Jael BuenoDie Schmetterlinge: die Schwestern MirabalSie waren drei Schwestern: Minerva, Maria Teresa y Patria Mirabal- drei <strong>Frauen</strong> <strong>gegen</strong>die Diktatur von Rafael Leonidas Trujillo in der Dominikanischen Republik. Sieaktivierten und organisierten die Widerstandsbewegung <strong>gegen</strong> die langjährige Diktatur.Ihre Kolleginnen in der Organisation nannten sie «Schmetterlinge», weil siekämpferischen Mut und Hoffnung vermittelten, Trost in traurigen Situationen. Sieerfanden Strategien, um den Terror der Diktatur zu beklagen. Trujillo erklärte sie zuFeindinnen der Regierung. So wurden sie verfolgt und eingesperrt. Das Volk und dieinternationale Kampagne für Menschenrechte der Dominikanischen Republik erreichtenihre Freilassung. Als sie kurze Zeit später, am 25. November 1960, jedochmit dem Auto von einem Besuch bei ihren Ehemännern im politischen Gefängniszurückkehrten, wurden sie von vier <strong>Männer</strong>n des militärischen Geheimdienstes(Servicio de Inteligencia Militar) festgehalten. Die drei Schwestern wurden brutalvergewaltigt und zu Tode geschlagen. Auch der Fahrer wurde ermordet. Am 26. Novemberfanden ihre KollegInnen ihre Leichen und nahmen sie mit zu ihrem Geburtsort«Ojo de Agua». Tausende von Leuten verabschiedeten sich dort von dendrei Schmetterlingen.Minerva, Maria Teresa y Patria Mirabal wollten Freiheit und Gerechtigkeit für ihrVolk. Nach diesen Mordtaten verstärkte sich der Widerstand des Volkes <strong>gegen</strong> diesoziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit in Form verschiedener Aktionen. Nurwenige Monate später wurde der Diktator Trujillo besiegt.Am ersten feministischen Treffen von Lateinamerika und der Karibik 1981 in Kolumbienschlugen dominikanische Feministinnen vor, den 25. November als Tag <strong>gegen</strong><strong>Gewalt</strong> an <strong>Frauen</strong> zu deklarieren, im Gedenken an die Schwestern Mirabal, diemit ihren Aktionen für soziale Gerechtigkeit, für die Rechte der <strong>Frauen</strong> und für dieDemokratie gekämpft hatten.Seitdem wurden an jedem 25. November in Lateinamerika Aktionen durchgeführt,um die <strong>Gewalt</strong> zu beklagen. Grosse Kundgebungen wurden organisiert, Petitionenund Vorschläge für Gesetze wurden vorgelegt, um die <strong>Gewalt</strong> als ein öffentlichesund soziales Vergehen anzuerkennen. Die Eröffnung von <strong>Frauen</strong>polizeistellen undanderen Beratungsstellen wurde initiiert. Die feministische <strong>Frauen</strong>bewegung erklärtedieses Datum zum Symbol für den Kampf <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong> an <strong>Frauen</strong> undMädchen. Am 3. November 1999 hat schliesslich die Generalversammlung der UNOaufgrund einer von 60 Regierungen unterstützten Petition der DominikanischenRepublik und der Unifern den 25. November zum Internationalen Tag für die Beendigungder <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> erklärt. Die feministischen Aktionen <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong>an <strong>Frauen</strong> und Mädchen, die am 25. November in verschiedenen Ländern rea-8 lisiert werden, sind mit dem UNO - Beschluss nun weltweit ratifiziert.Portugal: 8. März 2000 (Foto Felizarda Barradas) 9
OLYMPE 12/001020 JAHRE FRAUENHAUS - DIE TAGUNGMargrit BrücknerÜberlegungen zum jetzigen Stand der <strong>Frauen</strong>projektebewegungDie aus der <strong>Frauen</strong>bewegung hervorgegangenen Initiativen <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong> an <strong>Frauen</strong>und Mädchen sind im Laufe von wenigen Jahrzehnten zu einer der erfolgreichstensozialen Bewegungen im internationalen Massstab geworden. <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong><strong>Frauen</strong> und Mädchen ist zunächst in den USA, Australien und Westeuropa, heutezunehmend auch in Lateinamerika und anderen Teilen der Welt, zu einem öffentlichenThema geworden, dessen sich mittlerweile internationale Organisationen wieUNO und EU angenommen haben. Daher gilt es zunächst einmal festzuhalten, dasswir es mit einer unerhörten Erfolgsgeschichte im Verlauf von nur 25 Jahren zu tunhaben. Allerdings scheint es nicht gelungen, das <strong>gesellschaftlich</strong>e Ausmass der <strong>Gewalt</strong><strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> und Mädchen durch all diese Aktivitäten zu reduzieren, das istdie traurige Seite der Geschichte der Anti-<strong>Gewalt</strong>-Arbeit.Die Aufbruchphase der <strong>Frauen</strong>hausbewegung ist seit geraumer Zeit vorbei, <strong>Frauen</strong>häuserund Beratungsstellen haben sich trotz finanzieller Probleme (die sich möglicherweisenoch verschärfen werden) als Institutionen etabliert und müssen sich damitauseinandersetzen, welchen Platz im System sozialer Sicherung sie einnehmenwollen respektive zugewiesen bekommen. Wichtig