übereinstimmung zwischen80 ihrem Diskurs und ihrer Praxis in der Öffentlichkeit und im Privatleben. In ihrenVersammlungen klagten sie über jene Genossen, die ihre <strong>Frauen</strong> nicht respektierten,und verlangten von ihrer Föderation eine Strafe für <strong>Männer</strong>, die <strong>Frauen</strong> und Kinderschlugen.Zum ersten Mal wurde von einer Organisation in der Öffentlichkeit über <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong>über<strong>Frauen</strong> in Gesellschaft und Privatleben gesprochen. Eine schöne Erfahrungeiner gemeinsamen Aktion von <strong>Frauen</strong> und <strong>Männer</strong>n <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong>!Von den 50er bis in die 70er Jahre begannen in Lateinamerika und in der Karibik dielangen und blutigen Befreiungskämpfe <strong>gegen</strong> die Diktaturen von Feuerland (Tierrade Fuego, Chile) bis zu den Krokodil-Inseln (Isla del Caiman, Kuba). <strong>Frauen</strong> warendaran aktiv beteiligt. Alle kämpften zusammen <strong>gegen</strong> Terror und Ausbeutung. Baldaber merkten die <strong>Frauen</strong>, dass ihre Teilnahme nicht die gleiche war wie die der<strong>Männer</strong>. Obwohl sie im Kampf die gleichen Aufgaben wie <strong>Männer</strong> erledigten,erhielten sie weniger Macht bezüglich Mitbestimmung und kaum Unterstützung fürdie Aufgaben im Alltag. <strong>Frauen</strong> sollten Kämpferinnen sein, aber auch Mütter,Ehefrauen, Töchter, die als solche all eine ihre Pflichten zu erfüllen hatten. Die<strong>Männer</strong> waren Kämpfer. Von den <strong>Frauen</strong> wurde nicht nur die Arbeitsteilungzwischen <strong>Frauen</strong> und <strong>Männer</strong>n hinterfragt, sondern auch die <strong>Gewalt</strong> innerhalb ihrerBeziehungen. Laut den Kämpfern lag die Antwort in der Auseinandersetzung selbst:Die <strong>Frauen</strong> sollten einfach warten, bis die Revolution durchgestanden sei. DieUngleichheit zwischen <strong>Frauen</strong> und <strong>Männer</strong>n, die <strong>Gewalt</strong> an <strong>Frauen</strong> und Mädchenseien Probleme, die mit dem Einzug der Demokratie automatisch eine Lösungfinden würden. Die Widersprüche zwischen Diskurs und Praxis hatten zur Folge,dass viele Aktivistinnen die Parteien und die Befreiungsbewegung verliessen. Sobegannen <strong>Frauen</strong> in den 70er Jahren sich selbst zu organisieren. Viele Bedürfnissezeigten sich jetzt. Zerstörte Dörfer und Quartiere mussten aufgebaut, Lebensmittelproduziert, Familienmitglieder gesucht, ihre Folterwunden geheilt werden, und vorallem durfte die Hoffnung und der Wille nicht aufgegeben werden, später in einerdemokratischen Gesellschaft ohne <strong>Gewalt</strong> zu leben.Das grösste Problem für die <strong>Frauen</strong> der Region ist bis heute die Institutionalisierungvon <strong>Gewalt</strong>, die in der Gesellschaft als einziges Mittel angesehen wird, um Konflikteim öffentlichen und im privaten Leben zu lösen. <strong>Gewalt</strong> in der Familie ist nichtunabhängig von struktureller <strong>Gewalt</strong> in der Ökonomie und in der Politik. Die <strong>Gewalt</strong>an <strong>Frauen</strong> und Kindern wird existieren, solange die Gesellschaft das erlaubt. Esbraucht eine gemeinsame Aktion, um <strong>Gewalt</strong> zu bekämpfen.Feministische Treffen und Aktionen <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong>Seit 1981 treffen sich Feministinnen aus Lateinamerika und aus der Karibik regelmässig2 , Beim ersten Treffen war das Thema <strong>Gewalt</strong> das wichtigste. Und so wurdebeschlossen, den 25. November als Tag <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong> an <strong>Frauen</strong> und Kindern zu deklarieren.In Brasilien entschieden sich die Teilnehmerinnen des dritten feministischenTreffens dazu, ein Netzwerk für die Fortpflanzungsrechte von <strong>Frauen</strong> aufzu- 81

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