scheint mir, den darin enthaltenenEntscheidungsspielraum wahrzunehmen und entsprechend zu nutzen.Immer deutlicher wird auch, dass <strong>Frauen</strong>häuser und Beratungsstellen lediglich einenTeil der notwendigen Arbeit im Anti-<strong>Gewalt</strong>-Bereich darstellen, je mehr sichbeispielsweise kommunale Interventionsprogramme, Täterarbeitsansätze und neueGesetze (Bleiberecht für <strong>Frauen</strong> und Kinder in der Wohnung) durchsetzen. DieseEntwicklung ist auf die wachsende <strong>gesellschaftlich</strong>e Sensibilisierung zurückzuführen,die die <strong>Frauen</strong>bewegung ausgelöst hat. Politisch umstritten ist zumindest inder BRD, ob darin ein Erfolg oder eine Gefahr zu sehen ist.Die Art der Nutzung insbesondere von <strong>Frauen</strong>häusern wandelt sich zunehmend:<strong>Frauen</strong> bleiben weniger lang, die Zahl von <strong>Frauen</strong> mit schweren Problemen nimmtzu, mehr <strong>Frauen</strong>, die früher in <strong>Frauen</strong>häuser gegangen wären, suchen heute eher Beratungsstellenauf oder verfügen über andere Hilfemöglichkeiten, manche Häusersind nicht ausgelastet, der Anteil der Migrantinnen wächst, da sie am wenigsten überandere Möglichkeiten verfügen. Dadurch ändern sich die Aufgaben und Arbeitsbedingungenin der <strong>Frauen</strong>hausarbeit recht grundlegend.Bedeutung der Gründungsideale und Prinzipien heuteViele der basisdemokratischen Gründungsideale und der Prinzipien solidarischerSelbsthilfe, Gleichheit und Betroffenheit aller <strong>Frauen</strong> sind längst über Bord geworfenworden, teils, weil sie aus beruflichen Gründen nicht länger gewollt sind, teilsweil sie sich als nicht praktikabel erwiesen haben. Aber haben sie dadurch ihre Gültigkeitverloren? Ich glaube eher nein, da sie bisher kaum durch neue Ideale undPrinzipien ersetzt wurden, die statt ihrer politisch offensiv vertreten würden. BarbaraHolland-Cunz (1995) spricht von einer «ethischen Leere», die sich in der <strong>Frauen</strong>bewegungergeben hat. Auch ich gehe davon aus, dass es wichtig ist, diese altenPrinzipien auf der Basis der seither gemachten Erfahrungen auf ihre heutigeRelevanz durchzugehen, sich von einem Teil zu verabschieden, einen Teilumzuschreiben und sicher auch neue Teile zu formulieren. Darin sehe ich dieChance, eine wichtige politische und berufspolitische Debatte zu eröffnen, die denzukünftigen Standort oder auch die Standorte der <strong>Frauen</strong>hausbewegung bestimmenkönnte und eine sichere Argumentationsbasis schaffen würde. Denn derzeit scheintdie <strong>Frauen</strong>hausbewegung aus sehr verständlichen Gründen - es geht auch umErhaltung ihrer Arbeitsplätze - häufig in der Projektsicherung befangen. Darin liegtein durch die Verberuflichung bedingtes konservatives Element, das abermöglicherweise ins <strong>gesellschaftlich</strong>e Abseits führt. Beratungsstellen und <strong>Frauen</strong>häuserwurden in Selbsthilfe gegründet und die notwendige finanzielle Unterstützungerkämpft (Brückner 1998). Die neu gegründeten Projekte hatten mit ihrenHilfeangeboten keineswegs eine Ergänzung zum sozialen System im Sinn, sondernverstanden sich als eine praktisch gewordene, prinzipielle Kritik an den <strong>gesellschaftlich</strong>enInstitutionen, die das Ausmass strukturell verankerter <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong><strong>Frauen</strong> und Mädchen weitestgehend ignorierten oder verleugneten. Die Projektewollten mit ihrer Arbeit das Ausmass von <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> in Partnerschaften -und später auch der sexuellen Ausbeutung von Mädchen, von Vergewaltigung und<strong>Frauen</strong>handel- öffentlich machen. Ziel der <strong>Frauen</strong>haus-bewegung war und ist nicht,die Gesellschaft mit einem Netz von <strong>Frauen</strong>häusern zu überziehen, sondern dieBeendigung von <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong>, indem physische, psychische und sexuelleVerfügungsmacht über <strong>Frauen</strong> und Mädchen nicht länger Teil unserer Geschlechterkulturist.Heute werden die professionalisierten <strong>Frauen</strong>häuser als Teil des sozialen Netzwerkesgesehen, und zwar sowohl von den <strong>Frauen</strong> als auch von den zuständigen Behörden.Darin liegt einerseits besonders in Zeiten des Abbaus unterstützender Massnahmeneine Überlebenschance, andererseits die Gefahr einer inhaltlichenVereinnahmung. Denn das Problem - <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> - wird durch die Existenzder Projekte und Einrichtungen auch «normalisiert», da <strong>Frauen</strong> und ihren Kindernjetzt Hilfemöglichkeiten offenstehen, die sie in Anspruch nehmen können. Dadurchentsteht auch eine neue Situation für die betroffenen <strong>Frauen</strong>, denen wiederverstärkt mit öffentlichem Unverständnis begegnet werden kann, wenn sie sich im- 11